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Biblische Gedanken

Tag für Tag Gedanken und Impulse zu biblischen Texten. 

Impuls für diesen Tag


29.November  1.Korinther 15, 31 - 34

 Täglich sehe ich dem Tod ins Auge, so wahr ihr, Brüder und Schwestern, mein Ruhm seid, den ich in Christus Jesus, unserem Herrn, habe. Wenn ich in Ephesus mit wilden Tieren nach Menschenart  gekämpft hätte, was würde es mir nützen? Wenn Tote nicht auferweckt werden, dann lasst uns essen und trinken; denn morgen sterben wir.  Lasst euch nicht irreführen! Schlechter Umgang verdirbt gute Sitten. Werdet nüchtern, wie es sich gehört, und sündigt nicht! Einige Leute wissen nichts von Gott; ich sage das, damit ihr euch schämt.

Wozu die ganze Anstrengung, wenn wir am Ende alle sterben und das wars dann? Paulus kämpft heftig um den Glauben an die Auferstehung - man spürt ihm ab, wie viel für ihn daran hängt.  Er wird sich bei all dem, was er als Botschafter Christi erleben musste, schon auch gefragt haben, ob es sich lohnt! "Lass es sein, Paulus. Was machst du dir das Leben schwer? Geh zurück nach Tarsus, heirate und werde wieder Zeltmacher. Du hast genug gearbeitet. Du weißt doch nicht sicher, ob es mehr gibt als dieses Leben, das du gerade verpasst." So ähnlich werden die dunklen Stimmen im Gefängnis zu ihm gesprochen haben. Nein, sagt er! Es gibt die Welt Gottes, es gibt das Leben bei Gott und das wird alles zeitliche Leiden nicht nur aufheben, sondern weit übertreffen. Von Leuten, die etwas anderes erzählen, will er Abstand halten.  Ändert sich etwas an deinen Zielen und Prioritäten, wenn du definitiv weißt, dass dieses Leben bei Gott dein neues Leben sein wird? 

28.November 1.Korinther 15, 19 - 25

Wenn wir allein für dieses Leben unsere Hoffnung auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen. Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen.  Da nämlich durch einen Menschen der Tod gekommen ist, kommt durch einen Menschen auch die Auferstehung der Toten. Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden. Es gibt aber eine bestimmte Reihenfolge: Erster ist Christus; dann folgen, wenn Christus kommt, alle, die zu ihm gehören. Danach kommt das Ende, wenn er jede Macht, Gewalt und Kraft entmachtet hat und seine Herrschaft Gott, dem Vater, übergibt. Denn er muss herrschen, bis Gott ihm alle Feinde unter seine Füße gelegt hat.

Die Auferstehung ist für Paulus der Beweis: Hier ist mehr geschehen als individuelle Sündenvergebung. Am Kreuz ist das Böse besiegt und der Tod hat keine Macht mehr.  Aber stimmt das denn? Was ist mit Kriegen und Streit, mit der Bosheit und dem Hass in dieser Welt? Sie sind doch nicht besiegt! Darum muss Christus wiederkommen - am Ende sind alle widergöttlichen Mächte vernichtet, sie haben keine Macht mehr.  Weil Jesus am Kreuz diese Liebe durchgehalten hat, ist es die Macht der Liebe, die die Macht des Bösen besiegt. Doch Paulus erfährt ja am eigenen Leib, dass wir da noch nicht sind. So bleibt uns die Hoffnung, dass am Ende selbst der Tod keine Macht mehr hat und die Vergänglichkeit, die seit Adam doch alles regiert, vorbei ist. Die Hoffnung auf meine Auferstehung ist untrennbar verbunden mit der Hoffnung auf die Erlösung der Welt - beides gehört zusammen. Was denkst du über das Ende der Welt? 

27.November 1Korinther 15, 12 - 18

Wenn aber verkündet wird, dass Christus von den Toten auferweckt worden ist, wie können dann einige von euch sagen: Eine Auferstehung der Toten gibt es nicht? Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, ist auch Christus nicht auferweckt worden.  Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer, leer auch euer Glaube.  Wir werden dann auch als falsche Zeugen Gottes entlarvt, weil wir im Widerspruch zu Gott das Zeugnis abgelegt haben: Er hat Christus auferweckt. Er hat ihn eben nicht auferweckt, wenn Tote nicht auferweckt werden.  Denn wenn Tote nicht auferweckt werden, ist auch Christus nicht auferweckt worden.  Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos und ihr seid immer noch in euren Sünden; und auch die in Christus Entschlafenen sind dann verloren.

Für Paulus bricht alles zusammen, wenn die Auferstehung Christi geleugnet wird. Offenbar hat es da Leute in der Gemeinde Korinth gegeben, die das taten. Für Paulus ist das Geschehen am Kreuz zentral. Christus ist für die Vergebung unserer Sünden gestorben. Das, was am Kreuz geschah, wird durch Gott selbst in der Auferstehung bestätigt. Wenn aber Tote nicht auferstehen, dann kann auch Jesus Christus nicht auferstanden sein und Gott hat die Erlösung nicht bestätigt. Da ist einfach ein Mensch an einem Kreuz gestorben wie so viele andere damals. Der Glaube, das Vertrauen auf ein ewiges Leben bei Gott, ist dann erledigt. Das heißt also: Die Hoffnung auf Auferstehung ist keine Ansichtssache, sondern zentral für unseren Glauben. Welche Hoffnung hast du, wenn du an dein Sterben denkst? Hast du ein Bild oder eine Vorstellung, was dich jenseits der Grenze des Lebens erwartet? Von welchen Bildern solltest du dich verabschieden? Welche Vorstellungen halten der Realität des Todes stand? 

26.November 1.Korinther 15, 1 - 11

 Ich erinnere euch, Brüder und Schwestern, an das Evangelium, das ich euch verkündet habe. Ihr habt es angenommen; es ist der Grund, auf dem ihr steht. Durch dieses Evangelium werdet ihr gerettet werden, wenn ihr festhaltet an dem Wort, das ich euch verkündet habe, es sei denn, ihr hättet den Glauben unüberlegt angenommen. Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift, und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas, dann den Zwölf. Danach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern zugleich; die meisten von ihnen sind noch am Leben, einige sind entschlafen. Danach erschien er dem Jakobus, dann allen Aposteln. Zuletzt erschien er auch mir, gleichsam der Missgeburt. Denn ich bin der Geringste von den Aposteln; ich bin nicht wert, Apostel genannt zu werden, weil ich die Kirche Gottes verfolgt habe. Doch durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin, und sein gnädiges Handeln an mir ist nicht ohne Wirkung geblieben. Mehr als sie alle habe ich mich abgemüht - nicht ich, sondern die Gnade Gottes zusammen mit mir. Ob nun ich verkünde oder die anderen: Das ist unsere Botschaft und das ist der Glaube, den ihr angenommen habt.
Warum schreibt Paulus das hier? Nun, im Brief der Korinther an ihn wird gestanden haben: "Bitte, Paulus, schrei be uns doch nochmal genau, ob das stimmt! Ob Jesus wirklich auferstanden ist. Hat das jemand gesehen?  Paulus versichert ihnen, dass viele ihn gesehen haben.  Die Korinther waren gar nicht so verschieden von uns - auch wir können uns das nicht so einfach vorstellen. Und auch uns versichert der Apostel: Ja, es stimmt! Dann spricht er seine eigene Stellung an: Der geringste aller Apostel!  Doch er kann sich auf Gottes Gnade berufen: Ich bin, was ich bin! Was immer wir in unserem Leben gebracht oder verbrochen haben, das steht unter der Gnade Gottes. Du kannst es für dich auch sagen: Ich bin was ich bin! Egal, ob du weit gekommen bist oder nicht, ob du deinen Weg gut gemacht hast oder irgendwo falsch abgebogen bist - du bist wie Paulus ein Mensch unter der Gnade Gottes - du bist was du bist und das ist ok so! 

25.November 1.Korinther 14, 34 - 40

Wie es in allen Gemeinden der Heiligen üblich ist, sollen die Frauen in den Versammlungen schweigen; es ist ihnen nicht gestattet zu reden: Sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt. Wenn sie etwas lernen wollen, dann sollen sie zu Hause ihre Männer fragen; denn es gehört sich nicht für eine Frau, in der Versammlung zu reden.  Ist etwa das Gotteswort von euch ausgegangen? Ist es etwa nur zu euch gekommen?  Wenn einer meint, Prophet zu sein oder geisterfüllt, soll er in dem, was ich euch schreibe, ein Gebot des Herrn erkennen. Wer das nicht erkennt, wird nicht erkannt.  Strebt also nach dem prophetischen Reden, meine Brüder, und verhindert nicht das Reden in Zungen!  Doch alles soll in Anstand und Ordnung geschehen.

Da haben wir nun ein Problem: Nach Kapitel 11 sind Frauen auch Prophetinnen und reden im Gottesdienst. Was nun? Zur Verteidigung des Apostels wird angeführt, dass er hier ein wort verwendet, das zeitweiliges Schweigen meint: "Haltet einfach mal die Klappe!"  Das scheint mir eine Ausflucht zu sein, denn wenn man 1.Timotheus 2 liest, weiß man, wie Paulus argumentiert. Er  bleibt in der Linie der damaligen jüdischen Synagogenordnung. Merkwürdig ist dabei, dass er eine ganze Reihe von Mitarbeiterinnen hat, auf die er nicht verzichten kann. Und er kann schreiben, dass in Christus grundsätzlich alle gleich sind. (Gal.3,28) So erleben wir hier einen Paulus, der in der Spannung zwischen Altem und Neuem, zwischen Synagoge und christlicher Hausgemeinde, zwischen jüdischer Tradition und der neuen Freiheit in Christus steht. Für ihn ist es ein gewaltiger Schritt, sich von Althergebrachten zu trennen - und das gelingt ihm nur teilweise. Vor allem da nicht, wo er Chaos fürchtet: Laute Frauen, Plappern im Gottesdienst, Unruhe statt Einkehr. Die Lehre daraus für uns: Welche Traditionen gilt es zu überdenken? Wo treibt uns die "Freiheit des Evangeliums" an, Altes zu verlassen? Was sollte Bestand haben, was ist "ein Gebot des Herrn", was  bloße Gewohnheit? Das müssen wir immer wieder entscheiden, denn wir leben in dieser Verantwortung. 

24.November 1.Korinther 14, 32 - 33

Die Äußerung prophetischer Eingebungen ist nämlich dem Willen der Propheten unterworfen.  Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern ein Gott des Friedens.

Oft wird ja hier falsch zitiert: "Gott ist ein Gott der Ordnung!"  Da, wo wir gemeinsam  beten, Worte weitergeben oder Eindrücke äußern, sol kein Chaos ausbrechen, das ist Paulus wichtig. Weil der Geist dem Willen untergeordnet ist, sind unkontrollierte ekstatische Ausbrüche nicht Zeichen besonderer Geistbegabung, sondern undiszipliniertes Verhalten. Das sollte so manche Selbstdarsteller stoppen. Andererseits ist eine starre Gottesdienstordnung unter einem "Gott der Ordnung" auch nicht Ausdruck geistlichen Lebens. Gott ist ein Gott des Friedens. Hier klingt das Wort "Schalom" an. In diesem Zusammenhang geht es um eine heile, versöhnte und friedensstiftende Gemeinschaft. Wie sieht dein Traum von Gemeinde aus? Was kannst du tun, um ihm näherzukommen? 

23. November 1.Korinther 14, 26 - 31

 Was soll also geschehen, Brüder und Schwestern? Wenn ihr zusammenkommt, trägt jeder etwas bei: einer einen Psalm, ein anderer eine Lehre, der dritte eine Offenbarung; einer redet in Zungen und ein anderer übersetzt es. Alles geschehe so, dass es aufbaut. Wenn man in Zungen reden will, so sollen es nur zwei tun, höchstens drei, und zwar einer nach dem anderen; dann soll einer übersetzen. Wenn aber niemand übersetzen kann, soll der Zungenredner in der Gemeinde schweigen. Er soll es bei sich selber tun und vor Gott. Auch zwei oder drei Propheten sollen zu Wort kommen; die anderen sollen urteilen. Wenn aber noch einem andern Anwesenden eine Offenbarung zuteilwird, soll der erste schweigen;  einer nach dem andern könnt ihr alle prophetisch reden. So lernen alle etwas und alle werden ermutigt.

Ist uns noch bewusst, welch revolutionäre Dinge hier stehen? "Jeder trägt etwas bei!"  Davon sind wir mit unseren predigtzentrierten "Ein-Personen-Gottesdiensten" weit entfernt. Das gilt auch für "charismatische" Gemeinden, die solche Geistesgaben praktizieren. Denn wo gibt es eine Praxis, in der "die anderen urteilen"? Wo darf man Dinge in Frage stellen, wenn jemand aufsteht und "So spricht der Herr" sagt? Würden doch die topcharismatischen Gemeinden sich nach Paulus richten!  Heute sind seine Anweisungen am ehesten in kleinen Kreisen, etwa Hauskreisen, praktikabel. Dort ist es möglich, aufeinander zu hören, Raum zu geben für innere Eindrücke, Worte und Prophetien. Und es ist möglich, darüber zu sprechen: War dieses Wort passend? hat es jemandem genutzt? War diese Prophetie klar oder hat sie eher Angst verbreitet? In solch reflektierter Weise sind Geistesgaben eine wirkliche Hilfe für das spirituelle Leben einer Gruppe. Lassen wir uns ermutigen, ihnen Raum zu geben! 

22.November 1.Korinther 14, 6 - 9

Was nützt es euch, Brüder und Schwestern, wenn ich zu euch komme und in Zungen rede, euch aber keine Offenbarung, keine Erkenntnis, keine Prophetie, keine Lehre bringe? Wenn leblose Musikinstrumente, eine Flöte oder eine Harfe, nicht deutlich unterschiedene Töne hervorbringen, wie soll man dann erkennen, was auf der Flöte oder was auf der Harfe gespielt wird? Und wenn die Trompete unklare Töne hervorbringt, wer wird dann zu den Waffen greifen?  So ist es auch mit euch, wenn ihr in Zungen redet, aber kein verständliches Wort hervorbringt. Wer soll dann das Gesprochene verstehen? Ihr redet nur in den Wind. 

Paulus sieht Geistesgaben hier ganz unter dem Aspekt des Nutzens für die Gemeinschaft. Charismatische Gaben sind eine gute Sache und für einen persönlich eine Bereicherung des geistlichen Lebens.  In der Gemeinde aber ist zu fragen, was davon die Menschen weiterbringt auf ihrem Glaubensweg. Das gilt für alle Gaben. Wenn der Organist für sich selbst spielt oder ein Prediger sich gerne reden hört, dann ist das ein Problem.  Wie lebe ich meine Gabe in der Gemeinde? Denke ich darüber nach, was andere weiterbringt, was sie brauchen, um Gott zu erfahren? Eine gute Gabe kann zur Selbstdarstellung verführen. Ein guter Prüfstein ist hier: Kann ich zurückstehen, auf meinen Auftritt verzichten, wenn andere mir sagen, dass es jetzt gerade nicht passt? 

21.November  1.Korither 14, 1 - 5

 Jagt der Liebe nach! Strebt aber auch nach den Geistesgaben, vor allem nach der prophetischen Rede! Denn wer in Zungen redet, redet nicht zu Menschen, sondern zu Gott; keiner versteht ihn: Im Geist redet er geheimnisvolle Dinge. Wer aber prophetisch redet, redet zu Menschen: Er baut auf, ermutigt, spendet Trost.  Wer in Zungen redet, erbaut sich selbst; wer aber prophetisch redet, baut die Gemeinde auf. Ich wünschte, ihr alle würdet in Zungen reden, weit mehr aber, ihr würdet prophetisch reden. Der Prophet steht höher als der, der in Zungen redet, es sei denn, er übersetzt sein Reden, damit die Gemeinde aufgebaut wird.

Unser Verhältnis zur Prophetie ist heute äußerst ambivalent. Das liegt an Erfahrungen mit Propheten und Prophetinnen, die völlig unkontrolliert Vorhersagen getroffen haben, die niemals eingetroffen sind. Dabei geht es Paulus um etwas ganz anderes als Vorhersagen: Die Menschen sollen ermutigt, auferbaut und getröstet werden. Zungenrede oder Sprachenrede ist ein Reden in einer dem Betenden unbekannten Sprache, es ist ein ekstatisches Phänomen, das dem Betenden hilft, wo er keine Worte findet. Gemeinden aber brauchen Prophetie. Sie brauchen Menschen, die Eindrücke von Gott her wiedergeben können. Leute, die in schwierigen Situationen darauf hinweisen können, was Gott tun wird. Wo sind unsere Propheten und Prophetinnen? Hast du diese Gabe? 

20.November 1.Korinther 13, 11 - 13
Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind und urteilte wie ein Kind. Als ich ein Mann wurde, legte ich ab, was Kind an mir war.  Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt ist mein Erkennen Stückwerk, dann aber werde ich durch und durch erkennen, so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin. Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei;  doch am größten unter ihnen ist die Liebe.

Warum wählt Paulus diesen Vergleich mit einem Kind?  Das Bild des Spiegels ist ja klar - bei der schlechten Qualität damaliger Spiegel konnte man nur verzerrte Bilder sehen. So sehen wir Gott und die Wirklichkeit des Himmels - nur in verzerrten Bildern.  Aber das Kind? Ich denke, Paulus wollte hier zugleich deutlich machen, dass man sich beim Praktizieren von Geistesgaben in eine Gefahr begibt: Man findet Gefallen daran, solche Erfahrungen zu machen und so die Gegenwart Gottes zu erspüren. Es gibt da eine Art der Betätigung, die Kinderkram ist, weil sie unmündig und sogar abhängig macht.  Beendet, was euch unmündig wie ein Kind macht! Ihr seid Erwachsene! Das, was zuletzt zählt, ist das Vertrauen auf Christus Jesus, die Hoffnung auf Erlösung und eben die Liebe. Sie ist deshalb am größten, weil sie ewig bleibt und in Gottes neuer Welt alles in allem ist. Das, was von dieser Welt bleibt, das gestalten die Liebenden. 

19. November 1.Korinther 13, 8 - 10
 Die Liebe hört niemals auf. Prophetisches Reden hat ein Ende,  Zungenrede verstummt, Erkenntnis vergeht. Denn Stückwerk ist unser Erkennen, Stückwerk unser prophetisches Reden; wenn aber das Vollendete kommt,  vergeht alles Stückwerk.
Sicherlich hat Paulus wenn er von dem "Vollendenten" spricht, nicht an seine eigenen Schriften oder der Kanon der Bibel gedacht wie manche meinen. Er hofft ja auf das nahe Ende und sagt: Wenn dieses Ende kommt, wenn Jesus wiederkommt, dann ist all das Vorläufige zu Ende. Dann sehen wir endlich das ganze Bild. Heute können wir mit ihm sagen:  Unsere Gotteserkenntnis ist bruchstückhaft, wir haben nur Teile des Handelns Gottes erfasst.  Wenn Propheten auftreten und große Dinge verkünden, gilt für sie das Gleiche: Ihre Aussagen sind momentane, stückwerkhafte Erkenntnisse.  All das vergeht.  Nur die Liebe bleibt! Das bedeutet auch: Alles muss sich an der Liebe messen lassen. Was heißt das für deinen Glauben, für das tägliche Leben? Liebe ist wichtiger als Erkenntnis! 

18.November 1.Korinther 13, 4 - 7
Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht,  sie prahlt nicht,  sie bläht sich nicht auf.  Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach.  Sie freut sich nicht über das Unrecht,  sondern freut sich an der Wahrheit.  Sie erträgt alles,  glaubt alles,  hofft alles,  hält allem stand. 
Die Agape, die göttliche Liebe, wie Paulus sie hier schildert, liegt offenbar außerhalb unserer menschlichen Möglichkeiten. Es soll uns hier nicht gesagt werden: Jetzt strengt euch mal an! Sondern: So sieht ein von der Liebe Gottes geprägtes Leben aus. Wenn ich mir überlege, an welchem Punkt dieser Aufzählung ich am meiste Mühe habe, dann kann ich meine leeren Hände Gott entgegenhalten und beten: Gott, fülle meinen Mangel aus. Indem ich mich der Liebe und Barmherzigkeit Jesu Christi aussetze, werde ich mehr und mehr verwandelt. Es ist diese Verwandlung, nicht mein frommes Bemühen, das die Liebe in mir wachsen lässt. Suche die Nähe Gottes, wenn du diese Liebe üben willst. 

17.November   1.Korinther 13, 3 
Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte und wenn ich meinen Leib opferte, um mich zu rühmen,  hätte aber die Liebe nicht,  nützte es mir nichts. 

Wie käme denn jemand dazu, solche Dinge ohne Liebe zu tun?  Nun aus dem Streben nach Ruhm und Anerkennung!  Das ist leider nicht selten so. Hier geht um unsere geheimen "Antreiber", um das, was uns zu besonderem Einsatz für andere treibt. Ist das wirklich Nächstenliebe? En guter Prüfstein für unsere Motivation ist die Situation, in der der Dank und die Anerkennung der von uns Beglückten ausbleibt. Wie reagiere ich dann? Oft schlägt die übermäßige Hilfs- und Opferbereitschaft dann in Bitterkeit um:  "Ich habe mich so um dich gekümmert, und du...!"  Dazu kommt, dass dieses "Kümmern" Menschen in Abhängigkeit hält, denn sie sind ja die Quelle meiner Bestätigung, die ich nicht verlieren will. Liebe sieht den Anderen und seine wahren Bedürfnisse, die anders sein können als seine momentane Hilfsbedürftigkeit.  Ich selbst muss immer wieder meine Motive überprüfen: Warum will ich helfen? Warum opfere ich Zeit und Kraft dafür?  

16.November 1.Korinther  12, 31 - 13, 2
 Strebt aber nach den höheren Gnadengaben! Dazu zeige ich euch einen überragenden Weg:
 Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht,  wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke. Und wenn ich prophetisch reden könnte  und alle Geheimnisse wüsste und alle Erkenntnis hätte;  wenn ich alle Glaubenskraft besäße  und Berge damit versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts.

Der erste Satz in Vers 31 kann auch so verstanden werden:  Strebt ihr nur nach den stärkeren Gaben ich aber zeige euch einen überlegenen Weg! Das heißt: Die Liebe ist das Wesentliche und sie ist der bessere Weg, Menschen mit Gott in Beziehung zu bringen als Krafttaten, Prophetien oder Heilungen. Charismatiker werden da protestieren: Da steht doch, dass die Liebe dabei sein soll!  Nein, die Liebe ist der überlegene Weg! Paulus will die Geistesgaben nicht abschaffen, er praktiziert sie ja selbst. Aber er weiß wohl um die  Unverfügbarkeit und Zweideutigkeit der Gaben, das "könnte" weist darauf hin. Er sagt: Selbst wenn das alles perfekt wäre, würde es euch ohne Liebe nichts nützen!  Die Liebe, an die Paulus hier denkt, ist die Wesensart Gottes, wer diese Liebe spürt, der spürt Gott. Du musst keine "stärkeren Gaben" haben, um deinem Nächsten in Liebe zu dienen. Lieben zu können, ist die stärkste Geistesgabe! 

15.November  1.Korinther 12, 26 - 30
Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit; wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle Glieder mit. Ihr aber seid der Leib Christi und jeder Einzelne ist ein Glied an ihm.  So hat Gott in der Kirche die einen erstens als Apostel eingesetzt, zweitens als Propheten, drittens als Lehrer; ferner verlieh er die Kraft, Machttaten zu wirken, sodann die Gaben, Krankheiten zu heilen, zu helfen, zu leiten, endlich die verschiedenen Arten von Zungenrede.  Sind etwa alle Apostel, alle Propheten, alle Lehrer? Haben alle die Kraft, Machttaten zu wirken? Besitzen alle die Gabe, Krankheiten zu heilen? Reden alle in Zungen? Können alle übersetzen?

Der vielleicht wichtigste Satz dieses Abschnitts: "Wenn ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit - wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle Glieder mit." Diese gegenseitige Empathie ist ein guter Gradmesser für eine Gemeinde. Wie schön, wenn es gelingt, sich gegenseitig wahrzunehmen!  Kümmert es uns, wenn jemand unter uns arbeitslos wird und darum seine Wohnung verliert? Wenn ein Geschäft in Konkurs geht und eine Familei vor dem Ruin steht? Oder umgekehrt: Wenn ein Mann eine wichtige Prüfung besteht und einen guten Posten bekommt - freuen wir uns mit und gratulieren? Wenn ein Paar nach langen Jahren endlich ein Kind bekommt - machen wir ein Fest? Manche mögen das für übertrieben halten -  aber genau das ist ein Ausdruck des Leibes, der Zusammengehörigkeit der geistlichen Familie.  Gibt es jemanden, der dir spontan einfällt, mit dem du dich freuen kannst - oder mit dem du trauern solltest? 

14. November  1.Korinther 12, 21 - 25
Das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich brauche dich nicht. Der Kopf wiederum kann nicht zu den Füßen sagen: Ich brauche euch nicht. Im Gegenteil, gerade die schwächer scheinenden Glieder des Leibes sind unentbehrlich. Denen, die wir für weniger edel ansehen, erweisen wir umso mehr Ehre und unseren weniger anständigen Gliedern begegnen wir mit umso mehr Anstand,  während die anständigen das nicht nötig haben. Gott aber hat den Leib so zusammengefügt, dass er dem benachteiligten Glied umso mehr Ehre zukommen ließ,  damit im Leib kein Zwiespalt entstehe, sondern alle Glieder einträchtig füreinander sorgen. 

"Ich brauche dich nicht!" - So offen geht es in unseren Gruppen und Kreisen nicht zu.  Aber es gibt oft eine geheime Agenda des "In-Seins", eine Art "innerer Zirkel" derer, die "Es" bringen, was immer dieses Es ist.  Paulus sagt hier, dass wir umso mehr auf die achten müssen, die uns als schwächer erscheinen. Gott gebraucht gerade die, mit denen wir nicht gerechnet haben. Wahrscheinlich sind dir schon Leute eingefallen, die in deiner Gemeinde oder Kirche nicht so "in" sind. "Dem benachteiligten Glied umso mehr Ehre", heißt es hier.  Was bedeutet das für das Miteinander mit denen, die wir am Rande sehen? Mit wem redest du vor allem? Wer wird eingeladen, wer nicht? Was könnten wir tun, um alle zu berücksichtigen?  Eine gute Einrichtung sind die "Tafelrunden", bei denen sich jeder und jede anmelden und mitmachen kann.  Ermutigen wir Menschen unter uns, sich zu trauen! 

13.November 1.Korinther 12, 15 - 20
Wenn der Fuß sagt: Ich bin keine Hand, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört er doch zum Leib. Und wenn das Ohr sagt: Ich bin kein Auge, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört es doch zum Leib.  Wenn der ganze Leib nur Auge wäre, wo bliebe dann das Gehör? Wenn er nur Gehör wäre, wo bliebe dann der Geruchssinn?  Nun aber hat Gott jedes einzelne Glied so in den Leib eingefügt, wie es seiner Absicht entsprach.  Wären alle zusammen nur ein Glied, wo bliebe dann der Leib?  So aber gibt es viele Glieder und doch nur einen Leib. 

Dieser  Vergleich enthält gleich zwei Aspekte. Zum einen gibt es Christen, die ihre Zugehörigkeit, ihren Wert für den Leib und ihren Platz im Leib nicht erkennen. Paulus sagt ihnen: Du gehörst zum Leib, daran kannst du als Getaufter nichts machen. Solche Gedanken kommen aus dem Vergleich mit anderen Gliedern des Leibes, die man als wertvoller erachtet. Daraus entspringt der zweite Gedanke: Wie sinnlos wäre es, wenn der ganze Leib Christi nur "einfältig" wäre. Welch grässliche Vorstellung, wenn alle Prediger wären! Wenn alle Diakone wären würde das auch nicht funktionieren. Gott hatte eine Absicht, dich mit bestimmten Gaben auszustatten und an deinen Platz zu setzen. Das heißt aber: Nimm deinen Platz an! In der Praxis der Gemeinde hast du darum die Aufgabe, deine Gaben zu erkennen und auszuleben. Das ist nicht so einfach wie es klingt. Darum brauchen wir einander, um uns auf unsere Gaben, nicht auf unsere leeren Plätze aufmerksam zu machen. 

12.November  1.Korinther 12, 12 - 14
 Denn wie der Leib einer ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: So ist es auch mit Christus. Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie; und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt. Auch der Leib besteht nicht nur aus einem Glied, sondern aus vielen Gliedern. 
Was Paulus uns hier vor Augen stellt, ist eine Gemeinschaft ohne Wenn und Aber.  Wir alle gehören zu dem einen Leib, der Christus ist. In dieser Zugehörigkeit gibt es keine Unterschiede, keine Rangordnungen  oder wichtigere und unwichtigere Glieder.  Alle gehören zum Leib.  Ja, manchmal stöhnen wir darüber, mit welchen Menschen wir da verbunden sind - bei manchen fällt es uns schwer, sie als genauso zugehörig zu sehen wie wir es sind. Oder wir erfahren selbst Ablehnung inmitten des Leibes. Der und die andere - sie gehören zum Leib Christi. Ich gehöre zum Leib Christi.  Damit das wirklich gelebt wird, brauchen wir eine Liebe, die unsere menschlichen Möglichkeiten übersteigt. Was uns verbindet, ist nicht Sympathie, sondern der Geist der Liebe durch Christus.  Die Verbundenheit mit anderen, die ich nicht mag, kann da entstehen, wo ich meine Gefühle der Antipathie und der Ablehnung vor Gott ausbreite: Herr, hilf mir, mich dieser Liebe zu öffnen und diesen Menschen als Glied am selben Leib zu sehen. 

11.November 1.Korinther 12, 8 -  11

Dem einen wird vom Geist die Gabe geschenkt, Weisheit mitzuteilen, dem anderen durch denselben Geist die Gabe, Erkenntnis zu vermitteln, einem anderen in demselben Geist Glaubenskraft, einem anderen - immer in dem einen Geist - die Gabe, Krankheiten zu heilen, einem anderen Kräfte, Machttaten zu wirken, einem anderen prophetisches Reden, einem anderen die Fähigkeit, die Geister zu unterscheiden, wieder einem anderen verschiedene Arten von Zungenrede, einem anderen schließlich die Gabe, sie zu übersetzen. Das alles bewirkt ein und derselbe Geist; einem jeden teilt er seine besondere Gabe zu, wie er will.

Immer in dem einen Geist! Paulus will Ordnung schaffen im Chaos des korinthischen Gottesdienstes. Ihm ist wichtig, dass Einzelne ihre Gabe erkennen. Es ist hier nicht klar, ob diese Gaben momentan, also in der Situation eines Gottesdienstes da sind, oder ob sie für immer zu den Einzelnen gehören. Ich denke die Praxis zeigt, dass bestimmte Menschen eine charakterliche Dispositin zu einer bestimmten Gabe haben. Deshalb kann man fragen: Welche Gabe zieht dich an, welche stößt dich eher ab? Worin hast du schon Erfahrungen gemacht und wie fühlte sich das für dich an? Bist eher ein "Mensch der Heilung" oder ein "Mensch der Erkenntnis"? Allerdings geht es nicht um die Erfüllung persönlicher Gabenwünsche, denn da steht: Wie der Geist will! So kommt es vor, dass jemand in einer Situation plötzlich eine Gabe entdeckt, mit der er oder sie nicht gerechnet hat.
Darum: Sei offen für solche Entdeckungen! Sie können im Gottesdienst, im Gebetskreis oder Hauskreis geschehen - oder im Gespräch mit jemandem. Etwa, indem sich dir ein Wort aufdrängt, dass du deinem Gegenüber mitteilst und das ihn trifft. Oder indem du dem Impuls nachgibst, für jemanden, der krank ist, zu beten und es stellt sich Gesundheit ein.  
10. November 1.Korinther 12, 4 - 7

Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen. Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt.

Die Korinther waren an besonderen geistlichen Fähigkeiten und Gaben interessiert. In der Gemeinde wurden Sprachengebet, Prophetie, Weissagungen und Vieles andere praktiziert. Die Sorge des Apostels ist, dass das alles auseinanderstrebt und jeder und jede seine Privatoffenbarung hochhält. So betont er die Einheit: Das alles kommt aus einer Quelle, aus Gott. Und das Kriterium für eine gute Praxis dieser Gaben ist nicht ihre Besonderheit oder die gewaltige Aussage, sondern der Nutzen für Andere. Ist das Glaube meines Nächsten dadurch gestärkt worden? Ist jemand getröstet und aufgerichtet worden? War die Zurechtweisung durch die Prophetie hilfreich oder zerstörerisch? Diese Kriterien gelten heute noch genauso – und sie gelten für alle Gaben, nicht nur für die „topcharismatischen“. Ich kann mit meinen Gaben Gutes bewirken – oder meine Mitchristen damit nerven, weil ich mich damit herausstelle und selbst verwirkliche. Dienst du mit deiner Gabe den Mitmenschen?

9.November 1.Korinther 12, 1 - 3

 Auch über die Gaben des Geistes möchte ich euch nicht in Unkenntnis lassen, meine Brüder und Schwestern.  Als ihr noch Heiden wart, zog es euch, wie ihr wisst, mit unwiderstehlicher Gewalt zu den stummen Götzen. Darum erkläre ich euch: Keiner, der aus dem Geist Gottes redet, sagt: Jesus sei verflucht! Und keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet.

Gerade heute, an diesem 9.November  ist das ein Text, der in die Zeit spricht.  In Korinth hat es vermutlich ekstatische Erfahrungen gegeben, die Menschen dazu brachten, alles Mögliche auszusprechen. Diese einfache Regel soll also zur Klärung solcher Phänomene dienen: Wo Jesus verflucht wird, kann der angebliche Geistträger nicht den Heiligen Geist haben. Für uns geht dieser Ratschlag aber noch weiter: Das Bekenntnis zu Jesus, wie ihn die Bibel bezeugt, ist entscheidend.  Hier ist natürlich kein Lippenbekenntnis gemeint, sondern die ernst zu nehmende  Entscheidung, Jesus als Herr zu bekennen und anzurufen. In der Barmer Erklärung 1934, im Kampf gegen die NS-Ideologie, wurde als Grundsatz formuliert:  Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.  Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen.  Mit Scham bekennt die Kirche heute: Wären wir diesen Worten gefolgt und hätten unsere Stimmen am 9.November 1938 als Christen im Namen Christi erhoben - wie anders wäre die deutsche und europäische Geschichte verlaufen. Was heißt es für uns heute, Jesus Christus zu gehorchen? 

8.November 1.Korinther 11, 29 - 34
Denn wer davon isst und trinkt, ohne den Leib zu unterscheiden, der zieht sich das Gericht zu, indem er isst und trinkt.  Deswegen sind unter euch viele schwach und krank und nicht wenige sind schon entschlafen.  Gingen wir mit uns selbst ins Gericht, dann würden wir nicht gerichtet. Doch wenn wir jetzt vom Herrn gerichtet werden, dann ist es eine Zurechtweisung, damit wir nicht zusammen mit der Welt verdammt werden. Wenn ihr also zum Mahl zusammenkommt, meine Brüder und Schwestern, wartet aufeinander. Wer Hunger hat, soll zu Hause essen; sonst wird euch die Zusammenkunft zum Gericht. Weitere Anordnungen werde ich treffen, wenn ich komme.

Das letzte Argument, das Paulus hier nennt, ist nicht ohne Probleme. Man darf es auf keinen Fall umdrehen:  Wer hier schwach und krank ist, der.....!  Was bleibt dann davon übrig? Wer das Abendmahl in der geschilderten Weise herabwürdigt, der zeigt damit, dass er oder sie die Botschaft Jesu nicht erfasst hat.  Solche Brüder und Schwestern leben in einem Bereich des Unheils, nicht des Heils. Hier fehlt auch in anderen Bereichen die Kraft und die Hoffnung auf Erlösung. "Richtet euch selbst" schreibt Paulus - und meint damit, seinen eigenen Lebensstil, sein Miteinander mit anderen Menschen genauer anzuschauen. Entspricht mein Leben der Liebe, die Christus verkündet hat? Achte ich auf den Menschen, der neben mir das Abendmahl nimmt? Ist er mir wichtig oder gleichgültig? Gibt es persönliche schwierige Lebenslagen, die du als Mahnung empfindest? Was könntest du verändern? 

7.November 1.Korinther 11, 23 - 8
Denn ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch dann überliefert habe: Jesus, der Herr, nahm in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und sagte: Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis!  Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sagte: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis!  Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt. Wer also unwürdig von dem Brot isst und aus dem Kelch des Herrn trinkt, macht sich schuldig am Leib und am Blut des Herrn.  Jeder soll sich selbst prüfen; erst dann soll er von dem Brot essen und aus dem Kelch trinken.

Wie oft habe ich diese Worte früher vor dem Abendmahl gehört! Manch einen hat dann der Mut verlassen und er hat das Abendmahl lieber nicht genommen! Er oder sie hielten sich für nicht würdig genug, nicht rein und sündlos genug.  Welch eine Textverfälschung!  Ganz klar geht es hier um die Praxis der Korinther, um ihr unsoziales Verhalten, ihr Prassen angesichts hungernder Geschwister.  Wir verkünden im Abendmahl den Tod des Herrn - seinen Tod für uns, der aus Liebe zu allen Menschen geschah. Unwürdig ist, wer sich dieser Botschaft der Liebe verweigert. Viele, die aus moralischen Gründen Andere ausgeschlossen haben, sind deshalb selbst unwürdig. Nochmals: Jeder und jede, der oder die die Botschaft Jesu leben will, auch wenn das nur ganz bruchstückhaft gelingt, ist würdig, am Abendmahl teilzunehmen. Jeder und jede, der oder die Menschen verachtet und ausgrenzt, ist unwürdig. Wenn du dich unwürdig fühlst, vor Gott zu treten: Warum? Wenn es sich um Schuld gegenüber Anderen handelt, kannst du sie ausräumen. Wenn es Schuld gegenüber Gott ist - er vergibt dir. Du bist würdig! 

6.November 1.Korinther 11, 17 - 22
Wenn ich schon Anweisungen gebe: Das kann ich nicht loben, dass ihr nicht zu eurem Nutzen, sondern zu eurem Schaden zusammenkommt  Zunächst höre ich, dass es Spaltungen unter euch gibt, wenn ihr als Gemeinde zusammenkommt; zum Teil glaube ich das auch.  Denn es muss Parteiungen geben unter euch, damit die Bewährten unter euch offenkundig werden.  Wenn ihr euch versammelt, ist das kein Essen des Herrenmahls;  denn jeder nimmt beim Essen sein eigenes Mahl vorweg und dann hungert der eine, während der andere betrunken ist. Könnt ihr denn nicht zu Hause essen und trinken? Oder verachtet ihr die Kirche Gottes? Wollt ihr jene demütigen, die nichts haben? Was soll ich dazu sagen? Soll ich euch etwa loben? In diesem Fall kann ich euch nicht loben.

Mit unverminderter schärfe fährt Paulus fort. Ist das Sarkasmus, wenn er sagt, es müsse ja Spaltungen geben? Nein, er ist sogar froh über Spaltungen - denn wie soll es anders sein, wenn es Leute gibt, die gegen das Evangelium handeln? Der Streit in Korinth zeigt doch wenigstens, dass Einige noch in der Spur sind und denen widersprechen, die das Evangelium nicht verstanden haben. Und er hat auch gleich ein Beispiel: Das Abendmahl.  Es wurde in den Gemeinden als Abendessen gefeiert, bei dem Wein und Brot in der bekannten Zeremonie das Mahl beschlossen. Die Korinther haben sich erst einmal richtig satt gegessen - jedenfalls die, die reich genug waren. Die einen hungern, die anderen sind betrunken! Das steht nun wirklich quer zu der Botschaft Jesu von der Seligkeit der Armen im Reich Gottes, das in der Gemeinde beginnt!  Wir sind nicht in dieser Gefahr,  wir haben das Mahl auf die Zeremonie beschränkt.  Aber sind wir damit nicht mehr betroffen? In welchen Bereichen würde uns Paulus heute rüffeln? "Ihr sitzt da mit euren reichlichen Gehältern in den Kirchenbänken und neben euch sitzt ein Bruder, eine Schwester, die sich fragen, wie sie das Monatsende überstehen und ob sie noch ihre Wohnung bezahlen können! Habt ihr kein Erbarmen?"  So etwas würde er sagen - oder Ähnliches, das wir uns leicht ausdenken können.  Was heißt "Evangelium leben" heute in der "Gemeinschaft der Heiligen" namens Kirche? 

5.November 1.Korinther 11, 7 - 16
Der Mann darf sein Haupt nicht verhüllen, weil er Bild und Abglanz Gottes ist; die Frau aber ist der Abglanz des Mannes.  Denn der Mann stammt nicht von der Frau, sondern die Frau vom Mann.  Der Mann wurde auch nicht für die Frau erschaffen, sondern die Frau für den Mann.  Deswegen soll die Frau Acht haben auf ihr Haupt um der Engel willen. Doch im Herrn gibt es weder die Frau ohne den Mann noch den Mann ohne die Frau. Denn wie die Frau vom Mann stammt, so kommt der Mann durch die Frau zur Welt; alles aber stammt von Gott.  Urteilt selber! Gehört es sich, dass eine Frau unverhüllt zu Gott betet? Lehrt euch nicht schon die Natur, dass es für den Mann eine Schande, für die Frau aber eine Ehre ist, lange Haare zu tragen? Denn der Frau ist das Haar als Hülle gegeben.  Wenn aber einer meint, er müsse darüber streiten: Wir und auch die Gemeinden Gottes kennen einen solchen Brauch nicht.

Lieber Paulus! Du argumentierst in deinem Brief mit der Schöpfungsgeschichte. Hast du denn völlig verdrängt, dass Mann und Frau Ebenbilder Gottes sind? Wie kann dann der Mann ein Abglanz Gottes ein, die Frau aber der Abglanz des Mannes? Beide sind doch unmittelbar zu Gott! Und wenn du die Engel als Argument nimmst, denkst du da an diese Geschichte mit den Göttersöhnen, die sich mit Frauen vereinen und Riesen zeugen? (1.Mose 6) Das wären nach deiner eigenen Auskunft Dämonen und die haben in der Versammlung der Christen keinen Raum. Du sagst es ja selbst: Beide sind nichts ohne den jeweils anderen. Die Natur lehrt uns gar nichts über Bedeckung des Kopfes oder lange oder kurze Haare. Nein, Paulus, bei dir ist es die Sitte, die du gelehrt worden bist. Am Ende sagst du es: Wir kennen solchen Brauch nicht! Ja, ihr im Osten kennt ihn nicht. Aber die Korintherinnen und erst die Römerinnen kennen ihn. Warum machst du eine kulturelle Eigenart oder die Sitte der Juden zur Norm?
Soweit zu Paulus. Gibt es etwas, das wir mitnehmen können? Vielleicht dies: Wir müssen das, was in den Gemeinden gilt, immer wieder reflektieren und anpassen. Da geht es um die Frage, wie das Evangelium am besten in die Gesellschaft hinein verkündet werden kann. Wir können starr an Normen festhalten, wie wir sie hier bei Paulus finden – dem Evangelium, der guten Nachricht, schaden wir damit. An welchen Normen hältst du fest? Warum? 

4.November 1.Korinther 11, 1 - 6
 Nehmt mich zum Vorbild, wie ich Christus zum Vorbild nehme!  Ich lobe euch, dass ihr in allem an mich denkt und an den Überlieferungen festhaltet, wie ich sie euch übergeben habe.  Ihr sollt aber wissen, dass Christus das Haupt eines jeden Mannes ist, der Mann aber das Haupt der Frau und Gott das Haupt Christi. Jeder Mann, der betet oder prophetisch redet und dabei sein Haupt bedeckt hat, entehrt sein Haupt.  Jede Frau aber, die betet oder prophetisch redet und dabei ihr Haupt nicht verhüllt, entehrt ihr Haupt. Sie unterscheidet sich dann in keiner Weise von einer Geschorenen. Denn wenn eine Frau sich nicht verhüllt, soll sie sich doch gleich scheren lassen. Ist es aber für eine Frau eine Schande, sich die Haare abschneiden oder sich kahl scheren zu lassen, dann soll sie sich auch verhüllen.

Es gibt unter uns Christen nicht Wenige, die von einer feststehenden und unveränderlichen "Schöpfungsordnung" ausgehen, die wir ohne zu fragen zu befolgen haben. Oft aber wissen sie nicht, was diese Ordnung alles regeln würde, würden sie sie tatsächlich so einhalten wie sie in der Bibel zu finden ist. Gibt es eine solche Ordnung? Für Paulus ist diese Ordnung gegeben und sie ist unhinterfragbar richtig. So hat er es durch seine Ausbildung zum Rabbi gelernt. Paulus ist nur dort revolutionär, wo es um den Anspruch Christi geht, um die Freiheit des Evangeliums gegenüber dem jüdischen Gesetz. Hier aber geht es ihm nicht um dieses Gesetz, sondern um Ordnungen. Der Mann ist das Haupt der Frau! "Sie hat ihren  Beruf daran, für ihren Mann zu leben und seine Freude, Ehre und Hilfe zu sein", schreibt Adolph Schlatter in seiner Auslegung im vorletzten Jahrhundert. Was fangen wir heute damit an? Offensichtlich nichts mehr. Immerhin: Frauen dürfen prophetisch reden!  Heute wissen wir: Ordnungen sind wandelbar. Das führt zu der Frage: Welche Ordnungen sind heute richtig? Der Maßstab der Ordnungen ist die Liebe. Das mögen nun manche für schwammig halten. Aber man kann es auch anders sagen: Was fördert die Menschen in ihrer Persönlichkeit? Was hilft ihnen dazu, freie, selbstbestimmte und charakterlich gefestigte Menschen zu werden?  Ordnungen sollen dazu dienen, "dass Christus in uns Gestalt gewinnt."  Welche dienen dazu?


3.November 1.Korinther 10, 23 - 33
Alles ist erlaubt - aber nicht alles nützt. Alles ist erlaubt - aber nicht alles baut auf.  Denkt dabei nicht an euch selbst, sondern an die anderen!  Alles, was auf dem Fleischmarkt verkauft wird, das esst, ohne aus Gewissensgründen nachzuforschen.  Denn dem Herrn gehört die Erde und was sie erfüllt.  Wenn ein Ungläubiger euch einlädt und ihr hingehen möchtet, dann esst, was euch vorgesetzt wird, ohne aus Gewissensgründen nachzuforschen!  Wenn euch aber jemand darauf hinweist: Das ist Opferfleisch!, dann esst nicht davon mit Rücksicht auf den, der euch aufmerksam gemacht hat, und auf das Gewissen;  ich meine aber nicht das eigene Gewissen, sondern das des anderen; denn warum soll meine Freiheit vom Gewissen eines anderen abhängig sein?  Wenn ich in Dankbarkeit mitesse, soll ich dann getadelt werden, dass ich etwas esse, wofür ich Dank sage? Ob ihr also esst oder trinkt oder etwas anderes tut: Tut alles zur Verherrlichung Gottes! Gebt weder Juden noch Griechen, noch der Kirche Gottes Anlass zu einem Vorwurf! Auch ich suche allen in allem entgegenzukommen; ich suche nicht meinen Nutzen, sondern den Nutzen aller, damit sie gerettet werden.

Dem Herrn gehört die Erde! Das, was Gott geschaffen hat, können wir dankbar genießen, sagt Paulus. Wenn euch jemand etwas vorsetzt, das aus den Tempeln stammen könnte, dann fragt einfach nicht nach.  Paulus weist damit jedes magische Verständnis ab.  Den Dingen haftet nichts an, das sie böse macht. Nur die Rücksicht auf das schwache Gewissen eines Anderen kann Paulus davon abhalten, Dinge zu genießen. aber er ist dagegen, sein eigenes Gewissen damit zu belasten. Seine eigene Freiheit wird nicht vom engen Gewissen des Gegenübers begrenzt. Allerdings: Wenn er immer darauf bedacht ist, keinen Anstoß zu erregen und sich keinen Vorwurf einzuhandeln, ist das eine ziemliche Einschränkung. Immer geht es Paulus um die Errettung der Menschen, denen er begegnet. Sie will er gewinnen und nimmt dafür Einschränkungen in Kauf. Allerdings vermittelt er so den Menschen, um die es ihm geht, ein enges  Bild von Christsein, denn sie werden ihn zum Vorbild nehmen. Es bleibt das Problem, wie wir die eigene Freiheit, Dinge zu tun angesichts der Enge anderer Christen leben können. Verletzungen sind unvermeidlich - aber darüber müssen wir dann ins Gespräch kommen. 

2.November 1.Korinther 10 14 - 22

 Darum, meine Lieben, flieht den Götzendienst! Ich rede doch zu verständigen Menschen; beurteilt ihr, was ich sage. Der Kelch des Segens, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? Denn ein Brot ist’s. So sind wir, die vielen, ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben. Seht an das Israel nach dem Fleisch! Welche die Opfer essen, stehen die nicht in der Gemeinschaft des Altars?  Was will ich nun damit sagen? Dass das Götzenopfer etwas sei? Oder dass der Götze etwas sei? Nein, sondern was man da opfert, das opfert man den Dämonen und nicht Gott. Ich will aber nicht, dass ihr mit den Dämonen Gemeinschaft habt. Ihr könnt nicht zugleich den Kelch des Herrn trinken und den Kelch der Dämonen; ihr könnt nicht zugleich am Tisch des Herrn teilhaben und am Tisch der Dämonen. Oder wollen wir des Herrn Eifersucht wecken? Sind wir stärker als er?

Für den Juden Paulus ist die Sache klar: Gott und die Götzen passen nicht zusammen. Im Abendmahl haben wir Gemeinschaft mit Christus. Wir sind der Leib Christi. Wie können wir uns da mit Göttern vereinen? Für Paulus stehen hinter dem Opferbetrieb in den griechischen Tempeln Dämonen, also widergöttliche Mächte. Was in diesen Kulten, in Festen und Orgien geschah, stand dem christlichen Leben diametral entgegen. Die Korinther sahen vielleicht kein Problem darin, beides zu tun: Abendmahlsfeiern und Opferfeste zu besuchen. Den Gedanken der Einverleibung des Gottes durch Essen gab es auch in den griechisch-römischen Religionen. Und wie sehen wir das heute? Wir sollten nicht der Gefahr erliegen, jede andere Religion mit Dämonen zu identifizieren. Vielmehr geht es um die Konkurrenz der Ansprüche auf unser Leben. Wer bestimmt, was ich lebe und welche Werte ich habe? Mit welchem Lebenskonzept mache ich mich eins? "Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon", sagt Jesus. Welchen Göttern opfere ich? 

1.November 1.Korinther 10, 7 - 13
Werdet nicht Götzendiener wie einige von ihnen; denn es steht in der Schrift: Das Volk setzte sich zum Essen und Trinken; dann standen sie auf, um sich zu vergnügen. Lasst uns nicht Unzucht treiben, wie einige von ihnen Unzucht trieben! Damals kamen an einem einzigen Tag dreiundzwanzigtausend Menschen um.  Lasst uns auch nicht Christus auf die Probe stellen, wie es einige von ihnen taten, die dann von Schlangen getötet wurden! Murrt auch nicht, wie einige von ihnen murrten; sie wurden vom Verderber umgebracht!  Das aber geschah an ihnen, damit es uns als Beispiel dient; uns zur Warnung wurde es aufgeschrieben, uns, die das Ende der Zeiten erreicht hat. Wer also zu stehen meint, der gebe Acht, dass er nicht fällt. Noch ist keine Versuchung über euch gekommen, die den Menschen überfordert. Gott ist treu; er wird nicht zulassen, dass ihr über eure Kraft hinaus versucht werdet. Er wird euch mit der Versuchung auch einen Ausweg schaffen, sodass ihr sie bestehen könnt.

Paulus lässt sich hier zu finsteren Drohungen hinreißen. Ist es wirklich die Drohung, die Menschen dazu bringt, Versuchungen zu widerstehen? Ich glaube nicht! Es ist der innere Entschluss, anders zu leben. Er gewinnt seine Kraft aus der Verbindung zu Christus. Wenn ich mir in der Versuchung bewusst mache, was mein Leben mit Jesus ausmacht, welches Erleben von Freude, Gemeinschaft und Sinnerfüllung das bedeutet, kann ich mich von anderen Dingen abwenden, die mir zur Versuchung werden. Allerdings warnt Paulus uns: Ihr habt keine Ahnung, wie stark eine Versuchung werden kann! Wir sollten uns also nicht allzu sicher sein, dass wir ganz souverän alles bewältigen.  Es scheint im letzten Satz sogar, als würde Gott die Versuchung schaffen, um uns zu prüfen. Er schafft einen Ausweg, den ich finden kann. Das könnte ein mir sehr bewusster Moment sein, an dem ich mich entscheide, nachzugeben oder auf dem Weg zu bleiben. Paulus denkt, dass jede Versuchung einen solchen Ausweg hat. Sonst wäre ich meinen Trieben und Begierden ja hilflos ausgeliefert. Aber so ist es nicht. Wo hast du erlebt, dass dich solch ein Ausweg bewahrt hat? 

31.Oktober 1.Korinther 10, 1 - 6
 Ihr sollt wissen, Brüder und Schwestern, dass unsere Väter alle unter der Wolke waren, alle durch das Meer zogen und alle auf Mose getauft wurden in der Wolke und im Meer.  Alle aßen auch die gleiche geistgeschenkte Speise und alle tranken den gleichen geistgeschenkten Trank; denn sie tranken aus dem geistgeschenkten Felsen, der mit ihnen zog. Und dieser Fels war Christus. Gott aber hatte an den meisten von ihnen kein Gefallen; denn er ließ sie in der Wüste umkommen. Das aber geschah als warnendes Beispiel für uns: damit wir uns nicht von der Gier nach dem Bösen beherrschen lassen, wie jene sich von der Gier beherrschen ließen. 

Schwer verständlich, nicht wahr? Paulus denkt hier an den Auszug der Israeliten aus Ägypten. Den Zug durch das Rote Meer setzt er mit der Taufe gleich. die geistgeschenkte Speise ist das Manna. Und Christus? Wieso ist er ein Fels, der mit ihnen zog?  Dieses Wort bezieht sich auf 5.Mose 32, wo es in Vers 15 heißt: "Ja, fett und voll und feist bist du geworden.  Er stieß den Gott, der ihn geformt hatte, von sich und hielt den Fels für dumm, der ihn gerettet hatte." Der Gott, der das Volk Israel auf seinem Weg beschützt hat, wird als Fels bezeichnet. Dieser Gott ist für Paulus Christus. Gott in Beziehung zu den Menschen, Gott, der mit den Israeliten zieht - das ist Christus. Was aber ist die Botschaft dieser Worte? Das Wörtchen "alle" kommt fünfmal vor.  Alle waren dabei, alle haben Gott erlebt.  Doch die meisten sind nicht angekommen.  Ihr Problem war Gier.  Das Problem der Korinther, sagt Paulus, sei "die Gier nach dem Bösen".  Er weiß, dass die Korinther in ihrer Stadt besonderen Versuchungen ausgesetzt sind. Orgien in den Tempeln, wilde Feiern mit wechselnden Partnern, Wein im Übermaß - all das ist dieses Böse, in dem man sich verlieren kann. "Wenn ihr euch dem hingebt, werdet ihr in einer geistlichen Wüste umkommen!"  Gibt es bei dir Versuchungen, die eine solche Gefahr darstellen? Dinge, die dir schaden und die du nur schwer loslassen kannst?  

30.Oktober 1Korinther 9, 24 - 27
Wisst ihr nicht, dass die Läufer im Stadion zwar alle laufen, aber dass nur einer den Siegespreis gewinnt? Lauft so, dass ihr ihn gewinnt!  Jeder Wettkämpfer lebt aber völlig enthaltsam; jene tun dies, um einen vergänglichen, wir aber, um einen unvergänglichen Siegeskranz zu gewinnen. Darum laufe ich wie einer, der nicht ziellos läuft, und kämpfe mit der Faust wie einer, der nicht in die Luft schlägt;  vielmehr züchtige und unterwerfe ich meinen Leib, damit ich nicht anderen verkünde und selbst verworfen werde.

Den Vergleich mit einem Wettkämpfer können wir heute noch gut nachvollziehen. Um Champion zu werden, muss man sein ganzes Leben diesem Ziel unterordnen, eine Diät einhalten, einem Trainingsplan folgen und sich Tag für Tag quälen. Aber stimmt dieser Vergleich? In einer Weise schon: Es geht dabei ja um die Ernsthaftigkeit der Nachfolge. Ein bisschen Christsein ist zu wenig. Nachfolge Jesu beansprucht das ganze Leben. Wer sie ernst nimmt, ist bereit, dafür auf andere Dinge zu verzichten und die Ziele der Herrschaft Gottes zu seinen Zielen zu machen. In einer anderen Weise aber stimmt der Vergleich nicht: Es geht dabei nicht um Annahme oder Verwerfung, es geht nicht um einen zu erringenden Siegespreis, der der Platz im Himmel ist. Dieser Siegespreis wird uns geschenkt, wir müssen ihn nicht gewinnen. Gerade weil das so ist, bedeutet christliches Leben, nicht dem Leib die Regie zu überlassen, nicht seinen Begierden und Bequemlichkeiten zu folgen. Sondern das zu tun,  was Jesus entspricht.  Hast du das, was dich auf dem Sofa halten will, unter Kontrolle?  

29.Oktober 1.Korinther 9, 18 - 23
 Was ist nun mein Lohn? Dass ich unentgeltlich verkünde und so das Evangelium bringe und keinen Gebrauch von meinem Anrecht aus dem Evangelium mache. Obwohl ich also von niemandem abhängig bin, habe ich mich für alle zum Sklaven gemacht, um möglichst viele zu gewinnen. Den Juden bin ich ein Jude geworden, um Juden zu gewinnen; denen, die unter dem Gesetz stehen, bin ich, obgleich ich nicht unter dem Gesetz stehe, einer unter dem Gesetz geworden, um die zu gewinnen, die unter dem Gesetz stehen. Den Gesetzlosen bin ich sozusagen ein Gesetzloser geworden - nicht als ein Gesetzloser vor Gott, sondern gebunden an das Gesetz Christi -, um die Gesetzlosen zu gewinnen.  Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, um die Schwachen zu gewinnen. Allen bin ich alles geworden, um auf jeden Fall einige zu retten. Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an seiner Verheißung teilzuhaben. 

Paulus brennt für die Verbreitung des Evangeliums. Sein ganzes Leben ist davon geprägt. Man könnte ja meinen, er passe sich eben an alle möglichen Leute an. Er weiß sich dabei aber an das Gesetz Christi gebunden - an das Gesetz der Liebe gegenüber allen Menschen. Wenn er sagt, er sei allen alles geworden, dann ist das ganz praktisch gemeint. Er geht zu diesen Menschen, hat mit ihnen Gemeinschaft und teilt ihr Leben. So funktioniert Mission! Wir leben oft in "Blasen", das heißt, in Kontakten, die seit Jahr und Tag bestehen. Wir bleiben in unserem Milieu. Wie wäre es, einmal darüber hinaus zu gehen? "Gehen" im ganz wörtlichen Sinne.  Zu Nachbarn, zu den Flüchtlingen im Container, zu der Frau im Altenheim, die früher hier wohnte.  Was oder wer fällt dir da ein? So beginnen Abenteuer! 

28.Oktober 1.Korinther 9, 13 - 17
Vielmehr ertragen wir alles, um dem Evangelium Christi kein Hindernis in den Weg zu legen. Wisst ihr nicht, dass alle, die im Heiligtum Dienst tun, vom Heiligtum leben und dass alle, die am Altar Dienst tun, vom Altar ihren Anteil erhalten?  So hat auch der Herr denen, die das Evangelium verkünden, geboten, vom Evangelium zu leben. Ich aber habe all das nicht in Anspruch genommen. Ich schreibe dies auch nicht, damit es in meinem Fall so geschieht. Lieber wollte ich sterben, als dass mir jemand diesen Ruhm entreißt. Wenn ich nämlich das Evangelium verkünde, gebührt mir deswegen kein Ruhm; denn ein Zwang liegt auf mir. Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!  Wäre es mein freier Entschluss, so erhielte ich Lohn. Wenn es mir aber nicht freisteht, so ist es ein Dienst, der mir anvertraut wurde.

Paulus nimmt nicht in Anspruch, was recht und billig ist. Er schreibt hier unter einem Zwang. auf gar keinen Fall will er Lohn für seine Dienste haben. Würde er das Evangelium nicht verkünden, würde er seinen Lebenssinn verfehlen. So hat er seine Nachfolge Christi von Anfang an erlebt: Er ist ergriffen worden, vom Pferd gerissen worden, ohne eine Wahl gehabt zu haben. Diesen Dienst hat er sich nicht ausgesucht. Aber ist das nicht immer so? Haben wir uns unsere Dienste, unser Engagement denn ausgesucht? Oft erscheint es uns so. Aber warum haben wir gewählt, zu predigen, Menschen zu helfen, die Kirche zu putzen oder sonst eine Tätigkeit auszuführen? Was hat uns im Innersten angetrieben? Wenn man tiefer darüber nachdenkt, kann man zu dem Schluss kommen: Ich hatte in Wirklichkeit keine Wahl - ich bin da hineingezogen worden. Und gerade dann, wenn ein Engagement schwer oder schwierig wird, kann es hilfreich sein, sich zu sagen: "Das habe ich mir nicht selbst eingebrockt, das ist Gottes Handeln gewesen und jetzt wird er mir helfen, das zu bewältigen." 

27.Oktober 1.Korinther 9, 6 - 12
 Haben nur ich und Barnabas kein Recht, nicht zu arbeiten?  Wer leistet denn Kriegsdienst und bezahlt sich selber den Sold? Wer pflanzt einen Weinberg und isst nicht von seinem Ertrag? Oder wer weidet eine Herde und trinkt nicht von der Milch der Herde?  Sage ich das nur als Mensch? Sagt das nicht auch das Gesetz?  Im Gesetz des Mose steht doch: Du sollst dem Ochsen beim Dreschen keinen Maulkorb anlegen. Liegt denn Gott etwas an den Ochsen?  Spricht er nicht allenthalben unseretwegen? Ja, unseretwegen wurde geschrieben: Der Pflüger wie der Drescher sollen ihre Arbeit in der Erwartung tun, ihren Teil zu erhalten. Wenn wir für euch die Geistesgaben gesät haben, ist es dann zu viel verlangt, wenn wir von euch die irdischen Gaben ernten?  Wenn andere an dem, was euch gehört, teilhaben dürfen, dann nicht wir erst recht? Aber wir haben von diesem Recht keinen Gebrauch gemacht.

Da scheint der Vorwurf im Raum zu stehen, Paulus habe sich in seinem Apostelamt bereichert. Das trifft ihn offenbar schwer. Hat er nicht alles eingesetzt und viel geopfert, um diese Gemeinde aufzubauen? Nein, es wäre sein gutes Recht gewesen, ein Gehalt zu beziehen, aber er hat darauf verzichtet. Vielleicht hat er schon im Voraus geahnt, dass solche Vorwürfe kommen werden. Die Heftigkeit der Verteidigung zeigt indes noch etwas anderes: Die Enttäuschung, wo einer großen Einsatz geleistet hat und dann trotzdem und zu Unrecht kritisiert wird. Darin liegt eine Gefahr für die, die sich so engagieren wie Paulus es tut. Wer sich in der Gemeinde oder in einem Projekt über die Maßen einbringt, muss wissen, dass er in der Gefahr steht,  enttäuscht zu werden. Denn alle Engagierten erwarten Anerkennung ihrer Leistungen. Was aber, wenn diese ausbleibt? 

26.Oktober 1.Korinther 9, 1 - 5
 Bin ich nicht frei? Bin ich nicht ein Apostel? Habe ich nicht Jesus, unseren Herrn, gesehen? Seid ihr nicht mein Werk im Herrn?  Wenn ich für andere kein Apostel bin, bin ich es doch für euch. Ihr seid ja im Herrn das Siegel meines Apostelamtes. Das aber ist meine Rechtfertigung vor denen, die abfällig über mich urteilen: Haben wir nicht das Recht, zu essen und zu trinken?  Haben wir nicht das Recht, eine Schwester im Glauben als Frau mitzunehmen, wie die übrigen Apostel und die Brüder des Herrn und wie Kephas?

Da gibt es also Leute in Korinth, die Paulus absprechen, Apostel zu sein.  Denn nach ihrem Verständnis kann nur Apostel sein, wer mit Jesus selbst unterwegs war. Paulus weicht hier nicht zurück, er verteidigt sich. Er beginnt, Dinge aufzuzählen, die sich die anderen Apostel leisten. Aber zunächst nennt er die Korinther als sein "Werk im Herrn", als das Siegel seines Apostolates. Und allein das ist schon bemerkenswert. Viele haben die Tendenz, voller Bescheidenheit ihre Werke herunterzuspielen. Aber das ist ein Fehler. Wir verachten damit das, was Gott in uns gelegt hat und was er durch uns bewirkt hat. Es ist schön und bewundernswert, wenn durch dich etwas Neues und Gutes in dieser Welt entstanden ist. Freue dich darüber und sei dankbar! Wie sagt Jesus: "So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen."  

25.Oktober 1.Korinther 8, 7 - 13
Aber nicht alle haben die Erkenntnis. Einige essen, weil sie bisher an die Götzen gewöhnt waren, das Fleisch noch als Götzenopferfleisch und so wird ihr schwaches Gewissen befleckt. Speise aber wird uns Gott nicht näherbringen. Wenn wir nicht essen, verlieren wir nichts, und wenn wir essen, gewinnen wir nichts.  Doch gebt Acht, dass diese eure Freiheit nicht den Schwachen zum Anstoß wird!  Wenn nämlich einer dich, der du Erkenntnis hast, im Götzentempel beim Mahl sieht, wird dann nicht sein Gewissen, da er schwach ist, verleitet, auch Götzenopferfleisch zu essen? Der Schwache geht an deiner Erkenntnis zugrunde, er, dein Bruder, für den Christus gestorben ist.  Wenn ihr euch auf diese Weise gegen eure Brüder versündigt und ihr schwaches Gewissen verletzt, versündigt ihr euch gegen Christus. Wenn darum eine Speise meinem Bruder zum Anstoß wird, will ich bis in Ewigkeit kein Fleisch mehr essen, um meinem Bruder keinen Anstoß zu geben.

Paulus ist einerseits die persönliche Freiheit wichtig - andererseits aber will er die Einheit der Gemeinde wahren. Der schwache Andere ist kostbar, weil er wie ich von Christus erlöst worden ist, weil er oder sie Bruder oder Schwester ist. Wenn meine Freiheit den Bruder, die Schwester dazu bringt, den Glauben zu verlieren, dann verzichtet Paulus lieber auf diese Freiheit. Da gibt es allerdings ein Problem. Wir haben das früher in einer Freikirche das "Diktat der Schwachen" genannt. Wenn nämlich alles, was andere nicht ertragen, mir verwehrt ist, dann ist es mit der Freiheit nicht weit her. So bleibt die Spannung, wie weit ich meine Freiheit auslebe. Vielleicht gibt da unser Text doch noch einen Hinweis. Götzenopferfleisch auf dem Markt zu kaufen ist eine Sache - in einem Tempel unter dem Götzenbild zu Tisch zu liegen und zu essen, eine andere. So kann man fragen: "Muss das wirklich sein?" Wie kann ich meine Freiheit gestalten, ohne den oder die andere zu sehr zu belasten?  Gibt es Dinge, in denen ich Freiheit habe, sie zu tun, von denen andere nichts wissen sollten? 

24.Oktober  1.Korinther 8, 4 - 6
Was nun das Essen von Götzenopferfleisch angeht, so wissen wir, dass es keine Götzen gibt in der Welt und keinen Gott außer dem einen.  Und selbst wenn es im Himmel oder auf der Erde sogenannte Götter gibt - und solche Götter und Herren gibt es viele -,  so haben doch wir nur einen Gott, den Vater. Von ihm stammt alles und wir leben auf ihn hin. Und einer ist der Herr: Jesus Christus. Durch ihn ist alles und wir sind durch ihn.
DAs war ein echtes Problem für die Korinther: Darf man das Fleisch der Opfertiere, das in den heidnischen Tempeln geschlachtet und dann auf dem Markt verkauft wurde, erwerben und essen? Oder verunreinigt man sich damit? Paulus geht diese Frage an, indem er erst einmal klarstellt: Es gibt keine Götzen! Wir glauben an den einen Gott, der unser Vater ist. Und zugleich ist alles durch Christus geschaffen. Wie das Verhältnis von Vater und Sohn, von Gott und Christus zu beschreiben ist, lässt er offen: Beide sind eins. Christus ist Gott, der Schöpfer in Aktion. Damit ist die Frage schon entschieden: Alles in der Schöpfung kommt von Gott durch Christus her und kann dankbar genossen werden. Die Korinther haben sich Sorgen über dämonische Einflüsse gemacht, die dem Fleisch möglicherweise anhaften und sie verderben. Doch ein solches magisches Verständnis weist der Apostel ab. Ihr könnt alles genießen, es kann euch nicht schaden! 

23.Oktober 1.Korinther 8, 1 - 3
Nun zur Frage des Götzenopferfleisches. Gewiss, wir alle haben Erkenntnis. Doch die Erkenntnis macht aufgeblasen, die Liebe dagegen baut auf.  Wenn einer meint, er sei zur Erkenntnis gelangt, hat er noch nicht so erkannt, wie man erkennen muss.  Wer aber Gott liebt, der ist von ihm erkannt worden.

Ehe sich Paulus einer weiteren Frage der Korinther zuwendet, schaltet er diese Worte vor. Warum? Weil er fürchtet, dass in Korinth Leute sind, die sich auf ihre Erkenntnis zu viel einbilden. Das Problem ist ja nicht die Erkenntnis an sich, sondern das, was meine Erkenntnis in mir bewirken kann. Wie muss man erkennen? Wohl in der Weise, in der mir klar ist, dass meine Erkenntnis Stückwerk ist. Sie erhebt mich nicht über andere, sie macht mich nicht wichtiger. Der Satz "Das habe ich jetzt als richtig erkannt" ist ein Spaltpilz der Gemeinde. Das Wichtigste ist die Liebe, die ich anderen entgegenbringe. Sie baut Beziehungen, Freundschaft und Verstehen des Anderen auf. Die Liebesbeziehung zu Gott führt zu einer tiefen Gemeinschaft mit Gott, zu einem "Erkennen" in dem das hebräische Wort erkennen anklingt: Wahres Erkennen trennt nie, sondern verbindet und vereint. 

22.Oktober 1.Korinther 7, 32 - 38
 Ich wünschte aber, ihr wäret ohne Sorgen. Der Unverheiratete sorgt sich um die Sache des Herrn; er will dem Herrn gefallen. Der Verheiratete sorgt sich um die Dinge der Welt; er will seiner Frau gefallen. So ist er geteilt. Die unverheiratete Frau aber und die Jungfrau sorgen sich um die Sache des Herrn, um heilig zu sein an Leib und Geist. Die Verheiratete sorgt sich um die Dinge der Welt; sie will ihrem Mann gefallen. Dies sage ich zu eurem Nutzen: nicht um euch eine Fessel anzulegen, vielmehr, damit ihr euch in rechter Weise und ungestört immer an den Herrn haltet. Wer sich gegenüber seiner Verlobten ungehörig zu verhalten glaubt, wenn sie herangereift ist und es so geschehen soll, der soll tun, wozu es ihn drängt, nämlich heiraten, er sündigt nicht. Wer aber in seinem Herzen fest bleibt, weil er sich in der Gewalt hat und seinem Trieb nicht ausgeliefert ist, wer also in seinem Herzen entschlossen ist, seine Verlobte unberührt zu lassen, der handelt gut. Wer seine Verlobte heiratet, handelt also gut; doch wer sie nicht heiratet, handelt besser.

"Sollen unsere jungen Leute überhaupt noch heiraten?" - so ähnlich werden die Korinther in ihrem  Brief an Paulus gefragt haben. Wie Paulus her antwortet, kann man als ziemlich katastrophal bezeichnen. Denn er überhöht den Stand der Unverheirateten ziemlich weit über den der Verheirateten. Eheleute wollen einander gefallen, sagt er, darum ist ihr Herz geteilt. Sie sorgen sich um die Dinge der Welt. Zuzugeben ist ja, dass Mann und Frau in der Ehe in ihren Entscheidungen nicht mehr so frei sind und die Sorge umeinander den radikalen Einsatz für die Sache Jesu beschränken kann. Aber es kann ja auch umgekehrt sein, wenn zwei an einem Strang ziehen und sich in der Verfolgung des Zieles einig sind. Warum kann der Junggeselle Paulus das nicht sehen? Warum muss er Unverheiratete für heiliger halten?  Hat sich der Mann, der heiratet, nicht in der Gewalt und ist seinem Trieb ausgeliefert?  Wie viele Menschen haben sich im Laufe der Kirchengeschichte deshalb kasteit, weil sie heiliger sein wollten als die Anderen?  Die Worte des Paulus macht eines jedenfalls deutlich: Wir haben Diskussionsbedarf - und wir Christen dürfen und sollen über solche Worte mit dem Apostel streiten.  Das Neue Testament ist kein neu erlassenes Gesetz, sondern ein Wort in eine bestimmte Situation. Wir dürfen es anders sehen. 

21.Oktober 1.Korinther 7, 25 - 31
 Was aber die Unverheirateten betrifft, so habe ich kein Gebot vom Herrn. Ich gebe euch nur einen Rat als einer, den der Herr durch sein Erbarmen vertrauenswürdig gemacht hat.  Ich meine, es ist gut wegen der bevorstehenden Not, ja, es ist gut für den Menschen, so zu sein.  Bist du an eine Frau gebunden, suche dich nicht zu lösen; bist du ohne Frau, dann suche keine! Heiratest du aber, so sündigst du nicht; und heiratet eine Jungfrau, sündigt auch sie nicht. Freilich werden solche Leute Bedrängnis erfahren in ihrem irdischen Dasein; ich aber möchte sie euch ersparen.  Denn ich sage euch, Brüder: Die Zeit ist kurz. Daher soll, wer eine Frau hat, sich in Zukunft so verhalten, als habe er keine,  wer weint, als weine er nicht, wer sich freut, als freue er sich nicht, wer kauft, als würde er nicht Eigentümer, wer sich die Welt zunutze macht, als nutze er sie nicht; denn die Gestalt dieser Welt vergeht. 

Keine Frau suchen? Aber Paulus! Das kann einen jungen Mann in große Verwirrung stürzen. Wieder ist die Begründung zu beachten: Es ist die kommende Not und die Kürze der Zeit. Wenn jemand schon in ein oder zwei Jahren das Ende der Welt erwartet, ist der Rat verständlich. Können wir den Text also getrost beiseitelegen? Ich denke nicht, denn unser Unverständnis resultiert aus unserer gesicherten Lebenslage. Wir sind nicht in dieser Bedrängnis, von der Paulus spricht. Ganz anders sieht das für Leute aus, die Verfolgung erleiden. Sie stehen in der Tat vor der schwierigen Entscheidung, ob sie ihre Familie in diese Auseinandersetzung mit hineinziehen wollen.  Wäre es für junge Leute in solcher Lage nicht besser, ledig zu bleiben? Paulus betont: Das ist kein Gebot - aber ihr solltet wissen, was ihr tut. Und er merkt an: Die Gestalt dieser Welt vergeht. Wieder führt er uns zu der Frage: Was ist wirklich wichtig? Wofür setze ich mein Leben ein? Beides sind Wege Gottes - Heiraten und Ledigsein. Ich kann entscheiden. 

20.Oktober 1.Korinther 7, 17 - 24
 Im Übrigen soll jeder so leben, wie der Herr es ihm zugemessen, wie Gottes Ruf ihn getroffen hat. Das ist meine Weisung für alle Gemeinden. Wenn einer als Beschnittener berufen wurde, soll er beschnitten bleiben. Wenn einer als Unbeschnittener berufen wurde, soll er sich nicht beschneiden lassen. Es kommt nicht darauf an, beschnitten oder unbeschnitten zu sein, sondern darauf, die Gebote Gottes zu halten.  Jeder soll in dem Stand bleiben, in dem ihn der Ruf Gottes getroffen hat. Wenn du als Sklave berufen wurdest, soll dich das nicht bedrücken; aber wenn du frei werden kannst, mach lieber Gebrauch davon!  Denn wer im Herrn als Sklave berufen wurde, ist Freigelassener des Herrn. Ebenso ist einer, der als Freier berufen wurde, Sklave Christi.  Um einen teuren Preis seid ihr erkauft worden. Macht euch nicht zu Sklaven von Menschen!  Brüder und Schwestern, jeder soll vor Gott in dem Stand bleiben, in dem ihn der Ruf Gottes getroffen hat.

Der junge Mann stand vor mir vor den Toren der Uni und versperrte mir den Weg. "Du willst ein Studium beginnen, du als Christ? Das ist nicht richtig!"  Er gehörte einer ziemlich extremen Gruppe an. Er konnte sich scheinbar auf Paulus berufen. Es gibt immer wieder Gruppen, die "für den Herrn" alles opfern, weil es doch allein auf die Mission ankommt. Doch Paulus spricht hier in eine Situation, die völlig anders ist als unsere. Zum einen geht es immer wieder um den Konflikt mit Judenchristen, die von den Unbeschnittenen die Beschneidung verlangten. Paulus verneint das - es ist unnötig. Zum anderen leben alle Christen dieser Zeit in der Erwartung der baldigen Wiederkunft Christi. Warum sollte man sich da noch um eine bessere Stellung bemühen? Heute gelten andere Prioritäten. Die Christen sollen in ihrer Gesellschaft Einfluss nehmen und verantwortliche Positionen besetzen. Das geht nur über entsprechende Bildungsgänge.  Doch auch hier bleibt eine Mahnung des Paulus übrig: Ihr seid teuer erkauft!  Wir leben für das Reich Gottes, nicht für eine Karriere! Warum will ich höherkommen?  Welche Rolle spielt mein Christsein in meinem Wunsch, mehr zu werden? Wird der absehbare zeitliche Aufwand für eine höhere Position mein Engagement in Kirche, Familie und Nachbarschaft abwürgen? Was hat Gott mir zugemessen?

19.Oktober 1.Korinther 7, 12 - 16
Den Übrigen sage ich, nicht der Herr: Wenn ein Bruder eine ungläubige Frau hat und sie willigt ein, weiter mit ihm zusammenzuleben, soll er sie nicht verstoßen. Auch wenn eine Frau einen ungläubigen Mann hat und er willigt ein, mit ihr zusammenzuleben, soll sie den Mann nicht verstoßen.  Denn der ungläubige Mann ist durch die Frau geheiligt und die ungläubige Frau ist durch den Bruder geheiligt. Sonst wären eure Kinder unrein; sie sind aber heilig.  Wenn aber der Ungläubige sich trennen will, soll er es tun. Der Bruder oder die Schwester ist in solchen Fällen nicht wie ein Sklave gebunden; zu einem Leben in Frieden hat Gott euch berufen. Woher weißt du denn, Frau, ob du den Mann retten kannst? Oder woher weißt du, Mann, ob du die Frau retten kannst?

Neben den einzelnen Regelungen enthält diese Anweisung des Paulus einen Gedanken, der Vieles entspannen kann:  Die ungläubigen Ehepartner sind "mitgeheiligt". Paulus denkt hier sehr vom Judentum her, in dem es oft um die Reinheit geht. Wenn der Partner oder die Partnerin durch die Ehe mit dabei ist, so können die missionarischen Bemühungen des gläubigen Teils in einer anderen Atmosphäre stattfinden, sie sollten entspannter sein. Die Heirat eines Christen mit einer Ungläubigen  oder umgekehrt schafft jedenfalls eine Menge Probleme. Der ungläubige Teil braucht viel Toleranz, um ertragen zu können, dass sich der gläubige Partner in der Gemeinde engagiert. Und der gläubige Teil muss ertragen, dass sein Partner etwas nicht teilt, das ihm selbst ungeheuer wichtig ist. Paare, die eine solche Bindung eingehen, müssen viel und offen miteinander reden! 

18.Oktober 1.Korinther 7, 8 - 11
 Den Unverheirateten und den Witwen sage ich: Es ist gut, wenn sie so bleiben wie ich. Wenn sie aber nicht enthaltsam leben können, sollen sie heiraten. Es ist nämlich besser zu heiraten, als sich in Begierde zu verzehren. Den Verheirateten gebiete nicht ich, sondern der Herr: Die Frau soll sich vom Mann nicht trennen  - wenn sie sich aber trennt, so bleibe sie unverheiratet oder versöhne sich wieder mit dem Mann - und der Mann darf die Frau nicht verstoßen. 
Wahrscheinlich haben die Korinther gefragt, was eine Frau tun soll, die Christin geworden ist, aber ihr Mann nicht. Soll oder muss sie sich von ihm trennen? "Nein", sagt Paulus. "Sie soll bei ihm bleiben."  Und der Mann als der rechtlich besser Gestellte darf seine Frau nicht einfach entlassen - immerhin.  Da die Ehe für Paulus unauflöslich ist, muss die Frau im Falle einer Trennung unverheiratet bleiben. Das ist ein hartes Schicksal und wir fragen uns heute, ob das so noch gilt. Der zweite Satz des Textes steht ja dagegen: Wer nicht enthaltsam leben kann, soll heiraten. Wer der Verfügung des Apostels folgt, die er ja als Verfügung Jesu sieht, hat nur einen Versuch. Scheitert er darin, ist das Thema Ehe damit erledigt. Wir fragen uns heute, ob das im Sinne Jesu ist. Das Leben schreibt oft andere Geschichten - weniger ideale, Scheitern, Zerbruch und Not gehören dazu. Sollte es zur Not nicht auch eine Lebens - Notverordnung geben? Hier muss jeder und jede seinen / ihren Weg finden! Es ist besser, in Verantwortung zu handeln als zähneknirschend zu gehorchen. 

17. Oktober 1.Korknther 7, 1 - 7
 Nun zu dem aber, was ihr geschrieben habt: Es ist gut für den Mann, keine Frau zu berühren. Wegen der Gefahr der Unzucht soll aber jeder seine Frau haben und jede soll ihren Mann haben.  Der Mann soll seine Pflicht gegenüber der Frau erfüllen und ebenso die Frau gegenüber dem Mann. Die Frau verfügt nicht über ihren Leib, sondern der Mann. Ebenso verfügt aber auch der Mann nicht über seinen Leib, sondern die Frau.  Entzieht euch einander nicht, außer im gegenseitigen Einverständnis und nur eine Zeit lang, um für das Gebet frei zu sein! Dann kommt wieder zusammen, damit euch der Satan nicht in Versuchung führt, weil ihr euch nicht enthalten könnt.  Das sage ich als Zugeständnis, nicht als Gebot. Ich wünschte, alle Menschen wären unverheiratet wie ich. Doch jeder hat seine eigene Gnadengabe von Gott, der eine so, der andere so.

Was haben die Korinther Paulus nur gefragt? Vermutlich, ob es besser und heiliger ist, sich keiner Frau zu nähern! Und der Apostel bejaht das! Welch merkwürdige Begründung lässt er dann folgen! Suche Frau zur Vermeidung von Unzucht!  Hier auch noch von Pflichterfüllung zu reden, kommt uns heute sehr seltsam vor. Doch ganz so schnell sollte man den Text nicht weglegen. Denn die gegenseitige "Verfügungsgewalt" ist ein wichtiger Hinweis für die Ehe. Sie schließt die absichtsvolle Gewährung oder Verweigerung von Sex nämlich aus. So etwas kommt in der Ehe durchaus vor, um Ansprüche durchzusetzen oder Konflikte auszufechten. Hinter den Gedanken des Apostels steht wiederum das Liebesgebot. Die Ehe und jede Form von Gemeinschaft ist keine Institution zur Befriedigung meiner Bedürfnisse, sondern des jeweils Anderen. Da mag man einwenden: "Und wenn nichts zurückkommt?"  Nun, die Regel gilt auch für mein Gegenüber und ich kann sie wie es hier Paulus tut, in Erinnerung bringen. Wenn wir gegenseitig auf unsere Bedürfnisse achten, wird Gemeinschaft zu einem wunderbaren Erlebnis. 

16.Oktober 1.Korinther 6 , 15 - 20
Wisst ihr nicht, dass eure Leiber Glieder Christi sind? Darf ich nun die Glieder Christi nehmen und zu Gliedern einer Dirne machen? Auf keinen Fall!  Oder wisst ihr nicht: Wer sich an eine Dirne bindet, ist ein Leib mit ihr? Denn es heißt: Die zwei werden ein Fleisch sein.  Wer sich dagegen an den Herrn bindet, ist ein Geist mit ihm. Meidet die Unzucht! Jede Sünde, die der Mensch tut, bleibt außerhalb des Leibes. Wer aber Unzucht treibt, versündigt sich gegen den eigenen Leib. Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt? Ihr gehört nicht euch selbst;  denn um einen teuren Preis seid ihr erkauft worden. Verherrlicht also Gott in eurem Leib!

O Paulus! Ist das nicht ein wenig heftig? Soll ein Bordellbesuch gleich wie eine Ehe beurteilt werden? Nun, Paulus sieht sich in Korinth einer Gesellschaft gegenüber, für die der Gang zu einer Hure nichts von Bedeutung ist. Mann macht das eben bisweilen. Wie kann er den Korinthern deutlich machen, dass es dabei um mehr geht als um ein "Geschäft"? Er greift auf die Schöpfungsgeschichte zurück, in der die sexuelle Vereinigung viel tiefer begriffen wird. "Ein Fleisch werden" bedeutet eine tiefe Gemeinschaft, ein Einswerden, das auch seelische Vorgänge umfasst. Gottes Geist beansprucht vom innersten Kern des Menschen her die Herrschaft auch über den Leib. Er ist das Gefäß des Geistes Gottes. Wird dieses Gefäß einem anderen Geist ausgesetzt, der ebenfalls die Herrschaft beansprucht, entsteht Chaos. Leib und Geist sollen, so Paulus, im Einklang stehen. Wir sind heute in unserer Gesellschaft wieder sehr "korinthisch" geworden. Wagt es die Kirche noch, hier so eindeutig Stellung zu beziehen - eingedenk der Tatsache, dass 90% der Frauen in Prostitution ihren "Job" nicht freiwillig machen? 

15.Okrtober 1.Korinther 6 12 - 14
Alles ist mir erlaubt - aber nicht alles nützt mir. Alles ist mir erlaubt - aber nichts soll Macht haben über mich. Die Speisen sind für den Bauch da und der Bauch für die Speisen; Gott wird beide vernichten. Der Leib ist aber nicht für die Unzucht da, sondern für den Herrn und der Herr für den Leib. Gott hat den Herrn auferweckt; er wird durch seine Macht auch uns auferwecken.

Der schöne und oft zitierte Satz "Alles ist mir erlaubt!" steht im Kapitel über Unzucht! Grundsätzlich gibt es also keine Verbote. Aber die Einschränkung kommt sofort: Nicht alles ist mir dienlich. Nichts soll Macht über mich gewinnen. Beim Essen ist die Sache für Paulus undramatisch. Es ist eine zeitliche Sache ohne Ewigkeitsbedeutung. Aber bei der "porneia", der Unzucht sieht er das ganz anders. Hier tritt die Sexualität in Konkurrenz zu Gottes Herrschaft in mir. Warum ausgerechnet hier? Hier geht es ja nicht nur um eine körperliche Funktion, sondern hier sind Leib und Geist beteiligt. In der Vereinigung werden zwei Menschen "ein Fleisch", sie gehen eine tiefe Verbindung ein.  Paulus hat die Orgien im heidnischen Korinth vor Augen, wenn er nun an die leibliche Auferstehung denkt. Im Wechsel der Sexualpartner wird der Leib beschädigt, der doch auferweckt werden soll. Nicht weil es irgendwie unmoralisch ist, soll der Mensch Unzucht meiden, sondern weil sie ihm schadet. Sie hindert ihn in der vollen Entfaltung seiner Person - bis in die Ewigkeit hinein. 

14.Oktober  1.Korinther 6, 7 -  11
 Ist es nicht überhaupt schon ein Versagen, dass ihr miteinander Prozesse führt? Warum leidet ihr nicht lieber Unrecht? Warum lasst ihr euch nicht lieber übervorteilen? Nein, ihr selber begeht Unrecht und übervorteilt, und zwar Brüder.  Wisst ihr denn nicht, dass Ungerechte das Reich Gottes nicht erben werden? Täuscht euch nicht! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, weder Ehebrecher noch Lustknaben, noch Knabenschänder,  noch Diebe, noch Habgierige, keine Trinker, keine Lästerer, keine Räuber werden das Reich Gottes erben.  Und solche gab es unter euch. Aber ihr seid reingewaschen, seid geheiligt, seid gerecht geworden im Namen Jesu Christi, des Herrn, und im Geist unseres Gottes.

Warum führen Christen miteinander Prozesse?  Warum verzichte ich nicht auf "mein Recht"?  Es ist Unglaube, der aus einer Angst entspringt.  Es ist die Angst, zu kurz zu kommen und nicht genug zu haben. Daraus nährt sich der Zweifel an Jesu Zusage an mich: "Du wirst volles Genüge haben!" wurzeln dieser Angst liegen oft in der Kindheit, in der das Kind um seinen Anteil kämpfen musste. Paulus fügt hier einen sogenannten "Lasterkatalog " an, wie er in antiken Texten zu finden ist. Klar ist: Es gibt Verhaltensweisen, die nicht zum Herrschaftsbereich Gottes passen. Wichtiger aber ist: Ihr seid reingewaschen, ihr seid heilig! Paulus ruft hier nicht dazu auf, sich anzustrengen, heilig - also gottgemäß - zu WERDEN, denn diese Heiligkeit ist Geschenk. Ihr SEID - dieses kleine Wort ist entscheidend. Darin klingt Jesu Wort auf: "Ihr seid Licht und Salz!" Wozu dann diese Lasteraufzählungen?  Mitten in der Versuchung, in alte Verhaltensweisen zurückzufallen, soll ich mir bewusst machen, wer ich bin und was ich leben will. Wie gehst du mit deinen Versuchungen um?  Oft sind es nur wenige Minuten, die ich zu überstehen habe, bis mir wieder einfällt, wer ich in Christus bin.

13.Oktober 1.Korinther 6, 1 - 6
 Wagt es einer von euch, der mit einem anderen einen Rechtsstreit hat, vor das Gericht der Ungerechten zu gehen, statt zu den Heiligen? Wisst ihr denn nicht, dass die Heiligen die Welt richten werden? Und wenn durch euch die Welt gerichtet wird, seid ihr dann nicht zuständig, einen Rechtsstreit über Kleinigkeiten zu schlichten?  Wisst ihr nicht, dass wir über Engel richten werden? Also erst recht über Alltägliches. Wie könnt ihr dann jene, die im Urteil der Gemeinde nichts gelten, als Richter einsetzen, wenn ihr einen Rechtsstreit über Alltägliches auszutragen habt?  Ich sage das, damit ihr euch schämt. Gibt es denn unter euch wirklich keinen, der über die Weisheit verfügt, zwischen Brüdern zu entscheiden? Stattdessen zieht ein Bruder den andern vor Gericht, und zwar vor Ungläubige.

Zwei Gläubige streiten sich vor einem weltlichen Gericht! Für Paulus ist das ein Unding. Wie sieht es da heute bei uns aus? Haben wir weise Mediatoren und Mediatorinnen, deren Urteil wir bereit sind anzunehmen? Oft ist es ja so, dass Streitfälle aus der Kirchengemeinde herausgehalten werden, weil sie zu privat sind und "niemand etwas angehen".  "Doch", sagt Paulus. "Das gehört zum Leben einer Gemeinde hinzu, dass wir Wege aus dem Streit finden, die im Sinne Jesu sind." Warum ist es so schlimm, ein weltliches Gericht zu bemühen?  Weil - so wurde oft argumentiert - in den Gemeinden eine höhere Art Gerechtigkeit herrscht, die besser als Gerichte auf die Einzelnen eingeht und barmherzig mit ihnen umgeht. Das hatte allerdings fatale Folgen, denn viele Missbrauchsfälle von Priestern und Pfarrern wurden darum "intern verhandelt".  Es ist heute Konsens, dass solche Kapitalverbrechen vor weltliche Gerichte gehören. Doch Paulus geht es  ja um "Alltägliches"  ist es wirklich nötig, wegen eines Kratzers am Auto vor Gericht zu ziehen? Oder den Diebstahl, den ein Jugendlicher in deinem Haus verübt hat, anzuzeigen? 

12.Oktober 1.Korinther 5, 6 - 13
 Zu Unrecht rühmt ihr euch. Wisst ihr nicht, dass ein wenig Sauerteig den ganzen Teig durchsäuert?  Schafft den alten Sauerteig weg, damit ihr neuer Teig seid! Ihr seid ja schon ungesäuertes Brot; denn als unser Paschalamm ist Christus geopfert worden.  Lasst uns also das Fest nicht mit dem alten Sauerteig feiern, nicht mit dem Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern mit den ungesäuerten Broten der Aufrichtigkeit und Wahrheit!  Ich habe euch in meinem Brief geschrieben, dass ihr nichts mit Unzüchtigen zu schaffen haben sollt. Gemeint waren damit nicht alle Unzüchtigen dieser Welt oder alle Habgierigen und Räuber und Götzendiener; sonst müsstet ihr ja aus der Welt auswandern. Nun aber habe ich euch geschrieben: Habt nichts zu schaffen mit einem, der sich Bruder nennt und dennoch Unzucht treibt, habgierig ist, Götzen verehrt, lästert, trinkt oder raubt; mit einem solchen Menschen sollt ihr auch keine Tischgemeinschaft haben. Was geht es mich denn an, die Außenstehenden zu richten? Habt ihr nicht die zu richten, die zu euch gehören? Die Außenstehenden wird Gott richten. Schafft den Übeltäter weg aus eurer Mitte!

Paulus hat schon einmal einen Brief an die Korinther geschrieben, den wir nicht kennen. Hier verwendet er das Bild vom Sauerteig. So wie in jüdischen Häusern am Tag der ungesäuerten Brote der alte Sauerteig überall entfernt wird, so soll ein Gemeindeglied, das in der Sünde verharrt, ausgeschlossen werden. Damit verfolgt Paulus das Ideal einer "reinen" Gemeinde. Wir wissen allerdings, wie schwierig das ist und wie dieses Ideal in sektenartigen Gemeinschaften zu Leid und Spaltungen führt. Andererseits müssen wir in christlichen Kirchen sicherlich auch Grenzen ziehen und uns von Leuten trennen, die völlig andere Lehren vertreten oder massiv ethische Grundsätze verletzen. Die Geschichte der Kirchen und Gemeinden im Dritten Reich sollte eine bleibende Mahnung sein, nicht alles unbesehen zu dulden. Welche Lehren oder Verhaltensweisen von die nahen Menschen sind für dich nicht tolerierbar? Bist du dir in deinen Urteilen sicher? Von wem hast du dich aus welchen Gründen getrennt? 

11.Oktober 1.Korinther 5, 1 - 5
 Allgemein hört man von Unzucht unter euch, und zwar von Unzucht, wie sie nicht einmal unter den Heiden vorkommt, dass nämlich einer mit der Frau seines Vaters lebt.  Und da macht ihr euch noch wichtig, statt traurig zu werden und den aus eurer Mitte zu stoßen, der so etwas getan hat.  Was mich angeht, so habe ich - leiblich zwar abwesend, geistig aber anwesend - mein Urteil über den, der sich so vergangen hat, schon jetzt gefällt, als ob ich persönlich anwesend wäre:  Im Namen Jesu, unseres Herrn, wollen wir uns versammeln, ihr und mein Geist, und zusammen mit der Kraft Jesu, unseres Herrn,  diesen Menschen dem Satan übergeben zum Verderben seines Fleisches, damit sein Geist am Tag des Herrn gerettet wird.

Meine Güte, was für ein Wort! Da wird also ein  Bruder der Gemeinde dem Satan überantwortet! Auf dieses Wort hat sich die Inquisition berufen. Sie meinte, ein gutes Werk zu tun, indem sie Ketzer und Hexen verbrannte, um das Fleisch zu verderben und ihre Seele zu retten! Nein, das hat Paulus damit nicht gewollt. Sondern: So wie er ihn selbst mit Christus verbunden hat, als er ihn getauft hat, so löst er ihn jetzt vor der - leider nur geistig - versammelten Gemeinde von Christus und stößt ihn so in die Welt hinaus. Ungeschützt und Satan ausgeliefert wird er seinen Weg ins Verderben gehen müssen. Doch merkwürdig: Am Ende steht die Errettung! Das heißt: Wer einmal zu Christus gehört, ist, was auch geschieht, mit ihm verbunden. Selbst wenn der Weg ins Dunkel führt, steht am Ende die Auferstehung. Das ist der Trost in diesem furchtbaren Wort. Und ganz nebenbei: Heutzutage darf man seine Stiefmutter heiraten - so sehr haben sich die Sitten gewandelt. Nochmals: Wenn du mit Christus verbunden bist, gehörst du zu ihm - und keine Tat kann das zerstören. 

10.Oktober 1.Korinther 4, 14 - 21

Nicht um euch zu beschämen, schreibe ich das, sondern um euch als meine geliebten Kinder zu ermahnen. Hättet ihr nämlich auch unzählige Erzieher in Christus, so doch nicht viele Väter. Denn in Christus Jesus habe ich euch durch das Evangelium gezeugt. Darum ermahne ich euch: Haltet euch an mein Vorbild! Deswegen habe ich Timotheus zu euch geschickt, mein geliebtes und treues Kind im Herrn. Er wird euch erinnern an meine Wege in Christus Jesus, wie ich sie überall in jeder Gemeinde lehre. In der Annahme, dass ich nicht selber zu euch komme, haben sich einige wichtig gemacht. Ich werde aber bald zu euch kommen, wenn der Herr will. Dann werde ich diese Wichtigtuer nicht auf ihre Worte prüfen, sondern auf ihre Kraft. Denn nicht in Worten erweist sich die Herrschaft Gottes, sondern in der Kraft. Was zieht ihr vor: Soll ich mit dem Stock zu euch kommen oder mit Liebe und im Geist der Sanftmut?

Es fehlen die Väter in Christus! Erzieher, Lehrer, Theologen mag es viele geben, aber wenig Väter. Denn gute Väter schützen ihre Kinder und sorgen dafür, dass sie wachsen und erwachsen werden. Und sie sind Vorbilder, denn sie leben vor, was christliches Leben bedeutet. Hast Du solche Vorbilder? Dann sie dankbar dafür!  Die angemaßten Führer in Korinth sind offenbar keine Väter der Gemeinde. Sie machen viele Worte, argumentieren wohl klug, aber sie haben keine Kraft. Was heißt das? Da geht es um die unmittelbare Erfahrung des Geistes Gottes und seine Dynamik. Haben diese Führer die Erfahrung des Geistes gemacht? Können sie wirkungsvoll beten? Werden Menschen innerlich bewegt, wenn sie predigen? Diese Fragen können wir auch heute noch stellen. Wir brauchen Menschen, von denen solche Kraft ausgeht! Sie geben uns Hoffnung auf eigene Veränderung und Wachstum. 

9.Oktober 1.Kornther 4, 9 - 13

Denn ich meine, Gott hat uns Apostel als die Allergeringsten hingestellt, wie zum Tode Verurteilte. Denn wir sind ein Schauspiel geworden der Welt und den Engeln und den Menschen. Wir sind Narren um Christi willen, ihr aber seid klug in Christus; wir schwach, ihr aber stark; ihr herrlich, wir aber verachtet. Bis auf diese Stunde leiden wir Hunger und Durst, sind nackt und werden geschlagen und haben keine sichere Stätte und mühen uns ab mit unsrer Hände Arbeit. Schmäht man uns, so segnen wir; verfolgt man uns, so dulden wir’s; verlästert man uns, so reden wir freundlich. Wir sind geworden wie der Abschaum der Menschheit, jedermanns Kehricht, bis heute.

Narren um Christi willen! Paulus schreibt sich angesichts einiger Korinther, die sich sehr wichtig vorkommen, seinen Frust von der Seele. Was hat er auf seinen Reisen alles eingesetzt, was hat er erlitten, welche Torturen hat er ausgehalten! Für seinen täglichen Unterhalt hat er selbst gesorgt. er lebt, was er von Jesus Christus erfahren hat. Da schmerzt es ganz besonders, wenn Leute aus den eigenen Reihen ganz anders leben. Pfarrern, Pastoren und Diakonen mag es oft ähnlich gehen, wenn sie erleben, wie ihre Mitarbeiter in Gemeinden alles nicht so wichtig nehmen und mal da und mal fort sind. Verbindlichkeit? Verantwortung für die gemeinsame Sache? Nun ja, wenns gerade passt....Verstehen wir, wenn Hauptamtliche müde werden oder gar irre an denen, die doch mit ihnen den Karren der Gemeinde ziehen sollten? Wie verlässlich bringst du dich ein? 

8.Oktober 1. Korinther 4, 6 - 8

Brüder und Schwestern, ich habe das auf mich und Apollos bezogen, und zwar euretwegen, damit ihr an uns lernt: Nicht über das hinaus, was in der Schrift steht, dass also keiner zugunsten des einen und zum Nachteil des andern sich wichtig machen darf.  Denn wer räumt dir einen Vorrang ein? Und was hast du, das du nicht empfangen hättest? Wenn du es aber empfangen hast, warum rühmst du dich, als hättest du es nicht empfangen?  Ihr seid schon satt, ihr seid schon reich geworden, ohne uns seid ihr zur Herrschaft gelangt. Wäret ihr doch nur zur Herrschaft gelangt! Dann könnten auch wir mit euch zusammen herrschen.

Was hast du, das du nicht empfangen hättest? Diese Frage richtet sich an Menschen, die nach Herrschaft streben und meinen, sie seien etwas Besonderes. Sie wähnen sich schon am Ziel und meinen, mit Christus zu herrschen. "Ja, wenn es doch so wäre!", ruft Paulus aus. "Dann würden wir alle miteinander herrschen!"  Sich bewusst zu machen, dass alles, was ich habe und bin, all meine Fähigkeiten und mein Können Geschenke sind, kann ernüchternd sein.  Nein, du bist nicht das, was du aus dir machst, sondern das, was du aus dir machen kannst, weil du alle Bausteine deines Lebens empfangen hast. Wer das erkennt, wird dankbar für die Chancen des Lebens und bildet sich nichts darauf ein, weiter gekommen zu sein als andere. Für selche Gaben deines Lebens kannst du dankbar sein? 

7.Oktober 1.Korinther 4, 1 - 5

So soll man uns betrachten: als Diener Christi und als Verwalter von Geheimnissen Gottes.
Von Verwaltern aber verlangt man, dass sie sich als treu erweisen.
Mir macht es allerdings gar nichts aus, wenn ihr oder ein menschliches Gericht über mich urteilt; ich urteile auch nicht über mich selbst. Ich bin mir zwar keiner Schuld bewusst, doch bin ich dadurch noch nicht gerecht gesprochen; der Herr ist es, der über mich urteilt. Richtet also nicht vor der Zeit; wartet, bis der Herr kommt, der das im Dunkeln Verborgene ans Licht bringen und die Absichten der Herzen aufdecken wird! Dann wird jeder sein Lob von Gott erhalten.

Was ist da vorgefallen? Es ist anzunehmen, dass Paulus angegriffen worden ist. Da gab es Leute in der Gemeinde Korinth, die ihm vorwarfen, mit unlauteren Absichten Mission zu betreiben. Vielleicht ist es die Petrus-Partei, die ihm vorwirft, mit seiner Heidenmission die Juden zu übervorteilen. Und ist nicht Petrus, der Jünger Jesu, der doch bei allem dabei war, nicht viel kompetenter als dieser ehemalige Christenverfolger? Es muss Paulus sehr weh getan haben, aus seiner eigenen Gemeinde Vorwürfe und Verdächtigungen zu hören. Was ist da zu tun? "Wartet", bittet Paulus die Gemeinde. "Wartet, bis der Herr Licht hineinbringt, bis die Motive - meine und eure - ans Licht kommen."  Er hätte anders reagieren können. Etwa, indem er seine Gegner zurechtweist: "Wer seid ihr denn? Ich habe diese Gemeinde gegründet, ich habe euch die Rettung gebracht, ohne mich wäret ihr doch gar nicht dabei!" Doch Paulus weist nicht auf sich, sondern auf Gott. Er traut ihm zu, ein gerechter Richter zu sein und unterstellt sich selbst seinem Urteil. Wie verhältst du dich in Streitsituationen in der Kirche oder auch zuhause? Kannst du auf Gott vertrauen, dass die Wahrheit ans Licht kommt? Und bist du bereit, auch unangenehme Erkenntnisse über deine Motive zu akzeptieren? 

6.Oktober 1.Korinther 3, 16 - 22

Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Wer den Tempel Gottes zerstört, den wird Gott zerstören. Denn Gottes Tempel ist heilig und der seid ihr.
Keiner täusche sich selbst. Wenn einer unter euch meint, er sei weise in dieser Welt, dann werde er töricht, um weise zu werden. Denn die Weisheit dieser Welt ist Torheit vor Gott. In der Schrift steht nämlich: Er fängt die Weisen in ihrer eigenen List. Und an einer anderen Stelle: Der Herr kennt die Gedanken der Weisen; er weiß, sie sind nichtig. Daher soll sich niemand eines Menschen rühmen. Denn alles gehört euch; Paulus, Apollos, Kephas, Welt, Leben, Tod, Gegenwart und Zukunft: Alles gehört euch; ihr aber gehört Christus und Christus gehört Gott.

Leidenschaftlich kämpft Paulus für den Erhalt seiner Gemeinde! "Ihr" bezieht sich auf die Gemeinde - sie ist Gottes Tempel. Gott wird nicht zulassen, dass sein Projekt in dieser Welt zerstört wird. Töricht sind hier die, die bestimmten Menschen anhängen und ihre Parteigänger sind. Nein, es gibt keine Parteien in der Gemeinde. In Christus sind alle gleich, niemandem ist der Vorzug zu geben. Ihr gehört Christus! Die Bindung an Jesus Christus hebt alle anderen Bindungen auf. Darin liegt eine ungeheure Freiheit. Denn die Bindung an Menschen bedeutet Unfreiheit, weil ich diesen Menschen folge und folgen muss. Die Bindung an Jesus führt mich zum eigentlichen Sinn und Zweck meines Lebens. Sie befreit mich von menschlichen Ansichten und Meinungen und bringt mich in Übereinstimmung mit meinem innersten Wollen.  Bist du an Jesus gebunden oder an Menschen? 

5.Oktober 1.Korinther 3, 9 - 15
Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld, Gottes Bau. Der Gnade Gottes entsprechend, die mir geschenkt wurde, habe ich wie ein weiser Baumeister den Grund gelegt; ein anderer baut darauf weiter. Aber jeder soll darauf achten, wie er weiterbaut. Denn einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus. Ob aber jemand auf dem Grund mit Gold, Silber, kostbaren Steinen, mit Holz, Heu oder Stroh weiterbaut: Das Werk eines jeden wird offenbar werden; denn der Tag wird es sichtbar machen, weil er sich mit Feuer offenbart. Und wie das Werk eines jeden beschaffen ist, wird das Feuer prüfen. Hält das Werk stand, das er aufgebaut hat, so empfängt er Lohn.  Brennt es nieder, dann muss er den Verlust tragen. Er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durch Feuer hindurch. 

Das Bild, das Paulus hier verwendet, gibt die Grundaussage des Evangeliums wieder: Jesus Christus ist unser Grundstein. Ich muss und kann dieses Fundament nicht selbst legen - es ist mir geschenkt. Und weil ich auf diesem Grund stehe, werde ich ewig bei Gott sein.  Etwas Anderes sind meine Taten, meine Werke. Manche werden Bestand haben, sie sind wie Gold und Silber. Andere werden vergehen.  Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich einst bei Gott sein werde.  Nur - wer baut schon gerne an einer Bruchbude, die keinen Bestand hat? Wer legt auf ein Fundament einfach ein paar Bretter und haust im Keller? So ist das Wort des Apostels als Aufruf zu verstehen: Baut etwas Beständiges! Bleibt als Einzelne und als Gemeinde auf dem Fundament! Was wir in Liebe und Vertrauen auf Gott bauen, hat über diese irdische Welt hinaus Bestand! Was Liebende in Liebe beginnen, bleibt. Es ist in Gottes neuer Welt aufgehoben.  Es lohnt sich, etwas Beständiges zu bauen. Woran baust du? 

4.Oktober 1.Korinther 3, 1 - 8
 Und ich, Brüder und Schwestern, konnte nicht zu euch reden wie zu geistlichen Menschen, sondern wie zu fleischlichen, wie zu unmündigen Kindern in Christus. Milch habe ich euch zu trinken gegeben und nicht feste Speise; denn ihr konntet sie noch nicht vertragen. Auch jetzt könnt ihr’s noch nicht, denn ihr seid noch fleischlich. Denn wenn Eifersucht und Zank unter euch sind, seid ihr da nicht fleischlich und lebt nach Menschenweise? Denn wenn der eine sagt: Ich gehöre zu Paulus, der andere aber: Ich zu Apollos –, ist das nicht nach Menschenweise geredet? Was ist nun Apollos? Was ist Paulus? Diener sind sie, durch die ihr gläubig geworden seid, und das, wie es der Herr einem jeden gegeben hat: Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen; aber Gott hat das Gedeihen gegeben. So ist nun weder der etwas, der pflanzt, noch der begießt, sondern Gott, der das Gedeihen gibt. Der aber pflanzt und der begießt, sind einer wie der andere. Jeder aber wird seinen Lohn empfangen nach seiner Arbeit.

Wenn man an die hohen Worte des Vortages denkt, muss man sich wundern. "Wir sind geistliche Menschen", hieß es da. Und nun? "Ihr seid noch fleischlich!", urteilt Paulus.  So einfach ist also der Wechsel  von "fleischlich" zu "geistlich" nicht!  Es ist ein Prozess, in dem wir oft steckenbleiben. Paulus muss deshalb die "basics" immer wiederholen. Wie oft reagieren wir "fleischlich", lassen uns von Gefühlen des Zorns, der Eifersucht oder gar des Hasses mitreißen. Die Korinther drohten in Parteien zu zerfallen, die sich gegenseitig das Christsein absprachen. Wie weit bist du auf dem Weg des "geistlich Werdens" gekommen? Welche Verhaltensweisen sind bei dir "nach Menschenweise"? Es geht dabei nicht um das Heil - das ist uns geschenkt. Aber es geht um das Leben des Evangeiiums, um gutes, sinnvolles Leben, das überzeugend ist. 

3.Oktober 1.Korinther 2, 11 - 16

Wer von den Menschen kennt den Menschen, wenn nicht der Geist des Menschen, der in ihm ist? So erkennt auch keiner Gott - nur der Geist Gottes. Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott stammt, damit wir das erkennen, was uns von Gott geschenkt worden ist. Davon reden wir auch, nicht mit Worten, wie menschliche Weisheit sie lehrt, sondern wie der Geist sie lehrt, indem wir geistliche Dinge für geistliche Menschen deuten. Der irdisch gesinnte Mensch aber erfasst nicht, was vom Geist Gottes kommt. Torheit ist es für ihn und er kann es nicht verstehen, weil es nur mit Hilfe des Geistes beurteilt werden kann. Der geisterfüllte Mensch aber urteilt über alles, ihn selbst vermag niemand zu beurteilen. Denn wer begreift den Geist des Herrn? Wer kann ihn belehren? Wir aber haben den Geist Christi.

Gibt es wirklich so eine Art "höhere Erkenntnis"?  Die Worte des Apostels können dazu führen, sich "Weltmenschen" überlegen zu fühlen: Wir wissen bescheid - sie nicht. Aber da heißt es: "..damit wir das erkennen, was uns von Gott geschenkt worden ist." Irdisch gesinnt sein, heißt, auf Irdisches ausgerichtet zu sein. Das Lebensziel richtet sich allein auf Diesseitiges, auf Dinge wie Karriere, Geld und Besitz. Solche Menschen können nicht begreifen, warum andere ihr Leben in Barmherzigkeit und Nächstenliebe investieren. Geisterfüllte Menschen durchschauen diese irdischen Ziele und erkennen, wofür es sich wirklich zu leben lohnt. Doch da ist Vorsicht geboten:  Wer ist ein geistgefüllter Mensch? Nicht der, der das richtige Bekenntnis spricht, sondern der, der den Geist Christi hat - den Geist der Barmherzigkeit und der Liebe zu allen Menschen.  Ob da ganz andere dazugehören, als wir denken? 

2.Oktober 1.Korinther 2, 6 - 10
Und doch verkünden wir Weisheit unter den Vollkommenen, aber nicht Weisheit dieser Welt oder der Machthaber dieser Welt, die einst entmachtet werden. Vielmehr verkünden wir das Geheimnis der verborgenen Weisheit Gottes, die Gott vor allen Zeiten vorausbestimmt hat zu unserer Verherrlichung. Keiner der Machthaber dieser Welt hat sie erkannt; denn hätten sie die Weisheit Gottes erkannt, so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt. Nein, wir verkünden, wie es in der Schrift steht, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was in keines Menschen Herz gedrungen ist, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben. Uns aber hat es Gott enthüllt durch den Geist
Wer sind denn die Vollkommenen? Es sind die, die sich Gottes Geist geöffnet haben, die die Botschaft vom Kreuz angenommen haben. Sie sind nicht vollkommen, weil sie ein vollkommenes Leben führen, sondern weil Christi Geist in ihnen lebt. Sie erkennen, was den weltlichen Machthabern verborgen bleibt. Diese greifen nach der Macht, töten und unterdrücken und Recht und Gerechtigkeit bleiben auf der Strecke. Wer Gott liebt, erkennt das "Gegenprogramm" Gottes: Liebe, die sich investiert, die den Menschen dient, ohne Belohnung oder Anerkennung zu erwarten. Liebe, die ohnmächtig ist wie Jesus am Kreuz - und dadurch Vergebung und Versöhnung bewirkt. Wer Gott nicht liebt, für den ist dieses Gottesprogramm barer Unsinn. Für uns ist es die Lösung. Die Christen der ersten Jahrhunderte haben es erlebt: Die Überwindung der Macht durch Liebe. 

1.Oktober 1.Korinther 2, 1 - 5
Auch ich kam nicht zu euch, Brüder und Schwestern, um glänzende Reden oder gelehrte Weisheit vorzutragen, sondern um euch das Geheimnis Gottes zu verkünden. Denn ich hatte mich entschlossen, bei euch nichts zu wissen außer Jesus Christus, und zwar als den Gekreuzigten.  Zudem kam ich in Schwäche und in Furcht, zitternd und bebend zu euch.  Meine Botschaft und Verkündigung war nicht Überredung durch gewandte und kluge Worte, sondern war mit dem Erweis von Geist und Kraft verbunden, damit sich euer Glaube nicht auf Menschenweisheit stützte, sondern auf die Kraft Gottes.

Nichts außer Jesus Christus - und ihn als Gekreuzigten!  Warum? Weil darin das "Geheimnis Gottes" liegt. Weil das wahre Wesen Gottes am Kreuz deutlich wird. Gott wird Mensch und liefert sich den Menschen aus. Das Kreuz zeigt, wozu Gott bereit ist, um Menschen Erlösung von ihrer Schuld und den Folgen der Schuld zu bringen. Und es zeigt zugleich, wozu Gott fähig ist: Den Tod zu überwinden. Beides gehört zusammen und deshalb geht es Paulus nicht um kluge Worte, sondern darum, mit seiner Predigt die Auferstehungskraft erlebbar zu machen.  Die Leute sollen spüren: Jesus lebt! Und noch eines zeigt dieser Abschnitt: Paulus kam in Furcht und Zittern nach Korinth - den Durchbruch seiner Mission in Korinth hat er nicht aus einer Position der Stärke, sondern der Schwäche erlebt.  Wir können Ähnliches erleben:  Wenn wir Dinge in Schwachheit und Furcht tun - etwa predigen oder einen Hauskreis, einen Gruppenabend vorbereiten - dann ist das keine schlechte Voraussetzung für das Gelingen. Im Gegenteil: Gottes Kraft wirkt in unserer Schwachheit. 

30.September 1.Korinther 26 - 31
Seht doch auf eure Berufung, Brüder und Schwestern! Da sind nicht viele Weise im irdischen Sinn, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme, sondern das Törichte in der Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zuschanden zu machen, und das Schwache in der Welt hat Gott erwählt, um das Starke zuschanden zu machen. Und das Niedrige in der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt: das, was nichts ist, um das, was etwas ist, zu vernichten, damit kein Mensch sich rühmen kann vor Gott. Von ihm her seid ihr in Christus Jesus, den Gott für uns zur Weisheit gemacht hat, zur Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung. Wer sich rühmen will, der rühme sich des Herrn; so heißt es schon in der Schrift.

Durch die ganze Bibel zieht sich dieses Prinzip: Gott erwählt das Kleine und Schwache. "Damit kein Mensch sich rühmen kann", schriebt Paulus. "Alles muss klein beginnen", sang einst Gerhard Schöne. Wir Menschen lassen uns so leicht von Größe und Macht beeindrucken. "Make America great again", ist kein christlicher Satz. Und was angestrebte Größe in dieser Welt anrichtet, führt uns gerade Herr Putin vor Augen. Gott beginnt immer im Kleinen und aus einem Keim oder einem Weizenkorn entsteht etwas Neues.  Wo in meiner Umgebung ist Gott gerade am Werk? Wo regt sich etwas Neues, mit dem Gott beginnt? Schau nicht auf die großen Bewegungen, sondern auf solche Anfänge! In ihnen ist Gott verborgen. 

29.September  1.Korinther 1, 22 - 25
Die Juden fordern Zeichen, die Griechen suchen Weisheit. Wir dagegen verkünden Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen.

Beide, Juden und Griechen, stehen für zwei unterschiedliche Einstellungen Gott gegenüber:  Die Juden wollen, wenn der Messias kommt, etwas Reales, Handgreifliches sehen. Die Griechen wollen Gott definieren, ihn erkennen und fragen nach seinem Wesen. Ihnen verdanken wir die Formeln des Glaubens in unseren Bekenntnissen, die wir zwar sprechen, aber wenig begreifen. Paulus geht einen anderen Weg: Er weist auf Christus, den Gekreuzigten. Allein dort, sagt er, kann man Gott erkennen und erleben. In der Schwäche, im Ausgeliefertsein, in der Ohnmacht ist Gott stärker als alles Menschliche.  Wir aber sind irgendwo zwischen Juden und Griechen: Wir suchen Wunder und/oder wir versuchen, Gott in unsere Begriffe zu zwängen. Doch Paulus hat nichts Anderes zu verkünden als das Kreuz, als einen schwachen Gott, einen Gott "ganz unten".  Hättest Du gerne einen anderen, einen mächtigen Gott? 

28.September 1.Korinther 1, 18 -  21
Denn das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen, Torheit; uns aber, die gerettet werden, ist es Gottes Kraft. In der Schrift steht nämlich: Ich werde die Weisheit der Weisen vernichten und die Klugheit der Klugen verwerfen. Wo ist ein Weiser? Wo ein Schriftgelehrter? Wo ein Wortführer dieser Weltzeit? Hat Gott nicht die Weisheit der Welt als Torheit entlarvt?  Denn da die Welt angesichts der Weisheit Gottes auf dem Weg ihrer Weisheit Gott nicht erkannte, beschloss Gott, alle, die glauben, durch die Torheit der Verkündigung zu retten. 
Man sollte heutzutage vielleicht übersetzen: "Das Wort vom Galgen" oder "Das Wort vom elektrischen Stuhl" - um deutlich zu machen, dass hier kein nettes Silberkreuz am Kettchen gemeint ist, sondern ein Hinrichtungsinstrument scheußlichster Art. An ihm macht Gott deutlich, wie weit seine Liebe geht. Und was ist die Weisheit der Welt? Es ist das korrekte Verhalten entsprechend der Gesetze und Regeln, das ein Handeln aus Liebe nicht erkennen kann. Diese Weisheit produziert kalte Gesetzlichkeit, die ganz folgerichtig Jesus ans Kreuz gebracht hat. Auf diesem Weg der "Weisen", sagt Paulus, kann die Weisheit Gottes nicht erkannt werden. Am Kreuz geschieht genau das Gegenteil dessen, was die religiösen Führer darin sehen. Hier wird kein Gesetzesbrecher zu Recht verurteilt, sondern Gottes Liebe zu uns verdeutlicht, indem Gott sich selbst für uns opfert.  Welche Bedeutung hat das Kreuz für dich?  

27.September 1.Korinther 1, 10 - 17
Ich ermahne euch aber, Brüder und Schwestern, im Namen unseres Herrn Jesus Christus: Seid alle einmütig und duldet keine Spaltungen unter euch; seid vielmehr eines Sinnes und einer Meinung! Es wurde mir nämlich, meine Brüder und Schwestern, von den Leuten der Chloë berichtet, dass es Streitigkeiten unter euch gibt. Ich meine damit, dass jeder von euch etwas anderes sagt: Ich halte zu Paulus - ich zu Apollos - ich zu Kephas - ich zu Christus. Ist denn Christus zerteilt? Wurde etwa Paulus für euch gekreuzigt? Oder seid ihr auf den Namen des Paulus getauft worden? Ich danke Gott, dass ich niemanden von euch getauft habe, außer Krispus und Gaius, sodass keiner sagen kann, ihr seiet auf meinen Namen getauft worden. Ich habe allerdings auch das Haus des Stephanas getauft. Ob ich sonst noch jemanden getauft habe, weiß ich nicht mehr.  Denn Christus hat mich nicht gesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu verkünden, aber nicht mit gewandten und klugen Worten, damit das Kreuz Christi nicht um seine Kraft gebracht wird.

Wie schnell kann eine Gemeinde auseinanderfallen, wenn Einzelne vermeintlich allein richtige Positionen einnehmen. Die Korinther waren offenbar der Meinung,  dass die empfangene Taufe durch eine bestimmte Person sie vor anderen Täuflingen herausheben würde. "Ich bin durch den echten Jesusjünger Kephas - also Petrus - getauft!" Paulus ist froh, dass er nur Wenige getauft hat. Sonst würde ja noch eine Gruppe entstehen! Egal wer tauft, es geht doch immer um Christus, um die Zugehörigkeit zu ihm. Viele Streitigkeiten in Gemeinden und Kirchen könnten beendet werden, wenn man dem Kontrahenten zugesteht, auch mit Christus verbunden zu sein. Ja, wir haben verschiedene "Farben des Glaubens" (Christian A. Schwartz), aber keine ist bevorzugt. Es kommt dann zu Parteiungen, wenn sich in unsere Diskussionen Wertungen einschleichen. Wenn eine Seite eine angeblich "höhere" Erkenntnis hat oder mehr Weisheit und Durchblick. Wo stehe ich in der Gefahr, andere Christen abzuwerten oder ihre Spiritualität als eine niedrigere Stufe des Glaubens anzusehen? 

26.September 1.Korinther 1, 4 - 9
Ich danke meinem Gott jederzeit euretwegen für die Gnade Gottes, die euch in Christus Jesus geschenkt wurde, dass ihr an allem reich geworden seid in ihm, an aller Rede und aller Erkenntnis. Denn das Zeugnis über Christus wurde bei euch gefestigt, sodass euch keine Gnadengabe fehlt, während ihr auf die Offenbarung unseres Herrn Jesus Christus wartet. Er wird euch auch festigen bis ans Ende, sodass ihr schuldlos dasteht am Tag unseres Herrn Jesus Christus. Treu ist Gott, durch den ihr berufen worden seid zur Gemeinschaft mit seinem Sohn Jesus Christus, unserem Herrn.

Weiter schreibt Paulus an der Einleitung deines Briefes. "Euch fehlt keine Gnadengabe!"  Korinth ist eine charismatische Gemeinde.  Da geht es bisweilen wild zu, wenn einzelne Geistbegabte ihre Gaben wie Prophetie oder Sprachengebet ausüben. Trotzdem lobt Paulus diese Gemeinde dafür. Was würde er wohl zu unseren unterkühlten intellektuell geprägten Gottesdiensten sagen? Die "Gemeinschaft mit seinem Sohn Jesus Christus" war in Korinth spürbar.  Wie müsste Kirchengemeinde heute aussehen, damit die Besucher der Gottesdienste spüren, dass diese Gemeinschaft real ist? 


25.September 1.Korinther 1, 1 - 3
Paulus, berufen zum Apostel Christi Jesu durch den Willen Gottes, und der Bruder Sosthenes  an die Gemeinde Gottes in Korinth, an die Geheiligten in Christus Jesus, die berufenen Heiligen samt allen, die den Namen unsres Herrn Jesus Christus anrufen an jedem Ort, bei ihnen und bei uns: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus!

Paulus betont in seinem  Briefkopf zu allererst seine Berufung durch Gott. Denn er weiß, dass seine Stellung als Apostel dort nicht unumstritten ist. Ähnlich heißt es in Kapitel 15, 10:  "Durch Gottes Gnade bin ich was ich bin!"  Er war ein Feind Christi, ein Verfolger der Christen, die er gefangen nahm und auslieferte. Seine Berufung zum Apostel ist reine Gnade, sie beruht auf keiner Leistung und keinem Verdienst.  Das heißt aber: Ich kann mir meine Berufung nicht verdienen. Wir alle sind von Gott berufene Heilige. Berufung wird bestätigt durch fähige Mitchristen und durch Früchte, die daraus entstehen. Es ist Gottes Sache, was er im Einzelnen aus mir macht. Doch wenn ich erkannt habe, wozu Gott mich bestimmt hat, dann kann ich mich darauf berufen: Ich bin was ich bin! Lass dir deine Berufung nicht von Leuten absprechen, die dich aus Neid oder aus eigenem Machtanspruch klein machen wollen. Du bist, was du von Christus her bist! 

24.September Psalm 82

Gott steht in der Gottesgemeinde und ist Richter unter den Göttern.  »Wie lange wollt ihr unrecht richten und die Frevler vorziehen?  Schaffet Recht dem Armen und der Waise und helft dem Elenden und Bedürftigen zum Recht. Errettet den Geringen und Armen und erlöst ihn aus der Gewalt der Frevler.« Sie lassen sich nichts sagen und sehen nichts ein,  sie tappen dahin im Finstern. Es wanken alle Grundfesten der Erde.  »Wohl habe ich gesagt: Ihr seid Götter und allzumal Söhne des Höchsten;  aber ihr werdet sterben wie Menschen und wie einer der Fürsten zugrunde gehen.« Gott, mache dich auf und richte die Erde; denn du bist Erbherr über alle Völker!

Das ist wohl der seltsamste Psalm im ganzen Buch!  Gott steht im Himmel vor einem "Götterkollegium", die ihm untertan sind. Vielleicht sind es die heidnischen Götter der Umgebung. Doch diese Götter tappen im Dunkeln. Denn sie haben das Recht nicht hergestellt, nicht für Gerechtigkeit auf Erden gesorgt, weshalb nun alle Fundamente ins Wanken geraten. Und obwohl sie doch Götter sind, werden sie von Gott zum Tode verurteilt.  Wir sollten bedenken: So wichtig sind Gott die Armen und Elenden, die Geringen und Bedürftigen!  Es geht gar nicht um die Frage, ob es Götter gibt. Der Psalmist greift zu den denkbar höchsten Gestalten im Himmel und auf Erden und will damit sagen: Selbst sie werden nicht verschont werden, wenn sie das Recht der Armen nicht achten, wenn sie keine Gerechtigkeit herstellen.  Wie wichtig sind mir Menschen, die heute unter die Räder kommen? Wie sehr betreffen mich die Schicksale der Flüchtlinge, der Obdachlosen, der Gestrandeten?  Kämpfe ich für ihr Recht? 

23.September Psalm 81, 8 - 15
Als du mich in der Not anriefst, half ich dir heraus und antwortete dir aus Wolke und Donner und prüfte dich am Haderwasser. Höre, mein Volk, ich will dich ermahnen. Israel, du sollst mich hören! Kein andrer Gott sei unter dir, und einen fremden Gott sollst du nicht anbeten!  Ich bin der HERR, dein Gott, der dich aus Ägyptenland geführt hat: Tu deinen Mund weit auf, lass mich ihn füllen!  Aber mein Volk gehorcht nicht meiner Stimme, und Israel will mich nicht. So hab ich sie dahingegeben in die Verstocktheit ihres Herzens, dass sie wandeln nach eigenem Rat.  Wenn doch mein Volk mir gehorsam wäre und Israel auf meinem Wege ginge! Dann wollte ich seine Feinde bald demütigen und meine Hand gegen seine Widersacher wenden! 

Das Volk ist in Not, denn Gott hat es "dahingegeben", es seinem eigenen Rat ausgeliefert. Die Israeliten sind ihren eigenen Gesetzen und Regeln gefolgt und müssen nun sehen, wie sie ohne den Schutz und die Hilfe Gottes auskommen. Wie ist das geschehen? Sie hatten doch schon einmal erlebt, wie Gott sie aus der Not geführt hat, wie er sie aus Ägypten gerettet hat. doch sie haben sich anderen Göttern zugewandt. Dabei wäre wenig notwendig: Sie müssten nur ihren Mund öffnen und Gott würde ihn mit Dank und Lob füllen und sie so zu sich zurückführen. Doch sie wollen ihn nicht.  Und das ist bis heute die Frage: Was will ich wirklich? Was ist mir wirklich wichtig für mein Leben?  "Woran du nun ,sage ich, dein Herz hängst und worauf du dich verlässt, das ist eigentlich dein Gott", hat Luther gesagt.  Woran hängt mein Herz?  Um diese Frage zu beantworten, muss ich ehrlich vor mir selbst werden. Wenn ich an Dingen hänge, die nicht Gott sind, folge ich meinem eigenen Rat und muss mit den Folgen leben.

22.September Psalm 80
Du Hirte Israels, höre, der du Josef hütest wie Schafe! Erscheine, der du thronst über den Cherubim,  vor Ephraim, Benjamin und Manasse! Erwecke deine Kraft und komm uns zu Hilfe! Gott, tröste uns wieder und lass leuchten dein Antlitz, so ist uns geholfen.  HERR, Gott Zebaoth, wie lange willst du zürnen beim Gebet deines Volkes?  Du speisest sie mit Tränenbrot und tränkest sie mit einem großen Krug voll Tränen. Du lässest unsre Nachbarn sich um uns streiten, und unsre Feinde verspotten uns. Gott Zebaoth, tröste uns wieder und lass leuchten dein Antlitz, so ist uns geholfen. Du hast einen Weinstock aus Ägypten geholt, hast vertrieben die Völker und ihn eingepflanzt.  Du hast vor ihm Raum gemacht  und hast ihn lassen einwurzeln, dass er das Land erfüllt hat.  Berge sind mit seinem Schatten bedeckt und mit seinen Reben die Zedern Gottes. Du hast seine Ranken ausgebreitet bis an das Meer und seine Zweige bis an den Strom. Warum hast du denn seine Mauern zerbrochen, dass jeder seine Früchte abreißt, der vorübergeht?  Es haben ihn zerwühlt die wilden Säue, und die Tiere des Feldes haben ihn abgeweidet. Gott Zebaoth, wende dich doch! Schau vom Himmel und sieh, nimm dich dieses Weinstocks an!  Schütze doch, was deine Rechte gepflanzt hat, den Sohn, den du dir großgezogen hast!  Sie haben ihn mit Feuer verbrannt wie Kehricht; vor dem Drohen deines Angesichts sollen sie umkommen. Deine Hand schütze den Mann deiner Rechten, den Sohn, den du dir großgezogen hast. So wollen wir nicht von dir weichen. Lass uns leben, so wollen wir deinen Namen anrufen. HERR, Gott Zebaoth, tröste uns wieder; lass leuchten dein Antlitz, so ist uns geholfen.

Ein Angesicht leuchte über uns! Wie oft haben wir diese Worte am Ende eines Gottesdienstes im Segen gehört. Hier ist es ein Hilferuf in großer Not.  Israel liegt darnieder, der Tempel ist zerbrochen, die Feinde haben triumphiert.  Ich finde es eindrücklich, wie hier gebetet wird. Wie mit Gott gesprochen wird:  Schau doch her! So wollen wir nicht von dir weichen!  Warum hast du das getan? Lass uns leben!  Fordernd sind diese Worte, sie bedrängen Gott, ja, sie wollen im Inkonsequenz nachweisen.  Es kann nicht sein, dass du so etwas zulässt.  Ich frage mich: Wie bete ich, wenn ich in Not bin? ist mein Gebet ein Jammern, ein kindliches Flehen, eine gestammelte Bitte? Oder ist es ein solcher Dialog mit Gott, ein Gespräch, in dem ich meine Gefühle ihm gegenüber zur Sprache bringe? Und würde es mir bei solchem Gebet helfen, Bilder für meine Lage zu finden, so wie es hier der Psalmbeter tut? 

21.September Psalm 78 2 - 8
 Ich will meinen Mund auftun zu einem Spruch und Geschichten verkünden aus alter Zeit. Was wir gehört haben und wissen und unsre Väter uns erzählt haben, das wollen wir nicht verschweigen ihren Kindern; wir verkündigen dem kommenden Geschlecht den Ruhm des HERRN und seine Macht und seine Wunder, die er getan hat. Er richtete ein Zeugnis auf in Jakob und gab ein Gesetz in Israel und gebot unsern Vätern, es ihre Kinder zu lehren, auf dass es die Nachkommen lernten, die Kinder, die noch geboren würden; die sollten aufstehen und es auch ihren Kindern verkündigen,  dass sie setzten auf Gott ihre Hoffnung  und nicht vergäßen die Taten Gottes, sondern seine Gebote hielten und nicht würden wie ihre Väter, ein abtrünniges und ungehorsames Geschlecht, dessen Herz nicht fest war und dessen Geist sich nicht treu an Gott hielt.

In diesem Psalm wird die Geschichte Israels ausgebreitet - hier im Eingangsteil geht es um die Frage, wie wir unser Wissen um Gott und sein Handeln weitergeben. Wie soll ein Volk bestehen, wenn die nachfolgende Generation nichts über die Werte und Normen erfährt, die in ihm gelten? Ohne Weitergabe unserer Erfahrungen mit Gott werden unsere Nachkommen ihre Hoffnung nicht mehr auf ihn setzen und sich anderen "Göttern" zuwenden. Das gilt nicht nur für die, die Kindern haben, sondern für eine ganze Generation. Wo erzähle ich meine Erfahrungen - und habe ich überhaupt Erfahrungen mit Gott, die ich erzählen kann?  Habe ich Überzeugungen und Werte, die ich weitergeben kann? Es gibt viele Gelegenheiten dazu in Familien,, Schulen, in Kirchen und Vereinen.  Die, die nach uns kommen, brauchen Werte, mit denen sie leben können.  Israel hatte und hat Bestand, weil es eine Kultur der Weitergabe entwickelt hat. 

20.September Psalm 77, 2 - 13

Ich rufe zu Gott und schreie um Hilfe, zu Gott rufe ich, und er erhört mich. In der Zeit meiner Not suche ich den Herrn;  meine Hand ist des Nachts ausgereckt und lässt nicht ab; denn meine Seele will sich nicht trösten lassen. Ich denke an Gott – und bin betrübt; ich sinne nach – und mein Geist verzagt. Meine Augen hältst du, dass sie wachen müssen; ich bin so voll Unruhe, dass ich nicht reden kann. Ich gedenke der uralten Zeiten, der längst vergangenen Jahre. Ich denke des Nachts an mein Saitenspiel und rede mit meinem Herzen, mein Geist muss forschen.  Wird denn der Herr auf ewig verstoßen und keine Gnade mehr erweisen? Ist’s denn ganz und gar aus mit seiner Güte, und hat die Verheißung für immer ein Ende?  Hat Gott vergessen, gnädig zu sein, hat er sein Erbarmen im Zorn verschlossen? Ich sprach: Darunter leide ich, dass die rechte Hand des Höchsten sich so ändern kann. Darum gedenke ich an die Taten des HERRN, ja, ich gedenke an deine früheren Wunder und sinne über alle deine Werke und denke deinen Taten nach.

Zunächst erscheint es so, als höre Gott das Gebet der Psalmbeterin - aber dann kommen Zweifel auf. Die innere Unruhe lässt nicht nach, der Schlaf stellt sich nicht ein. Die Gedanken kreisen um die Probleme und Sorgen, sie findet aber keine Worte dafür. Es gab doch heitere Tage und die Nähe Gottes in fröhlichen Gottesdiensten. Aber was hilft das jetzt? Gott schweigt und greift nicht ein. Kann es denn sein, dass Gott sich so verändert? Wo ist denn nun dein Erbarmen, Gott? Wo deine Hilfe, jetzt, wo ich mich in Sorgen auf meinem Bett wälze? 
Doch dann tut die Beterin etwas, das diesem einen Satz widerspricht: "Gott hat vergessen, gnädig zu sein!" Nein, das stimmt nicht, sagt sie. Sie denkt an die Wunder, die Gott schon getan hat. Sie denkt an den Gang durch das rote Meer, an die Fürsorge Gottes für sein Volk. Nein, Gott hat sich nicht geändert, er ist immer noch da und sein Erbarmen hört nicht auf - auch wenn sie das gerade nicht spürt.  
Welche Wunder Gottes könntest du nennen? worin wird dir die Hilfe Gottes, sein Erbarmen besonders deutlich? Oder hast du vergessen, was Er dir Gutes getan hat?
Was die Probleme betrifft, wird dadurch nichts anders. aber es mag sein, dass der oder die Betende plötzlich spürt, nicht allein zu sein. Spürt, dass Gott da ist und sie und ihn ansieht. "Du bist ein Gott, der mich sieht." 

19.September Psalm 76, 2 - 10
 Gott ist in Juda bekannt, in Israel ist sein Name herrlich.  So erstand in Salem sein Zelt und seine Wohnung in Zion.  Dort zerbricht er die Pfeile des Bogens, Schild, Schwert und Streitmacht. Du bist herrlicher und mächtiger als die ewigen Berge. Beraubt sind die Stolzen und in Schlaf gesunken, und allen Kriegern versagen die Hände.  Von deinem Schelten, Gott Jakobs, sinken in Schlaf Ross und Wagen.  Furchtbar bist du! Wer kann vor dir bestehen, wenn du zürnest?  Wenn du das Urteil lässest hören vom Himmel, so erschrickt das Erdreich und wird still,  wenn Gott sich aufmacht zu richten, dass er helfe allen Elenden auf Erden.

Wolfgang Borchert hat einst angesichts des 2.Weltkrieges einen Gott geschildert, der hilflos vom Himmel zuschaut und jammert: "Meine Kinder, meine lieben Kinder!" Hier begegnet uns ein anderes Bild: "Furchtbar bist du!" Ein Gott, der Schrecken verbreitet, der entsetztes Schweigen zurücklässt. Ein Gott, der eingreift gegen die Mächte der Welt, die Angst und Not verbreiten. Das kleine Israel hat nie aufgehört, angesichts großer Mächte und furchteinflößender Armeen auf seinen Gott zu vertrauen. Oft hat es lange gedauert, bis sich das Blatt wendete - aber immer wieder hat Gottes Volk erfahren, dass seine Gegner und Peiniger stürzten und verschwanden. Es ist gut, sich daran zu erinnern, wenn uns Menschen quälen, wenn wir unter ungerechten Strukturen leiden oder wenn uns bitteres Unrecht geschieht: Gott ist kein hilfloser ferner Gott, er hat die Macht, einzugreifen und er tut es zu seiner Zeit für alle Elenden auf Erden.  Nur: hast die Geduld, darauf zu warten?  

18.September Psalm 74, 1 - 9
Gott, warum verstößest du uns für immer und bist so zornig über die Schafe deiner Weide? Gedenke an deine Gemeinde, die du vorzeiten erworben und dir zum Erbteil erlöst hast, an den Berg Zion, auf dem du wohnest. Richte doch deine Schritte zu dem, was so lange wüste liegt. Der Feind hat alles verheert im Heiligtum.  Deine Widersacher brüllen in deinem Hause und stellen ihre Banner auf als Zeichen des Sieges.  Hoch sieht man Äxte sich heben wie im Dickicht des Waldes. Sie zerschlagen all sein Schnitzwerk mit Beilen und Hacken.  Sie verbrennen dein Heiligtum, bis auf den Grund entweihen sie die Wohnung deines Namens.  Sie sprechen in ihrem Herzen:  Lasst uns sie allesamt unterdrücken! Sie verbrennen alle Gotteshäuser im Lande.  Unsere Zeichen sehen wir nicht,  kein Prophet ist mehr da, und keiner ist bei uns, der wüsste, wie lange.
Der Psalm sieht auf das zerbrochene und verwüstete Jerusalem nach der Zerstörung durch die Babylonier. Und er erinnert uns heute an das jahrtausendealte Leid des jüdischen Volkes, an die zweite Zerstörung 70 n.Chr., an 2000 Jahre Verfolgung und Vertreibung bis hin zu den Schrecken der Shoa. Gott, wie lange?  Gibt es da irgendein Ende, eine Lösung? Der Psalm erinnert im Fortgang an die vielen wunderbaren Taten Gottes. Und dann appelliert er an Gott: Du kannst doch nicht wollen, dass dein Name so geschmäht wird! Wer soll denn da noch an dich glauben? In Vers 22 heißt es: Mach dich auf, Gott, und führe deine Sache; gedenke an die Schmach, die dir täglich von den Toren widerfährt.  So können wir mit unserem Gott reden! Das ist keine fromme Anbetung, sondern ein Notschrei, der Gott bedrängt und herausfordert.  Breite deine Not, deine Zweifel und Ängste vor deinem Gott aus, bedränge ihn!  Er versteht dich.  Das gilt ja auch für die Lage der Kirchen und der Christen in unserem Land:  "Gott, kann es denn sein, dass wir untergehen? Wieso lässt du zu, dass Kirchen zerstört oder zu Museen werden? Wirst du es zulassen, dass dieses Land ein unchristliches Land wird? Steh auf, Gott!" 

17. September  Psalm 73, 1 - 12
Gott ist dennoch Israels Trost für alle, die reinen Herzens sind. Ich aber wäre fast gestrauchelt mit meinen Füßen; mein Tritt wäre beinahe geglitten.  Denn ich ereiferte mich über die Ruhmredigen, da ich sah, dass es den Frevlern so gut ging. Denn für sie gibt es keine Qualen, gesund und feist ist ihr Leib. Sie sind nicht in Mühsal wie sonst die Leute und werden nicht wie andere Menschen geplagt. Darum prangen sie in Hoffart und hüllen sich in Frevel.  Sie brüsten sich wie ein fetter Wanst, sie tun, was ihnen einfällt. Sie höhnen und reden böse, sie reden und lästern hoch her.  Was sie reden, das soll vom Himmel herab geredet sein; was sie sagen, das soll gelten auf Erden. Darum läuft ihnen der Pöbel zu und schlürft ihr Wasser in vollen Zügen. Sie sprechen: Wie sollte Gott es wissen? Wie sollte der Höchste etwas merken? Siehe, das sind die Frevler; die sind glücklich für immer und werden reich.
Diese Gedanken sind uns allen auch schon gekommen! Wie kann das sein, dass Menschen, die Unrecht tun und mit ungerechten Methoden Geld anhäufen und andere betrügen, auch noch ein glückliches Leben führen? Täglich hören wir von Reichen die "es" geschafft haben. Ist denn der christliche Lebensstil, der Verzicht auf gestohlenen Reichtum und das korrekte handeln nichts wert? Warum geht es denen so gut? Gibt es da eine Lösung? 
Die erste Lösung steht in Vers 17 - 19: "Ich merkte auf ihr Ende, ja, du Gott stellst sie auf schlüpfrigen Grund uns stürzest sie zu Boden. Wie werden sie so plötzlich zunichte!"   Aber das kann ja keine wirkiche Lösung sein - nur auf das böse Ende der Frevler zu hoffen.  Daum geht es hier auch weiter: Der Beter fasst einen Entschluss: Er wird sich an Gott halten, ganz gleich, was andere leben. (Vers 23).  Seine Beziehung zu seinem Gott wird ihm das Wichtigste:  Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. (Vers 26) Und darin - und das ist das Entscheidende - entdeckt er seine Freude. Aber das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte und meine Zuversicht setze auf Gott den HERRN, dass ich verkündige all dein Tun. (Vers 28)  Die Freude über das erwartete böse Ende Ungläubiger wird uns den Glauben nicht bewahren - wohl aber die Freude über die lebendige Beziehung zu Gott, unserem Vater. 

16.September Psalm 72, 1b - 9, 12 - 14
Gott, gib dein Recht dem König und deine Gerechtigkeit dem Königssohn, dass er dein Volk richte in Gerechtigkeit und deine Elenden nach dem Recht. Lass die Berge Frieden bringen für das Volk und die Hügel Gerechtigkeit. Er soll den Elenden im Volk Recht schaffen und den Armen helfen und die Bedränger zermalmen. Er soll leben, solange die Sonne scheint und solange der Mond währt, von Geschlecht zu Geschlecht.  Er soll herabfahren wie der Regen auf die Aue, wie die Tropfen, die das Land feuchten. Zu seinen Zeiten soll blühen die Gerechtigkeit und großer Friede sein, bis der Mond nicht mehr ist.  Er soll herrschen von einem Meer bis ans andere und von dem Strom bis zu den Enden der Erde.            Denn er wird den Armen erretten, der um Hilfe schreit, und den Elenden, der keinen Helfer hat. Er wird gnädig sein den Geringen und Armen, und den Armen wird er helfen. Er wird sie aus Bedrückung und Frevel erlösen, und ihr Blut ist wert geachtet vor ihm. 
Das Wort, das zunächst sicherlich den herrschenden König meint, wird rasch zu einer Vision eines umfassenden Friedensreiches, das ein König einst bringen wird. Gerechtigkeit und Frieden sind die Merkmale dieses Reiches. Es wird keine Armen mehr geben, keine Gewalt und keinen Krieg. Von solchen Gebeten Israels gibt es eine direkte Linie zu Jesu Bitte im Vaterunser: Dein Reich komme! Ist uns das noch bewusst? Bemerken wir noch, wie sehr gerade bei Jesus der Nachdruck auf sozialer Gerechtigkeit, auf die Hilfe für die Armen und Elenden liegt - in Wort und Tat?  Wir haben nach vielen Versuchen, dieses Reich der Gerechtigkeit menschlich herbeizuführen, nach vielen Katastrophen, in denen dies geendet hat, keine Lust mehr, auf ein solches Reich  zu hoffen. Aber wir brauchen es - wir brauchen diese Hoffnung, damit sie uns antreibt, nicht aufzuhören, dafür zu beten wie hier im Psalm und dafür zu leben wie Jesus es tat. 

15. September  Psalm 71, 2 - 9
Herr, ich traue auf dich! Lass mich nimmermehr zuschanden werden. Errette mich durch deine Gerechtigkeit und hilf mir heraus, neige deine Ohren zu mir und hilf mir. Sei mir ein starker Hort, dahin ich immer fliehen kann, der du mir zugesagt hast, mir zu helfen, denn du bist mein Fels und meine Burg. Mein Gott, hilf mir aus der Hand der Gottlosen, aus der Hand der Ungerechten und der Tyrannen. Denn du  bist meine Zuversicht, Herr, mein Gott, meine Hoffnung von meiner Jugend an. Auf dich habe ich mich verlassen vom Mutterleib an, du hast mich aus meiner Mutter Leib gezogen. Dich rühme ich immerdar. Ich bin für viele wie ein Zeichen, aber du bist meine starke Zuversicht. Lass meinen Mund deines Ruhmes und deines Preises voll sein täglich. Verwirf mich nicht in meinem Alter, verlass mich nicht, wenn ich schwach werde. 

Ja, manchmal kommen solche Gedanken: Wie wird das sein, wenn ich schwach werde? Sei es im kommenden Alter oder in Krankheit oder durch Schicksalsschläge: Wird mein Glaube sich als tragfähig erweisen?  Ist Gott dann mein Hort, meine starke Burg, in die ich fliehen kann? Oder wird alles zerbrechen, woran ich geglaubt habe? Der Beter erinnert sich daran, dass sein ganzes Leben auf dem Fundament "Gott" ruht. Er hat ihn von Geburt an erhalten und getragen. Der Beter spürt seine Abhängigkeit von Gott, er kann sich nicht selbst die Angst nehmen vor dem, was da kommen wird. "Du hast es mir zugesagt" - daran erinnert er sich und klammert sich daran.  Das ist es, was uns helfen wird, wenn die Zweifel und Anfechtungen kommen: Sich an die Zusagen Gottes erinnern: Du hast es mir zugesagt! Du hast gesagt, du wirst mich nicht verlassen! Du wirst bei mir sein, wenn ich schwach werde, wenn mein Vertrauen zerbröckelt.  Darum ist es gut, sich Worte aufzuschreiben, die dir gegeben worden sind - um sie in kommenden Nöten vor Augen zu haben. 

14. September   Psalm 69, 2 - 7a

Gott, hilf mir! Denn das Wasser geht mir bis an die Kehle. Ich versinke im tiefen Schlamm, wo kein Grund ist: ich bin in tiefe Wasser geraten, und die Flut will mich ersäufen. Ich habe mich müde geschrien, mein Hals ist heiser. Meine Augen sind trübe geworden, weil ich so lange harren musste auf meinen Gott. Die mich ohne Grund hassen sind mehr, als ich Haare auf dem Kopf habe. Die mir ohne Ursache feind sind und mich verderben wollen, sind mächtig. Ich soll zurückgeben, was ich nicht geraubt habe. Gott, du kennst meine Torheit und meine Schuld ist dir nicht verborgen. Lass nicht zuschanden werden an  mir, die deiner harren, Herr Herr Zebaoth! 
Da geht es einem denkbar schlecht. Er hat mächtige Gegner, die ihn beschuldigen, doch er fühlt sich unschuldig. In eindrücklichen Bilder klagt er Gott seine Lage.  Und plötzlich spricht er von eigener Schuld und von Torheit. Ist er durch sein eigenes Verhalten in diese Lage geraten? Das können wir nur erahnen.  Bei all den Versuchen, sich zu rechtfertigen und Andere zu beschuldigen, gerät sein eigener Anteil nicht aus dem Blick. Und das ist wichtig! Denn so versinkt er nicht in Selbstmitleid oder Bitterkeit.  Er weiß: Auch ich habe Schuld, ich bin nicht grundlos in diese Lage geraten. Wie gehst du damit um, wenn du in ähnliche Lagen gerätst? Wenn man dich beschuldigt, dich entlässt, dich schlecht beurteilt? Kannst du trotz aller Empörung über ungerechte Anschuldigungen trotzdem dich selbst und deinen Anteil sehen?  Und kannst du deine Klage vor Gott bringen und sie dort lassen, anstatt damit andere Menschen oder gar Gerichte zu beschäftigen? 


13.September  Psalm 68, 2 - 7
Gott steht auf; so werden seine Feinde zerstreut, und die ihn hassen, fliehen vor ihm. Wie Rauch verweht, so verwehen sie; wie Wachs zerschmilzt vor dem Feuer, so kommen die Frevler um vor Gott. Die Gerechten aber freuen sich und sind fröhlich vor Gott und freuen sich von Herzen. Singet Gott, lobsinget seinem Namen! Macht Bahn dem, der auf den Wolken einherfährt; er heißt HERR. Freuet euch vor ihm! Ein Vater der Waisen und ein Helfer der Witwen ist Gott in seiner heiligen Wohnung, ein Gott, der die Einsamen nach Hause bringt,  der die Gefangenen herausführt, dass es ihnen wohlgehe; aber die Abtrünnigen bleiben in dürrem Lande.

In diesem Psalm wird in vielfältige Weise die Macht Gottes verherrlicht. Teilweise in einer Ausdrucksweise, die befremdlich ist.  Darum sind diese Sätze hier nicht aufgeführt. Doch in den wenigen Versen 2 bis 7 kommt zum Ausdruck, worum es hier geht: Die Frevler werden umkommen - den Gerechten wird es gut gehen. Dieser Gott ist ein Gott der Witwen und Waisen, der Einsamen und Gefangenen.  Ihnen gilt die Fürsorge Gottes. Die Frevler sind jene Leute, die das nicht getan haben, die das Gesetz gebrochen haben, indem sie Menschen ausbeuteten, ins Gefängnis warfen und denen Witwen und Waisen egal waren. Immer hat im Denken Israels die Gottesbeziehung diese soziale Komponente. Das ist im christlichen Glauben nicht anders:  "Witwen und Weisen besuchen, das sei euer Gottesdienst!" heißt es im Jakobusbrief. Wenn wir in dieser Weise tätig werden, sind wir ganz bei Gott, dem Gott der Witwen und Waisen.  Wer fällt dir da ein? Gibt es jemanden, dem du dich zuwenden kannst? 

12.September Psalm 67
Gott sei uns gnädig und segne uns, er lasse uns sein Antlitz leuchten, dass man auf Erden erkenne deinen Weg, unter allen Heiden dein Heil. Es danken dir, Gott, die Völker, es danken dir alle Völker. Die Völker freuen sich und jauchzen, dass du die Menschen recht richtest und regierst die Völker auf Erden. Es danken dir, Gott, die Völker, es danken dir alle Völker. Das Land gibt sein Gewächs; es segne uns Gott, unser Gott! Es segne uns Gott, und alle Welt fürchte ihn!

Ist es nicht erstaunlich, dass hier ein kleines Volk am Rande der Weltgeschichte dieses Gebet formuliert? "Es danken dir alle Völker"?  Von wegen! Sie haben Zeus und Ischtar gedankt, Isis und Kybele, Baal und wie sie alle hießen. dieser Psalm greift weit über die alte Geschichte hinaus - und heute können wir sagen: Ja, so ist es gekommen. Wie lange hat das gedauert, wie verschlungen waren die Wege, die die Botschaft von Gottes Güte nehmen musste, bis ihm Menschen aus allen Völkern dankten.  Und das gilt auch für den persönlichen Weg: Wie lange dauert es, bis wir Menschen Gott ein wenig mehr begreifen und ihm von Herzen danken können.  Denke über deinen eigenen Weg mit Gott nach! Wo waren wichtige Stationen? Wofür bist du besonders dankbar?

11.September Psalm 66, 5 - 14

 Kommt her und sehet an die Werke Gottes, der so wunderbar ist in seinem Tun an den Menschenkindern.  Er verwandelte das Meer in trockenes Land,  sie gingen zu Fuß durch den Strom; dort wollen wir uns seiner freuen.  Er herrscht mit seiner Gewalt ewiglich,  seine Augen schauen auf die Völker. Die Abtrünnigen können sich nicht erheben. Lobet, ihr Völker, unsern Gott, lasst seinen Ruhm weit erschallen,  der unsre Seelen am Leben erhält und lässt unsere Füße nicht gleiten. Denn, Gott, du hast uns geprüft und geläutert, wie das Silber geläutert wird; du hast uns in den Turm werfen lassen, du hast auf unsern Rücken eine Last gelegt, du hast Menschen über unser Haupt fahren lassen, wir sind in Feuer und Wasser gekommen. Aber du hast uns herausgeführt und erquickt. Darum will ich in dein Haus gehen mit Brandopfern und dir meine Gelübde erfüllen, wie ich meine Lippen aufgetan habe und mein Mund geredet hat in meiner Not. 

Am Anfang dieses Gebetes geht die Erinnerung weit zurück zu den Anfängen Israels. Der Gang durchs rote Meer und der Gang durch den Jordan beim Einzug ins Gelobte Land sind bleibende Glaubenserfahrungen, die das Verhältnis zu Gott prägen. Hast du auch solche "Urerfahrungen" , die deinen Glauben geprägt haben? Kannst du dich an die Anfänge deines Glaubens erinnern und was daran ist für dich hilfreich? Hier entspringt aus diesem Erinnern das Lob Gottes. Es umfasst nicht nur diese guten Erfahrungen, sondern auch das Schwere. Der Beter sagt: "Auch das warst du! Als ich damals in den Turm geworfen wurde - das hast du veranlasst!" Wie aber kann ich schwere Dinge als Zumutungen Gottes sehen? Ist das denn noch der "liebe Gott"? All das war notwendig, sagt der Psalmbeter. Es diente der Läuterung - heute würden wir sagen, der Formung des Charakters, der Herausbildung von Ich-Stärke. Nein, protestieren wir, nicht alles lässt sich so als heilsam umdeuten! Es gibt in einem Leben zu schwere und zerstörerische Dinge, die unerklärlich bleiben. Was uns bleibt, ist das Ringen mit Gott in jedem einzelnen Geschehen: "Bist du das, Herr? Willst du das wirklich?" Und es bleibt die Hoffnung darauf, dass der Herr uns wieder herausführt und erquickt. Halte an dieser Hoffnung fest! 

10.September Psalm 65, 6 - 14
  Erhöre uns nach der wunderbaren Gerechtigkeit, Gott, unser Heil, der du bist die Zuversicht aller auf Erden und fern am Meer;  der du die Berge gründest in deiner Kraft und gerüstet bist mit Macht;  der du stillst das Brausen des Meeres, das Brausen seiner Wellen und das Toben der Völker, dass sich entsetzen, die an den Enden wohnen, vor deinen Zeichen. Du machst fröhlich, was da lebet im Osten wie im Westen.  Du suchst das Land heim und bewässerst es  und machst es sehr reich; Gottes Brünnlein hat Wasser die Fülle. Du lässt ihr Getreide gut geraten; denn so baust du das Land. Du tränkst seine Furchen und feuchtest seine Schollen; mit Regen machst du es weich und segnest sein Gewächs. Du krönst das Jahr mit deinem Gut, und deine Spuren triefen von Segen.  Es triefen auch die Auen in der Steppe, und die Hügel gürten sich mit Jubel. Die Anger sind voller Schafe, und die Auen stehen dick mit Korn, dass man jauchzet und singet.

Das Gebet um Erhörung bringt den Beter hier dazu, hinauszuschauen in die Natur, die ihn umgibt.  Ist nicht alles, was es da zu sehen und zu bestaunen gibt, eine gute Gabe Gottes? Seine Bitten gehen an den Gott, der all das erschaffen hat und Tag für Tag erhält. Gott baut dieses Land, Gott sorgt dafür, dass es Getreide und Früchte hervorbringt. Wir können die Gedankengänge des Beters wohl am besten nachvollziehen, wenn wir tun, was er getan hat: Wenn wir uns in die Natur begeben und sie still und staunend betrachten. In dieser Stille wird uns etwas von der Größe und Fülle Gottes berühren:  All das sind Materie gewordene Gedanken Gottes, die davon erzählen, wie Gott ist. Wie wunderbar ist so ein Sommertag inmitten wogender Felder und rauschender Wälder!  Keine Sorge, das macht uns nicht zu verträumten Romantikern - umgekehrt werden wir dafür Sorge tragen, dass dieses Wunder bewahrt bleibt und weiterhin von der Güte Gottes erzählt.  Wann hast du zuletzt über Gottes Schöpfung gestaunt? 

9.September Psalm 64, 
 Höre, Gott, meine Stimme in meiner Klage, behüte mein Leben vor dem schrecklichen Feinde. Verbirg mich vor den Anschlägen der Bösen, vor dem Toben der Übeltäter,  die ihre Zunge schärfen wie ein Schwert, mit ihren giftigen Worten zielen wie mit Pfeilen, dass sie heimlich schießen auf den Frommen; plötzlich schießen sie auf ihn ohne alle Scheu. Sie sind kühn mit ihren bösen Anschlägen und reden davon, wie sie Stricke legen wollen, und sprechen: Wer kann sie sehen? Sie haben Böses im Sinn und sprechen: Wir haben einen hinterhältigen Plan gefasst. Unergründlich sind Herz und Sinn. Da trifft sie Gott mit dem Pfeil, plötzlich sind sie zu Boden geschlagen. Ihre eigene Zunge bringt sie zu Fall, dass ihrer spotten wird, wer sie sieht. Und alle Menschen werden sich fürchten und sagen: Das hat Gott getan!, und erkennen, dass es sein Werk ist. Der Gerechte wird sich des HERRN freuen und auf ihn trauen, und alle frommen Herzen werden sich seiner rühmen.

Wir leben in Zeiten, die ganz neue Dimensionen der "Giftpfeile" bereithalten.  Feinde können uns in sozialen Medien fertigmachen. Wenn wir etwas "Unkorrektes" äußern,  wird uns ein shitstorm treffen.  Leute, die uns vernichten wollen, haben ganz andere Möglichkeiten als früher.  Doch der Psalm spricht nicht nur von den Pfeilen der Feinde,  sondern auch von Gottes Pfeil! Letztlich hat Gott dennoch die Dinge in der Hand und bestimmt den Ablauf. "Ihre eigene Zunge bringt sie zu Fall." Es sind gerade die Angriffe, die auf den Angreifer zurückfallen. Er fällt in seine eigene Grube, die er so planvoll ausgehoben hat. Am Ende wird deutlich: Da ist eine höhere Macht am Werk, die für Gerechtigkeit sorgt.  Allerdings heißt es ja, dass Gottes Mühlen langsam mahlen.  Habe ich die Geduld, zu warten und zu hoffen, statt selbst Giftpfeile zu verschießen? Traue ich Gott zu, dass er sich meiner Sache annimmt? 

8.September Psalm 63, 2 - 9 
Gott, du bist mein Gott, den ich suche. Es dürstet meine Seele nach dir, mein Leib verlangt nach dir aus trockenem, dürrem Land, wo kein Wasser ist. So schaue ich aus nach dir in deinem Heiligtum, wollte gerne sehen deine Macht und Herrlichkeit.  Denn deine Güte ist besser als Leben; meine Lippen preisen dich. So will ich dich loben mein Leben lang und meine Hände in deinem Namen aufheben. Das ist meines Herzens Freude und Wonne, wenn ich dich mit fröhlichem Munde loben kann; wenn ich mich zu Bette lege, so denke ich an dich, wenn ich wach liege, sinne ich über dich nach.  Denn du bist mein Helfer, und unter dem Schatten deiner Flügel frohlocke ich. Meine Seele hängt an dir; deine rechte Hand hält mich. 

Geht es Dir auch manchmal so, dass Du Gott im Alltag einfach vergisst? Manchmal ist das normal, wenn wir mit irgendwelchen Dingen  beschäftigt sind. Ich möchte als Vater ja auch nicht, dass meine Kinder ständig  Blickkontakt zu mir halten wenn sie im Spiel vertieft sind. Aber da gibt es eben auch andere Zeiten intensiven Kontaktes. Zeiten, in denen die Seele nach Gott dürstet, in denen mich danach verlangt, Gott zu spüren. Wenn es diese Zeiten nicht gibt, muss ich mich fragen, was mit meiner Gottesbeziehung los ist. Denn Leben unter der Güte und Freundlichkeit Gottes ist besser als das "normale" Leben ohne ihn. Ich kann mich fragen, woran meine Seele hängt, Ist mir die  Beziehung zu meinem Gott wichtiger als alles andere? Das ist nun keine religiöse Forderung. Wie ich dazu komme, verrät das kleine letzte Sätzchen: "Deine rechte Hand hält mich." Hielte sie mich nicht, wäre es aus mit mir.  Das, was mein Leben ausmacht, mein Innerstes, meine Kraft und mein Wille - alles ist Gottes Geschenk. Mache ich mir das bewusst, dann ist das Lob Gottes die natürliche Reaktion - und das Nachdenken über ihn zugleich das Nachsinnen über meine eigene Existenz. Ich danke dir, Gott, dass du mir dieses Leben geschenkt hast! 

7.September Psalm 62 
 Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft. Denn er ist mein Fels, meine Hilfe, mein Schutz, dass ich gewiss nicht wanken werde. Wie lange stellt ihr alle einem nach, wollt alle ihn morden, als wäre er eine hangende Wand und eine rissige Mauer? Sie denken nur, wie sie ihn von seiner Höhe stürzen, sie haben Gefallen am Lügen; mit dem Munde segnen sie, aber im Herzen fluchen sie. Sela. Aber sei nur stille zu Gott, meine Seele; denn er ist meine Hoffnung. Er ist mein Fels, meine Hilfe und mein Schutz, dass ich nicht wanken werde. Bei Gott ist mein Heil und meine Ehre, der Fels meiner Stärke, meine Zuversicht ist bei Gott. Hoffet auf ihn allezeit, liebe Leute, schüttet euer Herz vor ihm aus; Gott ist unsre Zuversicht. Aber Menschen sind ja nichts, große Leute täuschen auch; sie wiegen weniger als nichts, so viel ihrer sind.  Verlasst euch nicht auf Gewalt und setzt auf Raub nicht eitle Hoffnung; fällt euch Reichtum zu, so hängt euer Herz nicht daran. Eines hat Gott geredet, ein Zweifaches habe ich gehört: Gott allein ist mächtig,  und du, Herr, bist gnädig; denn du vergiltst einem jeden, wie er’s verdient hat.
Wie kann meine Seele, mein Innerstes, Ruhe finden? Was ist es denn, das diese Stille raubt? Es sind Sorgen und Ängste, hervorgerufen durch Angriffe von Menschen oder durch schwierige Lebenssituationen. Der Beter und die Beterin machen sich bewusst, wer Gott für sie ist: meine Hoffnung, Fels meiner Stärke, Schutz, Heil, meine Ehre, meine Zuversicht. Und zur anderen Seite hin: Sie machen sich bewusst, was diese Menschen sind, die sie angreifen, die sie vernichten wollen: Lügner, falsche Leute, die Raub und Gewalt einsetzen,  um an Geld und Ehre zu kommen. Und sie schütten ihr Herz vor Gott aus.  Wie sieht das bei dir aus? Was hast du heute, in diesem Moment was du vor Gott ausschütten könntest? Welche Menschen haben dich schlecht behandelt oder schädigen deinen Ruf? Wie siehst du "große" Menschen, die über dir stehen? Oft sind wir in der Versuchung, ihnen gegenüber selbst zu "unlauteren Waffen" zu greifen - Verleumdung, Rufmord, üble Nachrede im Kollegen/Kolleginnenkreis. Wenn du dir bewusst machst, dass sie von Gott her gesehen nicht so wichtig sind, kannst du frei werden von diesem negativen Kämpfen. Gott wird dir Recht verschaffen!  Allerdings: Zu seiner Zeit! 

 6.September  Psalm 61 
Höre, Gott, mein Schreien und merke auf mein Gebet!  Vom Ende der Erde rufe ich zu dir, denn mein Herz ist in Angst; du wollest mich führen auf einen hohen Felsen. Denn du bist meine Zuversicht, ein starker Turm vor meinen Feinden.  Lass mich wohnen in deinem Zelte ewiglich und Zuflucht haben unter deinen Fittichen. Denn du, Gott, hörst meine Gelübde und gibst mir teil am Erbe derer, die deinen Namen fürchten. Du wollest dem König langes Leben geben, dass seine Jahre währen für und für,  dass er immer throne vor Gott. Lass Güte und Treue ihn behüten!  So will ich deinem Namen lobsingen ewiglich, dass ich meine Gelübde erfülle täglich.

Mein Herz ist in Angst! Da schreit einer in seiner Not und fordert Gott auf, doch zuzuhören.  Der Betende sieht sich buchstäblich am Ende der Erde, weit entfernt von Gott. Ja, er wünscht sich wie Mose auf dem Berg Gott ganz nahe zu sein. Er weiß, dass seine Zuversicht von Gott alleine kommt. Und während er betet, wird er gewiss: Gott hört mein Gebet! Er wird mich nicht verlassen - im Gegenteil, er wird mich teilhaben lassen an all dem Guten, dass er seinen Kindern versprochen hat.  Was tue ich, wenn ich am Ende bin, wenn meine eigene Kraft nicht mehr ausreicht? Wenn Gott dann meine Zuversicht ist - was erwarte ich konkret von ihm? Hast du einmal die Erfahrung gemacht, dass ein Loblied die Situation für dich verändert hat?  Hier hat das Schreien des Anfangs sich in das Lobsingen am Ende verwandelt. Wohlgemerkt: Das ist ein Weg, eine Entwicklung und keine Methode! 

5.September Psalm 59 (auszugsweise)
(Als Saul hinsandte und Davids Haus bewachen ließ, um ihn zu töten.)
Errette mich, mein Gott, von meinen Feinden und schütze mich vor meinen Widersachern.  Errette mich von den Übeltätern und hilf mir von den Blutgierigen! Denn siehe, HERR, sie lauern mir auf; Starke rotten sich wider mich zusammen ohne meine Schuld und Missetat. Ich habe nichts verschuldet; sie aber laufen herzu und machen sich bereit. Erwache, komm herbei und sieh darein! 
Meine Stärke, zu dir will ich mich halten; denn Gott ist mein Schutz. Gott erzeigt mir reichlich seine Güte, Gott lässt mich herabsehen auf meine Feinde. Bringe sie nicht um, dass es mein Volk nicht vergesse; zerstreue sie aber mit deiner Macht, Herr, unser Schild, und stoß sie hinunter! Das Wort ihrer Lippen ist nichts als Sünde; darum sollen sie sich fangen in ihrer Hoffart mit all ihren Flüchen und Lügen. Vertilge sie ohne alle Gnade, vertilge sie, dass sie nicht mehr sind! Lass sie innewerden, dass Gott Herrscher ist in Jakob, bis an die Enden der Erde. Des Abends kommen sie wieder, heulen wie die Hunde und laufen in der Stadt umher.  Ich aber will von deiner Macht singen und des Morgens rühmen deine Güte; denn du bist mir Schutz und Zuflucht in meiner Not. Meine Stärke, dir will ich lobsingen; denn Gott ist mein Schutz, mein gnädiger Gott.

In diesem Psalm geht es um Mord und Totschlag. David hat Angst und er ruft zu Gott: "Sieh doch, was hier geschieht!"  Er klammert sich an Gott und versichert es sich selbst: "Gott ist mein Schutz!"  Dann zählt er auf, was seine Feinde tun - und das bringt ihn zu einem Zornesausbruch: "Vertilge sie, rotte sie aus!"  Doch dann setzt er dem Heulen und Fluchen der Feinde das Singen entgegen: "Dir will ich lobsingen!"  Genauso wird es uns gehen, wenn wir zu Unrecht angegriffen werden. Wenn Gegner uns vernichten wollen.  Wir klammern uns an die Zusagen Gottes, geraten aber dennoch in Wut über die Angriffe und finden endlich dazu, den Anschuldigungen und Intrigen das Lob Gottes entgegenzusetzen.  "Ich aber will von deiner Macht singen!"  Das ist der Weg aus dem Kreislauf von Anschuldigung, Wut und Verzweiflung. Der Beter hat hier zweimal einen bemerkendwerten Namen für Gott: "Meine Stärke".  Wenn er sich zu Gott hält, sich ihm zuwendet, findet er diese Stärke in sich. 

4.September  Psalm 58 
Sprecht ihr in Wahrheit Recht, ihr Mächtigen? Richtet ihr in Gerechtigkeit die Menschenkinder?  Nein, mutwillig tut ihr Unrecht im Lande, und eure Hände treiben Frevel.  Die Frevler sind abtrünnig vom Mutterschoß an, die Lügner gehen irre von Mutterleib an.  Sie sind voller Gift wie eine giftige Schlange, wie eine taube Otter, die ihr Ohr verschließt,  dass sie nicht höre die Stimme des Zauberers, des Beschwörers, der gut beschwören kann. Gott, zerbrich ihnen die Zähne im Maul, zerschlage, HERR, das Gebiss der jungen Löwen! Sie werden vergehen wie Wasser, das verrinnt. Zielen sie mit ihren Pfeilen, so werden sie ihnen zerbrechen. Sie vergehen, wie eine Schnecke verschmachtet, wie eine Fehlgeburt sehen sie die Sonne nicht. Ehe eure Töpfe das Dornfeuer spüren, reißt alles der brennende Zorn hinweg. Der Gerechte wird sich freuen, wenn er solche Vergeltung sieht, und wird seine Füße baden in des Frevlers Blut; und die Leute werden sagen:  Ja, der Gerechte empfängt seine Frucht, ja, Gott ist noch Richter auf Erden.

Dieser Psalm ist nicht "nett"! Nicht ohne Grund wird er ein Fluchpsalm genannt. Sollte man ihn aus der Bibel entfernen? Klar, es geht um die Durchsetzung der Gerechtigkeit. Mächtige gehen bedenkenlos über die Nöte der Armen hinweg und betrügen hart arbeitende Menschen um ihren Lohn. Der Beter des Psalms redet sich in Rage, er lässt seinen Gefühlen freien Lauf. Ja, das kennen wir auch, wenn uns im Beruf oder in Beziehungen Unrecht geschieht, wenn wir übervorteilt werden oder nahe Menschen uns betrügen. Wie oft führt die unkontrollierte Wut darüber zu lebenslangen Zerwürfnissen - etwa bei Erbstreitigkeiten oder Trennungen. Der Beter bleibt hier erst einmal bei Gott. Ihm wirft er seine Wut-Phantasien entgegen: "Gott, mache doch...tu ihm doch..!" Und das ist weit besser als seine Wut fromm zu unterdrücken oder diese Flüche im Streit meinem Gegenüber an den Kopf zu werfen.  Sie bleiben zwischen mir und Gott. Und da wird der Punkt kommen, wo sich die Wut erschöpft und ich sagen kann: "Gott, du bist Richter auf Erden!"  und es Gott überlassen kann, Gerechtigkeit durchzusetzen. 

3.September  Psalm 57
Sei mir gnädig, Gott, sei mir gnädig! Denn auf dich traut meine Seele, und unter dem Schatten deiner Flügel habe ich Zuflucht, bis das Unglück vorübergehe. Ich rufe zu Gott, dem Allerhöchsten, zu Gott, der meine Sache zum guten Ende führt. Er sende vom Himmel und helfe mir von der Schmähung dessen, der mir nachstellt. Gott sende seine Güte und Treue.  Ich liege mitten unter Löwen; verzehrende Flammen sind die Menschen, ihre Zähne sind Spieße und Pfeile und ihre Zungen scharfe Schwerter.  Erhebe dich, Gott, über den Himmel und deine Ehre über alle Welt!  Sie haben meinen Schritten ein Netz gestellt und meine Seele gebeugt; sie haben vor mir eine Grube gegraben – und fallen doch selbst hinein.  Mein Herz ist bereit, Gott, mein Herz ist bereit, dass ich singe und lobe.  Wach auf, meine Ehre, wach auf, Psalter und Harfe, ich will das Morgenrot wecken!  Herr, ich will dir danken unter den Völkern, ich will dir lobsingen unter den Leuten.  Denn deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.  Erhebe dich, Gott, über den Himmel und deine Ehre über alle Welt!
Da sitzt David bei seiner Flucht vor Saul in einer dunklen Höhle.  Was bleibt ihm noch von den Zusagen Gottes? Er appelliert an Gott: Sei mir gnädig! Doch noch ist alles dunkel.  Ob Gott eingreift? Ob er wirklich gütig und treu ist? In diesem Gebet geht es hin und her: Dem Ruf nach Gott folgt die Schilderung der Not und wieder der Ruf nach Gott. Doch dann heißt es auf einmal: Mein Herz ist bereit! Wozu? Es ist  bereit, Gott dennoch zu loben! Noch ist das Morgenrot nicht da, noch ist alles dunkel - und doch erklingt nun ein hoffnungsvolles Lied: "Ich will das Morgenrot wecken!"  Ich will aufhören, die Schmähungen und Angriffe der Menschen aufzuzählen und meinen Blick auf Gott richten. Jetzt heißt es nicht mehr: "Sende deine Güte und Treue."  sondern: "Deine Güte reicht, so weit der Himmel ist!"  Mitten in seiner dunklen Höhle ist es für David hell und licht geworden. Kennst du Erfahrungen ähnlicher Art, in denen die Ängste und inneren Nöte beim Lob Gottes kleiner wurden oder ganz verschwanden? 

2.September  Psalm 56
Gott, sei mir gnädig, denn Menschen stellen mir nach; täglich bekämpfen und bedrängen sie mich.  Meine Feinde stellen mir täglich nach; denn viele kämpfen gegen mich voll Hochmut. Wenn ich mich fürchte, so hoffe ich auf dich.  Ich will Gottes Wort rühmen; auf Gott will ich hoffen und mich nicht fürchten. Was können mir Menschen tun?  Täglich fechten sie meine Sache an; alle ihre Gedanken suchen mir Böses zu tun. Sie rotten sich zusammen, sie lauern  und heften sich an meine Fersen; so trachten sie mir nach dem Leben. Sollten sie mit ihrer Bosheit entrinnen? Gott, stoß diese Leute ohne alle Gnade hinunter!  Zähle die Tage meiner Flucht, sammle meine Tränen in deinen Krug; ohne Zweifel, du zählst sie.  Dann werden meine Feinde zurückweichen, wenn ich dich anrufe. Das weiß ich, dass du mein Gott bist.  Ich will rühmen Gottes Wort; ich will rühmen des HERRN Wort.  Auf Gott hoffe ich und fürchte mich nicht; was können mir Menschen tun? Ich habe dir, Gott, gelobt, dass ich dir danken will.  Denn du hast meine Seele vom Tode errettet, meine Füße vom Gleiten, dass ich wandeln kann vor Gott im Licht der Lebendigen.

David erlebt einen Tiefpunkt seines Lebens. Auf der Flucht vor König Saul haben ihn die Philister gefangen. Nun spricht er sich selbst zu: Ich will auf Gott hoffen und mich nicht fürchten! Funktioniert das denn? Sicherlich nicht als ein rasches Stoßgebet, sondern im längeren Ringen in einer notvollen Situation. Es ist hier, als habe sich David gefragt: "Was habe ich noch? Was gilt jetzt noch?" Und dann die Antwort gefunden: "Ich weiß, dass du mein Gott bist!"  Das führt ihn zu der kühnen Aussage: "Auf Gott hoffe ich und fürchte mich nicht. Was können mir Menschen tun?"  Zum zweiten Mal hören wir diese Worte, doch nicht als Willensbekundung, sondern als Realität. Weiß ich, dass der Vater Jesu Christi mein Gott ist? Kann ich daran festhalten, wenn es mir schlecht geht und wenn ich Not gerate? Der Entschluss, Gott mitten in der Not zu danken, kann der Wendepunkt der inneren Kämpfe und Ängste sein. "Denn du hast...."  Ja, was hat Gott schon an mir getan? 

1.September  1.Thessalonicher 5, 23 - 28
Gott selbst, der Gott des Friedens, helfe euch, ein durch und durch geheiligtes Leben zu führen. Er bewahre euer ganzes Wesen – Geist, Seele und Leib –, damit, wenn Jesus Christus, unser Herr, wiederkommt, nichts an euch ist, was Tadel verdient. Der, der euch beruft, ist treu; er wird euch ans Ziel bringen.  Betet auch für uns, Geschwister!  Grüßt alle Geschwister mit einem Kuss als Ausdruck dafür, dass ihr alle zu Gottes heiligem Volk gehört. Ich mache es euch vor dem Herrn zur Pflicht, diesen Brief allen Geschwistern vorzulesen. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch!

Paulus beendet seinen Brief, indem er nochmals das benennt, was ihm am wichtigsten ist: ein geheiligtes Leben. Alles, was das Leben ausmacht, soll auf dieses Ziel ausgerichtet sein. Er weiß, dass wir Menschen das nicht ohne Gottes Hilfe erreichen. Aber ist dieses Ziel überhaupt erstrebenswert?  Führt das nicht zu einem ziemlich verkrampften Dasein? Paulus ist darin ein ziemlicher Extremist - er ordnet tatsächlich alles seinem Einsatz für das Reich Gottes unter.  Die Zeit wird für ihn knapp, denn bald wird Jesus wiederkommen.  Für uns heute besteht die Aufgabe darin, unser ziemlich normales Alltagsleben und diesen Anspruch unter einen Hut zu bringen.  Du gehörst zu Gottes heiligem Volk und lebst mitten in der Welt mit all ihren Aufgaben und Herausforderungen.  Was du von Gott her bist, kann dir niemand nehmen.  Was bedeutet es heute, als geheiligter Mensch in de Welt zu leben? 


31.August 1.Thessalonicher 5, 19 - 22
Legt dem Wirken des Heiligen Geistes nichts in den Weg!  Geht nicht geringschätzig über prophetische Aussagen hinweg,  sondern prüft alles. Was gut ist, das nehmt an.  Aber was böse ist, darauf lasst euch nicht ein, in welcher Gestalt auch immer es an euch herantritt.

Wörtlich heißt es hier:  Löscht den Geist nicht aus!  Das hat die Kirche trotzdem jahrhundertelang getan, indem sie die Geistesgaben ablehnte oder für beendet erklärte.  Heute sehen wir das anders. Gibt es in unserer Gemeinde Prophetie? Sie kann in ganz unterschiedlichen Formen vorkommen, zum Beispiel als ein Wort, das jemand spontan einfällt oder als ein Diskussionsbeitrag in einer Gemeindeversammlung oder als eine Aussage in der Predigt, die mich trifft.  Es gibt jedoch keine sakrosankten Worte, denn alles soll geprüft werden.  In der Praxis ist Gut und Böse nicht so leicht zu unterscheiden.  Man sollte sich immer fragen, ob das, was jemand prophetisch ausspricht, der Botschaft Jesu entspricht oder widerspricht. Ist das, was ich ausspreche, hilfreich und entspricht es der Liebe?  Wenn nicht, dann sollte ich schweigen. 

30.August 1.Thessalonicher 5, 16 - 18
 Freut euch, was auch immer geschieht!  Lasst euch durch nichts vom Gebet abbringen! Dankt Gott in jeder Lage! Das ist es, was er von euch will und was er euch durch Jesus Christus möglich gemacht hat.
Stell dir vor, du habest in einem Bankdepot ein Millionenvermögen in Gold gebunkert - in der höchsten Sicherheitsstufe.  Leider hat jemand deinen Bankaccount herausgefunden und das dort gesparte Geld abgehoben. Das ist ärgerlich, aber du kannst das ruhig hinnehmen, denn du hast ja immer noch dein Gold.  Oder - in einem anderen Vergleich: Du bist Teilnehmer an einer dieser Fernseh - Inselabenteuer, bei denen man alles Mögliche Schreckliche und Eklige zu erdulden hat. Dir fällt das trotzdem ziemlich leicht, denn du weißt, das ist nicht das reale Leben. Nach der Insel erfolgt die Auszahlung und du kannst davon dann gut leben. Paulus denkt hier an diese Vorläufigkeit und Begrenztheit unserer Leiden, wenn er schreibt:  "Freut euch allezeit!"  Das ist nur in einer Ewigkeitsperspektive möglich.  Sehr eindrücklich wird das in einem Bonhoeffer-Film dargestellt, in dem der Verfolger kurz vor der Hinrichtung sagt: "Das ist nun das Ende!" und Bonhoeffer antwortet: "Nein! Das ist der Anfang!"  Da frage ich mich, ob ich solch eine "Ewigkeitsperspektive" habe, die alles Zeitliche in dieser Perspektive betrachtet. Paulus sagt: "Durch Jesus Christus ist euch das möglich." "Ewigkeit ist mein Zuhause" heißt es in einem Lied. Wirklich? 

29.August 1.Thessalonicher 5, 12 - 15
 Geschwister, wir bitten euch, die anzuerkennen, denen der Herr die Verantwortung für eure Gemeinde übertragen hat und die mit unermüdlichem Einsatz unter euch tätig sind und euch mit seelsorgerlichem Rat zur Seite stehen. Ihr könnt ihnen für das, was sie tun, nicht genug Achtung und Liebe entgegenbringen. Haltet Frieden untereinander!  Weiter bitten wir euch, Geschwister: Weist die zurecht, die ein ungeordnetes Leben führen! Ermutigt die, denen es an Selbstvertrauen fehl! Helft den Schwachen! Habt mit allen Geduld! Achtet darauf, dass keiner Böses mit Bösem vergilt. Bemüht euch vielmehr mit allen Kräften und bei jeder Gelegenheit, einander und auch allen anderen Menschen Gutes zu tun.

In der Gemeinde gibt es Leitungsfunktionen und Unterordnung. Es gibt Leute, die uns ermahnen, ja sogar zurechtweisen sollen und dürfen.  So ist dieses Wort zu übersetzen - die hier verwendete Übertragung formuliert: "mit seelsorgerlichem Rat zur Seite stehen." Das ist nicht falsch, denn dadurch soll zum Ausdruck kommen, dass die Leiter  der Gemeinde keine Herrscher sind. Gerade der Aufruf des Paulus zeigt ja, dass bei den anfänglich "flachen Hierarchien" in der Gemeinde Auseinandersetzungen drohen: Wieso hat der mir etwas zu sagen? Wieso beansprucht dieser Bruder, diese Schwester eine höhere Autorität?  Die Begründung steht am Anfang: Gott hat bestimmten Personen die Verantwortung übertragen. Das so zu begründen ist nicht unproblematisch, denn es gibt Menschen, die das unberechtigt für sich beanspruchen und Macht ausüben wollen. Doch stellen sich in der Alltagspraxis einer Gemeinde die Gaben heraus, eben auch die Gabe der Leitung. Das "Echtheitskriterium" ist hier, dass sie von der großen Mehrheit der Geschwister anerkannt wird.  Als Korrektiv  steht dann gleich da: "Haltet Frieden!"  Das gilt für alle Glieder der Gemeinde, auch für die Leitenden. Und die "Zurechtweisung" ist Aufgabe aller - von "unten" nach "oben" und umgekehrt.  Wie geht es da in meiner Gemeinde zu? 

28.August 1.Thessalonicher 5, 9 - 11
Denn Gott hat uns dazu bestimmt, durch Jesus Christus, unseren Herrn, gerettet zu werden, und nicht dazu, im Gericht verurteilt zu werden. Christus ist ja für uns gestorben, damit wir, wenn er wiederkommt, für immer mit ihm leben – ganz gleich, ob wir bei seinem Kommen noch am Leben sind oder nicht.  Darum macht euch gegenseitig Mut und helft einander im Glauben weiter, wie ihr es ja auch jetzt schon tut.

Für immer mit Christus leben - es ist für uns diesseitige Menschen schwer, uns das vorzustellen. Klar, all unsere Vorstellungen können nur irdische Bilder aus unserer dreidimensionalen Welt sein. Doch wenn wir uns gar nichts vorstellen, wird uns dieses jenseitige Leben nebulös und unwirklich. Welche Vorstellung hast du vom Himmel? Ich denke gerne an die höchst irdischen Bilder von C.S.Lewis im letzten Band von Narnia.  Dort ist Aslans Land nicht anders als die Welt, die die Kinder kennen - nur viel, viel realer.  "Unsere Welten sind nur Schatten, das wirkliche Leben beginnt nun."  Paulus schreibt hier: "Helft einander im Glauben weiter!"  Das gilt gerade für unsere Bilder vom Himmel, der auf uns wartet.  Tauschen wir unsere Bilder und Vorstellungen aus! Fragt einander danach:  "Wie sieht der Himmel für dich aus?"  

27.August 1.Thessalonicher 5, 5 - 8
Ihr alle seid ja Menschen des Lichts, und euer Leben wird von jenem kommenden Tag bestimmt. Weil wir also nicht zur Nacht gehören und nichts mit der Finsternis zu tun haben, dürfen wir auch nicht schlafen wie die anderen, sondern sollen wach und besonnen sein.  Wer schläft, schläft in der Nacht, und wer sich betrinkt, betrinkt sich in der Nacht. Wir aber gehören zum Tag und wollen daher nüchtern und zum Kampf bereit sein, gerüstet mit dem Brustpanzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung auf Rettung. 

Wovon wird mein Leben bestimmt? Von den täglichen Sorgen um Familie und  Beruf?  Von meinem Wünschen und Sehnsüchten? Von den Träumen nach mehr Bedeutung und Ansehen? Oder von "dem kommenden Tag"?  Aber werden wir da nicht zu religiösen Fanatikern, die nichts Anderes im Sinn haben als ihre Mission? Wir sind doch auch noch Bürger dieser Welt und sollen unser Leben in Verantwortung gestalten. Ich kann mich aber - ohne religiös abzuheben - fragen, welchen Bezug mein Glaube an den "kommenden Tag" zu diesen "normalen" Lebensbereichen hat. Ist meine berufliche Tätigkeit im Lichte der kommenden Welt Gottes eine sinnvolle Tätigkeit?  Wie kann ich in meiner Familie Glaube, Liebe und Hoffnung zum Ausdruck bringen und an meine Kinder weitergeben? Wenn alle unsere Lebensbereiche von der Freude des Erlöstseins von Schuld und Unfreiheiten durchdrungen werden, dann sind wir Menschen des Lichts und leben für die kommende Welt Gottes. 

26.August 1.Thessalonicher 5, 1 - 4
 Zur Frage nach dem Zeitpunkt und den näheren Umständen dieser Ereignisse braucht man euch nichts zu schreiben, Geschwister.  Ihr selbst wisst ganz genau, dass jener große Tag, der Tag des Herrn, so unerwartet kommen wird wie ein Dieb in der Nacht.  Wenn die Leute meinen, es herrsche Frieden und Sicherheit, wird plötzlich das Unheil über sie hereinbrechen wie Wehen, die eine schwangere Frau überfallen, und es wird kein Entrinnen geben.  Ihr aber, Geschwister, lebt nicht in der Finsternis, und deshalb wird euch jener Tag nicht wie ein Dieb überraschen.

Wie viele Christen haben im Laufe der Geschichte das Datum der Wiederkunft errechnet - trotz solcher Warnungen! Und es ist ein typisches Element radikaler christlicher Gruppen, sich selbst als letzte Generation zu sehen.  Paulus schreibt hier in einer Weise, die uns befremden kann: Für die, die nicht Christen sind, wird es kein Entrinnen geben! Diese Menschen leben in Finsternis, sie können die Realität der Welt Gottes nicht erkennen. Deshalb denken sie, alles geht so weiter und fühlen sich sicher.  Christen haben eine andere Sicht auf die Welt. Wir glauben, dass diese Welt endlich ist und dass es eine plötzliche Verwandlung geben wird, die unserer Geschichte ein Ende setzt. Wie geschieht das? Wir wissen es nicht, glauben aber, dass Gott als Schöpfer dieser Welt auch ihr Ende bestimmt.  Als "Stein des Anstoßes" bleibt für uns das Unheil, das über die Ungläubigen hereinbricht. So haben es die ersten Christen geglaubt und gesehen - mitten in einer feindlichen Umwelt.  Wir Heutigen hoffen und glauben, dass Gottes Liebe Wege für die Menschen findet, die ihn nicht kennen oder seine Existenz leugnen.  Würde es mich freuen, wenn über all die Nichtchristen das Unheil hereinbräche? 

25.August  1.Thessalonicher 4, 15 - 18

Außerdem können wir euch unter Berufung auf das, was der Herr gesagt hat, versichern, dass wir, die Lebenden, die bis zur Wiederkunft des Herrn übrigbleiben, den Entschlafenden keineswegs zuvorkommen werden. Der Herr selbst wird vom Himmel herabkommen, ein lauter Befehl wird ertönen, und auch die Stimme eines Engelfürsten und der Schall der Posaune Gottes werden zu hören sein. Daraufhin werden zuerst die Menschen auferstehen, die im Glauben an Christus gestorben sind.  Danach werden wir – die Gläubigen, die zu diesem Zeitpunkt noch am Leben sind – mit ihnen zusammen in den Wolken emporgehoben, dem Herrn entgegen, und dann werden wir alle für immer bei ihm sein. Tröstet euch gegenseitig mit diesen Worten! 

Es fällt uns nach 2000 Jahren schwer, den Vorgang der Entrückung zu glauben. Es sind ja auch keine Menschen bis zur Wiederkunft übrig geblieben. Es sind apokalyptische Vorstellungen und Bilder, jener Tage, auf die der Apostel zurückgreift. Was hat Jesus selbst dazu gesagt? In Matthäus 24 heißt es:  "Zwei Frauen werden mahlen mit der Mühle; die eine wird angenommen, die andere wird preisgegeben."  Jesus geht es hier um das Bereitsein, wenn er wiederkommt. Paulus geht es um Trost für die Menschen angesichts des Todes. Brauchen wir heute diesen Trost? Wenn wir ehrlich sind, müssen wir sagen, dass die Erwartung der Wiederkunft Jesu verblasst ist, auch wenn wir das im Glaubensbekenntnis immer wieder bekennen. Haben wir eine Vorstellung vom Ende dieser Welt? Wie ändert sich mein Glaube, wenn ich weiß, dass all das Leid und die Not, Kriege und Krankheiten einmal ein Ende haben werden? Jenseits aller apokalyptischen Bilder gilt dieser eine Satz: "Gott wird all dem ein Ende setzen" Wie geschieht das? Wir haben da nur Bilder, mehr wissen wir nicht 


24.August 1.Thessalonicher 4, 13 - 14
Kommen wir nun zur Frage nach den Gläubigen, die schon gestorben sind. Es liegt uns sehr daran, Geschwister, dass ihr wisst, was mit ihnen geschehen wird, damit ihr nicht um sie trauert wie .die Menschen, die keine Hoffnung haben.  Nun, wir glauben doch, dass Jesus für uns gestorben und dass er auferstanden ist. Dann wird Gott aber auch dafür sorgen, dass die, die im Vertrauen auf Jesus gestorben sind, mit dabei sein werden, wenn Jesus in seiner Herrlichkeit kommt.

Die Gemeinde hatte ein Problem.  Paulus und andere Apostel hatten verkündet, dass Jesus bald wiederkommt.  Aber nun waren etliche Jahre vergangen und nichts war geschehen. Schlimmer noch: Gläubige waren darüber gestorben. Hatten sie also Pech gehabt? Würden sie bei der Ankunft Jesu nicht dabei sein und im Grab bleiben?  Nein, sagt Paulus, sie werden mit dabei sein.  Sie werden auferstehen wie Jesus auferstanden ist.  Hier kündigt sich etwas an, das später weiter entwickelt wurde. Die "Naherwartung" der ersten Generation trat mehr und mehr zurück und es mussten andere Anschauungen entwickelt werden.  Zum Beispiel die, wie sich die Gemeinde gegenüber der weltlichen Gesellschaft verhalten soll, in der sie dauerhaft ihren Platz einnimmt.  Das heißt aber: Unser Glaube ist wandelbar und muss sich einer veränderten Lage anpassen können.  Das gilt auch für gesellschaftliche Wandlungen, ohne dass wir dabei dem "Zeitgeist" verfallen.  Macht mir das Angst? Suche ich meine Sicherheit in einem statischen "Glauben der Väter"? 

23.August 1.Thessalonicher 4, 9 - 12
Dass euer Verhalten untereinander von Liebe bestimmt sein soll, brauchen wir euch nicht zu schreiben. Gott selbst hat euch gelehrt, einander zu lieben,  und das befolgt ihr ja auch gegenüber allen Geschwistern in ganz Mazedonien. Trotzdem möchten wir euch eindringlich bitten, Geschwister: Lasst eure Liebe zueinander noch stärker werden! Und setzt es euch zum Ziel, ein geordnetes Leben zu führen, euch um eure eigenen Angelegenheiten zu kümmern und selbst für euren Lebensunterhalt zu sorgen. Wenn ihr das tut – und wir haben euch ja schon früher dazu aufgefordert –, werden euch die, die nicht zur Gemeinde gehören, achten, und ihr werdet niemand zur Last fallen.

Hier erfahren wir ein wichtiges Motiv des Apostels: Die Thessalonicher sollen ein geordnetes Leben führen, damit die Nichtchristen an nichts Anstoß nehmen können. Paulus will allen Argumenten, die gegen die Botschaft des Evangeliums angeführt werden könnten, von vorneherein den Wind aus den Segeln nehmen. Die Liebe, die für das Leben innerhalb der Gemeinde immer stärker werden soll, strahlt nach außen in alle Lebensbereiche hinein. Wie sehen wir das heute? Christen, die ein "geordnetes Leben"  führen, achten auf ihre Umwelt, beuten Andere nicht aus und sind Mitbürger, die das Leben in ihrer politischen Umgebung aktiv mitgestalten. Es sind Menschen, die Verantwortung übernehmen und nach ihren Möglichkeiten helfen, dass andere Menschen auch gut leben können. Welche Folgen hat mein Glaube für mein Leben in Familie, Staat und Gesellschaft? Sehen die Nichtchristen, dass Glaube etwas bewirkt? 

22.August 1. Thessalonicher 4, 6 - 8

Keiner darf in diesen Dingen die von Gott gesetzten Grenzen überschreiten und seinen Bruder betrügen. Denn für alle solche Vergehen wird der Herr die Schuldigen zur Rechenschaft ziehen. Im Übrigen wiederholen wir mit dieser Warnung nur, was wir euch schon früher gesagt haben.  Gott hat uns dazu berufen, ein geheiligtes Leben zu führen und nicht ein Leben, das von Sünde beschmutzt ist. Wer diese Anweisungen missachtet, missachtet daher nicht einen Menschen, sondern den, der euch seinen Heiligen Geist schenkt – Gott selbst.
"Diese Dinge" - Paulus hat zuvor Unzucht und Übervorteilung, also Betrug genannt. Unsere Berufung ist die Berufung zu einem geheiligten Leben. Wir sollen die von Gott gesetzten Grenzen achten.  Wer das nicht tut, missachtet Gottes Gebot und somit Gott selbst. Wie wird Gott uns dann "zur Rechenschaft ziehen"? Man muss hier nicht gleich an das Gericht am Ende denken. Auch im Diesseits kann und wird Sünde Folgen haben. "Was der Mensch sät, wird er ernten" sagt Paulus in einem anderen Brief (Galater 6,7) .  Wo wir Schuld nicht bekennen und ausräumen, wird sie weiterwirken und uns eines Tages selbst treffen. Wenn dir eine Situation bewusst wird, wo du selbst betrogen oder gelogen hast, kannst du das vor Gott und Menschen ausräumen, bekennen und wiedergutmachen.  Es ist die Weise, Gott selbst ernst zu nehmen. Dadurch werden Beziehungen heil und du selbst frei von den negativen Folgen deines Handelns.

21. August 1. Thessalonicher 4, 1 - 5
 Übrigens nun, Brüder, bitten und ermahnen wir euch in dem Herrn Jesus, da ihr ja von uns Weisung empfangen habt, wie ihr wandeln und Gott gefallen sollt – wie ihr auch wandelt –, dass ihr darin noch reichlicher zunehmt.  Denn ihr wisst, welche Weisungen wir euch gegeben haben durch den Herrn Jesus. Denn dies ist Gottes Wille: eure Heiligung, dass ihr euch von der Unzucht fernhaltet, dass jeder von euch sich sein eigenes Gefäß in Heiligung und Ehrbarkeit zu gewinnen weiß,  nicht in Leidenschaft der Begierde wie die Nationen, die Gott nicht kennen; dass er sich keine Übergriffe erlaubt noch seinen Bruder in der Sache übervorteilt, weil der Herr Rächer ist über dies alles, wie wir euch auch vorher schon gesagt und eindringlich bezeugt haben.

Heiligung ist Paulus sehr wichtig. Gott ist heilig und die, die zu ihm gehören, müssen ebenfalls heilig sein. Das steht in Spannung zum Evangelium von der Gnade, die uns geschenkt ist. Wir sind von Gott ohne Verdienst aufgenommen – und nun soll unser Leben dieser Aufnahme entsprechen. Paulus fällt hier zuerst Unzucht ein. Die antike Gesellschaft war – im Unterschied zur jüdischen – da sehr locker, jedenfalls, was die Männer betraf. Er sah die Gefahr, dass das sexuelle Begehren dazu führt, dass Männer sich von ihren Begierden den Praktiken dieser „offenen“ Gesellschaft wieder zuwenden würden. Aber ist Heiligung nicht doch menschliches Bemühen, gut zu sein? Ja und nein. Es ist Gottes Geist, der in uns den Wunsch und das Vermögen schafft, ein Leben im Sinne Gottes zu führen. Wenn ich ihn denn lasse. Wo kämpfe ich mit Begierden und Wünschen, die mich von Gott entfernen?  

20.August 1.Thessalonicher 3, 10 - 13
Tag und Nacht bitten wir ihn inständig um die Möglichkeit, euch wieder zu sehen und euch in den Punkten weiterzuhelfen, wo es euch in eurem Glauben noch an etwas fehlt.  Ja, wir bitten Gott, unseren Vater, und Jesus, unseren Herrn, uns den Weg zu euch zu ebnen.  Und für euch erbitten wir vom Herrn eine immer größere Liebe zueinander und zu allen Menschen – eine Liebe, die so überströmend ist wie unsere Liebe zu euch.  Wir bitten ihn, euch auf diese Weise innerlich so stark zu machen, dass nichts mehr an euch sein wird, was Tadel verdient, und ihr in Heiligkeit vor Gott, unseren Vater, treten könnt, wenn Jesus, unser Herr, mit allen seinen Heiligen wiederkommt. Amen.

Wir müssen uns daran erinnern, dass Paulus im Gefängnis sitzt. Wenn er darum bittet, dass Gott ihm den Weg nach Thessalonich ebnet, ist es die Bitte um Befreiung aus dem Gefängnis. Der Apostel denkt dabei ganz von seinem Auftrag her, nicht von seiner persönlichen Befindlichkeit. (Niemand ist ja gerne im Gefängnis). Er stellt auch nicht die Frage, warum Gott nicht eingreift und ihn, seinen Apostel, befreit.  Es bleibt bei der schlichten Bitte, ihm den Weg zu ebnen.  Für die Thessalonicher erbittet er, was er für unbedingt wichtig hält: eine immer größere Liebe untereinander und zu allen Menschen. Zu allen! Also auch zu denen, die ihnen Schwierigkeiten bereiten und zu denen, die sie  verfolgen. So hat es Jesus seinen Jüngern in der Bergpredigt geboten. Gibt es Menschen, denen ich diese Liebe nicht entgegenbringen kann? Warum nicht?  Bete ich darum, dass Gott dies in mir verändert? 


19.August  1.Thessalonicher 3, 6 - 9
Doch jetzt ist Timotheus mit einem so guten Bericht zu uns zurückgekehrt! Er hat uns von eurem Glauben und eurer Liebe erzählt und dass ihr uns stets in guter Erinnerung habt und euch genauso sehr wie wir nach einem Wiedersehen sehnt. Diese Nachrichten über euch und euren Glauben, Geschwister, haben uns in unseren eigenen Nöten und Schwierigkeiten neuen Mut gegeben.  Ja, wir leben richtig auf, seit wir erfahren haben, dass ihr treu zum Herrn haltet.  Wir wissen gar nicht, wie wir unserem Gott für euch danken sollen, so groß ist die Freude, die uns jedes Mal erfüllt, wenn wir im Gebet an euch denken.

Wir brauchen Ermutigung! Paulus brauchte sie im Gefängnis. Er saß dort mit all seinen Befürchtungen und Ängsten. Die Sorge um die junge Gemeinde in Thessalonich bedrückte ihn schwer. Endlich brachte Timotheus gute Nachrichten. Die Gemeinde lebt, sie wächst und sie ist von Liebe geprägt. Auch wir brauchen solche Ermutigung - gerade dann, wenn unser Glaube wankt, wenn wir überall nur Niedergang und Verwirrung sehen. Gute Nachrichten anderer Gemeinden und anderer Christen können uns neuen Mut geben und uns aufrichten. Es ist heute so einfach, wir brauchen auf keinen Timotheus warten, der nach mühsamer Reise endlich kommt. Wir haben viele Informationsquellen. Nur aufmachen müssen wir uns, die Seiten der schlechten Nachrichten verlassen und uns auf due Suche machen nach blühenden Gemenden, neuen Initiativen und Aufbrüchen.  Es gibt sie weltweit - und sie können uns zu neuem Glauben ermutigen. 

18.August 1.Thessalonicher 3, 1 - 5
Als wir es schließlich nicht länger aushielten, entschlossen wir uns, allein in Athen zu bleiben und unseren Bruder Timotheus zu euch zu schicken, der als Mitarbeiter Gottes zusammen mit uns das Evangelium von Christus verkündet. Wir gaben ihm den Auftrag, euch im Glauben zu stärken und zu ermutigen, damit keiner von euch durch die Verfolgungen, denen ihr ausgesetzt seid, in seinem Vertrauen auf Gott erschüttert wird. Ihr wisst ja selbst, dass solche Leiden zu unserem Leben als Gläubige gehören. Im Übrigen hatten wir euch, schon als wir bei euch waren, immer wieder darauf hingewiesen, dass es zu Verfolgungen kommen wird, und was das bedeutet, wisst ihr inzwischen aus eigener Erfahrung. So kam es also, dass ich Timotheus zu euch geschickt habe. Ich konnte die Ungewissheit nicht mehr ertragen und wollte erfahren, wie es mit euch steht. Meine Sorge war, dem Versucher könnte es gelungen sein, euch vom Glauben abzubringen, sodass unsere ganze Arbeit vergeblich gewesen wäre.
Gehören Verfolgungen zu unserem Leben als Christen? Viele Christen im Nahen Osten, in China, Indien oder in Russland würden das bejahen. Für sie bedeutet Christsein Nachteile in Kauf zu nehmen und die ständige Bedrohung durch staatliche Gewalt. Wir im Westen sind da in einer privilegierten Situation. Was uns oft fehlt, ist die innere Verbindung zu einer weltweiten Christenheit, die in dieser Verfolgung an ihrem Glauben festhält. Beten wir für Menschen, die aufgrund ihres Glaubens verfolgt werden? Kümmern wir uns um Gläubige, die im Gefängnis sitzen oder die bitteres Unrecht erleiden? Paulus ist so sehr in Sorge um seine Gemeinde, dass er auf Timotheus verzichtet und allein in Athen zurückbleibt. Sorgen wir uns heute um Menschen, die Verfolgung erleiden? Um nur ein Beispiel zu nennen: Dem ältesten Kloster der Christenheit, Mor Gabriel in der Südtürkei wird immer wieder das Existenzrecht abgesprochen, ihm wird Land entzogen und Unterricht in Aramäisch untersagt. Geht uns solches Unrecht etwas an?  

17.August 1.Thessalonicher 2, 17 - 20
Zurück zu uns und unserem Ergehen, Geschwister. Obwohl wir doch nach unserer Abreise nur äußerlich von euch getrennt waren, nicht in unseren Herzen, kamen wir uns wie verwaist vor und sehnten uns so sehr nach euch, dass wir schon bald alles unternahmen, um euch wieder zu sehen. Wir waren entschlossen, zu euch zu kommen; ich, Paulus, versuchte es sogar mehr als einmal. Doch der Satan hat uns daran gehindert. Wer ist denn unsere Hoffnung und unsere Freude? Wer ist der Siegeskranz, auf den wir stolz sein können, wenn Jesus, unser Herr, wiederkommt und wir vor ihm stehen werden? Seid nicht gerade ihr es?  Ja, ihr seid unser Stolz und unsere Freude!

Es soll ja Christen geben, die jeden persönlichen Erfolg klein reden und ganz bescheiden allein auf Gottes Wirken hinweisen.  Paulus tut das nicht! Er ist stolz auf seine Gemeindegründung. Er freut sich über die Beziehungen, die gewachsen sind und sehnt sich nach einem Wiedersehen. Das führt zu  Fragen an uns Heutige: Kenne ich diese Sehnsucht nach den Menschen, die mit mir in der Gemeinde unterwegs sind? Freue ich mich auf die Begegnung mit ihnen? Wenn nicht, sollte ich etwas ändern. Und weiter kann ich mich fragen, ob ich erlebe, dass mir etwas gelingt, auf das ich stolz sein kann. Das kann ein gelungener Hauskreisabend sein, oder ein gutes Gemeindeprojekt, eine gute Predigt, ein Mensch, dem ich helfen konnte. Du solltest dem Impuls widerstehen, auf die Hilfe Gottes zu verweisen und dich darüber freuen! Denn du hast deine Begabungen gut und sinnvoll eingesetzt. 

16.August 1.Thessalonicher 2, 13 - 16
 Im Übrigen danken wir Gott immer wieder dafür, dass ihr die Botschaft, die wir euch in seinem Auftrag verkündeten, als das aufgenommen habt, was sie tatsächlich ist – das Wort Gottes und nicht eine Lehre von Menschen. Und seit ihr glaubt, erfahrt ihr die Kraft dieses Wortes in eurem eigenen Leben. Ihr wart sogar bereit, Verfolgungen auf euch zu nehmen, liebe Geschwister, und seid damit dem Vorbild der Gemeinden Gottes in Judäa gefolgt, die sich wie ihr zu Jesus Christus bekennen. Denn ihr hattet durch eure Landsleute in gleicher Weise zu leiden wie die Gläubigen von Judäa durch ihre Landsleute. Diese haben Jesus, den Herrn, getötet, wie sie es schon mit den Propheten gemacht hatten, und jetzt verfolgen sie auch uns. Es ist unmöglich, dass sie Gott damit gefallen! Außerdem stellen sie sich gegen alle Menschen,  weil sie uns daran hindern wollen, den anderen Völkern die Botschaft zu verkünden, die ihnen den Weg zur Rettung zeigt. Auf diese Weise machen sie das Maß ihrer Sünden endgültig voll. Nun wird Gottes Zorn unweigerlich über sie hereinbrechen.

Es fällt uns heute schwer, solche Worte über den Zorn Gottes zu vernehmen. Wir denken dabei an die jahrtausendelange Verfolgung der Juden durch Christen. Aber für Paulus stellt sich die Sachlage ganz anders dar. Er erfährt die Verfolgung durch die jüdische Synagoge. Insbesondere trifft ihn die Ablehnung der Ausweitung der Mission zu allen Menschen hin. Denn das war ja seine Berufung: Alle Menschen, Juden wie Heiden stand jetzt das Reich Gottes offen. Doch niemals hätte sich Paulus vorstellen können, dass der Zorn Gottes die Juden durch Christen trifft, die die Juden verfolgen und töten. Für ihn gab es nur eine Verfolgung, die die unausweichliche Konsequenz der Verkündigung war. Christen leiden wie ihr Herr gelitten hat, sie folgen ihm auch darin nach.  Und heute? Wie viele Nachteile bin ich bereit in Kauf zu nehmen, weil ich als Christ in dieser Gesellschaft nach anderen Maßstäben lebe? Wäre ich bereit, mich unbeliebt zu machen? 

15.August 1.Thessalonicher 2, 9 - 12
 Ihr erinnert euch doch sicher daran, Geschwister, dass wir damals, als wir euch das Evangelium verkündeten, Tag und Nacht für unseren Lebensunterhalt arbeiteten; wir mühten uns ab und scheuten vor keiner Anstrengung zurück, um nur ja keinem von euch zur Last zu fallen. In all unserem Umgang mit euch, unseren Glaubensgeschwistern, ließen wir uns von der Ehrfurcht vor Gott leiten, und unser Verhalten war in jeder Hinsicht korrekt und tadellos. Ihr könnt es bestätigen, und Gott selbst ist unser Zeuge. Ihr wisst, dass wir uns um jeden Einzelnen von euch gekümmert haben wie ein Vater um seine Kinder.  Wir haben euch ermahnt und ermutigt und mit allem Nachdruck daran erinnert, wie wichtig es ist, ein Leben zu führen, durch das Gott geehrt wird. Er ist es ja, der euch dazu beruft, an seinem Reich und an seiner Herrlichkeit teilzuhaben.
Paulus war von Beruf Zeltmacher und er legte Wert darauf, von der  Gemeinde, die er gründete, finanziell nicht abhängig zu sein. Er wollte in seiner Verkündigung frei bleiben. Sein Leitmotiv für das Verhalten in seinem Dienst war die "Ehrfurcht vor Gott."  Was heißt das? Der Brockhaus definiert Ehrfurcht so: "Sie ist der höchste Grad der Ehrerbietung, das Gefühl der Hingabe an dasjenige, was man höher schätzt als sich selbst, sei es eine Person oder eine geistige Macht, wie Vaterland, Wissenschaft, Kirche, Staat, Menschheit, Gottheit." Hingabe an das, was ich höher schätze als meine eigene Position, meine eigenen Wünsche und Antriebe, dem ich also gehorche in dem Sinne, dass ich die Werte übernehme und mein Handeln an dieser höheren Macht ausrichte. Für uns als Christen ist das Jesus Christus und sein Handeln in seinem irdischen Leben. Ehrfurcht ist also nicht nur ein "ehrfürchtiges Gefühl", sondern zugleich ein Handeln aus diesem Gefühl heraus. Weil ich das Leben Jesu mit Ehrfurcht betrachte, werde ich meinen Umgang mit Menschen danach ausrichten. 


14.August 1.Thessalonicher 2, 5 - 8
 Wir haben – das könnt ihr bestätigen – nie versucht, uns mit schönen Worten bei euch einzuschmeicheln. Die Verkündigung diente uns auch nicht als Vorwand, um uns zu bereichern; dafür ist Gott unser Zeuge. Ebenso wenig ging es uns darum, von Menschen geehrt zu werden, weder von euch noch von irgendjemand anders. Wir hätten das Recht gehabt, von unserer Autorität als Apostel Christi vollen Gebrauch zu machen; stattdessen sind wir behutsam mit euch umgegangen wie eine Mutter, die liebevoll für ihre Kinder sorgt – so sehr hatten wir euch ins Herz geschlossen. Ihr wart uns so lieb geworden, dass wir mit ebenso viel Freude, wie wir euch das Evangelium weitergaben, auch unser ganzes Leben mit euch teilten.
Man ahnt es, wenn man die Worte des Paulus hier liest - es muss Anfeindungen gegeben haben, die von denen kamen, die den Glauben an Jesus Christus teilten. "Paulus maßt sich zu viel an, er ist gar kein Apostel. Er bereichert sich und nimmt Geld an, er genießt die Verehrung, die ihm die Leute entgegenbringen und schleimt sich dazu bei den Gemeinden ein."  Paulus wehrt sich gegen all diese Vorwürfe - und doch bleibt immer etwas hängen! Die Feindseligkeiten, die von innen kommen, von den eigenen Leuten, sind schwerer zu ertragen als die der Fremden. Ein möglicher Weg, damit umzugehen ist es, die Dinge offen anzusprechen. Und sich dabei selbst zu prüfen: Ist etwas dran an den Vorwürfen der Anderen? Ging es mir wirklich um die eigene Ehre oder um die Sache Jesu? Ob Paulus hier etwas zu vehement die Vorwürfen seiner Gegner zu entkräften versucht, ist schwer zu beurteilen. Sie haben ihn getroffen - enthalten sie also doch "ein Körnchen Wahrheit"? Wie gehe ich mit ähnlichen Vorwürfen um? 

13. August 1.Thessalonicher 2, 1 - 4 
Ihr wisst ja selbst, Geschwister, dass unser Aufenthalt bei euch nicht vergeblich gewesen ist. Kurz zuvor, in Philippi, hatten wir noch viel zu leiden gehabt; ihr wisst, dass wir beschimpft und misshandelt worden waren. Aber unser Gott schenkte uns neuen Mut, und obwohl wir auch in Thessalonich auf heftigen Widerstand stießen, konnten wir euch sein Evangelium frei und offen verkünden. Mit dieser Botschaft führen wir schließlich niemand in die Irre; wir verfolgen auch keine fragwürdigen Absichten, wenn wir dazu auffordern, sie anzunehmen, und arbeiten nicht mit betrügerischen Methoden. Nein, das Evangelium ist uns von Gott selbst anvertraut, der uns geprüft und für zuverlässig befunden hat, und wir verkünden es in der Verantwortung vor ihm. Es geht uns nicht darum, Menschen zu gefallen, sondern ihm, der unser Innerstes kennt und prüft.

Angesichts der Widerstände und Anfeindungen muss Paulus nicht nur den Thessalonichern, sondern wohl auch sich selbst sagen, dass es recht ist, was er tut. Nein, er verfolgt keine dunklen Absichten und will niemanden betrügen. Er erinnert sich an seine Berufung, die ihm schwer wird, weil er sich damit Feinde macht. Aber es geht nicht darum, die Zustimmung der Menschen zu erhalten. Wie ist das bei uns? Wir erleiden keine Verfolgung, aber trotzdem ist uns allen die Anerkennung anderer Menschen wichtig. Schweigen wir, wenn Mitmenschen beleidigt oder schlecht gemacht werden? Wann reden wir über unseren Glauben - und wann nicht? Ist mein Verhalten heimlich von einem Streben nach Anerkennung gesteuert? Wer seine Berufung von Gott her lebt und entsprechend handelt, wird frei von den Erwartungen und Ansprüchen anderer. 

12. August 1. Thessalonicher 1, 6 - 10
Und ihr habt das Evangelium auch wirklich angenommen, obwohl ihr schweren Anfeindungen ausgesetzt wart, und habt diese mit einer Freude ertragen, wie nur der Heilige Geist sie schenken kann. Damit seid ihr unserem Beispiel und dem Beispiel des Herrn gefolgt und seid selbst zu einem Vorbild für alle Gläubigen in den Provinzen Mazedonien und Achaia geworden. Ja, von eurer Gemeinde aus hat sich die Botschaft des Herrn in ganz Mazedonien und Achaia verbreitet, und nicht nur dort: Es gibt inzwischen kaum noch einen Ort, wo man nicht von eurem Glauben an Gott gehört hätte. Wir brauchen gar nichts mehr darüber zu sagen; überall redet man davon, was für eine Wirkung unser Besuch bei euch gehabt hat. Die Leute erzählen, wie ihr euch von den Götzen abgewandt und dem lebendigen und wahren Gott zugewandt habt, um ihm zu dienen und auf seinen Sohn zu warten, der vom Himmel zurückkommen wird – auf Jesus, den er von den Toten auferweckt hat und der uns vor dem kommenden Zorn rettet.
Wir erhalten einen Einblick in die Situation der Gemeinde in Saloniki: Sie sind schweren Anfeindungen ausgesetzt, lassen sich davon aber nicht abhalten, das Evangelium zu verkünden. Und sie erzielen damit Wirkungen. Es ist die entschiedene Abwendung von den Götzen, die Aufsehen erregt. Ein zusätzlicher Gott wäre toleriert worden, aber die Ablehnung aller Götter außer dem einen Gott Israels, das war ein Skandal. Paulus erwartet in dieser feindseligen Atmosphäre ein Strafgericht Gottes über die, die sie verfolgen. Und wieder ist die Rede von der brennenden Naherwartung. Was bleibt uns, die wir diese Erwartung nicht mehr teilen und auch kein Strafgericht herbeisehnen? Es ist die Entschiedenheit, mit der sich die Thessalonicher von dem abwenden, was alle glauben und alle tun. Worin müssen wir heute um der Wahrheit des Evangeliums willen radikal sein? Worin unterscheiden sich Christen heute von ihrer neuheidnischen Umgebung? 

11.August 1.Thessalonicher 1, 1 - 5 
 Paulus, Silvanus und Timotheus an die Gemeinde in Thessalonich. Euch allen, die ihr Gott, dem Vater, und Jesus Christus, dem Herrn, gehört, wünschen wir Gnade und Frieden. Es vergeht kein Tag, an dem wir Gott nicht für euch alle danken. Jedes Mal, wenn wir im Gebet vor ihm, unserem Vater, für euch einstehen, erinnern wir uns daran, wie entschieden ihr euren Glauben in die Tat umsetzt, zu welch unermüdlichem Einsatz ihr aus Liebe bereit seid und wie standhaft euch die Hoffnung macht, dass Jesus Christus, unser Herr, wiederkommt. Ja, Geschwister, ihr seid von Gott geliebt; wir wissen, dass er euch erwählt hat. Das wurde schon damals deutlich, als wir euch das Evangelium verkündeten: Gott redete nicht nur durch unsere Worte zu euch, sondern auch durch das machtvolle Wirken des Heiligen Geistes und durch die große Zuversicht, die uns erfüllt, sowie überhaupt durch unser ganzes Verhalten euch gegenüber, das euch zeigte, dass es uns um euch ging und nicht um uns selbst.

Es gibt offenbar eine tiefe Verbindung zwischen Paulus, seinen Mitarbeitern und der Gemeinde in Thessalonich. Wir erfahren, dass Paulus tagtäglich für sie betet. Da heißt es, er steht vor Gott für sie ein. Ich frage mich: Wofür oder für wen stehe ich vor Gott ein? Für wen fühle ich mich verantwortlich? Indem Paulus für die Gemeinde betet, erinnert er sich an das, was Gott dort getan hat. Er denkt nicht nur an seine Predigten, sondern vor allem an das "machtvolle Wirken des Heiligen Geistes". Wir wissen nicht genau, was da geschehen ist, können aber annehmen, dass es sich um Heilungen, Prophetien und Befreiungen gehandelt hat. All das wird im Gebet des Apostels wieder gegenwärtig. So wirkt diese Fürbitte in beide Richtungen: Sie bewirkt bei Gott die erbetene Hilfe und Stärkung - und bei Paulus per Erinnerung neue Zuversicht. Wenn ich erinnere, was Gott schon Gutes getan hat, wächst meine Zuversicht, dass er es auch zukünftig tun wird. Das Gebet für Andere schafft diese Atmosphäre der Zuversicht, da ich mich zugleich daran erinnere, was Gott schon getan hat. 


10. August Philipper 4, 19 - 23
Und was eure eigenen Bedürfnisse angeht, so wird derselbe Gott, der für mich sorgt, auch euch durch Jesus Christus mit allem versorgen, was ihr braucht – er, der unerschöpflich reich ist und dem alle Macht und Herrlichkeit gehört. Gott, unserem Vater, gebührt die Ehre für immer und ewig! Amen.
Grüßt jeden einzelnen Gläubigen im Namen von Jesus Christus. Die Geschwister, die bei mir sind, lassen euch grüßen. Auch alle anderen Gläubigen hier schicken euch Grüße, besonders die, die im Dienst des Kaisers stehen. Die Gnade des Herrn Jesus Christus sei mit jedem von euch!

Wie stark ist das Bewusstsein, zu einer Gemeinschaft zu gehören, die über alle Länder und Grenzen hinweg geht. Die Menschen, die sich hier grüßen, kennen sich nicht und sind doch in ihrem Glauben an Jesus Christus eng verbunden. Ist das bei uns heute auch so? Wie oft haben christliche Nationen gegeneinander Krieg geführt und tun es heute noch. Ist uns bewusst, dass wir russische Geschwister haben? Oder fühlen wir uns verbunden mit den Christen in Afrika, in Syrien, in China? Wir schauen sehr oft auf unsere kleineren Probleme und Streitigkeiten und sehen nicht, dass unsere Geschwister in so vielen Ländern leiden. Zum wem in diesen anderen Ländern und Kontinenten kann ich Kontakt aufnehmen? An wen denke ich heute? 


9. August Philipper 4, 13 - 18

Nichts ist mir unmöglich, weil der, der bei mir ist, mich stark macht. Trotzdem war es gut, dass ihr euch in meiner schwierigen Lage um mich gekümmert habt. Dieselbe Hilfsbereitschaft habt ihr ja von allem Anfang an bewiesen, liebe Philipper; ihr wisst es selbst am besten. Nachdem ich euch das Evangelium verkündet hatte und dann aus der Provinz Mazedonien abgereist war, kam es zwischen euch und mir zu einem gegenseitigen Geben und Nehmen; ihr wart die einzige Gemeinde, mit der es sich so verhielt. Ja, sogar als ich noch in Mazedonien war, in Thessalonich, habt ihr mir mehr als einmal etwas zu meiner Unterstützung zukommen lassen. Denkt jetzt nicht, ich wäre darauf aus, noch mehr zu bekommen. Es geht mir vielmehr darum, dass der Gewinn, den ihr selbst von eurem Geben habt, immer weiter anwächst. Im Übrigen habe ich alles erhalten, was ihr mir geschickt habt, und habe jetzt mehr als genug. Ich bin mit allem reichlich versorgt, seit Epaphroditus mir eure Gabe überbracht hat. Sie ist wie ein Opfer, dessen Duft vom Altar zu Gott aufsteigt, ein Opfer, das Gott willkommen ist und an dem er Freude hat. 

"Nichts ist mir unmöglich" - Den Satz des Paulus kann man wohl nur im Zusammenhang verstehen. Er möchte vermeiden, dass seine Unterstützer denken, er wolle noch mehr von ihnen als sie ihm schon gegeben haben. Sie sollen nicht durch seine schwierige Lage motiviert sein, sondern durch ihre gegenseitige Liebesbeziehung. Wie sehr unterscheidet sich der Apostel von jenen, die Spenden von ihren Schäfchen fordern! Hier gibt eine Gemeinde aus freien Stücken, ohne dass der Apostel sie dazu auffordert. Deshalb ist Paulus glücklich darüber, denn diese Freigebigkeit entspringt aus der Liebe, die er ihnen gepredigt hat. Wenn wir von unserem Geld etwas geben, dann muss es in dieser Freiheit und aus dem Herzen geschehen. nicht aus Pflichtgefühl oder aus schlechtem Gewissen. Wer seinen Nächsten versorgt, der opfert Gott.  Welche Opfer an Zeit und Geld würde ich gerne bringen? Wo treibt mich die Liebe zu meinem Nächsten zu einer Hilfe?  

8. August Philipper 4, 10 - 12
Ich habe mich sehr gefreut und bin dem Herrn dankbar, dass es euch wieder einmal möglich war, etwas für mich zu tun. Ihr hattet das ja die ganze Zeit über im Sinn, doch fehlte euch bisher die Gelegenheit dazu. Ich sage das nicht etwa wegen der Entbehrungen, die ich zu ertragen hatte; denn ich habe gelernt, in jeder Lebenslage zufrieden zu sein. Ich weiß, was es heißt, sich einschränken zu müssen, und ich weiß, wie es ist, wenn alles im Überfluss zur Verfügung steht. Mit allem bin ich voll und ganz vertraut: satt zu sein und zu hungern, Überfluss zu haben und Entbehrungen zu ertragen.

In jeder Lebenslage zufrieden? Wie kann man das erreichen? Paulus gibt keine Tipps dazu, aber es ist offensichtlich: Er ist von seinem Auftrag erfüllt, seine Mission ist ihm wichtiger als die Umstände, unter denen er leben muss. Ja, er freut sich, dass seine Leute in Philippi ihm Geld schicken. Aber er wäre auch ohne ihre Gaben glücklich gewesen. Das Geheimnis dieses erfüllten Lebens liegt darin, dass er Teil einer größeren Geschichte ist. Die Vision des Reiches Gottes, an dem er teilhat, hebt ihn über die Umstände hinaus. Du bist auch Teil dieser größeren, weltweiten Geschichte Gottes. Wenn es dir schlecht geht, wenn du Mangel leidest oder mit Krankheiten kämpfst: Denke daran, dass du mit vielen Christen auf dieser Erde verbunden bist und ihr miteinander das Reich Gottes ausbreitet. Ganz gleich, wie groß oder klein dein Beitrag heute ist - er zählt.

7. August Philipper 4, 8 - 9
Und noch etwas, Geschwister: Richtet eure Gedanken ganz auf die Dinge, die wahr und achtenswert, gerecht, rein und unanstößig sind und allgemeine Zustimmung verdienen; beschäftigt euch mit dem, was vorbildlich ist und zu Recht gelobt wird. Haltet euch bei allem, was ihr tut, an die Botschaft, die euch verkündet worden ist und die ihr angenommen habt; lebt so, wie ich es euch gesagt und vorgelebt habe. Dann wird der Gott des Friedens mit euch sein.

Richtet eure Gedanken auf Dinge, die achtenswert sind. Denn alles Tun beginnt in den Gedanken. Ich habe die Kontrolle darüber, also auch die Verantwortung, was ich denke. Könnte ich das, was ich in meinem Kopf bewege, öffentlich äußern? Würde es Zustimmung erfahren? Wir wissen oft ziemlich genau, was gut und schlecht, gerecht oder ungerecht ist. Doch "in Gedanken" verurteilen wir Menschen, verfluchen Feinde, begehen Ehebruch und vieles mehr. Diese Gedanken beeinflussen unsere Haltungen Anderen gegenüber und führen am Ende zu Taten, die wir "eigentlich" nicht ausführen wollten. Ehe es dazu kommt, sagt Paulus, erinnert euch an das, was ihr angenommen habt. Ihr habt einen Entschluss gefasst, als Christen zu leben und zu handeln. Gilt das noch? Gott ist mit dir, wenn du deine Gedanken in gute Bahnen lenkst 


6- August Philipper 4, 4 - 7

 Freut euch, was auch immer geschieht; freut euch darüber, dass ihr mit dem Herrn verbunden seid! Und noch einmal sage ich: Freut euch! Seid freundlich im Umgang mit allen Menschen; ihr wisst ja, dass das Kommen des Herrn nahe bevorsteht. Macht euch um nichts Sorgen! Wendet euch vielmehr in jeder Lage mit Bitten und Flehen und voll Dankbarkeit an Gott und bringt eure Anliegen vor ihn.  Dann wird der Frieden Gottes, der weit über alles Verstehen hinausreicht, über euren Gedanken wachen und euch in eurem Innersten bewahren – euch, die ihr mit Jesus Christus verbunden seid. 

Paulus ist sich sicher: Der Herr kommt bald! Macht es für uns einen Unterschied, diese Worte 2000 Jahre später zu lesen? Können wir uns wie die ersten Christen freuen, dass wir mit Jesus verbunden sind? Können wir unsere Sorgen an ihn abgeben und voller Dankbarkeit leben?  Ja, ich denke, diese Lebensweise hängt nicht daran, ob Jesus bald wiederkommt, sie gilt genauso für uns. Warum aber hängt der Frieden Gottes daran, dass wir in jeder Lage bitten, flehen und voller Dankbarkeit unsere Probleme vor Gott ausbreiten?  Nun, wenn ich mich in schwierigen Lebenslagen nicht an Gott wende, werde ich mich mehr und mehr auf meine Sorgen und Problemen konzentrieren. Meine Gedanken werden dann von dem Heil, das Gott für mich bereithält, abgezogen. Wenn ich mitten in meinen Problemen die Verbindung zu Christus suche, erlebe ich es, dass sich ein innerer Friede in mir ausbreitet. Es ist eine Grundüberzeugung, die in mir entsteht und mir sagt: Es wird gut werden! Du wirst erleben, dass Gott für dich einen Weg hat, aus dieser Sorge herauszufinden. 

5.August Philipper 4, 1 - 3
Das soll also eure Einstellung sein, liebe Freunde. Haltet daher treu zum Herrn! Ihr seid doch meine Geschwister, die ich liebe und nach denen ich mich sehne; ihr seid meine Freude und mein Siegeskranz, der Lohn für alle meine Mühe! Ich ermahne Evodia, und ich ermahne Syntyche, ihre Unstimmigkeiten beizulegen und sich ganz auf das gemeinsame Ziel auszurichten; sie gehören ja beide dem Herrn. Und dich, meinen treuen Weggefährten, bitte ich, ihnen dabei zu helfen. Schließlich haben diese beiden Frauen Seite an Seite mit mir für die Sache des Evangeliums gekämpft – sie und Klemens und meine übrigen Mitarbeiter, deren Namen im Buch des Lebens stehen.

Welche Einstellung sollen die Freunde in Philippi haben? Sie sollen in der Erwartung der Verwandlung aller Dinge leben, in der Hoffnung auf die zukünftige Herrlichkeit. Angesichts dieses Zieles haben die "Unstimmigkeiten" der zwei Frauen keine große Bedeutung mehr. 
Damals wie heute ist der Bestand der Gemeinde von Streitigkeiten bedroht. Es geht um Macht und Einfluss, um Kränkungen und Lieblosigkeiten. Ich kann mich mitten in Auseinandersetzungen fragen, ob das, worum ich kämpfe, wirklich so bedeutend ist angesichts des gemeinsamen Zieles. Und jeder von uns hat den Auftrag, anderen zu helfen, die in solche Auseinandersetzungen verstrickt sind. Wer mitten in einem Konflikt steht, verliert oft den Blick für das Ganze und braucht die Hilfe anderer, um das rechte Maß zu finden. Fallen dir Menschen ein, die solche Hilfe brauchen? 


4.August Philipper 3 17 - 21
Folgt alle meinem Beispiel, Geschwister, und richtet euch auch an denen aus, deren Leben dem Vorbild entspricht, das ihr an uns habt. Viele leben nämlich ganz anders. Ich habe euch schon oft vor ihnen gewarnt, und auch jetzt kann ich nur unter Tränen von ihnen reden: Sie sind Feinde des Kreuzes Christi, und sie enden im Verderben. Ihr Gott sind ihre eigenen Begierden, und sie sind stolz auf Dinge, für die sie sich eigentlich schämen müssten. Das Einzige, was sie interessiert, ist diese irdische Welt. Wir dagegen sind Bürger des Himmels, und vom Himmel her erwarten wir auch unseren Retter – Jesus Christus, den Herrn. Er wird unseren unvollkommenen Körper umwandeln und wird ihn seinem eigenen Körper gleichmachen, der Gottes Herrlichkeit widerspiegelt. Er hat die Macht dazu, genauso, wie er auch die Macht hat, das ganze Universum seiner Herrschaft zu unterstellen.

Wir sind Bürger des Himmels! Paulus lebt in der konkreten Erwartung der Wiederkunft Christi. Er erwartet eine Transformation, eine Verwandlung unseres Körpers und zugleich der ganzen alten Welt in etwas unausdenkbar Herrliches. Darum ist er erschüttert über die Menschen - vielleicht sogar alte Freunde - die nur ihre Begierden ausleben. Für sie ist diese irdische Welt das Einzige, was zählt. Wir stehen heute irgendwo dazwischen. An die Hoffnung auf die endgütige Verwandlung denken wir eher wenig, sie prägt unser Leben - wenn wir ehrlich sind - nicht.  Begreifen wir noch, dass diese Welt endlich ist?  Wie können wir dieses Wissen in all dem, was uns in der Welt beschäftigt, fruchtbar machen? Manche vergänglichen Dinge würden angesichts des Endes weniger wichtig werden. Was würde sich für dich ändern, wenn du wüsstest, dass die Erde nur noch zehn Jahre besteht? Würden sich deine Prioritäten ändern? 

3. August Philipper 3, 12 - 16

Es ist also nicht etwa so, dass ich das alles schon erreicht hätte und schon am Ziel wäre. Aber ich setze alles daran, ans Ziel zu kommen und von diesen Dingen Besitz zu ergreifen, nachdem Jesus Christus von mir Besitz ergriffen hat. Geschwister, ich bilde mir nicht ein, das Ziel schon erreicht zu haben. Eins aber tue ich: Ich lasse das, was hinter mir liegt, bewusst zurück, konzentriere mich völlig auf das, was vor mir liegt, und laufe mit ganzer Kraft dem Ziel entgegen, um den Siegespreis zu bekommen – den Preis, der in der Teilhabe an der himmlischen Welt besteht, zu der uns Gott durch Jesus Christus berufen hat. Wir alle, die der Glaube an Christus zu geistlich reifen Menschen gemacht hat, wollen uns ganz auf dieses Ziel ausrichten. Und wenn eure Einstellung in dem einen oder anderen Punkt davon abweicht, wird Gott euch auch darin die nötige Klarheit schenken. Doch von dem, was wir bereits erreicht haben, wollen wir uns auf keinen Fall wieder abbringen lassen! 

Alles ist Gnade, du musst nichts mehr tun, freu dich einfach! So ist uns das Evangelium oft gepredigt worden. Wie anders klingen die Worte des Paulus! Aber Moment, ist das nicht "Werkgerechtigkeit"? Frommes Bemühen, in den Himmel zu kommen? Wie vereinbart das Paulus selbst mit seiner Predigt von der geschenkten Gerechtigkeit? Er spricht im letzten Satz von dem, was wir bereits erreicht haben - das ist das Geschenk des Evangeliums, die eigene Gerechtigkeit ohne Verdienst. Doch nun läuft das Leben weiter - oder besser gesagt, ich laufe. Doch wohin? Paulus hat sich entschieden: Nicht zurück, sondern vorwärts. Das, was vor ihm liegt, ist das Ankommen bei Gott und ewiges Leben. Trotzdem bleibt hier eine Spannung. die nicht aufzulösen ist. Was passiert, wenn ich in meinem Leben die falsche Richtung wähle, wenn ich gar zurückgehe in das "alte" Leben? Kann mir der Siegespreis verloren gehen? Die Entscheidung, welche Richtung ich einschlage, liegt bei mir. Und doch ist es der Geist Gottes, der in mir das Entscheiden bewirkt. In welche Richtung bist du unterwegs? Was ist dein Ziel? 

2. August Philipper 3, 8b - 11
Seinetwegen habe ich allem, was mir früher ein Gewinn zu sein schien, den Rücken gekehrt; es ist in meinen Augen nichts anderes als Müll. Denn der Gewinn, nach dem ich strebe, ist Christus; es ist mein tiefster Wunsch, mit ihm verbunden zu sein. Darum will ich nichts mehr wissen von jener Gerechtigkeit, die sich auf das Gesetz gründet und die ich mir durch eigene Leistungen erwerbe. Vielmehr geht es mir um die Gerechtigkeit, die uns durch den Glauben an Christus geschenkt wird – die Gerechtigkeit, die von Gott kommt und deren Grundlage der Glaube ist.  Ja, ich möchte Christus immer besser kennen lernen; ich möchte die Kraft, mit der Gott ihn von den Toten auferweckt hat, an mir selbst erfahren und möchte an seinem Leiden teilhaben, sodass ich ihm bis in sein Sterben hinein ähnlich werde Dann werde auch ich – das ist meine feste Hoffnung – unter denen sein, die von den Toten auferstehen.
Wie sehr hat sich die Zielrichtung des Lebens bei Paulus verändert! Früher ging es ihm um Richtigkeiten, um starre Gesetzesbefolgung und einzelne Buchstaben. Jetzt schreibt er: "Es ist mein tiefster Wunsch, mit Christus verbunden zu sein."  Beziehung statt Regeln und Gebote! Die Begegnung mit Jesus Christus vor den Toren von Damaskus hat ihn überwältigt. Vor Gott gerecht sein ist ein Geschenk, keine Leistung. Die erfahrende Liebe und Annahme trotz aller Schuld treibt ihn dazu, Christus immer ähnlicher zu werden. Und sogar im Leiden sucht er diese Ähnlichkeit. Zeigt sich hier nicht doch schon wieder eine Art religiöse Leistung? Das "dann" im letzten Satz könnte man so verstehen. Oder man könnte sagen, dass die tiefe Beziehung zu Christus, das Erleben der Kraft Gottes am eigenen Leib, das ist, was den Tod überwindet und überdauert. Welche Beziehung hast du zu Jesus Christus? Mit welchen Begriffen würdest du sie beschreiben? 

1.August   Philipper 3, 5 - 7
 Ich wurde, wie es das Gesetz des Mose vorschreibt, acht Tage nach meiner Geburt beschnitten. Ich bin meiner Herkunft nach ein Israelit, ein Angehöriger des Stammes Benjamin, ein Hebräer mit rein hebräischen Vorfahren. Meine Treue zum Gesetz zeigte sich darin, dass ich zu den Pharisäern gehörte,  und in meinem Eifer, für das Gesetz zu kämpfen, ging ich so weit, dass ich die Gemeinde verfolgte. Ja, was die vom Gesetz geforderte Gerechtigkeit betrifft, war mein Verhalten tadellos. Doch genau die Dinge, die ich damals für einen Gewinn hielt, haben mir – wenn ich es von Christus her ansehe – nichts als Verlust gebracht. Mehr noch: Jesus Christus, meinen Herrn, zu kennen ist etwas so unüberbietbar Großes, dass ich all das Andere, Frühere als Verlust betrachte. 

Paulus war ein radikaler Pharisäer. Und nun? Jetzt ist er ein ebenso radikaler Christusnachfolger. Ja, er hat eine totale Lebenswende erlebt. Doch sein Charakter, sein Persönlichkeitstyp hat sich nicht verändert. Wenn wir unsere eigene Glaubensgeschichte betrachten, können wir feststellen, dass es uns genauso geht. Christus nachfolgen heißt nicht, uns selbst zu verlieren. Sondern zu erleben, dass all das, was in uns steckt, was uns ausmacht, unter die Herrschaft Christi gestellt wird. Paulus kämpfte sein Leben lang mit all seiner Energie für das, was er als richtig erkannt hatte. Auf dem Weg der Nachfolge Christi wird diese Gabe in den Dienst des Reiches Gottes gestellt. Und sie wird durch Christus ergänzt und vertieft. Denn Paulus gewinnt eine immer tiefere Erkenntnis der Liebe Gottes. Seine radikale Strenge wird in radikale Liebe verwandelt. Welchen Weg hast du schon zurückgelegt? . Was ist auf deinem Christusweg verwandelt worden oder wartet noch auf die Verwandlung? 

31. Juli Philipper 3, 1 - 4
Vor allem, liebe Geschwister: Freut euch darüber, dass ihr mit dem Herrn verbunden seid. Was ich euch im Folgenden schreibe, sind Dinge, die ich euch schon früher gesagt habe. Mir macht es nichts aus, mich zu wiederholen, und euch gibt es eine umso größere Sicherheit im Glauben. Nehmt euch in Acht vor den unreinen Hunden! Nehmt euch in Acht vor den Unheilstiftern! Nehmt euch in Acht vor denen, die letztlich nicht beschneiden, sondern verstümmeln! Die wirklich Beschnittenen sind wir, denn wir dienen Gott unter der Leitung seines Geistes und vertrauen nicht auf unsere Vorrechte und auf eigene Leistungen, sondern auf Jesus Christus; er ist unser ganzer Stolz. Dabei hätte gerade ich allen Grund, mich auf Vorrechte und Leistungen zu verlassen. Wenn andere meinen, sie könnten auf solche Dinge bauen – ich könnte es noch viel mehr:  

Paulus wünscht sich für seine Leser eine "größere Sicherheit im Glauben".  Denn es gibt einen Angriff auf das Evangelium, das er verkündet. Jüdische Lehrer verwirren die Gemeinde. Sie fordern die Beschneidung und strenge Gesetzesbefolgung von den jungen Christen. Nein, sagt Paulus, ihr seid doch schon mit dem Herrn verbunden. Wir vertrauen nicht auf menschliche Leistungen, sondern auf Christus. Der äußeren Beschneidung setzt er eine innere Beschneidung entgegen, die der Christ an sich erfährt und ihm den Zugang zu Gott ermöglicht. Der Beweis dieser Beschneidung ist der Dienst der Liebe unter der Leitung des Geistes. Paulus verwendet den Begriff "unreine Hunde" für die strengen Gesetzeslehrer, die mit diesen Worten die Nichtjuden bezeichneten. Ich frage mich, wo ich selbst immer noch Leistungen erbringe, um Gott zu gefallen. Welches Motiv habe ich, wenn ich mich um andere Menschen kümmere? Geschieht das aus einem verwandelten, liebevollen Herzen oder aus einem inneren Zwang, der letztlich aus der Angst entspringt, Gott nicht zu gefallen?  Paulus weiß: Eine solche Haltung verdirbt das ganze Evangelium von der freien Gnade Gottes. 

30. Juli Philipper 
2, 24 - 30
Im Vertrauen auf den Herrn bin ich überzeugt, dass auch ich selbst euch bald besuchen kann. Allerdings habe ich es für notwendig gehalten, Epaphroditus zu euch zurückzuschicken, meinen Bruder und Mitarbeiter, der Seite an Seite mit mir für den Glauben gekämpft hat. Von euch dazu beauftragt, hat er mir in meiner gegenwärtigen Notlage geholfen. Aber er sehnte sich nach euch allen und war darüber hinaus in großer Unruhe, weil ihr von seiner Krankheit gehört hattet. Ja, er war wirklich krank – so krank, dass er beinahe gestorben wäre. Doch Gott hatte Erbarmen mit ihm, und nicht nur mit ihm, sondern auch mit mir; denn er wollte nicht, dass ich einen Kummer nach dem anderen erlebe. Ich schicke ihn jetzt also so schnell wie möglich zu euch zurück. Dann habt ihr die Freude, ihn wiederzusehen, und ich muss mir weniger Sorgen machen. Heißt ihn als euren Bruder ganz herzlich willkommen; Menschen wie ihm könnt ihr nicht genug Achtung entgegenbringen. Denn dass er an den Rand des Todes geriet, lag an seinem Einsatz für die Sache Christi. Er hat sein Leben aufs Spiel gesetzt, um mir den Dienst zu leisten, den ihr selbst mir nicht erweisen konntet

Gerne wüssten wir mehr von diesem Epaphroditus. Er hatte Paulus die Gaben der Gemeinde Philippi gebracht und war dabei vermutlich todkrank geworden. Ganz anders als in gewissen Bewegungen verbreitet haben die ersten Christen auch nicht ein Wunder nach dem anderen erlebt. Paulus erlebt eine Menge Kummer, sein Mitstreiter stirbt fast. Sie leben in ständiger Bedrängung durch Verfolgung und Anfeindung. Woher kommt ihre Widerstandskraft?  Sie entspringt aus der Überzeugung, das Richtige zu tun. Und dieses Richtige ist die "Sache Christi", die Ausbreitung des Evangeliums und des Reiches Gottes. Sie wissen als Nachfolger Jesu Christi, dass ihr Herr auch gekämpft und gelitten hat. Darum sind die Widerstände, die sie erleben, für sie kein Gegenbeweis, sondern eine Bestätigung ihres Weges. Es muss so sein, aber es ist ihre Überzeugung, dass die Botschaft Jesu, die Botschaft der Liebe Gottes, stärker ist als das, was ihnen begegnet. Bin ich überzeugt, dass die Liebe Gottes sich in dieser Welt durchsetzen wird? Es würde mir Widerstandkraft geben! 

29. Juli Philipper 2, 19 - 23
Übrigens hoffe ich im Vertrauen auf den Herrn Jesus, Timotheus schon bald zu euch schicken zu können. Das wird nicht nur euch neuen Mut geben, sondern auch mir, weil ich durch ihn erfahren werde, wie es um euch steht. Ich habe nämlich keinen, der in allem so mit mir übereinstimmt und der sich, wenn er zu euch kommt, so aufrichtig um eure Belange kümmern wird wie er. Den anderen geht es allen nur um sich selbst und nicht um die Sache Jesu Christi. Ihr wisst ja selbst, was für ein bewährter Mitarbeiter Timotheus ist: Wie ein Sohn an der Seite seines Vaters, so hat er mit mir zusammen dem Evangelium gedient. Ihn also hoffe ich so bald wie möglich zu euch zu schicken; nur muss ich erst einmal abwarten, bis ich sehe, wie es mit mir weitergeht. 

Zwei Dinge spürt man diesen Zeilen des Paulus ab: Einmal wartet er im Gefängnis sehnsüchtig auf Nachrichten aus Philippi. Die Gemeinde ist für ihn eine Herzensangelegenheit. Er wird gestärkt und ermutigt werden, wenn er erfährt, dass sein Werk  Bestand hat. Zum Anderen erfahren wir, wie eng das Verhältnis  zu Timotheus war. Es ist eine Vater - Sohn - Beziehung gewachsen, die Paulus viel bedeutet. Er schreibt: "Er hat mit mir dem Evangelium gedient" und nicht: "Er hat mir gedient." Timotheus ist Mitarbeiter und als solcher wird er das Werk des Apostels nach dessen Tod 30 Jahre weiterführen und als Bischof von Ephesus sterben. Ältere können sich hier fragen: Wo sind Jüngere, die meine Arbeit ind Kirche und Gemeinde fortsetzen, wenn ich es nicht mehr kann? Und Jüngere können Ausschau halten nach geistlichen Vätern und Müttern. Zu wem habe ich solches Vertrauen? 


28. Juli  Philipper 2, 15b - 18
Wenn ihr als Kinder Gottes mitten in dieser verdorbenen und heillosen Welt vorbildlich lebt, werdet ihr unter euren Mitmenschen wie Sterne am Nachthimmel leuchten. Haltet daher an der Botschaft fest, die zum Leben führt! Dann kann ich dem Tag, an dem Christus wiederkommt, voll Zuversicht entgegensehen, glücklich darüber, dass ich das Ziel meiner Arbeit nicht verfehlt habe und dass meine Mühe nicht umsonst gewesen ist. Und selbst wenn ich zum Tod verurteilt werde und sterben muss, werde ich mich freuen. Mein Leben ist dann wie ein Trankopfer, das für Gott ausgegossen wird und das eure Opfergabe vervollständigt – den Dienst, den ihr Gott aufgrund eures Glaubens erweist. Ja, auch dann werde ich mich freuen. Außerdem habe ich ja teil an der Freude, die euch alle erfüllt. Macht ihr es doch genauso: Freut euch, und nehmt teil an meiner Freude!

Hier spricht Paulus das Geheimnis der enormen Wirkung der christlichen Mission in der antiken Welt an: Die Christen leben vorbildlich mitten in einer Welt, die nach ganz anderen Maßstäben lebt. Natürlich ist das "Schwarz-Weiß-Denken". Auch in der antiken Welt gab es Menschen, die vorbildlich lebten. Aber viele Menschen vor allem in den unteren Schichten wurden gnadenlos ausgebeutet, während die oberen Schichten zügellos Orgien feierten. Es gibt bei manchen Ähnlichkeiten einen Unterschied zu unserer heutigen Gesellschaft: Noch können wir Menschen an eben jene Moral erinnern, die das Christentum hervorgebracht hat. Auch wenn sie keine Christen sind. Aber es geht nicht nur um Moral. Es geht um die "Botschaft, die zum Leben führt".  Darum kann Paulus seinem Ende so ruhig entgegensehen: Er hat das Leben gefunden, das über den Tod hinaus reicht. Das Verhalten der ersten Christen mag beispielhaft gewesen sein - aber was ihre Zeitgenossen wirklich faszinierte, war diese Perspektive des ewigen Lebens und die daraus entspringende Freude. Da ist das Ziel klar und alle Arbeit nicht umsonst. Lebe ich in dieser "Ewigkeitsperspektive"? 

27. Juli Philipper 2, 13 - 15
Was folgt daraus, liebe Freunde? So, wie ihr Gott bisher immer gehorsam gewesen seid, sollt ihr euch ihm auch weiterhin mit Respekt und tiefer Ehrfurcht unterstellen und alles daransetzen, dass eure Rettung sich in eurem Leben voll und ganz auswirkt – nicht nur, wenn ich bei euch bin, sondern erst recht jetzt, während meiner Abwesenheit. Gott selbst ist ja in euch am Werk und macht euch nicht nur bereit, sondern auch fähig, das zu tun, was ihm gefällt. Verbannt alle Unzufriedenheit und alle Streitsucht aus eurer Mitte, denn ihr sollt ein tadelloses Leben führen, das in keiner Weise vom Bösen beeinflusst ist.

Wie wirkt sich unsere Rettung im Leben aus? Wieso Rettung? Wir sind herausgenommen und erlöst von den Wertvorstellungen und daraus resultierenden Verhaltensweisen unserer Umwelt. Gerettet sein heißt: Nicht mehr Schuld auf sich laden zu müssen, nicht mehr mit den Folgen falschen Verhaltens leben zu müssen - frei zu sein, ein Leben in Liebe zu führen. Da ist es nur folgerichtig, dass sich dies in unserem Leben auswirkt. Sieht man bei mir etwas von neuen Verhaltensweisen? Bin ich gerechter, liebevoller und barmherzigen geworden? Da heißt es im Text: Gott macht mich fähig dazu, ein Leben zu führen, das nicht vom Bösen beeinflusst ist. Christliche Ethik - die Lehre vom rechten Verhalten - erschöpft sich nicht in Appellen, sondern verweist immer wieder darauf, dass Gott das Entscheidende in mir tut. Suche ich die Nähe Gottes und lasse ich zu, dass er mein Denken und Handeln verändert? 

26.Juli Philipper 2, 10b - 12-
 Und weil Jesus diesen Namen trägt, werden sich einmal alle vor ihm auf die Knie werfen, alle, die im Himmel, auf der Erde und unter der Erde sind. Alle werden anerkennen, dass Jesus Christus der Herr ist, und werden damit Gott, dem Vater, die Ehre geben.

Klingt das nicht ein wenig seltsam? Oder gar gewalttätig? Alle müssen am Ende das Knie beugen - sich unterwerfen, besiegt und gedemütigt. Ist das nur die Phantasie einer antiken Splittergruppe, die auch mal bedeutend sein will? So wirkt es zunächst. Doch es gibt auch eine ganz andere Perspektive: Wenn - wie wir gestern gelesen haben - in dem Menschen Jesus Gott selbst Fleisch und Blut geworden ist, dann werden wir am Ende in Jesus Christus dem Schöpfer selbst begegnen. Wir werden überwältigt sein von der Größe und Herrlichkeit Gottes, alle Zweifel und Fragen werden verstummen und wir werden erkennen, wie alle Dinge unseres Lebens zusammenhängen. Da ist kein Zwang und kein Besiegtsein - sondern das Erkennen: In Christus begegne ich meinem Ursprung und komme zurück in meine Heimat. Überzeugend ist am Ende nicht die Machtdemonstration, sondern die Liebe, die ich in ihrer Fülle  begreife. Freue ich mich darauf? 

25.Juli Philipper 2, 4 - 10a

Jeder soll auch auf das Wohl der anderen bedacht sein, nicht nur auf das eigene Wohl. Das ist die Haltung, die euren Umgang miteinander bestimmen soll; es ist die Haltung, die Jesus Christus uns vorgelebt hat. Er, der Gott in allem gleich war und auf einer Stufe mit ihm stand, nutzte seine Macht nicht zu seinem eigenen Vorteil aus. Im Gegenteil: Er verzichtete auf alle seine Vorrechte und stellte sich auf dieselbe Stufe wie ein Diener. Er wurde einer von uns – ein Mensch wie andere Menschen. Aber er erniedrigte sich noch mehr: Im Gehorsam gegenüber Gott nahm er sogar den Tod auf sich; er starb am Kreuz wie ein Verbrecher. Deshalb hat Gott ihn auch so unvergleichlich hoch erhöht und hat ihm als Ehrentitel den Namen gegeben, der bedeutender ist als jeder andere Name. 

Wie sieht das praktisch aus, wenn ich auf das Wohl des Anderen genauso bedacht bin, wie auf mein eigenes? "Was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen", so hat es Jesus formuliert. Das stärkste Argument für diese Lebenshaltung ist Gott selbst: Er wurde Mensch, verzichtete auf alle Privilegien und Ehren und wurde ein Kind, ein Handwerker und dann ein Straßenprediger. Diese Liebe zu den Menschen hat Jesus bis ans Kreuz durchgehalten: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun! Vielleicht sagst du nun: Ich kann nicht so radikal leben. Darauf - auf den großen, heroischen Entschluss - kommt es nicht an. Es geht um den heutigen Tag, um den Menschen, den ich vor Augen habe. Wie kann ich für sein Wohl sorgen? In welcher Weise kann ich mich auf seine Stufe stellen, ihm oder ihr auf Augenhöhe begegnen? Wem kann ich heute dienen? 

24.Juli  Philipper 2, 1 - 3 
Nicht wahr, es ist euch wichtig, einander im Namen von Christus zu ermutigen? Es ist euch wichtig, euch gegenseitig mit seiner Liebe zu trösten, durch den Heiligen Geist Gemeinschaft miteinander zu haben und einander tiefes Mitgefühl und Erbarmen entgegenzubringen? Nun, dann macht meine Freude vollkommen und haltet entschlossen zusammen! Lasst nicht zu, dass euch etwas gegeneinander aufbringt, sondern begegnet allen mit der gleichen Liebe und richtet euch ganz auf das gemeinsame Ziel aus. Rechthaberei und Überheblichkeit dürfen keinen Platz bei euch haben. Vielmehr sollt ihr demütig genug sein, von euren Geschwistern höher zu denken als von euch selbst.

Wie kann Gemeinde gelingen? Wie können wir so miteinander leben, wie Jesus Gemeinde gewollt hat? Paulus ruft seine Gemeinde zu aktiver Gestaltung auf. Es geht um neue Verhaltensweisen und Handlungen, zu denen ich mich entschließen kann und soll. Entschlossen zusammenhalten. Allen mit gleicher Liebe begegnen. Von anderen höher denken als von mir. Rechthaberei meiden. Im Konfliktfall erscheint uns das alles schwer bis unmöglich. aber Paulus sagt: Ihr könnt das! Denn wir haben ein gemeinsames Ziel, den Bau des Reiches Gottes unter uns. Ist mein Streit wirklich so wichtig? Ist mein Kontrahent nicht genauso von Gott geliebt wie ich? Der Ausstieg aus einem Konflikt beginnt dort, wo ich den Anderen als Mensch annehme und liebe. Aus dieser Liebe wächst Verstehen, ich beginne zu verstehen, wie mein Gegner denkt und handelt - und warum. Wen habe ich da heute vor mir, an wen denke ich?  

23.Juli Philipper 1, 27 - 30
Aber das Entscheidende ist: Lebt so, dass es im Einklang mit dem Evangelium von Christus steht! Dann werdet ihr – ob ich nun komme und euch besuche oder ob ich nur aus der Ferne von euch höre – einmütig zusammenstehen. Ihr werdet Seite an Seite für den Glauben kämpfen, der sich auf das Evangelium gründet und werdet euch durch nichts von euren Gegnern einschüchtern lassen. An dem allem zeigt sich, dass sie verloren gehen und ihr gerettet werdet; so ist es von Gott selbst gefügt. Er hat euch die Gnade erwiesen, nicht nur an Christus zu glauben, sondern auch für Christus zu leiden. Ja, ihr habt jetzt denselben Kampf zu bestehen wie ich – den Kampf, den ihr miterlebt habt, als ich bei euch war, und in dem ich – wie ihr gehört habt – immer noch stehe.

Im Einklang mit der guten Botschaft von Jesus Christus leben - das ist das Entscheidende! Das ist die Voraussetzung für Einmütigkeit. Doch wir wissen, dass es nicht ganz so einfach ist. Was Liebe konkret bedeutet und wie wir mit Menschen umgehen - mit schwierigen, andersgläubigen, schwulen, queeren, rechtsradikalen und so fort - muss unter uns immer wieder neu verhandelt werden. Im Einklang mit Christus heißt hier: Ausgerichtet an der radikalen Botschaft der Liebe, die sich lieber totschlagen lässt, als dem Feind als Feind zu begegnen. Denn darum ist es eine Gnade, für Christus zu leiden: Weil die Botschaft der unbedingten Liebe uns in solche Situationen führt. Darin ist uns Jesus vorausgegangen. Das Leiden ist Gnade, weil diese Liebe Gabe und Geschenk ist. Leiden wir deshalb so wenig für unsere Botschaft, weil wir nicht genug lieben? 

22.Juli Philipper 1, 20 - 26
Ja, es ist meine sehnliche Erwartung und meine feste Hoffnung, dass ich in keiner Hinsicht beschämt und enttäuscht dastehen werde, sondern dass ich – wie es bisher immer der Fall war – auch jetzt mit ganzer Zuversicht auftreten kann und dass die Größe Christi bei allem sichtbar wird, was mit mir geschieht, ob ich nun am Leben bleibe oder sterbe. Denn der Inhalt meines Lebens ist Christus, und deshalb ist Sterben für mich ein Gewinn. Andererseits kann ich, solange ich noch hier auf der Erde lebe, eine Arbeit tun, die Früchte trägt. Daher weiß ich nicht, was ich vorziehen soll. Ich bin hin- und hergerissen: Am liebsten würde ich das irdische Leben hinter mir lassen und bei Christus sein; das wäre bei weitem das Beste. Doch ihr braucht mich noch, und deshalb – davon bin ich überzeugt – ist es wichtiger, dass ich weiterhin hier auf der Erde bleibe. Darum bin ich auch sicher, dass ich nicht sterben werde, sondern euch allen erhalten bleibe. Denn dann kann ich dazu beitragen, dass ihr im Glauben vorankommt und dass euch durch den Glauben eine immer tiefere Freude erfüllt.  Ja, wenn ich wieder bei euch bin, werdet ihr noch viel mehr Grund haben, auf Jesus Christus stolz zu sein und ihn für das zu preisen, was er durch mich für euch getan hat

Ich bin sicher, dass ich nicht sterben werde! .Paulus sitzt im Gefängnis und weiß nicht, wie es ausgehen wird. Aber er lässt sich durch die Angst vor dem Tod nicht bestimmen. Ganz im Gegenteil: Er empfindet bei dieser Aussicht sogar Freude - und das nicht aus Todessehnsucht, sondern, weil er die endgültige Vereinigung mit Christus herbeisehnt. Doch er lässt sich im Nachdenken über sein Schicksal weder von Angst noch von Sehnsucht bestimmen - sein Maßstab ist ein ganz anderer. Er fragt sich, ob er seinen Auftrag schon ganz erfüllt hat und kommt zu dem Schluss, dass er noch etwas zu tun hat. Und das macht ihn sicher: Das hier kann noch nicht das Ende sein.  Seine Sicht auf Christus bewahrt ihn vor dem negativen Einfluss seiner schwierigen Situation. Davon will ich etwas lernen: Ich will nicht zu sehr auf schwierige Situationen achten und sich von ihnen beeinflussen lassen, sondern mich fragen, was Jesus Christus mir in dieser Situation sagt. Ich will nicht die Angst sprechen lassen, sondern das Vertrauen in den, der mir dieses Leben gegeben hat. 

21.Juli  Philipper 1, 17 - 19
Die anderen hingegen verkünden Christus aus selbstsüchtigen Motiven. Sie meinen es nicht ehrlich, sondern hoffen, mir in meiner Gefangenschaft noch zusätzliche Schwierigkeiten zu bereiten.  Aber was macht das schon? Ob es nun mit Hintergedanken geschieht oder in aller Aufrichtigkeit – entscheidend ist, dass im einen wie im anderen Fall die Botschaft von Christus verkündet wird, und darüber freue ich mich. Auch in Zukunft wird nichts mir meine Freude nehmen können. Denn ich weiß, dass am Ende von allem, was ich jetzt durchmache, meine Rettung stehen wird, weil ihr für mich betet und weil Jesus Christus mir durch seinen Geist beisteht.
Wir wissen nicht, wer diese Leute waren, die Christus aus selbstsüchtigen Motiven verkündet haben. Wollten sie selbst gut dastehen? Ging es wie so oft um Macht und Einfluss, jetzt, wo Paulus verhindert war?  Der Apostel, der seine Gegner sonst sehr emotional angehen konnte, regiert hier sehr milde. Ob er sich selbst predigt? Er sagt sich: "Bleib gelassen, Paulus! Hauptsache, sie verkünden Christus, den Gekreuzigten!" Er schaut auf das Wesentliche, auf das Zentrum, das Christus ist. Dadurch werden ihm die manchmal seltsamen Motive seiner Mitchristen unwichtiger. Und damit erfüllt ihn eine tiefe Freude. Er fühlt sich durch die Gebete seiner Gemeinde in Gott geborgen. Was kann ihm noch geschehen? Was kann ihn von der Liebe Gottes in Jesus Christus trennen?  Könnte der Satz "Hauptsache, es wird Christi Botschaft verkündet" uns in unseren innerkirchlichen Streitereien helfen? Würde sich manches als weniger wichtig erweisen? Könnten wir dadurch liebevoller und verständnisvoller miteinander umgehen? Paulus würde das sehr bejahen. 

20. Juli Philipper 1, 12 - 16

 Ich bin froh, euch mitteilen zu können, Geschwister, dass das, was mit mir geschehen ist, die Ausbreitung des Evangeliums sogar noch gefördert hat. Bei der ganzen kaiserlichen Garde und weit darüber hinaus hat es sich inzwischen herumgesprochen, dass meine Gefangenschaft eine Gefangenschaft wegen Christus ist. Und bei den meisten Geschwistern ist gerade, weil ich inhaftiert bin, das Vertrauen auf den Herrn so gewachsen, dass sie jetzt noch viel mutiger sind und das Evangelium ohne Furcht weitersagen. Bei manchen sind zwar Neid und Streitsucht mit im Spiel, wenn sie die Botschaft von Christus verkünden. Doch es gibt auch solche, die es in der richtigen Haltung tun. Sie handeln aus Liebe zu mir, denn sie wissen, dass ich mit dem Auftrag hier bin, für das Evangelium einzutreten.
Paulus hat im Gefängnis nicht geschwiegen, ganz im Gegenteil hat er auch dort seine Botschaft verkündet. Das hat zweifache Wirkung. Einmal spricht es sich unter den Wachen des Statthalters herum, dass da einer einsitzt, weil er die Botschaft unbedingter Liebe verkündet. Und zum anderen ermutigt es seine Gemeinde vor Ort, nicht ängstlich zu schweigen. Aus Liebe zu ihm tun sie, was er gerade nicht tun kann: Das Evangelium überall verbreiten. Gerade weil Paulus in schwieriger Lage nicht umfällt, wird er für seine Geschwister zum Vorbild und Ansporn. Wie kann ich so integer leben? Wie kann ich auch in schwierigen Situationen bei dem bleiben, was mein Leben bisher geprägt hat? Paulus würde dazu sagen: Das ist meine Beziehung zu Christus, die mir Kraft und Orientierung gibt: "Christus ist mein Leben!" 


19. Juli  Philipper 1, 8 - 11
Gott weiß, wie sehr ich mich nach euch allen sehne; liebe ich euch doch so, wie auch Jesus Christus euch liebt. Ich bete darum, dass eure Liebe immer reicher und tiefer wird und dass ihr immer mehr Einsicht und Verständnis erlangt.  So lernt ihr entscheiden, wie ihr leben sollt, um an dem Tag, an dem Jesus Christus Gericht hält, untadelig und ohne Schuld vor euren Richter treten zu können.  Alles Gute, was Christus in einem von Schuld befreiten Leben schafft, wird dann bei euch zu finden sein. Und das alles zu Gottes Ehre und zu seinem Lob!

Wenn die Liebe reicher und tiefer wird, führt das zu mehr Einsicht und Verständnis. So  lernen wir zu entscheiden, wie wir leben sollen.  Das klingt nach viel eigenem Bemühen,  Dinge hinzubekommen. Aber dann heißt es:  Alles Gute, was Christus in euch schafft.  Beides ist untrennbar verbunden:  Unser Bemühen um die Liebe und das rechte Verhalten  - durch Christus, der in uns das Entscheidende bewirkt. Durch ihn können wir glauben und lieben.  Unser Entschluss, etwas in Liebe zu tun, ist im Tiefsten von Christus in uns bewirkt.  Ich muss es nur zulassen.  Was könnte das heute sein? 


18. Juli Philipper 1, 1 - 7

Diesen Brief schreiben Paulus und Timotheus, die Jesus Christus dienen, an alle in Philippi, die mit Jesus Christus verbunden sind und ganz zu Gott gehören, an die Leiter der Gemeinde und die Diakone. Wir wünschen euch Gnade und Frieden von Gott, unserem Vater, und von Jesus Christus, unserem Herrn.  Ich bete für euch
Ich danke meinem Gott immer wieder, wenn ich an euch denke, und das tue ich in jedem meiner Gebete mit großer Freude.  Denn ihr habt euch vom ersten Tag an bis heute mit mir für die rettende Botschaft eingesetzt.  Ich bin ganz sicher, dass Gott sein gutes Werk, das er bei euch begonnen hat, zu Ende führen wird, bis zu dem Tag, an dem Jesus Christus kommt.  Es ist ja nicht erstaunlich, dass ich so von euch denke, denn ihr liegt mir ganz besonders am Herzen. Und auch wenn ich jetzt im Gefängnis bin und vor Gericht die Wahrheit der rettenden Botschaft verteidige und bezeuge – ihr alle habt Anteil an diesem Auftrag und an der Gnade, die Gott mir damit erweist.

Paulus und die Gemeinde in Philippi, das ist eine besondere Geschichte! Eine Gemeinde nach seinem Herzen, von ihm gegründet und mit vielen Gebeten bedacht. Was zeichnet sie aus? Sie sind mit Jesus Christus verbunden und gehören ganz zu Gott. Wie Paulus setzen sie sich für die rettende Botschaft ein.  Das heißt: Sie sind genauso radikal wie er.  Paulus sitzt für diese Botschaft gerade im Gefängnis und den Philippern ist klar, dass mit ihnen dasselbe geschehen kann. Dieser Einsatz für die Sache des Evangeliums verbindet noch einmal mehr als eine theoretische Überzeugung.  Uns geht es ja auch so: Wir fühlen uns mit denen, die die gleiche Überzeugung ausleben, besonders verbunden.  Mit wem bin ich in dieser Weise verbunden? Gibt es Menschen, an die ich in dieser Weise gerne denke und für die ich bete, dass Gott sein gutes Werk in ihnen fortsetzen und vollenden wird? 

17. Juli Psalm 55, 4 - 5, 13 - 14, 23
Denn ich höre, was meine Feinde erzählen, dem Druck dieser gottlosen Menschen bin ich ausgesetzt. Sie fügen mir Böses zu, voller Zorn feinden sie mich an.  Mein Herz bebt, Todesangst überfällt mich. Darum rufe ich: Ach hätte ich doch Flügel wie eine Taube! Ich würde davonfliegen und mich in Sicherheit bringen.
Es ist ja nicht mein Feind, der mich verhöhnt – das könnte ich noch ertragen! Nicht jemand, der mich schon immer gehasst hat, spielt sich gegen mich auf – vor einem solchen könnte ich mich noch verbergen. Aber nein, du bist es, ein Mann, der mir nahestand, mein Freund und Vertrauter! Wie schön war es, als wir noch zusammen waren und unsere Gedanken austauschen konnten! Gemeinsam gingen wir den Weg hinauf zum Haus Gottes, inmitten einer fröhlichen Menge. Der Tod soll meine Feinde wegraffen! Lebendig sollen sie ins Totenreich hinabfahren!
Wirf all deine Last auf den HERRN! Er wird dich sicher halten. Niemals lässt er den zu Fall kommen, der nach Gottes Willen lebt.

In diesem Psalm klagt der Beter zuerst über das, was seine Feinde anrichten.  Am liebsten würde er fliehen, alles hinwerfen und in die Wüste gehen.  Doch es ist noch schlimmer:  Nicht nur Feinde sind gegen ihn, sondern ein Freund, ein Vertrauter.  Sie haben den Glauben geteilt, waren gemeinsam vor Gott - und jetzt hat er die Weiten gewechselt. Wenn er daran denkt, kann er ihn nur verfluchen. Doch dabei bleibt es nicht. Er besinnt sich auf Gott, auf seine Hilfe und Nähe.  Er wirft seine Last auf Gott. Wir werden bisweilen von Menschen enttäuscht, die uns nahe sind.  Das ist besonders schmerzlich, weil unser Zutrauen zerbricht. Dann ist es umso wichtiger, die Nähe und Gegenwart Gottes zu spüren.  Das kann geschehen, indem ich Ihm meine Not und Last klage.  Damit suche ich seine Gegenwart und kann vernehmen, im Herzen spüren, was er mir zusagt: Ich lasse dich nicht fallen! Ich halte dich, wenn alle anderen Halte brechen.  

16.Juli Psalm 54, 3 - 9
Gott, durch die Kraft deines Namens rette mich! Erweise deine Macht und verschaffe mir Recht! Gott, höre auf mein Gebet, schenke den Worten, die über meine Lippen kommen, ein offenes Ohr!  Denn fremde Menschen treten mir als Feinde entgegen, sie sind gewalttätig und trachten mir nach dem Leben. Gott ist ihnen dabei völlig gleichgültig.  Ich weiß: Gott ist mein Helfer! Ja, der Herr gibt meinem Leben Halt! Er wird die Bosheit meiner Feinde auf sie selbst zurückfallen lassen.  Ja, HERR, erweise deine Treue und bring sie zum Schweigen!  Dann will ich dir mit Freude Opfer darbringen und dankbar bekennen, HERR, dass dein Name für einen gütigen Gott steht. Ja, aus aller Not hat er mich gerettet, und mit Genugtuung blicke ich auf meine besiegten Feinde.
David hat sich vor Saul verborgen, aber da gibt es Leute, die ihn verraten haben und er muss fliehen. "Fremde Menschen" werden plötzlich zu Feinden. Warum? Suchen sie eigenen Vorteil? Wollen sie sich beim König damit einschmeicheln?  Es geht für David um Leben und Tod. In dieser Lage muss David es sich selbst versichern: "Gott ist mein Helfer! Der Herr gibt meinem Leben Halt!" Das ist ein wichtiger Hinweis für ähnliche Lebenslagen:  Sprich es aus! Sage laut, was deinem Glauben entspricht, auch wenn du es im Moment nicht so recht glauben kannst, weil die Situation so bedrohlich aussieht. David formuliert dabei konkrete Wünsche:  "Herr, bringe sie zum Schweigen!"  Was wünsche ich mir von Gott angesichts einer schwierigen Situation? 

15.Juli Psalm 53, 2 - 5
Törichte Spötter reden sich ein: »Es gibt keinen Gott!« Sie richten Unheil an, ihr ganzes Verhalten ist abscheuliches Unrecht. Keiner handelt so, wie es gut wäre. Gott schaut vom Himmel herab auf die Menschen. Er möchte sehen, ob es einen unter ihnen gibt, der verständig ist, einen, der nach Gott fragt. Doch alle sind vom richtigen Weg abgewichen, sie sind durch und durch verdorben. Keiner handelt so, wie es gut wäre, nicht ein Einziger.  Haben denn alle, die Unrecht tun, keine Einsicht mehr? Sie fressen mein Volk auf, so als wäre es ein Stück Brot, und zu Gott rufen sie überhaupt nicht.

Ist das nicht doch ein wenig übertrieben, was der Beter da von sich gibt? In alten Zeiten konnte man sich nicht vorstellen, dass ein vernünftiger Mensch Gott leugnet. In seiner Verzweiflung über das Unrecht, das geschieht, verdammt der Beter alle und jeden. Alle sind abgewichen, niemand tut Gutes.  Hüten wir uns davor, so zu generalisieren! Ja, angesichts bitteren Unrechts in dieser Welt, Ausbeutung, Missbrauch, Sklaverei und so Vieles mehr, kann einen der Zorn packen. Zorn auf die, die keinerlei Einsicht zeigen.  Doch dabei geraten die aus dem Blick, die eben kein Unrecht tun, die Menschen helfen, gegen ungerechte Zustände kämpfen - auch wenn sie nicht an Gott glauben. Zu einem realistischen Blick gehört auch der Blick auf das Gute, das dennoch geschieht. Kenne ich Menschen, die mir darin Vorbilder sind? 



14.Juli  Psalm 52, 3 - 11 
Was rühmst du dich der Bosheit, du Tyrann, da doch Gottes Güte noch täglich währt? Deine Zunge trachtet nach Schaden wie ein scharfes Schermesser, du Betrüger! Du liebst das Böse mehr als das Gute und redest lieber Falsches als Rechtes. Du redest gern alles, was zum Verderben dient, mit falscher Zunge.  Darum wird dich auch Gott für immer zerstören, dich zerschlagen und aus deinem Zelte reißen und aus dem Lande der Lebendigen ausrotten.  Und die Gerechten werden es sehen und sich fürchten und werden seiner lachen:  »Siehe, das ist der Mann, der nicht Gott für seinen Trost hielt, sondern verließ sich auf seinen großen Reichtum und nahm Zuflucht bei seinem verderblichen Tun.« Ich aber werde bleiben wie ein grünender Ölbaum im Hause Gottes; ich verlasse mich auf Gottes Güte immer und ewig.  Ich danke dir ewiglich, denn du hast es getan. Ich will harren auf deinen Namen vor deinen Heiligen, denn er ist gut.

Zuerst denkt man ja: Muss David so reden? Wieso wünscht er einem Manen Tod auf den Hals? Doch dieser Mann hat nicht nur König Saul den Aufenthalt Davids bei den ahnungslosen Priestern von Nob verraten - er war es auch, der auf Aufforderung Sauls die 85 Priester umgebracht und den Ort dem Erdboden gleich gemacht hat. So wird die Wut Davids verständlich.  Was David hier ausspricht, ist das Gericht Gottes über diesen Mörder unschuldiger Priester.  Gegenüber Tyrannen und Diktatoren ist solche Rede durchaus angebracht.  Denn es geht um Gerechtigkeit für die unschuldigen Opfer, um Priester, Frauen und Kinder.  Die Botschaft ist hier: Gott wird die zur Rechenschaft ziehen, die meinen, sie könnten Gottes Geschöpfe willkürlich martern und töten.  Das gilt bis heute - und die Herrscher, die Kriege anzetteln, bekommen es mit Gott zu tun. 

13,Juli  Psalm 51, 3 - 5 und 12 - 14, 19.

Gott, sei mir gnädig nach deiner Güte, und tilge meine Sünden nach deiner großen Barmherzigkeit. Wasche mich rein von meiner Missetat und und reinige mich von meiner Sünde. Denn ich erkenne meine Missetat und meine Sünde ist immer vor mir. 
Schaffe in mir Gott, ein reines Herz und gib mir einen neuen, beständigen Geist. 
Verwirf mich nicht von Deinem Angesicht und nimm Deinen Heiligen Geist nicht von mir. 
Erfreue mich wieder mit Deiner Hilfe und mit einem willigen Geist rüste mich aus. 
Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängstigter Geist,
ein geängstigtes, zerschlagenes Herz wirst Du, Herr, nicht verachten. 

David erschrickt nach seinem Ehebruch über seine Tat. Er hat zusätzlich einen Mord begangen.  Doch diese Erkenntnis hat ihm erst der Prophet Nathan vermitteln müssen. Und vorher? Da hat er sich damit beruhigt, dass das alles schon "irgendwie" nicht so schlimm sein wird. So sind wir Menschen angesichts von Schuld. Oft brauchen wir einen Nathan, um unsere Wahrheit zu erkennen.  David erschrickt vor Gott und begreift, dass er verworfen ist.  Wenn Gott seinen Geist von ihm abzieht, ist es vorbei mit ihm und seinem Königtum. Dieses Erschrecken ist bei uns nicht populär, wir sind ja Christen und vertrauen auf die Gnade Gottes! Doch das ist eine billige Gnade, wenn dieses Vertrauen nicht aus einem geängstigten Herzen kommt. Das Moment des Erschreckens ist kostbar, denn es verdeutlicht mir, was ich getan habe und welche Konsequenzen es hat. Wenn daraus eine gewisse Hilflosigkeit entsteht, ist das nur gut. "Ich schaffe es nicht", sagt David. "Ich brauche Deine Hilfe. Schaffe in mir ein reines Herz!"  Wenn wir Gott unser Innerstes so in aller Ehrlichkeit hinhalten, wird er in uns zu einer Kraft, die widerstehen kann und wird. 

12. Juli  Psalm 50, 7 - 15

 »Höre, mein Volk, lass mich reden;  Israel, ich will wider dich zeugen: Ich, Gott, bin dein Gott.  Nicht deiner Opfer wegen klage ich dich an – sind doch deine Brandopfer immer vor mir.  Ich will von deinem Hause Stiere nicht nehmen noch Böcke aus deinen Ställen.  Denn alles Wild im Walde ist mein und die Tiere auf den Bergen zu Tausenden.  Ich kenne alle Vögel auf den Bergen; und was sich regt auf dem Felde, ist mein. Wenn mich hungerte, wollte ich dir nicht davon sagen; denn der Erdkreis ist mein und alles, was darauf ist. Meinst du, dass ich Fleisch von Stieren essen wolle oder Blut von Böcken trinken? Opfere Gott Dank und erfülle dem Höchsten deine Gelübde, und rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, und du sollst mich preisen.«

Immer wieder hört man in Israel diesen Gedanken: Es kommt nicht auf die Opfer an! Tieropfer mögen im Tempel ihren Platz haben - aber wesentlich ist etwas Anderes: Die Beziehung zu Gott, die sich im Dank und einem integren Leben ausdrückt. Und ebenfalls darin, dass ich mich mit meinen Bedürfnissen an Gott wende. "Rufe mich an!", sagt Gott zu mir.  Ist der Opfergedanke uns wirklich so fern? Etwas Gott opfern, damit er tut, was ich mir wünsche? Dazu gehört auch das Opfern von Zeit und Geld mit dem Hintergedanken, dass es mir dann gut geht. Oder mich zumindest nichts Schlechtes trifft. Frommes Tun, um Gott gnädig zu stimmen. Doch Gott sagt mir: Das brauche ich alles nicht. Ich will keine "Opferbeziehung", ich will eine Liebesbeziehung.  Wo bin ich immer noch im "Opfermodus"? 


11. Juli Psalm 49, 6 - 11 + 16
Warum sollte ich mich fürchten in schweren Tagen? Warum sollte ich Angst haben vor Menschen, deren Bosheit mich verfolgt?  Sie vertrauen auf ihr Vermögen und brüsten sich mit ihrem großen Reichtum. Doch kein Mensch kann das Leben eines anderen mit Geld verlängern, niemand kann sich bei Gott vom Tod freikaufen.  Aller Reichtum der Welt wäre nicht genug! Jeder Mensch muss den Wunsch aufgeben, für immer weiter zu leben und vom Grab verschont zu bleiben.  Ja, es ist offensichtlich: So wie die Weisen einmal sterben werden, müssen auch die Törichten und die Dummen ihr Leben lassen, und all ihr Vermögen fällt anderen zu.  Sie bilden sich ein, ihre Häuser seien für die Ewigkeit gebaut und ihre Wohnsitze blieben auch in allen künftigen Generationen erhalten. Große Ländereien haben sie erworben und nach sich selbst benannt. Doch selbst ein Mensch im größten Prunk hat hier keine Bleibe auf ewig. Am Ende unterscheidet er sich nicht vom Vieh, dem irgendwann das Leben genommen wird. Ja, so wird es all denen ergehen, die unerschütterlich auf sich selbst vertrauen.  Mich aber wird Gott erlösen und den Klauen des Todes entreißen, er wird mich zu sich holen und bei sich aufnehmen

Das Leben ist endlich - das ist eine einfache Erkenntnis, über die man nichts sagen muss, oder? Ja, wenn wir uns danach richten würden. Was würde sich denn bei mir ändern, wenn ich diese Tatsache mit in Betracht ziehe? Ich würde aufmerksamer und achtsamer leben, mehr auf das sehen, was Leben kostbar macht - Freunde, Beziehungen, Liebe und Genießen.  Das erinnert mich an den Film "Das Beste kommt zum Schluss", in dem ein Millionär und ein einfacher Mann vor dem Tod das Leben noch einmal voll auskosten wollen. Doch am Ende kommen sie zu der Erkenntnis, das sich nichts Anderes lohnt als liebevolle Beziehungen, selbst wenn man "die ganze Welt gewönne", wie Jesus sagt. Was ist angesichts der Ewigkeit wesentlich?  Gott steht am Ende meines Weges und wird mich in seine Arme schließen. Dann wird das bleiben, was ich in Liebe getan habe. 

10.Juli Psalm  47 2 - 10
Ihr Völker auf der ganzen Welt, klatscht in die Hände! Lobt Gott und lasst euren Jubel laut hören! Denn der HERR, der Höchste, ist ehrfurchtgebietend. Er ist ein mächtiger König über die ganze Welt. Er hat andere Völker unserer Herrschaft unterstellt, ganze Nationen legte er uns zu Füßen.  Das Land, in dem wir wohnen, hat er für uns ausgewählt als Erbbesitz. Es erfüllt ganz Israel, dem Gottes Liebe gilt, mit Stolz. Unter dem Jubel seines Volkes ist Gott wieder in den Himmel emporgestiegen, der Schall der Posaunen begleitet ihn, den HERRN.  Singt, ja, singt Psalmen für unseren Gott! Singt und musiziert für ihn, unseren König!  Denn Gott ist König der ganzen Welt. So singt und spielt für ihn ein kunstvolles Lied!  Gott herrscht als König über alle Völker der Erde, er hat sich auf seinen heiligen Thron gesetzt.  Mächtige Herrscher aus anderen Völkern versammeln sich, sie alle vereinen sich zu einem Volk, das zum Gott Abrahams gehört. Denn alle Könige auf der Erde gehören Gott, er allein ist hoch erhaben.

Man kann sich dieses Lied bei einem Fest im Tempel vorstellen. Die Leute sind begeistert - was ist aus Israel geworden! Andere Länder sind abhängig geworden, das Reich Davids ist über die Grenzen gewachsen.  In dieser Begeisterung fallen Aussagen, die weit über die momentane Lage hinausgehen.  Denn die war, wie wir heute wissen, sehr wandelbar.  Furchtbare Zeiten kamen auf Israel zu. Trotzdem: Gott ist König der ganzen Welt! Gott steht über allen Königen und Regierungen. Wir singen es ja oft: "Er hält die ganze Welt in seiner Hand!" Aber glauben wir es auch? Angesichts der Probleme und Katastrophen unserer Zeit fällt uns das schwer. Doch ein Blick in die Geschichte lehrt: Immer wieder gab es furchtbare Zeiten - und immer wieder kamen Menschen zur Vernunft, haben Frieden geschlossen und Wunden geheilt.  Der Jubel dieses Psalms nimmt das Ende vorweg:  Am Ende steht Gottes Herrschaft, am Ende wird Friede sein.  Wenn wir in diesen Jubel einstimmen, dann mit dem Bewusstsein, dass Vieles noch auf die Erlösung wartet. Können wir trotzdem mitsingen? 

9. Juli Psalm 46, 2 - 6
Gott ist für uns Zuflucht und Schutz, in Zeiten der Not schenkt er uns seine Hilfe mehr als genug. Darum fürchten wir uns nicht, wenn auch die Erde bebt und wankt und die Berge mitten ins Meer sinken, wenn auch seine Wellen brausen und tosen und die Berge erbeben von seiner gewaltigen Kraft. Ein Strom, von vielen Bächen gespeist, erfreut die Stadt Gottes, den heiligen Ort, an dem der Höchste wohnt.  Ja, Gott wohnt in ihrer Mitte, darum wird sie niemals ins Wanken geraten, Gott wird ihr Hilfe bringen, wenn sich die Nacht zum Morgen wendet. 

Darum fürchten wir uns nicht!  Ist das Übermut oder Gottvertrauen?  Sollen wir einfach die Augen schließen vor all den Katastrophen und Kriegen, den Klimafolgen und Flüchtlingsströmen? Nein, nicht Naivität ist der Grund unserer Furchtlosigkeit, sondern diese eine Tatsache: Gott wohnt in unserer Mitte. Gilt das denn auch für unsere Welt, was hier doch für Jerusalem, die heilige Stadt ausgesagt ist?  Ja, denn wir glauben, dass im Geschehen von Auferstehung und Himmelfahrt Jesus Christus die Herrschaft übernommen hat - er ist in unserer Welt anwesend. Er wohnt hier.  Diese Welt ist trotz aller Probleme nicht sich selbst überlassen. Was mit der Erde geschieht, wird trotz allem Mist, den wir Menschen anstellen, letztlich von Gott bestimmt. Das sollte uns nicht zur Passivität verleiten, sondern umgekehrt uns anspornen, diese Erde im Sinne ihres Schöpfern zu gestalten.  Dann wird Gott uns Hilfe bringen! 

8. Juli  Psalm 44, 9 - 12 und 18 - 22, 27
Täglich rühmen wir uns Gottes und preisen deinen Namen ewiglich. Doch nun verstößt du uns und lässt uns zuschanden werden und ziehst nicht aus mit unserm Heer.  Du lässt uns fliehen vor unserm Feind, dass uns berauben, die uns hassen. Du gibst uns dahin wie Schlachtschafe und zerstreust uns unter die Heiden.     
 Dies alles ist über uns gekommen; und wir haben doch dich nicht vergessen noch an deinem Bund untreu gehandelt. Unser Herz ist nicht abgefallen noch unser Schritt gewichen von deinem Weg, dass du uns so zerschlägst am Ort der Schakale und bedeckst uns mit Finsternis. Wenn wir den Namen unsres Gottes vergessen hätten und unsre Hände aufgehoben zum fremden Gott:  würde das Gott nicht erforschen? Er kennt ja unsres Herzens Grund.   Wach auf, Herr! Warum schläfst du? Werde wach und verstoß uns nicht für immer! Warum verbirgst du dein Antlitz, vergisst unser Elend und unsre Drangsal?  Mache dich auf, hilf uns und erlöse uns um deiner Güte willen!


Was das Volk hier erlebt, ist schlimm: Alle Gebete und Gottesdienste haben nichts genutzt, Feinde sind über Israel hergefallen, haben geplündert und gemordet. Und dazu spotten sie über den Glauben des Volkes: Wo ist nun euer Gott? Hilft er nicht? Die Beter lehnen das übliche Schema der Schuldzuweisung ab, in dem es heißt, wem es schlecht geht, der muss Schuld haben. "Nein", sagen sie, "wir sind nicht abgefallen!" Es gibt keinen Grund für unser Unglück!  So kann es uns auch ergehen: Für Niederlagen, Krankheiten und Katastrophen gibt es oft keine persönlichen Gründe. Auch wir fragen uns oft: Warum, Gott? Was soll das?  Und was dann? Resignation? Schweigen? Nein, die Beter wenden sich mit starken Worten an Gott! Sag mal, Gott, schläfst du? Wach auf! Mach dich endlich auf! Denk daran, dass du gütig bist!  So können, ja, so sollen wir mit Gott reden, wenn uns unverschuldetes Leid trifft. Er hält das aus, ja ich denke, er wartet sogar darauf. Denn dieses Schreien ist Ausdruck der tiefen Überzeugung, dass Gott trotz allen Fragen da ist, für mich da ist. 


7. Juli  Psalm 43
Schaffe mir Recht, Gott,  und führe meine Sache wider das treulose Volk und errette mich von den falschen und bösen Leuten!  Denn du bist der Gott meiner Stärke: Warum hast du mich verstoßen? Warum muss ich so traurig gehen, wenn mein Feind mich drängt?  Sende dein Licht und deine Wahrheit, dass sie mich leiten und bringen zu deinem heiligen Berg und zu deiner Wohnung, dass ich hineingehe zum Altar Gottes, zu dem Gott, der meine Freude und Wonne ist, und dir, Gott, auf der Harfe danke, mein Gott.  Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.

Gott, führe meine Sache! Der Beter beobachtet sich selbst angesichts der Angriffe, die er auszuhalten hat. Er ist traurig und fühlt sich von Gott im Stich gelassen. Aber er nimmt trotzdem diese Sache nicht selbst in die Hand. Er wendet sich an Gott und fordert ihn auf: Sende dein Licht! Bring Licht und Wahrheit  in diese Sache! Und zwar so, dass ich wieder in Kontakt zu dir komme, wieder auf deine Hilfe trauen und dir danken kann. Und er spricht zu seinem eigenen Innersten: Sei doch ruhig! Gott wird eingreifen!  Was tun wir in Anfeindungen und wenn Menschen uns mit ungerechtfertigten Anklagen überziehen?  Kämpfen wir mit den gleichen Waffen - Gegenvorwürfe, aggressive Reaktionen, Anzeigen und Gerichtsverfahren? Oder klagen wir unsere Lage Gott und beten: Führe meine Sache, Gott?  

6. Juli Psalm 42, 2 – 4 und 6 (12)

Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so lechzt meine Seele, nach dir, Gott. Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann darf ich kommen und erscheinen vor Gottes Angesicht? Meine Tränen sind mir Brot geworden bei Tag und bei Nacht; man sagt zu mir den ganzen Tag: Wo ist dein Gott?
Was bist du bedrückt, meine Seele, und was ächzt du in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken für die Rettung in seinem Angesicht.


Dem Beter geht es sehr schlecht. Vielleicht hat ihn ein Unglück getroffen, eine Krankheit oder ein schlimmer Verlust. Warum greift Gott nicht ein, warum hilft er nicht? Der Beter könnte nun ins Jammern verfallen, sich in Selbstmitleid verzehren. Aber nein, er weiß um die Kraftquelle, zu der er jetzt gelangen muss. Seine Not bringt die Sehnsucht nach dem lebendigen Gott hervor.  Er tritt in einen Dialog mit sich selbst und ruft seiner bedrückten Seele zu: Harre auf Gott! In diesem Dialog wächst ihm die Gewissheit zu: Es wird anders werden. Er wird eingreifen und mich retten. Das Entscheidende ist: Den Blick auf die Not loslassen und meiner Sehnsucht nach Gott, nach neuem Leben und echter Liebe nachzuspüren.  Diese Sehnsucht wird mich zu Gott, zur Quelle führen.  "Wer mich sucht, der wird mich finden." Die Not ist noch nicht zu Ende - aber die Hilfe kommt in den Blick. 

5. Juli Psalm 41, 1 - 4
Selig, wer sich des Geringen annimmt; Zur Zeit des Unheils wird der HERR ihn retten. Der HERR wird ihn behüten und am Leben erhalten. Man preist ihn glücklich im Land. Gib ihn nicht preis seinen gierigen Feinden! Der HERR wird ihn auf dem Krankenbett stärken; Sein ganzes Lager hast du in seiner Krankheit gewendet.
Wer handelt wie Gott an uns handelt, wird Hilfe erfahren, wenn er sie braucht. Das ist kein einklagbares Recht, sondern eine Verheißung, ein Versprechen. Niemand, der Armen hilft, um sich eine Lebensversicherung zu schaffen, wird etwas davon haben. Denn es geht nie um berechnendes Handeln, sondern um ein Tun aus dem Herzen heraus. Wer sein Leben mit der Grundhaltung der Barmherzigkeit lebt, der wird Barmherzigkeit erfahren. "Seid barmherzig, wie euer Vater im Himmel barmherzig ist." (Lukas 6, 36)  Wo kann ich heute barmherzig sein? Welches Leid, welche Not rührt mich? Mitleid - ein Gefühl, das vorübergehen kann - führt, wenn ich es zulasse, zu barmherzigem Tun.  Das soll zu einer Lebens-Grundhaltung werden. 

4.Juli  Psalm 40, 6 - 9
Vieles hast du getan, HERR, du mein Gott: Deine Wunder und deine Pläne für uns. Nichts kommt dir gleich. Wollte ich von ihnen künden und reden, Es wären mehr, als man zählen kann. An Schlacht- und Speiseopfern hattest du kein Gefallen, Doch Ohren hast du mir gegraben, Brand- und Sündopfer hast du nicht gefordert. Da habe ich gesagt: Siehe, ich komme. …..Deinen Willen zu tun, mein Gott, war mein Gefallen Und deine Weisung ist in meinem Innern.
Gefällt es mir, Gottes Willen zu tun? Wobei empfinde ich da Lust und wo Widerwillen? Es geht dabei nicht um religiöse Riten, sagt der Beter. Gott fordert sie nicht.  Was kann mich dazu bringen, Gottes Weisungen zu folgen? Zum einen die Erinnerung: Wo hat Gott mir schon geholfen? Welche Erfahrungen habe ich mit ihm gemacht? Zum anderen: Er hat mir die Fähigkeit verliehen, sein Reden zu vernehmen, seine Worte zu hören. Die Weisung ist sogar schon in meinem Herz angekommen. Würde ich nur vernehmen, was er mir da zuflüstert: "Liebe deinen Nächsten wie dich  selbst!" Habe ich daran Gefallen? 


3.Juli Psalm 38, 2 - 5
Ich sagte: Ich will auf meine Wege achten, damit ich nicht sündige mit meiner Zunge. Ich lege meinem Mund einen Zaum an, solange der Frevler vor mir steht. So blieb ich stumm und still; ich schwieg, vom Glück verlassen, doch mein Schmerz war aufgerührt. Heiß wurde mir das Herz in der Brust, bei meinem Grübeln brennt ein Feuer; da redete ich mit meiner Zunge. HERR, lass mich erkennen mein Ende und die Zahl meiner Tage! Ich will erkennen, wie vergänglich ich bin! Siehe: Du machtest meine Tage nur eine Spanne lang, meine Lebenszeit ist vor dir wie ein Nichts. Nur als Hauch steht jeder Mensch da. Nur wie ein Schattenbild wandelt der Mensch dahin, um ein Nichts macht er Lärm.

Kennst du solche Situationen? Da droht eine Auseinandersetzung mit einem Menschen, der offenbar Falsches tut oder sagt. Du weißt, das wird schwierig werden, du wirst im Zorn Dinge sagen oder gar tun, die dir später leid tun werden. Also schweigst du. Aber das gelingt dir am Ende doch nicht, denn in dir kreist immer derselbe Gedanke: Ich muss das sagen, ich muss Stellung nehmen!  Endlich bricht der Zorn hervor und du sagst genau das, was du zurückhalten wolltest.  Darum will sich der Beter daran erinnern, wie vergänglich er ist, wie unwichtig letztlich die Dinge sind, um die er mit seinen Gedanken kreist. Viel Lärm um nichts! Deshalb muss ich mich fragen: Sind die Auseinandersetzungen, in denen ich stehe oder die ich kommen sehe, wirklich wichtig? Lohnt es sich, meine Kraft und meine Lebenszeit dafür zu investieren? Selbst wenn die Sache wie ein Feuer in mir brennt - ist sie letztlich wesentlich? 

2.Juli Psalm 37, 1 - 8
Errege dich nicht über die Bösen, ereifere dich nicht über jene, die Schlechtes tun! Denn sie verwelken schnell wie das Gras, wie frisches Grün verdorren sie. Vertrau auf den HERRN und tue das Gute, wohne im Land und hüte die Treue! Habe deine Lust am HERRN! So wird er dir geben, was dein Herz begehrt. Befiehl dem HERRN deinen Weg, vertrau ihm - er wird es fügen. Er lässt deine Gerechtigkeit aufgehen wie das Licht, dein Recht wie die Helle des Mittags. Sei still vor dem HERRN und harre auf ihn! Errege dich nicht über den, dessen Weg Erfolg hat, den Mann, der Ränke ausführt! Steh ab vom Zorn und lass den Grimm, errege dich nicht, es führt nur zu Bösem!
Gott ist auf deiner Seite, wenn du Recht tust! Diese Verse drücken eine bemerkenswerte Gewissheit aus. Du musst dich nicht ereifern, nicht gegen Menschen kämpfen, die Böses tun. Wer mit Zorn reagiert, steht in der Gefahr, ähnliches Unrecht zu tun. Ja, es fällt uns allen schwer, es zu ertragen, wenn böse und freche Menschen mit ihrem Handeln Erfolg haben. Weil Gott nichts unternimmt, nehmen wir die Sache selbst in die Hand und werden dabei den Menschen ähnlich, die wir bekämpfen.  Doch hier heißt es: Habe deine Lust am Herrn! Er wird dir am Ende Gerechtigkeit zuteil werden lassen. Er wird dein Recht bestätigen. Was hilft zu diesem "stille sein"?  Ein bewusstes Abgeben an Gott - in aller Ehrlichkeit:  "Gott, du weißt ja, wie zornig ich bin! Am liebsten möchte ich diesem Menschen den Hals herumdrehen! Wieso kommt er damit durch und hat Erfolg? Hilf mir, ruhig zu bleiben und diese Sache Dir zu überlassen! Und Gott: Tu etwas!" 

1.Juli Psalm 36, 2 - 13
Die Sünde sitzt tief im Herzen des Gottlosen und flüstert ihm zu, was er tun soll. Sich Gott in Ehrfurcht zu unterstellen, käme ihm nie in den Sinn. Er gefällt sich darin, Schuld auf sich zu laden und andere zu hassen.  Über seine Lippen kommt nichts als Lug und Trug; es liegt ihm nichts mehr daran, vernünftig zu handeln und Gutes zu tun.  Selbst wenn er im Bett liegt, schmiedet er noch unheilvolle Pläne. Er hat den Weg betreten, der alles andere als gut ist. Das Böse verabscheut er nicht.  HERR, deine Güte reicht so weit der Himmel ist, bis zu den Wolken deine Treue.  Deine Gerechtigkeit ist so beständig wie die Berge, die du geschaffen hast, deine Urteile gründen tief wie das Meer.  Ja, du, HERR, hilfst Menschen und Tieren.  Wie kostbar, o Gott, ist deine Gnade! Menschen suchen Zuflucht im Schatten deiner Flügel.  Sie dürfen den Reichtum deines Hauses genießen, und aus einem Strom der Freude gibst du ihnen zu trinken.  Bei dir ist die Quelle allen Lebens, in deinem Licht sehen wir das Licht.  Las deine Gnade für immer bei denen bleiben, die dich kennen, und deine Treue bei denen, die von Herzen aufrichtig sind.  Bewahre mich vor den Fußtritten hochmütiger Menschen; den Gottlosen soll es nicht gelingen, mich mit ihren Händen wegzustoßen. Der Augenblick wird kommen, an dem diese niederträchtigen Leute zu Boden stürzen; sie werden niedergestoßen und können nicht mehr aufstehen.
Welch ein Gegensatz in diesem einen Psalm! Zuerst die bösen, niederträchtigen Menschen - um wem fielen da nicht Beispiele aus der Politik ein, grausame Diktatoren und gnadenlose Ausbeuter?  Und dann ganz plötzlich wird die Gnade, Treue und Gerechtigkeit Gottes besungen. Es ist, als wolle sich der Beter angesichts böser Mitmenschen daran erinnern, wer Gott ist und wo wahres Leben zu finden ist.  Bei dir ist die Quelle des Lebens! Bei dir sehe ich das Licht der Liebe! Für mich sind die Worte "Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist" für immer mit einem Mann verbunden, der sie für uns in einer Gemeinde gesungen hat. Ich wusste von ihm, dass seine Frau einst von einer Gruppe Soldaten vergewaltigt worden war und bleibende Schäden davongetragen hatte. Dort wo es geschah, lag sie unter freiem Himmel, sah zu den Sternen auf und schrie: "Gott, wo bist du? Warum tust du nichts?" So hat sie es mir erzählt. Ludwig, ihren Mann hatten die Soldaten niedergeschlagen.  Warum konnte er danach noch singen: "Herr, deine Güte reicht so weit der Himmel ist?"  Ich denke, weil dies nicht nur eine Feststellung ist, sondern  weil eine Frage mitschwingt und eine Aufforderung an Gott: So muss es sein! Sorge dafür! Lass deine Gnade bei mir bleiben.  Und darum ist auch der letzte Satz kein Rückfall in Rachegedanken, sondern die Forderung nach Gerechtigkeit.  Böse Menschen sollen nicht davonkommen. Wo habe ich die Güte Gottes trotz allem Leid und allem Schweren erlebt? 

30. Juni Psalm  33, 5 - 12
 Er liebt Gerechtigkeit und Recht, erfüllt von der Huld des HERRN ist die Erde. Durch das Wort des HERRN wurden die Himmel geschaffen, ihr ganzes Heer durch den Hauch seines Mundes. Er sammelt das Wasser des Meeres und dämmt es ein, legt die Fluten in Kammern. Die ganze Erde fürchte den HERRN; vor ihm sollen alle beben, die den Erdkreis bewohnen Denn er sprach und es geschah; er gebot und da stand es Der HERR vereitelte den Ratschluss der Nationen, er machte die Pläne der Völker zunichte. Der Ratschluss des HERRN bleibt ewig bestehen, die Pläne seines Herzens durch alle Geschlechter. Selig die Nation, deren Gott der HERR ist, das Volk, das er sich zum Erbteil erwählt hat.

Die ganze Erde ist von Gottes Gnade erfüllt! Der Beter staunt über die Größe Gottes, über seine Macht angesichts der Größe der Schöpfung. Empfinden wir noch diese Ehrfurcht vor dem Gott der Schöpfung? Ist uns noch bewusst, dass Gott uns alle und die ganze Welt in seiner Hand hält? Wir sind davon absolut abhängig, ob es uns bewusst ist oder nicht.  Und auch den Nationen wird hier gesagt: Selig ist die Nation, die sich zu diesem Gott bekennt. Ob es doch nicht egal ist, ob Gott in der Präambel unserer Verfassung steht?  Gott liebt Gerechtigkeit und Recht - und das ist die Grundlage unseres Zusammenlebens.  Setzen wir uns dafür ein, dass diese Maßstäbe und Werte weiterhin gelten? 

29. Juni Psalm 32, 1 - 7
Selig der, dessen Frevel vergeben und dessen Sünde bedeckt ist. Selig der Mensch, dem der HERR die Schuld nicht zur Last legt und in dessen Geist keine Falschheit ist. Solang ich es verschwieg, zerfiel mein Gebein, den ganzen Tag musste ich stöhnen. Denn deine Hand liegt schwer auf mir bei Tag und bei Nacht; meine Lebenskraft war verdorrt wie durch die Glut des Sommers. Da bekannte ich dir meine Sünde und verbarg nicht länger meine Schuld vor dir. Ich sagte: Meine Frevel will ich dem HERRN bekennen. Und du hast die Schuld meiner Sünde vergeben. Darum soll jeder Fromme zu dir beten; solange du dich finden lässt. Fluten hohe Wasser heran, ihn werden sie nicht erreichen. Du bist mein Schutz, du bewahrst mich vor Not und rettest mich und hüllst mich in Jubel.

Schuld hat zerstörerische Kraft. Wie viele Menschen versuchen, ihre Schuld zu verbergen, zu vergessen oder klein zu reden. Äußerlich sieht man ihnen das oft kaum an, aber die Schuld ist da und das Gewissen spricht. Ihr einziger Ausweg ist die Selbstentschuldigung: „Ich musste das tun, weil..!“ Doch auch das funktioniert nur zeitweise. Tief im Inneren wühlt die Schuld und zerstört die Persönlichkeit. Der Beter sieht darin Gottes Hand und deshalb nur einen Ausweg: Sich vor Gott zu seiner Schuld zu bekennen: „Ja, das habe ich getan! Ich bin schuldig.“ Das genügt und ist der Wendepunkt. Statt innerer bohrender Schuldgefühle ist plötzlich Freiheit da und das Leben wird leicht. Gibt es Schuld, die immer noch in mir drückt? Was belastet mich? 

28. Juni Psalm 31, 2 - 9
HERR, bei dir habe ich mich geborgen. Lass mich nicht zuschanden werden in Ewigkeit; rette mich in deiner Gerechtigkeit! Neige dein Ohr mir zu, erlöse mich eilends! Sei mir ein schützender Fels, ein festes Haus, mich zu retten! Denn du bist mein Fels und meine Festung; um deines Namens willen wirst du mich führen und leiten. Du wirst mich befreien aus dem Netz, das sie mir heimlich legten; denn du bist meine Zuflucht. In deine Hand lege ich voll Vertrauen meinen Geist; du hast mich erlöst, HERR, du Gott der Treue. Verhasst waren mir, die nichtige Götzen verehren, ich setze auf den HERRN mein Vertrauen. Ich will jubeln und deiner Huld mich freuen; denn du hast mein Elend angesehen, du kanntest die Ängste meiner Seele. Du hast mich nicht preisgegeben der Hand meines Feindes, du stelltest meine Füße in weiten Raum.

Weiter Raum! Bei dir habe ich mich geborgen! Es klingt ja fast wie ein Gegensatz: Sich bergen und weiter Raum. Aber so ist es: Wer sich bei Gott birgt, bekommt weiten Raum. Denn Gott ist ein Gott der Freiheit. Die, die nichtige Götter verehren, versklaven sich und uns an diese Götter. Heute heißen unsere Götter anders – Status, Karriere, Ansehen und so fort. Sie legen heimlich ihre Netze und wir sind gefangen in fremden Ansprüchen und dem, was man tut und erreichen muss. Wer zu Gott flieht, sich bei ihm birgt, wird frei von diesen Göttern. Die Angst, das Leben zu verpassen, nicht angesehen zu sein und für altmodisch zu gelten – Gott kennt diese Ängste. Sein Versprechen ist: Ich stelle dich auf weiten Raum, ich zeige dir neue Wege und ganz neue Möglichkeiten deines Lebens – ich schenke dir Freiheit.

27.Juni  Psalm 30, 2 - 13
HERR, mein Gott, ich habe zu dir geschrien und du heiltest mich. HERR, du hast meine Seele heraufsteigen lassen aus der Totenwelt, hast mich am Leben erhalten, sodass ich nicht in die Grube hinabstieg. Singt und spielt dem HERRN, ihr seine Frommen, dankt im Gedenken seiner Heiligkeit! Denn sein Zorn dauert nur einen Augenblick, doch seine Güte ein Leben lang. Wenn man am Abend auch weint, am Morgen herrscht wieder Jubel. Im sicheren Glück dachte ich einst: Ich werde niemals wanken. Du hast dein Angesicht verborgen. Da bin ich erschrocken. Zu dir, HERR, will ich rufen und zu meinem Herrn um Gnade flehn: Was nützt dir mein Blut, wenn ich zum Grab hinuntersteige? Kann Staub dich preisen, deine Treue verkünden? Höre, HERR, und sei mir gnädig! HERR, sei du mein Helfer! Du hast mein Klagen in Tanzen verwandelt, mein Trauergewand hast du gelöst und mich umgürtet mit Freude, damit man dir Herrlichkeit singt und nicht verstummt. HERR, mein Gott, ich will dir danken in Ewigkeit.

Es gibt diese Momente im Leben, in denen man erschrickt: Was ist, wenn ich unheilbar krank bin? Wenn die Partnerin, der Partner plötzlich nicht mehr da ist? Wenn sich mein normales Leben in Dunst auflöst? Der Beter hat erfahren: Gott hat ihn am Leben erhalten und ihm herausgeholfen. Ja, er hat gefleht, geklagt, Argumente gesucht. Ja, wir müssen uns nicht in ein angeblich unabänderliches Schicksal fügen. Und dann heißt es: Du hast meine Klagen in Tanzen verwandelt! Wo am Abend noch bitteres Weinen war, herrscht nun Freude! Wir fragen uns: Und wenn das nicht so ist? Wenn die Hilfe ausbleibt? Wir leben in einer Welt, in der auch für uns nicht alles einfach gut wird. Trotzdem steht diese Aussage: Seine Güte dauert ein Leben lang! Diese Verheißung gilt uns im Leben und darüber hinaus in Gottes neuer Welt. Diese Hoffnung hatte der Psalmbeter noch nicht – aber mit Jesu Auferstehung ist sie uns geschenkt. Am Ende steht der Tanz, nicht die Klage.


26. Juni Psalm 27, 1 - 5
Der HERR ist mein Licht und mein Heil: Vor wem sollte ich mich fürchten? Der HERR ist die Zuflucht meines Lebens: Vor wem sollte mir bangen? Dringen Böse auf mich ein, um mein Fleisch zu verschlingen, meine Bedränger und Feinde; sie sind gestrauchelt und gefallen. Mag ein Heer mich belagern: Mein Herz wird nicht verzagen. Mag Krieg gegen mich toben: Ich bleibe dennoch voll Zuversicht. Eines habe ich vom HERRN erfragt, dieses erbitte ich: im Haus des HERRN zu wohnen alle Tage meines Lebens; die Freundlichkeit des HERRN zu schauen und nachzusinnen in seinem Tempel. Denn er birgt mich in seiner Hütte am Tag des Unheils; er beschirmt mich im Versteck seines Zeltes, er hebt mich empor auf einen Felsen.

Wie kann ein Mensch inmitten von angstmachenden Ereignissen und furchteinflößenden Gegnern dennoch seinen Weg gehen? Hier beruft sich David auf seinen Gott und benennt, was im Vertrauen auf ihn gilt: Mein Licht, mein Heil, meine Zuflucht. Das hat er in ähnlichen Lagen erfahren und darum sind das keine Hirngespinste. Gott ist an seiner Seite.  Aus dieser Erfahrung entspringt eine Sehnsucht: Noch näher bei diesem Gott zu sein, noch mehr seine Gegenwart mitten im Alltag zu spüren. Alle Tage aus der Quelle seiner Zuversicht zu schöpfen. Dann kann keine äußere Bedrohung diese Zuversicht mehr erschüttern, er ist bei Gott geborgen, versteckt vor allen Angriffen. Kenne ich diese Sehnsucht?  Habe ich einen Weg gefunden, "alle Tage"  bei Gott zu „wohnen“? Gibt es eine Zeit des Nachsinnens, in der ich die Beziehung zu Ihm pflege? Ich kann durch unabhängig werden von äußeren Angriffen, von Unheil und den Ängsten meines Alltages.

25.Juni Psalm 26, 2 - 7
Erprobe mich, HERR, und durchforsche mich, prüfe mich auf Herz und Nieren:
Denn deine Huld stand mir vor Augen, in deiner Wahrheit ging ich meinen Weg.
Ich saß nicht bei falschen Leuten, mit Heuchlern habe ich keinen Umgang.
Verhasst ist mir die Versammlung derer, die Unrecht tun; bei Gottlosen kann ich nicht sitzen.
Ich will meine Hände in Unschuld waschen und deinen Altar, HERR, will ich umschreiten,
um laut das Lob zu verkünden und all deine Wunder zu erzählen.

Da steht es also, das berühmte Zitat: “Ich wasche meine Hände in Unschuld!” Pilatus hat seine Hände gewaschen, nachdem er Jesus verurteilt hatte und die Juden erinnerten sich an Psalm 26. Nur war es ja genau andersherum: Pilatus war tief in diesen Unrechtsprozess verstrickt und wäscht symbolisch seine Schuld ab – als ob das ginge! In Psalm 26 aber spürt man das Bemühen Davids um gerechtes Verhalten. Wie in Psalm 1 betont er seinen Abstand von Leuten, die Unrecht tun oder sich nur zum eigenen Vorteil zu Gott bekennen. Dabei geht es ihm nicht nur um ein passives Nichtdabeisein, sondern er will laut deutlich machen, was sein Glaube bedeutet und was Gott tut. Wie oft waren die Frommen nur die “Stillen im Lande”, die sich von der Welt abgekehrt haben. Hier ist einer, der sich nicht scheut, seine Gegenposition laut zu sagen. Wo schweige ich lieber angesichts von Unrecht und Heuchelei, obwohl ich Stellung nehmen könnte?

24.Juni Psalm  25, 1 - 8
Zu dir, HERR, erhebe ich meine Seele, mein Gott, auf dich vertraue ich.
Lass mich nicht zuschanden werden, lass meine Feinde nicht triumphieren!
Es wird ja niemand, der auf dich hofft, zuschanden; zuschanden wird, wer dir schnöde die Treue bricht.
 Zeige mir, HERR, deine Wege, lehre mich deine Pfade!
Führe mich in deiner Treue und lehre mich; denn du bist der Gott meines Heils.
Auf dich hoffe ich den ganzen Tag. Gedenke deines Erbarmens, HERR, und der Taten deiner Gnade;
denn sie bestehen seit Ewigkeit!
Gedenke nicht meiner Jugendsünden und meiner Frevel! Nach deiner Huld gedenke meiner, HERR, denn du bist gütig! Der HERR ist gut und redlich, darum weist er Sünder auf den rechten Weg.

Dem Beter scheint es ziemlich schlecht zu gehen. Da gibt es Leute, die würden sich über sein Scheitern freuen. Menschen, die ihn auf längst vergangene Verfehlungen hinweisen und sagen: Jetzt kommt die Abrechnung! Man muss irgendwann für alles bezahlen! Doch der Beter wendet sich an Gott und appelliert an seine Güte und Barmherzigkeit. Ja, er bekennt, dass er sich damals falsch verhalten hat – worin der Frevel bestand, wissen wir nicht, aber er schon. Er will nun einen anderen Weg einschlagen und sich nach dem richten, was Gott ihm sagt. Heute gibt es neben sicherlich notwendiger Aufklärung und Ahndung z.B. von Missbrauch eine Kultur der Erbarmungslosigkeit: Wenn ich bei meinem Gegner vergangene Verfehlungen entdecke, dann kann ich ihn oder sie fertigmachen, Dinge in sozialen Medien veröffentlichen und seinen Ruf für immer zerstören. Aufklärung ist wichtig – aber wie wäre es, wenn Gott dafür sorgen würde, dass all unser “Frevel” ans Licht käme? Wir haben einen Gott, der barmherzig ist – zum Glück! Sind wir es auch? 



23.Juni Psalm 24, 1 - 5
Dem HERRN gehört die Erde und was sie erfüllt, der Erdkreis und seine Bewohner.
Denn er hat ihn auf Meere gegründet, ihn über Strömen befestigt.
Wer darf hinaufziehn zum Berg des HERRN, wer darf stehn an seiner heiligen Stätte?
Der unschuldige Hände hat und ein reines Herz, der seine Seele nicht an Nichtiges hängt und keinen trügerischen Eid geschworen hat.
Er wird Segen empfangen vom HERRN und Gerechtigkeit vom Gott seines Heils.

Zweimal steht hier das Wörtchen “darf”. Das sind wir nicht gewohnt. Oft ist Gott für uns einfach der, an den wir uns immer wenden können, der uns tröstet und hilft. Aber hier kommt eine ganz andere Seite Gottes zur Sprache: Er ist der Herr dieser Welt, der Eigentümer des ganzen Alls. Bei ihm ist kein Raum für Ungerechtigkeit und Betrug. Hier geht es nicht nur um moralische Verfehlungen, an die wir beim Begriff “Sünde” so schnell denken – hier werden Verfehlungen genannt, die andere Menschen betreffen. Vor diesem Gott haben sie keinen Platz, wer an diesen Dingen festhält, ist von ihm getrennt.  Die Gesetze, die die Ordnung des Alls erhalten sind so wichtig wie die Gesetze, die das Verhältnis der Menschen bestimmen. Man könnte auch sagen: “Wie kannst du es wagen, in diesem Aufzug vor dem Herrn der Welt zu erscheinen?”   Habe ich noch ein Gefühl von Ehrfurcht, wenn ich mit Ihm Kontakt aufnehme?

22.Juni  Psalm 23 
Der HERR ist mein Hirt, nichts wird mir fehlen. Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Meine Lebenskraft bringt er zurück. Er führt mich auf Pfaden der Gerechtigkeit, getreu seinem Namen. Auch wenn ich gehe im finsteren Tal, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab, sie trösten mich. Du deckst mir den Tisch vor den Augen meiner Feinde. Du hast mein Haupt mit Öl gesalbt, übervoll ist mein Becher. Ja, Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang  und heimkehren werde ich ins Haus des HERRN für lange Zeiten.

Der bekannteste Psalm einmal in anderen Worten. Gleich am Anfang steht das Thema: Mir wird nichts fehlen! Wie ein Hirte seine Schafe versorgt und für sie gute Weiden und gangbare Wege findet, so führt Gott uns durchs Leben. Ist es Zufall, dass gerade im „Finsteren Tal“ die Anrede von „Er“ auf „Du“ wechselt? In diesem finsteren Tal spüre ich die Angewiesenheit auf den Hirten. Gerade wenn ich meine, dieses Tal ist eine Sackgasse, heißt es: „Du bist bei mir!“ Der Hirte geht vor mir mitten durch dieses Tal. Und ich stelle mir vor, wie nach anstrengender Wanderung durch finstere Täler und schwierige Zeiten sich plötzlich die Landschaft öffnet und ich dort ein Fest vorfinde! Alle haben auf mich gewartet. Gerettet! Davongekommen! Solche Erfahrungen stärken in mir die Überzeugung: Gottes Güte und Barmherzigkeit werden mich nie verlassen! Und am Ende werde ich heimkehren zu ihm.  Da wartet ein Fest auf mich. "Ich gehe heim" - diese Überzeugung zaubert eine Leichtigkeit in alle Schwere des Lebens.  Lebe ich in dieser Perspektive? 

21.Juni Psalm 22, 2 - 7

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen, bleibst fern meiner Rettung, den Worten meines Schreiens? Mein Gott, ich rufe bei Tag, doch du gibst keine Antwort; und bei Nacht, doch ich finde keine Ruhe. Aber du bist heilig, du thronst über dem Lobpreis Israels. Dir haben unsere Väter vertraut, sie haben vertraut und du hast sie gerettet. Zu dir riefen sie und wurden befreit, dir vertrauten sie und wurden nicht zuschanden. Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch, der Leute Spott, vom Volk verachtet.

Diesen Psalm betete Jesus am Kreuz. Die Aussage der Gottverlassenheit schockiert. Ist Jesus gescheitert? Glaubt er jetzt nicht mehr? Nein, so ist es gerade nicht. Der Psalm ist ein „Hindurchbeten“ aus der Verlassenheit zu neuer Zuversicht. Der Beter erinnert sich zunächst an die Väter und ihre Erfahrungen: Sie haben doch die Hilfe Gottes erlebt. In seiner Not schreit er heraus:
 Sie verteilen unter sich meine Kleider und werfen das Los um mein Gewand. Du aber, HERR, halte dich nicht fern! Du, meine Stärke, eile mir zu Hilfe!“ (Vers 19+20). Und dann heißt es plötzlich: „Du hast mir Antwort gegeben!“ (Vers 22). Damit wandelt sich die Klage in Lob. Jetzt heißt es: „Er hat sein Angesicht nicht verborgen vor ihm; er hat gehört, als er zu ihm schrie.“ Was ist da geschehen? Mitten in der Not, im Elend ist plötzlich Gott da. Es ist unerklärlich, aber erfahrbar: Da ist ein Mensch von einem Moment auf den anderen plötzlich gewiss, nicht allein zu sein. Gewiss, dass Gott ihm oder ihr ganz nahe ist. Es ist die Erfahrung von Geborgenheit mitten im Elend.

20.Juni  Psalm 20, 2 - 8
Der HERR antworte dir am Tag der Bedrängnis, der Name des Gottes Jakobs schütze dich. Er sende dir Hilfe vom Heiligtum und vom Zion her stütze er dich. Er gedenke all deiner Gaben und dein Brandopfer möge ihm köstlich sein. Er schenke dir, was dein Herz begehrt, und er erfülle all dein Planen. Wir wollen jubeln über deine Hilfe und im Namen unseres Gottes das Banner erheben. Der HERR erfülle all deine Bitten. Nun hab ich erkannt: Der HERR schafft Rettung seinem Gesalbten. Er antwortet ihm von seinem heiligen Himmel her mit der rettenden Kraft seiner Rechten. Diese setzen auf Wagen, jene auf Rosse, wir aber bekennen den Namen des HERRN, unsres Gottes.

Hier wird für den König gebetet. Könnten wir so für unsere Regierenden beten? Klar, wir haben keinen König, wir leben in einer Demokratie. Doch auch und gerade heute sind Politiker darauf angewiesen, dass sie gesegnet werden! Wir könnten für Weisheit beten, für richtige Entscheidungen, dafür, dass sie der Versuchung widerstehen, zuerst an ihre Karriere zu denken. Wann habe ich zuletzt einen Politiker gesegnet? Wo anderenorts reine Machtpolitik gilt – die Zahl der Wagen und Rosse – beten wir für Einsicht und ethisch verantwortbare Entscheidungen. Wir tun dies im Glauben, dass Gott solche Entscheidungen segnet – bei uns und in der hohen Politik. Für was könnte ich heute beten?

19.Juni  Psalm 19, 2 - 7
Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes und das Firmament kündet das Werk seiner Hände. Ein Tag sagt es dem andern, eine Nacht tut es der andern kund, ohne Rede und ohne Worte, ungehört bleibt ihre Stimme. Doch ihre Botschaft geht in die ganze Welt hinaus, ihre Kunde bis zu den Enden der Erde. Dort hat er der Sonne ein Zelt gebaut. Sie tritt aus ihrem Gemach hervor wie ein Bräutigam; sie frohlockt wie ein Held, ihre Bahn zu laufen. Am einen Ende des Himmels geht sie auf und läuft bis ans andere Ende; nichts kann sich vor ihrer Glut verbergen. Die Weisung des HERRN ist vollkommen, sie erquickt den Menschen. Das Zeugnis des HERRN ist verlässlich, den Unwissenden macht es weise. Die Befehle des HERRN sind gerade, sie erfüllen das Herz mit Freude. Das Gebot des HERRN ist rein, es erleuchtet die Augen.

Die Schöpfung hat eine Botschaft! Sie weist in ihrer Verlässlichkeit und Regelhaftigkeit auf Gott hin. Diese Aussage ist auch heute noch gültig, auch wenn wir wissen, dass die Sonne keine Bahn läuft, sondern die Erde. Das Wunder ist ja, dass wir diese Welt verstehen und berechnen können, jedenfalls in unseren Verständnisgrenzen. Die Gesetze der Physik weisen auf die Existenz einer ordnenden Macht hin. Der Beter sieht die Ordnung der Welt parallel zu der Ordnung, die für die Menschen gilt: Die Gebote Gottes wehren dem Chaos im Zusammenleben wie die Gesetze des Himmels dem Chaos in der Schöpfung wehren. Darum ist es gut und heilsam, sich nach diesen grundlegenden Gesetzen zu richten – etwa nach den 10 Geboten. Gesetzlosigkeit heißt Anarchie und Anarchie zieht immer Gewalt nach sich. Mit welchen göttlichen Gesetzen habe ich Mühe?
Wie stehe ich zu diesen göttlichen Geboten?  Welche sind mir wichtig, welche machen mir Mühe? 

18.Juni Psalm 18, 2 - 7
Ich will dich lieben, HERR, meine Stärke, HERR, du mein Fels und meine Burg und mein Retter; mein Gott, mein Fels, bei dem ich mich berge, mein Schild und Horn meines Heils, meine Zuflucht. Ich rufe: Der HERR sei hoch gelobt! und ich werde vor meinen Feinden gerettet. Mich umfingen die Fesseln des Todes und die Fluten des Verderbens erschreckten mich. Mich umstrickten die Fesseln der Unterwelt, über mich fielen die Schlingen des Todes. In meiner Not rief ich zum HERRN und schrie zu meinem Gott, er hörte aus seinem Tempel meine Stimme, mein Hilfeschrei drang an seine Ohren.

David ist den Mordplänen König Sauls entkommen. Er hat erfahren, dass Gott ihn gerettet hat. Er ist trotz aller Zuversicht erstaunt darüber: „Er hörte meine Stimme!“ Es ist wichtig für uns, Worte zu finden für die Erfahrungen der Rettung, der Befreiung und der Hilfe durch Gott. Wie schnell vergessen wir, in welcher Not wir waren und die Erfahrung wird irgendwie wieder selbstverständlich. Hier bei David löst diese Erfahrung eine Entscheidung aus: „Ich will dich lieben!“ Angesichts einer so guten Erfahrung fällt es leichter, sich Gott zuzuwenden. Ich sollte das nützen, um Dinge klar zu machen und mich in meiner Beziehung zu Gott festzulegen: Du sollst mein Gott sein! Ich werde jetzt mit dir gehen! Du sollst meine Zuflucht sein. Hast du so etwas schon einmal fest gemacht? 

17.Juni Psalm  16, 5 - 11
Der HERR ist mein Erbteil, er reicht mir den Becher, du bist es, der mein Los hält. Die Messschnur fiel mir auf liebliches Land. Ja, mein Erbe gefällt mir. Ich preise den HERRN, der mir Rat gibt, auch in Nächten hat mich mein Innerstes gemahnt. Ich habe mir den HERRN beständig vor Augen gestellt, weil er zu meiner Rechten ist, wanke ich nicht. Darum freut sich mein Herz und jubelt meine Ehre, auch mein Fleisch wird wohnen in Sicherheit. Denn du überlässt mein Leben nicht der Totenwelt; du lässt deinen Frommen die Grube nicht schauen. Du lässt mich den Weg des Lebens erkennen. Freude in Fülle vor deinem Angesicht, Wonnen in deiner Rechten für alle Zeit.

Welches ist der Weg des Lebens und wie finde ich ihn? Der Beter spricht von einer intensiven inneren Beziehung zu seinem Gott: Sogar in der Nacht hört er seinen Rat. Weil er in dieser Gewissheit lebt, dass Gott „zu seiner Rechten“ ist, also ganz nahe und an der richtigen Seite, kann er seinen Kurs beibehalten. Wie kann ich heute in diese Gewissheit kommen, ja, Sicherheit empfinden? Indem ich mir wie der Beter hier mir selbst sage: „Gott garantiert mir ein unverlierbares Gut, ich bin auf jeden Fall bei ihm sicher aufgehoben, komme, was wolle.“ Kenne ich Momente, in denen trotz schwieriger Probleme und Angriffe dieses Gefühl der Geborgenheit plötzlich da ist? Momente, in denen ich einfach weiß, Gott ist da, ist für mich da?


16.Juni  Psalm 15 
HERR, wer darf Gast sein in deinem Zelt, wer darf weilen auf deinem heiligen Berg? Der makellos lebt und das Rechte tut, der von Herzen die Wahrheit sagt, der mit seiner Zunge nicht verleumdet hat, der seinem Nächsten nichts Böses tat und keine Schmach auf seinen Nachbarn gehäuft hat. Der Verworfene ist in seinen Augen verachtet, aber die den HERRN fürchten, hält er in Ehren. Er wird nicht ändern, was er zum eigenen Schaden geschworen hat. Sein Geld hat er nicht auf Wucher verliehen und gegen den Schuldlosen nahm er keine Bestechung an. Wer das tut, der wird niemals wanken.

Alles erfüllt? Oder doch eher nicht? Es ist ja das Problem der Gesetzestreuen, dass sie immer hinter ihrer Idealform zurückblieben. Nie erfüllen sie alles, nie ist es genug! Am Ende sind sie doch auf Gottes Barmherzigkeit angewiesen. Ja, das, was wir hier lesen, ist die Norm – aber wie komme ich damit zurecht? Schon Paulus seufzt: „Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.“ Und Staupitz sagte zu Luther: „Ich habe es Gott gelobt, mehr als tausend Mal, dass ich ein besserer Mensch werden würde, aber niemals führte ich es aus, was ich gelobte. Von nun an will ich kein solches Gelübte mehr tun, denn ich habe jetzt durch Erfahrung gelernt, dass ich nicht fähig bin, es auszuführen. Wenn darum Gott mir um Christi willen nicht günstig und gnädig ist, werde ich nicht fähig sein, mit all meinen Gelübten und guten Taten vor ihm zu bestehen.“ Die Norm an sich ist gut, Werte zu haben ebenfalls – aber ich werde immer darauf angewiesen sein, dass Gott barmherzig ist.  Dann werde ich selbst auch barmherzig - mir und anderen gegenüber. 

15.Juni  Psalm 14
Die Toren sprechen in ihrem Herzen: »Es ist kein Gott.« Sie taugen nichts; ihr Treiben ist ein Gräuel; da ist keiner, der Gutes tut. Der HERR schaut vom Himmel auf die Menschenkinder, dass er sehe, ob jemand klug sei und nach Gott frage. Aber sie sind alle abgewichen und allesamt verdorben; da ist keiner, der Gutes tut, auch nicht einer. Will denn das keiner der Übeltäter begreifen, die mein Volk fressen, dass sie sich nähren, aber den HERRN rufen sie nicht an? Da erschrecken sie sehr; denn Gott ist bei dem Geschlecht der Gerechten. Ihr lasst den Rat des Armen zuschanden werden; aber der HERR ist seine Zuversicht. Ach dass die Hilfe aus Zion über Israel käme! Wenn der HERR das Geschick seines Volkes wendet, freue sich Jakob und sei Israel fröhlich!
Angesichts des Elends, das in Israel herrscht, kommt der Beter zu einem harten Urteil: Alle sind verdorben! Kein einziger, der etwas Gutes tut. Und er sagt: Das kommt von ihrer Gottlosigkeit. Nun könnten wir ja zu ähnlichen Urteilen kommen, wenn wir in unsere globalisierte Welt sehen. Doch wer sich seufzend abwendet und nur noch sagt: „Die Welt ist schlecht“, wird in Resignation enden. Nein, dieses Urteil drückt die Enttäuschung und Erbitterung des Beters aus – es ist kein abschließendes Urteil über die Welt oder über Israel. Er hat konkrete Menschen vor sich, Ausbeuter und Geschäftemacher, von denen er sagt: Da ist keiner, der Gutes tut. Und er ringt sich von seinem negativen Urteil durch zu einer Hoffnungsperspektive: „Wenn der Herr das Geschick Israels wendet!“ Das heißt: Von Gott her kommt die Wende, nicht von den Reichen und Mächtigen. Kann ich diese Bewegung von der Erbitterung über die Umstände hin zur Hoffnung mitgehen?
Später wird Paulus diese Worte im Römerbrief zitieren, um deutlich zu machen, dass kein Mensch einen Verdienst vor Gott hat – aber daran hat der Beter hier noch nicht gedacht.

14.Juni Psalm 13
HERR, wie lange willst du mich so ganz vergessen? Wie lange verbirgst du dein Antlitz vor mir? Wie lange soll ich sorgen in meiner Seele und mich ängsten in meinem Herzen täglich? Wie lange soll sich mein Feind über mich erheben? Schaue doch und erhöre mich, HERR, mein Gott! Erleuchte meine Augen, dass ich nicht im Tode entschlafe, dass nicht mein Feind sich rühme, er sei meiner mächtig geworden, und meine Widersacher sich freuen, dass ich wanke. Ich traue aber darauf, dass du so gnädig bist; mein Herz freut sich, dass du so gerne hilfst. Ich will dem HERRN singen, dass er so wohl an mir tut.
Wie lange? Das ist so oft die Frage, wenn es mir schlecht geht, wenn ich krank bin oder die Probleme überhandnehmen. Ich habe doch gebetet! Man hat mir Worte zugesprochen, Verheißungen und neue Perspektiven. Aber nichts ändert sich. Der Beter tut das Richtige: Er wendet sich an Gott und klagt an! Hast du mich vergessen, Gott? Was ist los? Schau doch her! Erleuchte meine Augen! Das heißt: Hilf mir zu sehen, was von Dir her kommen wird.  So wächst aus dieser Klage und Anklage neues Vertrauen: Ich weiß ja, dass du gerne hilfst. Ja, ich kann sogar Lieder singen, dich loben – auch wenn ich immer noch warte. Es ist diese Bewegung von der Anklage zum Lob, die in mir die Veränderung schafft, die am Ende alles verändert. Da wächst die Überzeugung: Gott wird es tun – wenn die Hilfe vielleicht auch ganz anders aussieht, als ich mir gedacht hatte. Er wird eingreifen und Böses in Gutes wenden.


13.Juni Psalm 12 
Hilf, HERR! Die Heiligen haben abgenommen, und treu sind wenige unter den Menschenkindern. Einer redet mit dem andern Lug und Trug, sie heucheln und reden aus zwiespältigem Herzen. Der HERR wolle ausrotten alle Heuchelei und die Zunge, die hoffärtig redet, die da sagen: »Durch unsere Zunge sind wir mächtig, uns gebührt zu reden! Wer ist unser Herr?« »Weil die Elenden Gewalt leiden und die Armen seufzen, will ich jetzt aufstehen«, spricht der HERR, »ich will Hilfe schaffen dem, der sich danach sehnt.« Die Worte des HERRN sind lauter wie Silber, im Tiegel geschmolzen, geläutert siebenmal. Du, HERR, wollest sie bewahren und uns behüten vor diesem Geschlecht ewiglich! Denn Frevler gehen allenthalben einher, wo Gemeinheit herrscht unter den Menschenkindern.

Nur Wenige sind treu! Da scheint sich durch die Jahrtausende nicht viel geändert zu haben. Die Gerechten sind eine Minderheit. Sollen wir deshalb verzweifeln, aufgeben und tun, was alle Welt tut? Nein, sagt der Beter, Gott wird aufstehen und Hilfe schaffen! Einerseits ist da die Erkenntnis: Wir sind keine Massenbewegung, wir sind immer Einzelne, die vor Gott stehen. Und andererseits: Gott hört das Rufen der Elenden. Unser Leben, unser Engagement und der Einsatz für Liebe und Gerechtigkeit wird immer in dieser Spannung stehen. Aber Jesus sagt vom Reich Gottes: Ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig. Ein kleines Samenkorn wächst zu einem großen Baum. Gemeinheit ist nicht das Ende, sondern am Ende herrscht die Liebe.

12.Juni Psalm 11
Ich traue auf den HERRN. Wie sagt ihr denn zu mir: »Flieh wie ein Vogel auf die Berge! Denn siehe, die Frevler spannen den Bogen und legen ihre Pfeile auf die Sehne, damit heimlich zu schießen auf die Frommen. Ja, sie reißen die Grundfesten um; was kann da der Gerechte ausrichten?« Der HERR ist in seinem heiligen Tempel, des HERRN Thron ist im Himmel. Seine Augen sehen herab, seine Blicke prüfen die Menschenkinder. Der HERR prüft den Gerechten, aber den Frevler hasst er und den, der Gewalttat liebt. Er wird regnen lassen über die Frevler Feuer und Schwefel und Glutwind ihnen zum Lohne geben. Denn der HERR ist gerecht und hat Gerechtigkeit lieb. Die Frommen werden schauen sein Angesicht.
Wie unterschiedlich sind die Gedanken in diesem Gebet! Es beginnt mit einem festen Bekenntnis: Ich traue auf den Herrn! Ganz gleich, was Menschen mit mir anstellen, ob sie mich abschießen, die Fundamente des Zusammenlebens zerstören oder Unrecht Recht heißen. Da ist immer noch Gott, der in die Herzen der Menschen sieht. Aber dann lässt sich der Beter zu ganz Menschlichem hinreißen: Gott hasst euch! Feuer und Schwefel auf euch! Da, wo Leben zerstört wird, wo Menschen andere Menschen für ihr Leben schädigen – und man muss nur etwa an Missbrauch oder an Versklavung von Menschen denken – liegt es nahe, Menschen den gerechten Gott auf den Hals zu wünschen. Ja, lass deinen Hass und deine Bitterkeit im Gebet heraus – aber lass sie dann auch dort. Alles andere ist Sache des gerechten Gottes, du bist nicht Richter über einen anderen. Er wird sich darum kümmern.

11.Juni Psalm 10, 1 - 6 und 12
HERR, warum bleibst du so fern, verbirgst dich in Zeiten der Not? Voller Hochmut verfolgt der Frevler den Elenden. Sie sollen sich fangen in den Ränken, die sie selbst ersonnen. Denn der Frevler hat sich gerühmt nach Herzenslust, der Gierige hat gelästert und den HERRN verachtet. Überheblich sagt der Frevler: Gott ahndet nicht. Es gibt keinen Gott. So ist sein ganzes Denken. Zu jeder Zeit glücken ihm seine Wege. Hoch droben und fern von sich wähnt er deine Gerichte. Alle seine Gegner faucht er an. Er sagt in seinem Herzen: Ich werde niemals wanken. Von Geschlecht zu Geschlecht trifft mich kein Unglück. HERR, steh auf, Gott, erheb deine Hand, vergiss die Elenden nicht! Warum darf der Frevler Gott verachten und in seinem Herzen sagen: Du ahndest nicht? Du, ja du, hast Mühsal und Kummer gesehen! Schau hin und nimm es in deine Hand! Dir überlässt es der Schwache, der Waise bist du ein Helfer geworden. Zerbrich den Arm des Frevlers und des Bösen, ahnde seinen Frevel, sodass man von ihm nichts mehr findet.

So kommt es einem vor, wenn man in die Welt schaut: Gott ahndet nicht, Gott kümmert sich nicht darum, dass Menschen ausgebeutet und getreten werden! Die Mächtigen lachen über die Idee eines gerechten Gottes. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Aber der Beter ist nicht bereit, es dabei zu belassen. Er klopft nicht nur bei Gott an, nein, er schlägt gegen die Türe, er rüttelt ihn aus dem Schlaf: Steh endlich auf, Gott! Denn das ist seine Überzeugung: Es kann nicht sein, dass Gott die Machtverhältnisse so belässt. Es kann nicht sein, dass der Frevler und der Ausbeuter davonkommen mit dem was sie den Armen geraubt haben. Dieses Gebet ist ein Bekenntnis zur Gerechtigkeit. Am Ende, in Vers 17 betet er: Die Sehnsucht der Elenden hast du gehört, HERR, du stärkst ihr Herz, dein Ohr nimmt wahr, Recht zu verschaffen der Waise und dem Bedrückten. Er hat sich „hindurchgebetet“ zu neuer Gewissheit: Gott wird handeln! Er hat mich gehört. Kann ich so beten um Probleme, die ich sehe, bis ich gewiss bin: Er hilft?

10.Juni Psalm 9 , 2 - 11
Ich will danken, HERR, aus ganzem Herzen, erzählen will ich all deine Wunder. Ich will mich an dir freuen und jauchzen, deinem Namen, Höchster, will ich singen. Wenn meine Feinde zurückweichen, werden sie straucheln und zugrunde gehen vor deinem Angesicht. Denn du hast mir Recht verschafft und für mich entschieden, dich auf den Thron gesetzt als gerechter Richter. Du hast Völker bedroht, den Frevler vernichtet, ihre Namen gelöscht für immer und ewig. Der Feind ist dahin, zertrümmert für immer. Du hast Städte entvölkert, ihr Andenken wurde zunichte. Ja, so sind sie, aber der HERR thront auf ewig, zum Gericht hat er seinen Thron aufgestellt. Er selbst wird den Erdkreis richten in Gerechtigkeit, den Nationen das Urteil sprechen, wie es recht ist. So wird der HERR für den Bedrückten zur Burg, zur Burg für Zeiten der Not. Darum vertrauen dir, die deinen Namen kennen, denn du, HERR, hast keinen, der dich sucht, je verlassen.

Gibt es Gerechtigkeit auf dieser Welt? „Du hast mir Recht verschafft“, das ist die Erfahrung, die der Beter gemacht hat. Und er weitet diese Erfahrung gleich auf die ganze Welt aus: Völker werden gerichtet, ganze Nationen vergehen spurlos. So ist es in der Geschichte gewesen – während Israel fortbesteht, sind große Völker wie Babylon oder Assyrien oder die Hethiter verschwunden. Gott ist der Gott der Bedrückten, nicht der Reichen und Mächtigen! Heute können wir sagen: Er ist der Gott der Fliehenden im Mittelmeer, der Gott der Ausgebeuteten in Bangladesh, der Kriegsopfer in der Ukraine und im Sudan. Aber ist er auch unser Gott? Auf welcher Seite dieser Geschichte stehe ich? Wie urteilt Gott über unser Volk? Wir sagen heute, wir sind eine Welt – wirklich? Wie kann ich Menschen, die leiden und hungern und unterdrückt werden „Recht verschaffen“?

9.Juni  Psalm 8
HERR, unser Herr, wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde, der du deine Hoheit gebreitet hast über den Himmel. Aus dem Mund der Kinder und Säuglinge hast du ein Bollwerk errichtet wegen deiner Gegner, um zum Einhalten zu bringen Feinde und Rachgierige. Schaue ich deine Himmel, die Werke deiner Finger, Mond und Sterne, die du befestigt: Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, du hast ihn gekrönt mit Pracht und Herrlichkeit. Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über die Werke deiner Hände, alles hast du gelegt unter seine Füße: Schafe und Rinder, sie alle und auch die wilden Tiere, die Vögel des Himmels und die Fische im Meer, was auf den Pfaden der Meere dahinzieht. HERR, unser Herr, wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde!
Der Beter staunt über die Größe Gottes. Vielleicht steht er gerade unter einem gewaltigen Sternenhimmel und staunt über die Unendlichkeit des Weltalls. Dieser Gott lässt immer wieder neues Leben entstehen, es ist ein unbegreifliches Wunder, wie wir es in der Geburt eines Kindes erleben können. Angesichts dieses gewaltigen Himmels fühle ich mich klein und unbedeutend – ich bin nichts weiter als ein Staubkorn am Rande des Universums. Doch Gott sagt: Du bist das Wesen, das ich geschaffen habe, um diese ganze Welt zu regieren! Du bist mein Ebenbild, mein Stellvertreter in diesem Weltall. Du hast die Aufgabe, über all das zu herrschen, es zu ordnen und zu bewahren. Du bist wenig geringer als ich selbst. Das also ist meine Würde und meine Aufgabe! Wie kann ich heute meiner gottgegebenen Aufgabe gerecht werden? Was hat der Verwalter der guten Schöpfung Gottes heute zu tun?

8.Juni  Psalm 7, 2 – 6 + 12 - 18

HERR, mein Gott, ich flüchte mich zu dir; hilf mir vor allen Verfolgern und rette mich, damit niemand wie ein Löwe mein Leben zerreißt, mich packt und keiner ist da, der rettet! Wenn ich das getan habe, HERR, mein Gott, wenn an meinen Händen Unrecht klebt, wenn ich meinem Freunde Böses tat, wenn ich den ausraubte, der mich jetzt grundlos bedrängt, dann soll mich der Feind verfolgen und ergreifen; er trete zu Boden mein Leben und lege in den Staub meine Ehre.
Gott ist ein gerechter Richter, ein Gott, der an jedem Tag zürnt. Fürwahr, wieder schärft der Frevler sein Schwert, spannt seinen Bogen und zielt. Doch gegen sich selbst hat er tödliche Waffen gerichtet, bereitet sich glühende Pfeile. Siehe, Unrecht empfängt er; er geht schwanger mit Unheil und gebiert Lüge. Ein Loch hat er gegraben und es ausgeschaufelt, da fiel er in die Grube, die er selber gemacht hat. Seine Untat kehrt auf sein Haupt zurück und auf seinen Scheitel steigt seine Gewalttat herab. Ich will dem HERRN danken gemäß seiner Gerechtigkeit; ich will singen und spielen dem Namen des HERRN, des Höchsten.

Da wird einer von seinen Feinden angeklagt und beschuldigt. Geschieht das zu Recht? Wenn es so ist, sagt er, dann soll mich die mir zugedachte Strafe treffen! Aber er ist doch der Überzeugung, dass er zu Unrecht beschuldigt wird. Sein Gott ist gerecht und er wird nicht zulassen, dass der, der ihn anklagt und verleumdet, einfach davonkommt. Es gibt eine Gerechtigkeit, die sich am Ende gegen den wendet, der andere unterdrückt. Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Ja, wir hoffen auf Gerechtigkeit, nicht um am Ende zu triumphieren, sondern weil wir ohne sie nicht gut leben können. Das ist die Zusage dieses Gebetes: Die Gerechtigkeit Gottes wird sich durchsetzen, auch wenn jetzt das Unrecht herrscht. Wo ist mir Unrecht widerfahren? Habe ich die Erfahrung gemacht, dass Gott schließlich eingegriffen hat?


7. Juni  Psalm 6, 2 - 5
Ach, HERR, strafe mich nicht in deinem Zorn und züchtige mich nicht in deinem Grimm! HERR, sei mir gnädig, denn ich bin schwach; heile mich, HERR, denn meine Gebeine sind erschrocken und meine Seele ist sehr erschrocken. Ach du, HERR, wie lange! Wende dich, HERR, und errette meine Seele, hilf mir um deiner Güte willen!

Bist du schon einmal über dich erschrocken? Luther kommentiert diesen Vers mit den Worten: “Niemand bittet gründlich, der noch nicht gründlich erschrocken und verlassen ist.” Das Erschrecken über eine Tat oder einen Gedanken führt mir vor Augen, dass ich Abgründe in mir habe. Die Verlassenheit, von der Luther spricht, ist die Erfahrung, diesem Abgrund ausgeliefert zu sein, ohne Gott, ohne Hilfe. Die Bitte um Vergebung ist dann gründlich, wenn mir klar wird, wie weit ich mich in meinem Tun von Gott entfernt habe. Hier im Psalm verbindet der Beter das Erschrecken mit der Furcht vor Strafe. Was ist diese Strafe letztlich Anderes als das Getrenntsein von Gott? So betet David in einem anderen Psalm: “Nimm deinen Heiligen Geist nicht von mir!” Erschrecke ich noch über Dinge, die “mir passieren”, wie ich über andere Menschen denke oder an ihnen handle?

6.Juni  Psalm 5, 4 - 13
HERR, am Morgen hörst du mein Rufen, am Morgen rüste ich das Opfer zu, nach dir halte ich Ausschau. Denn du bist kein Gott, dem das Unrecht gefällt; ein Böser darf nicht bei dir weilen. Nicht bestehen die Stolzen vor deinen Augen; du hassest alle, die Unrecht tun. Du lässt die Lügner zugrunde gehn, Mörder und Betrüger sind dem HERRN ein Gräuel. Ich aber darf dein Haus betreten dank deiner großen Güte, ich werfe mich nieder in Ehrfurcht vor deinem heiligen Tempel. HERR, leite mich in deiner Gerechtigkeit, meinen Feinden zum Trotz; ebne deinen Weg vor mir! Denn aus ihrem Mund kommt kein wahres Wort, ihr Inneres ist voll Verderben. Ihre Kehle ist ein offenes Grab, aalglatt ist ihre Zunge. Gott, lass sie dafür büßen; sie sollen fallen durch ihre eigenen Ränke. Verstoße sie wegen ihrer vielen Verbrechen; denn sie empörten sich gegen dich. Doch alle sollen sich freuen, die auf dich vertrauen, und sollen immerfort jubeln. Beschütze sie und sie werden jauchzen über dich, die deinen Namen lieben. Denn du, HERR, segnest den Gerechten. Wie mit einem Schild deckst du ihn mit Gnade.

Ja, so hätten wir das gerne! Alle sind sie schlecht, ich aber....Das erinnert an Jesu Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner in Lukas 18: Der Pharisäer betet Psalm 5, der Zöllner betet: “Sei mir Sünder gnädig.” Und Jesus sagt dazu: “Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.” Menschlich verständlich sind die Worte des Psalmbeters – wer wirklich Unrecht erfährt, wer erlebt, dass andere Menschen mit Betrug und Lüge davonkommen oder wie jüngst im Cum-Ex-Skandal Millionen einstreichen und sich keines Unrechts bewusst sind, der findet leicht zu solchen Worten. Und es ist ja gut, seinen Zorn herauszulassen, Worte zu finden, statt an Bitterkeit zu ersticken. Doch am Ende findet er noch zu einer positiven Aussage: Du Herr, segnest die Gerechten. Und das sagt er gegen alle vorherige Erfahrung! Wie gehe ich mit Bösem um, das mir widerfährt?


5.Juni Psalm 4
Wenn ich rufe, gib mir Antwort, Gott meiner Gerechtigkeit! Du hast mir weiten Raum geschaffen in meiner Bedrängnis. Sei mir gnädig und hör auf mein Flehen! Ihr Mächtigen, wie lange noch schmäht ihr meine Ehre, wie lange noch liebt ihr das Nichtige und sucht die Lüge? Erkennt, dass der HERR sich seinen Frommen erwählt hat, der HERR hört, wenn ich zu ihm rufe. Erschreckt und sündigt nicht! Bedenkt es auf eurem Lager und werdet still! Bringt Opfer der Gerechtigkeit dar und vertraut auf den HERRN! Viele sagen: Wer lässt uns Gutes schauen? HERR, lass dein Angesicht über uns leuchten! Du legst mir größere Freude ins Herz, als andere haben bei Korn und Wein in Fülle. In Frieden leg ich mich nieder und schlafe; denn du allein, HERR, lässt mich sorglos wohnen.

Da wird eine oder einer bedrängt. Andere verbreiten Lügen und nutzen ihre Machtstellung aus. Wie oft geschieht das, wo Menschen zusammenleben – in der Familie, in der Arbeit oder gar in der Gemeinde. Da denkt Mancher: Es gibt hier keine Gerechtigkeit für mich. Doch der Beter wendet sich an Gott. Er hat schon erfahren, dass Gott ihm weiten Raum geschaffen hat, Lebensraum, Raum zum Atmen. Die Mächtigen sollen ihr Tun bedenken. Er weiß für sich: Gott hört mich! Gott ist für mich da und segnet mich. Und in der Vergewisserung dieses Segens breitet sich in ihm Freude aus: Ich bin in Dir, Gott, geborgen. Nichts kann mich aus deiner schützenden Hand reißen. Diese Freude ist tiefer als die Freude über materiellen Wohlstand. Es ist die Freude über den Shalom Gottes, über ein Leben, das so ist, wie es sein soll. Ein sinnerfülltes Leben in Gerechtigkeit.  Verstehst du, was der Beter des Psalms empfindet? 

4. Juni Psalm 3, 2 - 6

 HERR, wie viele sind meine Bedränger; viele stehen gegen mich auf. Viele gibt es, die von mir sagen: Er findet keine Hilfe bei Gott. Du aber, HERR, bist ein Schild für mich, du bist meine Ehre und erhebst mein Haupt. Ich habe laut zum HERRN gerufen; da gab er mir Antwort von seinem heiligen Berg. Ich legte mich nieder und schlief, ich erwachte, denn der HERR stützt mich.

Laut rufen hilft! Das hat David erfahren. Am Abend hat er Gott angefleht, ihm zu helfen. Irgendwann in der Nacht ist er eingeschlafen – und am Morgen war eine neue Hoffnung da: Der Herr stützt mich! Es ist eine wichtige Erfahrung: Schlafen bedeutet sich überlassen, nichts mehr tun. „Vielleicht ist morgen alles zu Ende, vielleicht wache ich nicht mehr auf!“ Damit schläft man nicht gut ein. Es ist eine wichtige Übung, sich zuletzt Gott zu überlassen, ihm alles zu überlassen. Dann kann man die Erfahrung machen, dass am nächsten Morgen die Dinge in einem neuen Licht erscheinen und Probleme sich lösen. „Glauben heißt loslassen!“ sagt Richard Rohr. Was  sollte ich heute Gott überlassen?

3.Juni  Psalm 2
Warum toben die Völker, warum ersinnen die Nationen nichtige Pläne? Die Könige der Erde stehen auf, die Großen tun sich zusammen gegen den HERRN und seinen Gesalbten: Lasst uns ihre Fesseln zerreißen und von uns werfen ihre Stricke! Er, der im Himmel thront, lacht, der HERR verspottet sie. Dann spricht er in seinem Zorn zu ihnen, in seinem Grimm wird er sie erschrecken: Ich selber habe meinen König eingesetzt auf Zion, meinem heiligen Berg. Den Beschluss des HERRN will ich kundtun. Er sprach zu mir: Mein Sohn bist du. Ich selber habe dich heute gezeugt. Fordere von mir und ich gebe dir die Völker zum Erbe und zum Eigentum die Enden der Erde. Du wirst sie zerschlagen mit eisernem Stab, wie Krüge aus Ton wirst du sie zertrümmern. Nun denn, ihr Könige, kommt zur Einsicht, lasst euch warnen, ihr Richter der Erde! Mit Furcht dient dem HERRN, jubelt ihm zu mit Beben, küsst den Sohn, damit er nicht zürnt und euer Weg sich nicht verliert, denn wenig nur und sein Zorn ist entbrannt. Selig alle, die bei ihm sich bergen!

Das ist eine für uns ungewohnt heftige Sprache! Wir sprechen nicht gerne so, reden nicht vom Zorn Gottes. Wir haben es lieber friedlich. Nur – was ist mit den Menschen, die unter die Räder gekommen sind? Wie sehen das die Geschöpfe Gottes, die gnadenlos ausgebeutet werden? Jesus beruft sich auf diesen Gott als seinen Vater. Doch Jesus geht nicht mit Gewalt vor – er lässt sich kreuzigen. Wird am Ende die Liebe siegen? Werden die Mächtigen dieser Welt Einsicht zeigen? Das Evangelium hat die Welt verändert – Unterdrückung, Ausbeutung und Eroberungskriege sind heute keine Heldentaten mehr, sondern Verbrechen. Das ist gut so und trotzdem gibt es noch so viel Unrecht und Leid, das Menschen Menschen zufügen. Wir stehen in diesem Kampf, der nicht entschieden ist. Am Ende aber steht Gottes Gerechtigkeit für alle Menschen. Wo aber stehe ich in diesem Kampf um weltweite Gerechtigkeit?

2.Juni  Psalm 1
Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen noch tritt auf den Weg der Sünder noch sitzt, wo die Spötter sitzen, sondern hat Lust am Gesetz des HERRN und sinnt über seinem Gesetz Tag und Nacht! Der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht. Und was er macht, das gerät wohl. Aber so sind die Gottlosen nicht, sondern wie Spreu, die der Wind verstreut. Darum bestehen die Gottlosen nicht im Gericht noch die Sünder in der Gemeinde der Gerechten. Denn der HERR kennt den Weg der Gerechten, aber der Gottlosen Weg vergeht.

Wandeln, stehen, sitzen – da gerät einer immer tiefer hinein in die Verstrickung. Das Sitzen bei den Spöttern ist der Endpunkt einer Entwicklung, die mit dem Zuhören bei den Gottlosen begonnen hat. Den verlockenden Ratschlägen folgt irgendwann die Tat. Was hilft dagegen? Die Lust! Man könnte auch sagen: Die Begeisterung für das, was Gott sagt und rät. Leben im Sinne Gottes darf keine lästige Pflichtübung sein, sondern eine Sache vollen Engagements aus der Überzeugung heraus, dass ich etwas sehr Sinnvolles tue. Dann werde ich denen gegenüber, die darüber spotten, nicht nur standhalten, sondern eine Antwort geben können: Ich tue etwas Sinnvolles und Schönes – was tut ihr?

1.Juni  1.Mose 22, 15 - 19
Und der Engel des HERRN rief Abraham abermals vom Himmel her und sprach: Ich habe bei mir selbst geschworen, spricht der HERR: Weil du solches getan hast und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont, will ich dich segnen und deine Nachkommen mehren wie die Sterne am Himmel und wie den Sand am Ufer des Meeres, und deine Nachkommen sollen die Tore ihrer Feinde besitzen; und durch deine Nachkommen sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden, weil du meiner Stimme gehorcht hast. So kehrte Abraham zurück zu seinen Knechten. Und sie machten sich auf und zogen miteinander nach Beerscheba und Abraham blieb daselbst.

Hat sich Abraham durch diese Tat einen besonderen Lohn verdient? Ist der Segen Gottes davon abhängig, ob wir richtig oder viel glauben? Der erste Segen Abrahams war ja noch bedingungslos. Man kann das auch anders sehen: Gott sucht einen Mann, der ihm gehorcht und in seinem Sinne handelt. Der Segen ist ja nicht nur sein Segen, er betrifft seine Nachkommen, ja, das ganze Volk Israel. Hier beginnt eine Geschichte Gottes, die sich durch 4000 Jahre bis heute fortsetzt. Abrahams Beziehung zu Gott, sein Hören und Handeln sind eine wichtige Voraussetzung dafür. Würde ich manchmal anders handeln, wenn ich wüsste, dass mein Handeln Segensfolgen für Menschen hat, die nach mir kommen?

31.Mai  1.Mose 22 7 - 14
Da sprach Isaak zu seinem Vater Abraham. Er sagte: Mein Vater! Er antwortete: Hier bin ich, mein Sohn! Dann sagte Isaak: Hier ist Feuer und Holz. Wo aber ist das Lamm für das Brandopfer? Abraham sagte: Gott wird sich das Lamm für das Brandopfer ausersehen, mein Sohn. Und beide gingen miteinander weiter. Als sie an den Ort kamen, den ihm Gott genannt hatte, baute Abraham dort den Altar, schichtete das Holz auf, band seinen Sohn Isaak und legte ihn auf den Altar, oben auf das Holz. Abraham streckte seine Hand aus und nahm das Messer, um seinen Sohn zu schlachten. Da rief ihm der Engel des HERRN vom Himmel her zu und sagte: Abraham, Abraham! Er antwortete: Hier bin ich. Er sprach: Streck deine Hand nicht gegen den Knaben aus und tu ihm nichts zuleide! Denn jetzt weiß ich, dass du Gott fürchtest; du hast mir deinen Sohn, deinen einzigen, nicht vorenthalten. Abraham erhob seine Augen, sah hin und siehe, ein Widder hatte sich hinter ihm mit seinen Hörnern im Gestrüpp verfangen. Abraham ging hin, nahm den Widder und brachte ihn statt seines Sohnes als Brandopfer dar.

Es bleibt für uns trotz aller Erklärungen letztlich unverständlich, warum diese Szene so abläuft. Es geht hier eben nicht darum, wie Isaak sich gefühlt hat und wie er das Ganze verarbeitet hat. Es geht ganz um den Glauben Abrahams. Sein absolutes Vertrauen in seinen Gott soll herausgestellt werden. In einer Umgebungskultur, in der solche Dinge üblich waren, ist dieses „Glaubensbeispiel“ möglich – in unserem Kontext nicht. Was bleibt, ist die Aussage, dass Abraham Gott nichts vorenthält und sich ihm grenzenlos anvertraut. Das wird zur Frage an uns: Wo lebe ich solch grenzenloses Vertrauen? In welchen Lebenssituationen habe ich erlebt, dass ich „ohne Netz und doppelten Boden“ vertrauen konnte – und dann erlebt habe, dass Gott eingegriffen hat?

30.Mai 1.Mose 22, 1 - 6

Nach diesen Ereignissen stellte Gott Abraham auf die Probe. Er sprach zu ihm: Abraham! Er sagte: Hier bin ich. Er sprach: Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du liebst, Isaak, geh in das Land Morija und bring ihn dort auf einem der Berge, den ich dir nenne, als Brandopfer dar! Frühmorgens stand Abraham auf, sattelte seinen Esel, nahm zwei seiner Jungknechte mit sich und seinen Sohn Isaak, spaltete Holz zum Brandopfer und machte sich auf den Weg zu dem Ort, den ihm Gott genannt hatte. Als Abraham am dritten Tag seine Augen erhob, sah er den Ort von Weitem. Da sagte Abraham zu seinen Jungknechten: Bleibt mit dem Esel hier! Ich aber und der Knabe, wir wollen dorthin gehen und uns niederwerfen; dann wollen wir zu euch zurückkehren.

Gott stellt Abraham auf die Probe. Ist es wirklich so, dass es Gott darauf ankommt, dass Abraham auch die unsinnigsten Befehle ausführt? Das wäre eine gefährliche Botschaft für Terroristen und andere Fanatiker. In den Völkern rings um Israel waren Erstgeburtsopfer in schwierigen Situationen durchaus üblich (2.Könige 3,27). Darum kann man in dieser Geschichte auch den Beginn einer ganz neuen Gottesbeziehung sehen: Die kulturell „normale“ Opferung wird nicht stattfinden, nie mehr wird im späteren Israel ein Mensch geopfert. Abraham gehorcht zwar, aber er hofft zugleich, dass irgendetwas passieren wird, das das Schicksal Isaaks abwendet. „Dann wollen wir zu euch zurückkehren“, sagt er zu seinen Knechten. Er hofft auf Gott gegen Gott! So geht es gerade nicht um „Kadavergehorsam“, sondern um eine lebendige Beziehung, in der mit Zweifeln, Fragen und Hoffnungen gerungen wird. Das sieht man auch bei Jesus: Er geht nicht selbstverständlich in den Tod – oder gar heiter wie Sokrates – sondern er ringt mit seinem Vater darum. Hast du schon einmal mit Gott gerungen?


29. Mai 1.Mose 21, 15 - 21

Als das Wasser im Schlauch zu Ende war, warf Hagar das Kind unter einen Strauch, ging weg und setzte sich in der Nähe hin, etwa einen Bogenschuss weit entfernt; denn sie sagte: Ich kann nicht mit ansehen, wie das Kind stirbt. Sie saß in der Nähe und erhob ihre Stimme und weinte. Gott hörte den Knaben schreien; da rief der Engel Gottes vom Himmel her Hagar zu und sprach: Was hast du, Hagar? Fürchte dich nicht, denn Gott hat die Stimme des Knaben gehört, dort, wo er liegt. Steh auf, nimm den Knaben hoch und halt ihn fest an deiner Hand; denn zu einem großen Volk will ich ihn machen. Gott öffnete ihr die Augen und sie erblickte einen Brunnen. Sie ging hin, füllte den Schlauch mit Wasser und gab dem Knaben zu trinken. Gott war mit dem Knaben. Er wuchs heran, ließ sich in der Wüste nieder und wurde ein Bogenschütze. Er ließ sich in der Wüste Paran nieder und seine Mutter nahm ihm eine Frau aus Ägypten.

Hagar ist am Ende. Sie hat alles versucht, um aus dieser Wüste herauszukommen. Nun bricht sie zusammen. Doch wie merkwürdig: Gott erhört sie nicht, Gott hört den Knaben schreien. Dieses Kind darf nicht sterben, denn es soll zu einem großen Volk werden. Hat Gott Hagar nicht gehört? Doch, denn Gott hört die Stimme der Klagenden. Hagar ist in ihrer Klage blind, sie sieht den Brunnen nicht, der ihr Leben rettet. „Nah ist und schwer zu fassen der Gott. Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“ – hat einst Hölderlin gedichtet. Gott mutet uns Situationen zu, in denen das Rettende nah ist und wir es dennoch nicht erkennen. Warum greift er nicht früher ein? Ist das Erleben des „Ans-Ende-Kommens“ für uns notwendig? Es kann sein, dass erst diese Situation unsere eigenen Wege beendet. Erst dann erkennen wir uns als hilfsbedürftig, als „gottesbedürftig“. Kenne ich solche Situationen, in denen meine eigenen Möglichkeiten an ihr Ende kamen?



28.Mai Pfingsten  Apostelgeschichte 2, 1 - 7

 Schließlich kam das Pfingstfest. Auch an diesem Tag waren sie alle wieder am selben Ort versammelt. Plötzlich setzte vom Himmel her ein Rauschen ein wie von einem gewaltigen Sturm; das ganze Haus, in dem sie sich befanden, war von diesem Brausen erfüllt.  Gleichzeitig sahen sie so etwas wie Flammenzungen, die sich verteilten und sich auf jeden Einzelnen von ihnen niederließen.  Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt, und sie begannen, in fremden Sprachen zu reden; jeder sprach so, wie der Geist es ihm eingab.  Wegen des Pfingstfestes hielten sich damals fromme Juden aus aller Welt in Jerusalem auf. Als nun jenes mächtige Brausen vom Himmel einsetzte, strömten sie in Scharen zusammen. Sie waren zutiefst verwirrt, denn jeder hörte die Apostel und die, die bei ihnen waren, in seiner eigenen Sprache reden. Fassungslos riefen sie: »Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden?"
Es sind mehrere Merkmale, die bei diesem bekannten Bericht auffallen. Einmal geschieht das alles total überraschend. Niemand hat mit dem Geist an diesem Tag gerechnet. Aber die Nachfolger Jesu waren in Erwartung zusammen. Gott benutzt für sein Wirken immer wieder unsere manchmal trockenen "Übungen" im Alltag. Zweitens sahen sie etwas, konnten aber nichts Genaues erkennen. Gerade diese Ungenauigkeit spricht für die Genauigkeit des Berichtes. Ihnen ging es nicht um die Beschreibung himmlischer Sphären, sondern um ihre persönliche Gewissheit: Ich bin von Gottes Geist berührt und gefüllt worden. Und drittens: Verwirrung und Fassungslosigkeit der Außenstehenden. Da läuft nichts in ruhiger Ordnung ab. Die Apostel sind in Ekstase und beten durcheinander in allen möglichen Sprachen. Der Geist hält sich an keine Gottesdienstordnung! Klar, das war der Anfang - aber ein wenig mehr Geist und Begeisterung täte unseren Gottesdiensten schon gut, oder? Unsere Aufgabe ist aber nur, Raum zu schaffen, nicht Chaos zu erzeugen. 

27. Mai 1.Mose 21, 9 - 14

 Eines Tages beobachtete Sara, wie der Sohn, den die Ägypterin Hagar Abraham geboren hatte, spielte und lachte. Da sagte sie zu Abraham: Vertreibe diese Magd und ihren Sohn! Denn der Sohn dieser Magd soll nicht zusammen mit meinem Sohn Isaak Erbe sein. Die Sache war sehr böse in Abrahams Augen, denn es ging um seinen Sohn. Gott sprach aber zu Abraham: Die Sache wegen des Knaben und wegen deiner Magd sei nicht böse in deinen Augen. Hör auf alles, was dir Sara sagt! Denn nach Isaak sollen deine Nachkommen benannt werden. Aber auch den Sohn der Magd will ich zu einem großen Volk machen, weil auch er dein Nachkomme ist. Früh am Morgen stand Abraham auf, nahm Brot und einen Schlauch mit Wasser und gab es Hagar, legte es ihr auf die Schulter, übergab ihr das Kind und entließ sie. Sie zog fort und irrte in der Wüste von Beerscheba umher.

War es wirklich nur harmloses Spiel, das Sara so auf die Palme brachte? Oder sah sie plötzlich, dass der Sohn Hagars, Ismael, zum gefährlichen Konkurrenten ihres Sohnes wurde? Abraham sieht diesen kommenden Konflikt nicht, vermutlich hat er einfach gesagt: Die sollen sich vertragen! Doch Gott weist Abraham auf die Brisanz der Sache hin: Es ist nicht gleich, wer der Erbe ist. Aus Isaak soll das Volk Israel entstehen. Merkwürdig ist: Gott selbst befiehlt hier, dem Vorschlag Saras zu folgen, der Hagar und ihren Sohn in große Not bringt. Hier klingt ein Problem an, das unlösbar ist: Wenn Gott solche Dinge anordnet, ist er dann nicht für die Folgen verantwortlich? Oder war Abraham in der Ausführung dieser Vertreibung gedankenlos? Gott musste später einen Engel schicken, um das Schlimmste zu verhüten! Wenn Sie schon einmal einen Mitarbeiter entlassen mussten, kennen Sie das Dilemma: Sie bringen ihren Nächsten in große Schwierigkeiten. Weil das unangenehm ist, haben wir die Tendenz, solche Dinge schnell und rigoros zu "erledigen" - gleich am Morgen einen Wasserschlauch auf die Schulter und - tschüss! Die Liebe zu und Achtung vor dem Anderen kann uns dazu bringen, Notwendiges achtsam und respektvoll auszuführen. Und dann darum zu beten, dass der daraus sich ergebende Weg zu etwas Gutem und Heilsamen führt.


26.Mai 1.Mose 21, 1 - 8  
Der HERR nahm sich Saras an, wie er gesagt hatte, und er tat Sara so, wie er versprochen hatte. Sara wurde schwanger und gebar dem Abraham noch in seinem Alter einen Sohn zu der Zeit, die Gott angegeben hatte. Abraham gab seinem Sohn, den ihm Sara gebar, den Namen Isaak. Als sein Sohn Isaak acht Tage alt war, beschnitt ihn Abraham, wie Gott ihm geboten hatte. Abraham war hundert Jahre alt, als ihm Isaak, sein Sohn, geboren wurde. Sara aber sagte: Gott ließ mich lachen; jeder, der davon hört, wird mir zulachen. Wer, sagte sie, hätte Abraham zu sagen gewagt, Sara werde noch Kinder stillen? Und nun habe ich ihm noch in seinem Alter einen Sohn geboren. Das Kind wuchs heran und wurde entwöhnt. Als Isaak entwöhnt wurde, veranstaltete Abraham ein großes Festmahl.

Sara, die über die Verheißung gelacht hatte, hat nun wirklich etwas zu lachen – ein Lachen der Freude und Erleichterung. (Isaak bedeutet: Er wird lachen oder er bringt mich zum Lachen.) In dem Satz „Wer hätte Abraham zu sagen gewagt…“ klingt an, wie schwierig es über die Jahre geworden war, an der Verheißung festzuhalten. „Sprich mit Abraham ja nicht mehr über diese Verheißung, er wird fuchsteufelswild, wenn er das nochmal hören muss!“, so werden die Leute in seiner Sippe geredet haben. Plötzlich ist das Leben leicht und heiter. Es ist gut, sich dann auch an die Jahre des Zweifelns, des Ringens um die Verheißung zu erinnern. Ja, mir ist gesagt worden, dass mir alle Dinge zum Guten mitwirken werden – aber wie schwer war es angesichts all der Probleme und Abbrüche des Lebens! Die Rückschau macht demütig und dankbar zugleich. Das Glück der Erfüllung UND das Durchhalten sind Geschenke, nicht eigene Leistung. Wann habe ich solche Erfahrungen gemacht? Erfahrungen der Verheißung und langen Wartens und Erfahrungen der Erfüllung?

25.Mai 1.Mose 20, 1 - 7

Abraham brach von dort auf in das Land des Negeb. Er ließ sich zwischen Kadesch und Schur nieder und hielt sich in Gerar als Fremder auf. Abraham sagte von Sara, seiner Frau: Sie ist meine Schwester. Da schickte Abimelech, der König von Gerar, hin und ließ Sara holen. Gott kam nachts zu Abimelech im Traum und sprach zu ihm: Siehe, du wirst sterben wegen der Frau, die du dir genommen hast; sie ist verheiratet. Abimelech aber hatte sich ihr noch nicht genaht. Mein Herr, sagte er, willst du denn schuldlose Menschen töten? Hat er mir nicht selbst gesagt: Sie ist meine Schwester? Auch sie selbst hat gesagt: Er ist mein Bruder. Mit arglosem Herzen und mit reinen Händen habe ich das getan. Da sprach Gott zu ihm im Traum: Auch ich weiß, dass du es mit arglosem Herzen getan hast. Ich habe dich ja auch daran gehindert, gegen mich zu sündigen. Darum habe ich nicht zugelassen, dass du sie anrührst. Jetzt aber, gib die Frau dieses Mannes zurück!

Diese Geschichte kam schon einmal vor! Das war doch schon beim Besuch des Pharaos in Ägypten so! Die Theologen erklären uns, dass diese Erzählung eine „Dublette“ ist, eine etwas veränderte Version der gleichen Geschichte. Das mag so sein – und trotzdem haben sich die Schreiber der fünf Bücher Mose etwas dabei gedacht. Kann es sein, dass man eine Dummheit mehrfach begeht? Oder wieder in eine Sünde fällt, obwohl man glaubhaft beteuert hat, das würde einem nie mehr passieren? Natürlich! Das hängt meist damit zusammen, dass wir zwar die einzelne Tat bereuen, aber den dahinterstehenden Mechanismus nicht erkannt haben. Bei Abraham ist es die Angst um sein eigenes Leben, die Angst, umgebracht zu werden, weil ein Mächtigerer seine Frau haben will. Diese teilweise reale Bedrohung wächst sich bei ihm zur paranoiden Haltung aus. Viele Menschen werden, wenn sie etwas Wertvolles besitzen, von paranoiden Ängsten geplagt, dass jemand ihnen ihren Schatz rauben könnte. Herrscht diese Angst, so geht das Vertrauen verloren. Würde Abraham auf die Verheißung vertrauen, müsste er keine Angst um Sarah haben. 

24.Mai 1.Mose 19, 30 - 38

 Lot zog von Zoar hinauf und ließ sich mit seinen beiden Töchtern im Gebirge nieder. Er fürchtete sich nämlich, in Zoar zu bleiben. Er wohnte in einer Höhle, er und seine beiden Töchter. Eines Tages sagte die Ältere zur Jüngeren: Unser Vater wird alt und einen Mann, der mit uns verkehrt, wie es in aller Welt üblich ist, gibt es nicht. Komm, geben wir unserem Vater Wein zu trinken und legen wir uns zu ihm, damit wir durch unseren Vater Nachkommen erhalten. Sie gaben also ihrem Vater in jener Nacht Wein zu trinken; dann kam die Ältere und legte sich zu ihrem Vater. Er merkte nicht, wie sie sich hinlegte und wie sie aufstand. Am anderen Tag sagte die Ältere zur Jüngeren: Siehe, ich habe gestern bei meinem Vater gelegen. Geben wir ihm auch heute Nacht Wein zu trinken, dann komm und leg du dich zu ihm! So werden wir durch unseren Vater Nachkommen erhalten. Sie gaben ihrem Vater also auch in jener Nacht Wein zu trinken; dann machte sich die Jüngere auf und legte sich zu ihm. Er merkte nicht, wie sie sich hinlegte und wie sie aufstand. Beide Töchter Lots wurden von ihrem Vater schwanger. Die Ältere gebar einen Sohn und gab ihm den Namen Moab. Er gilt als Stammvater der Moabiter bis heute. Auch die Jüngere gebar einen Sohn und gab ihm den Namen Ben-Ammi. Er gilt als Stammvater der Ammoniter bis heute.

Hier gibt es gleich Mehreres zu bedenken. Einmal ist Lot wieder da, wo er ja nicht sein wollte: Auf dem Gebirge. Und das in ärmlichen Verhältnissen, in einer Höhle! Er muss die Konsequenzen seiner falschen Wahl tragen. Und dazu gehört ja auch, dass der Familie die Schwiegersöhne abhanden gekommen sind. Nur dadurch kommen seine Töchter auf die Idee, sich Nachwuchs bei ihrem Vater zu beschaffen. Auf falschen Wegen treffen uns Dinge, vor denen wir bewahrt worden wären. Gott wendet nicht einfach alles ab, wir müssen die Folgen von Fehlentscheidungen und Schuld tragen. Er hilft uns dabei, aber er wendet sie nicht einfach ab.
Doch hier ist auch noch zu bedenken: Die behauptete Herkunft von Moab und Amon ist Polemik. Sie entstand im langen Kampf der Völker gegeneinander. Für die Bewertung von Geschichten ist die Kenntnis der Hintergründe unerlässlich, sonst wird solche Polemik unhinterfragt übernommen. Und das dient dem Frieden zwischen den Völkern nicht und führt zur Abwertung und Diskriminierung  von Menschen. 

23. Mai 1.Mose 19, 23 - 29
Als die Sonne über dem Land aufgegangen und Lot in Zoar angekommen war, ließ der HERR auf Sodom und Gomorra Schwefel und Feuer regnen, vom HERRN, vom Himmel herab.
Er ließ ihre Städte einstürzen mitsamt ihrem ganzen Umkreis, auch alle Einwohner der Städte und alles, was auf den Feldern wuchs. Als sich aber seine Frau hinter ihm umblickte, wurde sie zu einer Salzsäule.
Am frühen Morgen begab sich Abraham an den Ort, an dem er dem HERRN gegenübergestanden hatte. Er schaute gegen Sodom und Gomorra und auf das ganze Gebiet im Umkreis. Er schaute hin und siehe: Qualm stieg von der Erde auf wie der Qualm aus einem Schmelzofen. Als Gott die Städte der Gegend vernichtete, gedachte Gott Abrahams und geleitete Lot mitten aus der Zerstörung heraus, während er die Städte, in denen Lot gewohnt hatte, einstürzen ließ.

Hier wird die Rettung Lots auf Abraham zurückgeführt. Lots Frau wird nicht gerettet, denn sie hat sich verbotenerweise umgesehen, also gezögert. Auch das ist eine Erzählung, die eine Besonderheit erklären will: Die Salzsäulen sind bizarre Gebilde am Toten Meer, in denen man Gestalten vermuten kann. Die Katastrophe selbst wird hier als Gerichtshandeln Gottes verstanden. Manche Christen sehen auch heutige Katastrophen wie zB. die Pandemie als ein solches Gericht. Aber das ist schon deshalb problematisch, weil es ja alle trifft, Gerechte und Ungerechte. Es gibt eine Parallele in Lukas 9, 54 – 55. Da möchten die Jünger, die in einem Dorf abgewiesen wurden, Feuer und Schwefel auf das Dorf herabregnen lassen. Doch Jesus weist sie zurecht: “Wisst ihr nicht, wes Geistes Kinder ihr seid?” Deshalb sollten wir mit solchen Geschichtsdeutungen sehr vorsichtig sein. Wir glauben an einen Gott der Liebe, der mit allen Menschen Mitleid hat und sie durch Jesus erlösen will. “Gott will, dass allen Menschen geholfen wird und sie zur Erkenntnis er Wahrheit kommen.” (1.Tim. 2,4).  Gibt es ein "zu spät"? 

22.Mai  1.Mose 19, 12 - 22
Die Männer sagten zu Lot: Wer gehört hier noch zu dir? Ein Schwiegersohn, Söhne, Töchter oder sonst jemand in der Stadt? Bring sie weg von diesem Ort! Wir wollen diesen Ort vernichten; denn groß ist das Klagegeschrei, das über sie zum HERRN gedrungen ist. Der HERR hat uns geschickt, die Stadt zu vernichten. Da ging Lot hinaus, redete auf seine Schwiegersöhne ein, die seine Töchter heiraten wollten, und sagte: Macht euch auf und verlasst diesen Ort; denn der HERR will die Stadt vernichten. Aber seine Schwiegersöhne meinten, er mache nur Spaß.
Als die Morgenröte aufstieg, drängten die Engel Lot zur Eile und sagten: Auf, nimm deine Frau und deine beiden Töchter, die hier sind, damit du nicht wegen der Schuld der Stadt hinweggerafft wirst! Da er noch zögerte, fassten die Männer seine Hand, die Hand seiner Frau und die Hand seiner beiden Töchter, weil der HERR mit ihm Mitleid hatte. Sie führten ihn hinaus und ließen ihn erst draußen vor der Stadt los. Während die Männer sie hinaus ins Freie führten, sagte der eine: Rette dich, es geht um dein Leben! Sieh dich nicht um und bleib im ganzen Umkreis nicht stehen! Rette dich ins Gebirge, sonst wirst du weggerafft! Lot aber sagte zu ihnen: Nicht doch, mein Herr! Siehe, dein Knecht hat Gnade in deinen Augen gefunden. Du hast mir große Gunst erwiesen und mir mein Leben bewahrt. Ich kann mich nicht ins Gebirge retten, ohne dass mich das Unheil vorher ereilt und ich sterben muss. Siehe doch, die Stadt in der Nähe, dorthin könnte man fliehen. Sie ist doch klein; dorthin kann ich mich retten. Ist sie nicht klein? So könnte ich am Leben bleiben.
Er antwortete ihm: Siehe, auch das will ich dir gewähren und die Stadt, von der du sprichst, nicht zum Einsturz bringen. Schnell, rette dich dorthin; denn ich kann nichts unternehmen, bevor du dort angekommen bist. Deshalb gab er der Stadt den Namen Zoar, die Kleine.
Diese Geschichte könnte die Erinnerung an eine Naturkatastrophe enthalten, die einst am Toten Meer ganze Städte vernichtet hat.  Lot glaubt den Boten, doch seine Schwiegersöhne kann er nicht überzeugen. Ist das nicht typisch? Angesichts drohender Katastrophen sind wir geneigt, sie einfach zu ignorieren. Vor allem, wenn es uns gut geht und wir wünschen, das alles so weitergehen möge. Weiter heißt es da:  Der Herr hatte Mitleid mit Lot.  Er  liebt ihn trotz seiner falschen Wahl. Wie oft sagen wir in unseren Beziehungen: "Das hast du nun davon" oder gar: "Das geschieht dir recht!"  Gott ist nicht so!  Der Schuss ist einerseits eine “Atiologie”, eine erklärende Erzählung, die sagen will, warum der Zufluchtsort Zoar, die Kleine heißt. Andererseits aber zeigt sie einen Gott, dessen Erbarmen so weit geht, dass er sich auf menschliche Vorschläge einlässt. Das bedeutet für mich: Ich kann mit Gott reden wie mit einem guten Freund!

21.Mai 1.Mose 19, 1 - 11
Die beiden Engel kamen am Abend nach Sodom. Lot saß im Stadttor von Sodom. Als er sie sah, erhob er sich, trat auf sie zu, warf sich mit dem Gesicht zur Erde nieder und sagte: Bitte, meine Herren, kehrt doch im Haus eures Knechtes ein, bleibt über Nacht und wascht euch die Füße! Am Morgen könnt ihr euren Weg fortsetzen. Nein, sagten sie, wir wollen auf dem Platz übernachten.
Er bedrängte sie so sehr, dass sie bei ihm einkehrten und in sein Haus kamen. Er bereitete ihnen ein Mahl, ließ ungesäuerte Brote backen und sie aßen. Sie waren noch nicht schlafen gegangen, da umstellten die Männer der Stadt das Haus, die Männer von Sodom, Jung und Alt, alles Volk von weit und breit.
Sie riefen nach Lot und fragten ihn: Wo sind die Männer, die heute Nacht zu dir gekommen sind? Bring sie zu uns heraus, wir wollen mit ihnen verkehren. Da ging Lot zu ihnen hinaus vor die Tür, schloss sie hinter sich zu und sagte: Meine Brüder, tut doch nicht das Böse!
Seht doch, ich habe zwei Töchter, die noch nicht mit einem Mann verkehrt haben. Ich will sie zu euch herausbringen. Dann tut mit ihnen, was euch gefällt. Nur diesen Männern tut nichts; denn deshalb sind sie ja unter den Schutz meines Daches getreten. Sie aber sagten: Geh weg! Und sie sagten: Kommt da so einer daher, ein Fremder, und will sich als Richter aufspielen! Nun wollen wir dir Böseres antun, noch mehr als ihnen. Sie setzten dem Mann, nämlich Lot, arg zu und waren schon dabei, die Tür aufzubrechen.
Da streckten jene Männer die Hand aus, zogen Lot zu sich ins Haus und sperrten die Tür zu.
Dann schlugen sie die Männer draußen vor dem Haus, Groß und Klein, mit Blindheit, sodass sie sich vergebens bemühten, den Eingang zu finden.

Was für eine finstere Geschichte – Sodom und Gomorra eben! Dabei geht es nicht um das Thema Homosexualität, sondern um den Bruch des Gastrechtes. Die Aussage, dass Lot unbedingt dazu steht, wird durch das uns unverständliche Angebot Lots noch verstärkt - will er wirklich seine Töchter opfern? Dazu kommt es nicht – aber nun wendet sich der Mob ihm zu und bedroht ihn. Wie unsicher ist seine Stellung in der Stadt, obwohl er hier Richter zu sein scheint, denn es sitzt im Tor, auf dem Richterstuhl. Das ist das Ergebnis seiner falschen Wahl, damals, als Abraham ihn entscheiden ließ. Doch ist dabei eines tröstlich: Gott steht trotzdem an seiner Seite und hilft ihm. Er könnte doch sagen: Nun trage die Konsequenzen deiner Wahl! Doch er schützt ihn vor dem Mob. Für uns heißt das: Ja, es gibt falsche Wege und falsche Entscheidungen. Aber das heißt nicht, dass ich aus Gottes Schutz herausfalle. Es gibt ein richtiges Leben im falschen! Es mag mühsamer und gefährlicher sein, aber es ist nicht gottlos.

20.Mai 1.Mose 18, 23 - 33
Abraham trat näher und sagte: Willst du auch den Gerechten mit den Ruchlosen wegraffen? Vielleicht gibt es fünfzig Gerechte in der Stadt: Willst du auch sie wegraffen und nicht doch dem Ort vergeben wegen der fünfzig Gerechten in ihrer Mitte? Fern sei es von dir, so etwas zu tun: den Gerechten zusammen mit dem Frevler töten. Dann ginge es ja dem Gerechten wie dem Frevler. Das sei fern von dir. Sollte der Richter der ganzen Erde nicht Recht üben? Da sprach der HERR: Wenn ich in Sodom fünfzig Gerechte in der Stadt finde, werde ich ihretwegen dem ganzen Ort vergeben. Abraham antwortete und sprach: Siehe, ich habe es unternommen, mit meinem Herrn zu reden, obwohl ich Staub und Asche bin. Vielleicht fehlen an den fünfzig Gerechten fünf. Wirst du wegen der fünf die ganze Stadt vernichten? Nein, sagte er, ich werde sie nicht vernichten, wenn ich dort fünfundvierzig finde. Er fuhr fort, zu ihm zu reden: Vielleicht finden sich dort nur vierzig. Da sprach er: Ich werde es der vierzig wegen nicht tun. Da sagte er: Mein Herr zürne nicht, wenn ich weiterrede. Vielleicht finden sich dort nur dreißig. Er entgegnete: Ich werde es nicht tun, wenn ich dort dreißig finde. Darauf sagte er: Siehe, ich habe es unternommen, mit meinem Herrn zu reden. Vielleicht finden sich dort nur zwanzig. Er antwortete: Ich werde sie nicht vernichten um der zwanzig willen. Und nochmals sagte er: Mein Herr zürne nicht, wenn ich nur noch einmal das Wort ergreife. Vielleicht finden sich dort nur zehn. Er sprach: Ich werde sie nicht vernichten um der zehn willen. Der HERR ging fort, als er aufgehört hatte, zu Abraham zu reden, und Abraham kehrte an seinen Ort zurück.

Was für ein Gottesbild! Da wird uns Gott vor Augen gestellt, der sich auf ein Feilschen einlässt, in dem Abraham wie ein orientalischer Teppichhändler agiert. Er findet dabei kluge Argumente: Sollte der Richter der ganzen Erde nicht Recht üben? Wie kann er da Gerechte töten? So können wir also mit Gott reden! Das heißt ja auch: Wir haben keinen Gott, der unabänderliche Pläne macht. Wir stehen wie Abraham in einer Beziehung zu ihm und das bedeutet, wir werden von Ihm mitbeteiligt. "Gott hat das Gebet angeordnet" sagt der französische Mathematiker Blaise Pascal, "um seinen Geschöpfen die Würde der Ursächlichkeit zu geben.“ Das soll heißen: Unsere Kommunikation mit Gott ist ein schöpferischer Akt. Nicht in der Weise, dass wir etwas befehlen könnten, aber so, dass unsere Bitte bisweilen erhört wird. Das Problem bleibt, dass wir nicht wissen, wann das der Fall ist! Ist mein Bitten wie bei Abraham ein inneres Gespräch mit Gott oder eine Einbahnstraße?

19.Mai  1.Mose 18, 16 - 19
 Die Männer erhoben sich von dort und schauten auf Sodom hinab. Abraham ging mit ihnen, um sie zu geleiten. Da sagte der HERR: Soll ich Abraham verheimlichen, was ich tun will? Abraham soll doch zu einem großen, mächtigen Volk werden, durch ihn sollen alle Völker der Erde Segen erlangen. Denn ich habe ihn dazu ausersehen, dass er seinen Söhnen und seinem Haus nach ihm gebietet, den Weg des HERRN einzuhalten und Gerechtigkeit und Recht zu üben, damit der HERR seine Zusagen an Abraham erfüllen kann.
Das Vernichtungsurteil über Sodom und Gomorra kündigt sich an. Ein kleines Detail dieses Textes lässt aufhorchen: Abraham hat die Verantwortung, seine Nachkommen auf den Weg Gottes zu verpflichten! Sie sollen „Recht und Gerechtigkeit“ üben – damit die Zusagen an Abraham sich auch erfüllen. Hier wird ausgedrückt, was später bei den Propheten immer wieder zur Sprache kommt: Ihr könnt euch nicht einfach darauf verlassen, Kinder Abrahams zu sein, ihr müsst auch im Sinne Gottes handeln, so wie Abraham gehandelt hat. „Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken!“, ruft Johannes, der Täufer, seinen Zuhörern zu. „Wieso glaubt ihr, dass ihr Gottes Zorn entrinnt, nur weil ihr von Abraham abstammt?“ (Lk. 3,6) Das heißt: Gottes Zusage gilt nicht ohne entsprechende Mitwirkung des Menschen. Die Zuwendung Gottes zu mir bedeutet nicht, dass ich jetzt tun kann, was mir gerade einfällt, sondern, dass ich dazu befreit bin, in Recht und Gerechtigkeit zu leben. Welche konkreten Handlungen fallen mir ein, wenn ich diese beiden Stichworte höre?

18.Mai Himmelfahrt  Lukas 24, 50 - 53
Jesus führte die Jünger aus der Stadt hinaus bis in die Nähe von Betanien. Dort erhob er die Hände, um sie zu segnen. Und während er sie segnete, wurde er von ihnen weggenommen und zum Himmel emporgehoben. Die Jünger warfen sich nieder und beteten ihn an. Dann kehrten sie nach Jerusalem zurück, von großer Freude erfüllt.  Und sie waren von da an ständig im Tempel und priesen Gott.
Was auch immer dort in Bethanien geschehen ist:  Jesus ist nun aus unserer Welt herausgegangen und in die Welt Gottes gegangen. Damit ist er nicht fort  sondern ganz im Gegenteil uns nahe. Denn es gibt keinen Ort auf dieser Welt, an dem Gott nicht wäre. Seine Sphäre durchdringt unsere Wirklichkeit in jedem Moment. Der Auferstandene war einmal da und einmal nicht da - Jesus im Himmel ist präsent und uns zur Seite. "Ich bin bei euch jeden Tag bis ans Ende der Welt."  Wie und wann spürst du diese Gegenwart Jesu? Wie ist er für dich da? 



17.Mai  1.Mose 18, 9 - 15
Sie (Anm.: die drei Männer) fragten ihn: Wo ist deine Frau Sara? Dort im Zelt, sagte er.  Da sprach er: In einem Jahr komme ich wieder zu dir. Siehe, dann wird deine Frau Sara einen Sohn haben. Sara hörte am Eingang des Zeltes hinter seinem Rücken zu.
Abraham und Sara waren schon alt; sie waren hochbetagt. Sara erging es nicht mehr, wie es Frauen zu ergehen pflegt. Sara lachte daher still in sich hinein und dachte: Ich bin doch schon alt und verbraucht und soll noch Liebeslust erfahren? Auch ist mein Herr doch schon ein alter Mann!
Da sprach der HERR zu Abraham: Warum lacht Sara und sagt: Sollte ich wirklich noch gebären, obwohl ich so alt bin?
Ist denn beim HERRN etwas unmöglich? Nächstes Jahr um diese Zeit werde ich wieder zu dir kommen; dann wird Sara einen Sohn haben.
Sara leugnete: Ich habe nicht gelacht. Denn sie hatte Angst. Er aber sagte: Doch, du hast gelacht.

Wieder dieses Durcheinander: Drei oder einer? Im Mittelpunkt dieser Geschichte steht das Lachen! Zuerst lacht Sara. Das bleibt ihr im Halse stecken, denn es offenbart ihren Unglauben. Und es ist ja auch alles zum Kopfschütteln oder Lachen! Es sind oft unbedachte Reaktionen, die uns oder anderen deutlich machen, was wir wirklich denken. Das kann peinlich sein – aber es wäre besser, wir könnten mit ein wenig Humor dazu stehen, anstatt es zu verleugnen, wie Sara es hier tut. Welche Situationen fallen mir da ein? Gott überrascht Sara – sie wird schwanger und bekommt einen Sohn, dessen Namen Isaak ist. Das heißt: Gott lacht – oder auch: Gott bringt zum Lachen. Das ist ein anderes, fröhliches Lachen, eine Erleichterung und befreites Lachen über die Entdeckung neuen Lebens. Wo erlebe ich dieses befreite Lachen in meinem Leben?

16.Mai 1.Mose 18, 1 - 8
Der HERR erschien Abraham bei den Eichen von Mamre, während er bei der Hitze des Tages am Eingang des Zeltes saß. Er erhob seine Augen und schaute auf, siehe, da standen drei Männer vor ihm. Als er sie sah, lief er ihnen vom Eingang des Zeltes aus entgegen, warf sich zur Erde nieder
und sagte: Mein Herr, wenn ich Gnade in deinen Augen gefunden habe, geh doch nicht an deinem Knecht vorüber! Man wird etwas Wasser holen; dann könnt ihr euch die Füße waschen und euch unter dem Baum ausruhen. Ich will einen Bissen Brot holen, dann könnt ihr euer Herz stärken, danach mögt ihr weiterziehen; denn deshalb seid ihr doch bei eurem Knecht vorbeigekommen. Sie erwiderten: Tu, wie du gesagt hast!
Da lief Abraham eiligst ins Zelt zu Sara und rief: Schnell drei Sea feines Mehl! Knete es und backe Brotfladen! Er lief weiter zum Vieh, nahm ein zartes, prächtiges Kalb und übergab es dem Knecht, der es schnell zubereitete. Dann nahm Abraham Butter, Milch und das Kalb, das er hatte zubereiten lassen, und setzte es ihnen vor. Er selbst wartete ihnen unter dem Baum auf, während sie aßen.

Abraham ist wie von Sinnen. Sind es nun drei Männer oder nur einer? Er entwickelt hektische Betriebsamkeit. Es sind vielleicht wichtige Gäste, jedenfalls erleben wir die ganze Gastfreundschaft des Orients in dieser Schilderung. Ahnt Abraham, wer da zu Besuch ist? Das Ganze bleibt merkwürdig. Die christliche Tradition hat in den Dreien Gott in seiner Dreier-Gestalt, der Trinität, gesehen. Das ist natürlich in der jüdischen Auslegung nicht so. Jedenfalls: Gott kommt zu Besuch! Ich habe mich in den letzten Jahren immer wieder über die Gastfreundschaft orientalischer Menschen gewundert. Auch wenn sie kaum etwas haben – einem Gast etwa in einer Flüchtlingsunterkunft muss etwas angeboten werden, man bittet ihn herein, gibt ihm oder ihr, was man hat. Manchmal schäme ich mich: Wie oft habe ich fremde Menschen an der Türe abgefertigt! Und heißt es nicht, dass Manche ohne ihr Wissen Engel beherbergt haben? Wie aber gehen wir mit Fremden um?

15.Mai 1.Mose 17, 15 - 22
Weiter sprach Gott zu Abraham: Du sollst deine Frau nicht mehr Sarai nennen: Sara, Herrin, soll ihr Name sein. Ich will sie segnen und dir auch von ihr einen Sohn geben. Ich segne sie: Völker gehen von ihr aus; Könige von Völkern werden ihr entstammen. Da fiel Abraham auf sein Angesicht nieder und lachte. Er sprach in seinem Herzen: Können einem Hundertjährigen noch Kinder geboren werden und kann Sara als Neunzigjährige noch gebären? Dann sagte Abraham zu Gott: Wenn nur Ismael vor dir am Leben bleibt! Gott entgegnete: Nein, deine Frau Sara wird dir einen Sohn gebären und du sollst ihm den Namen Isaak geben. Ich werde meinen Bund mit ihm aufrichten als einen ewigen Bund für seine Nachkommen nach ihm.
Auch was Ismael angeht, erhöre ich dich: Siehe, ich segne ihn, ich mache ihn fruchtbar und mehre ihn über alle Maßen. Zwölf Fürsten wird er zeugen und ich mache ihn zu einem großen Volk.
Meinen Bund aber richte ich mit Isaak auf, den dir Sara im nächsten Jahr um diese Zeit gebären wird.
Als er aufgehört hatte, mit ihm zu reden, fuhr Gott zur Höhe empor.

Da wird nun Abraham etwas gesagt, das er nicht glauben kann. Immer noch denkt er, seine Nachkommen kämen von Ismael. Aber Gott hat Anderes vor. Abraham lacht! Doch auch Sara ist eine wichtige Rolle zugedacht, die ihr nicht genommen werden soll. Gott verwirft den “Nebenweg”, den sich die beiden ausgedacht haben. Zwar wird Ismael auch gesegnet, doch er wird nicht der Stammvater Israels werden. Wo habe ich es erlebt, dass Gott meine Pläne und Absichten durchkreuzt hat und dann andere Dinge geschahen, die sich als Segen erwiesen haben? Wo habe ich hartnäckig an meinen Vorstellungen festgehalten und musste erfahren, dass Gott Recht behalten hat? Tröstlich: Gott ist nicht beleidigt, weil Abraham über seine Pläne lacht. Er kennt unsere Gedanken, unsere Ängste und unseren engen Horizont.

14.Mai  1.Mose 17, 9 - 14
Und Gott sprach zu Abraham: Du aber sollst meinen Bund bewahren, du und deine Nachkommen nach dir, Generation um Generation. Dies ist mein Bund zwischen mir und euch und deinen Nachkommen nach dir, den ihr bewahren sollt: Alles, was männlich ist, muss bei euch beschnitten werden. Am Fleisch eurer Vorhaut müsst ihr euch beschneiden lassen. Das soll geschehen zum Zeichen des Bundes zwischen mir und euch. Alle männlichen Kinder bei euch müssen, sobald sie acht Tage alt sind, beschnitten werden in jeder eurer Generationen, seien sie im Haus geboren oder um Geld erworben von irgendeinem Fremden, der nicht von dir abstammt. Beschnitten werden muss der in deinem Haus Geborene und der um Geld Erworbene. So soll mein Bund, dessen Zeichen ihr an eurem Fleisch tragt, ein ewiger Bund sein. Ein Unbeschnittener, eine männliche Person, die am Fleisch ihrer Vorhaut nicht beschnitten ist, soll aus ihrem Stammesverband ausgemerzt werden. Er hat meinen Bund gebrochen.

Die ursprünglich vielleicht als Hygiene-Maßnahme im Orient durchgeführte Beschneidung wird hier zum Bundeszeichen. Was ist der Sinn eines solchen “Zeichens am Fleisch”? Es ist unauslöschlich und unwiderrufbar. Der Bund, der geschlossen wird, ist nicht mehr rückgängig zu machen. Weiter begründet wird dieser Ritus nicht. Er ist heute auch im Judentum nicht unumstritten. Die Christen hatten eine schwierige Diskussion, ob die Beschneidung auch für sie gilt (Apg.15, Apostelkonzil). Schließlich hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass im “neuen Bund” Beschneidung für Nichtjuden nicht nötig ist. Besonders radikal war Paulus: “Denn in Christus Jesus vermag weder die Beschneidung noch die Unbeschnittenheit etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe wirkt.” So ist die Beschneidung zwar ein Zeichen für Juden, nicht aber für Christen. Man kann sich im Zusammenhang mit den modernen Diskussionen um Beschneidung fragen, wie wichtig Rituale sind und ob sie unabdingbar sind. Wie  wichtig sind mir Rituale und religiöse Regeln und was denke ich, was geschieht, wenn ich ein Ritual, das mir wichtig ist, einmal nicht praktiziere? 

13.Mai  1.Mose 17, 1 - 8
Als Abram neunundneunzig Jahre alt war, erschien der HERR dem Abram und sprach zu ihm: Ich bin El-Schaddai. Geh vor mir und sei untadelig! Ich will meinen Bund stiften zwischen mir und dir und ich werde dich über alle Maßen mehren.
Abram fiel nieder auf sein Angesicht.
Und Gott redete mit ihm und sprach: Ich bin es. Siehe, das ist mein Bund mit dir: Du wirst Stammvater einer Menge von Völkern.
Man wird dich nicht mehr Abram nennen. Abraham, Vater der Menge, wird dein Name sein; denn zum Stammvater einer Menge von Völkern habe ich dich bestimmt.
Ich mache dich über alle Maßen fruchtbar und lasse dich zu Völkern werden; Könige werden von dir abstammen. Ich richte meinen Bund auf zwischen mir und dir und mit deinen Nachkommen nach dir, Generation um Generation, einen ewigen Bund: Für dich und deine Nachkommen nach dir werde ich Gott sein. Dir und deinen Nachkommen nach dir gebe ich das Land, in dem du als Fremder weilst, das ganze Land Kanaan zum ewigen Besitz und ich werde für sie Gott sein.

Es ist schon eine merkwürdige Sache: Da gibt es immer noch keinen legitimen Erben und Abram soll nun “Vater vieler Völker” heißen. So hat er die Verheißung immer ihm Ohr. Er hört sie, wenn seine Frau ihn ruft oder wenn seine Bediensteten ihn so nennen. Das ist etwas Bemerkenswertes: Um Zusagen glauben zu können und sie im Alltag wirken zu lassen, müssen wir sie immer wieder hören. Israel macht es so mit seinem Gesetz und dem grundsätzlichen Glaubenssatz, dem Schema Jisrael, das in der Mesusa am Türpfosten jedes jüdischen Hauses befestigt ist. Wir brauchen diese tägliche Erinnerung, um im Getriebe vieler Informationen und Wörter die wichtigen Wörter nicht zu vergessen. Hier bei Abraham ist es die Verheißung des Volkes und Landes, die bis heute gilt. Welche Worte oder Verheißungen sind mir so wichtig, dass ich sie mir täglich vor Augen halten möchte?

12. Mai 1.Mose 16, 7 - 15
Der Engel des HERRN fand sie an einer Wasserquelle in der Wüste, an der Quelle auf dem Weg nach Schur. Er sprach: Hagar, Sklavin Sarais, woher kommst du und wohin gehst du? Sie sagte: Vor Sarai, meiner Herrin, bin ich davongelaufen.
Da sprach der Engel des HERRN zu ihr: Kehr zurück zu deiner Herrin und beuge dich unter ihre Hand!  Der Engel des HERRN sprach zu ihr: Mehren, ja mehren werde ich deine Nachkommen, sodass man sie wegen ihrer Menge nicht mehr zählen kann.
Weiter sprach der Engel des HERRN zu ihr: Siehe, du bist schwanger, du wirst einen Sohn gebären und du sollst ihm den Namen Ismael - Gott hört - geben, denn der HERR hat dich in deinem Leid gehört.
Er wird ein Mensch sein wie ein Wildesel. Seine Hand auf allen, die Hand aller auf ihm! Allen seinen Brüdern gegenüber wird er wohnen.
Da nannte sie den Namen des HERRN, der zu ihr gesprochen hatte: Du bist El-Roï - Gott schaut auf mich -. Denn sie sagte: Gewiss habe ich dem nachgeschaut, der auf mich schaut!
Deswegen nennt man den Brunnen Beer-Lahai-Roï - Brunnen des Lebendigen, der auf mich schaut -. Siehe, er liegt zwischen Kadesch und Bered.
Hagar gebar dem Abram einen Sohn. Und Abram gab seinem Sohn, den ihm Hagar geboren hatte, den Namen Ismael. Abram war sechsundachtzig Jahre alt, als Hagar Ismael für Abram gebar.

Zwei Dinge sind auffallend: Zum einen die Frage. Sie ermöglicht Hagar eine ehrliche Antwort und sie gibt diese Antwort: Ich bin davongelaufen. Zum anderen stellt der Engel fest: Du bist immer noch die Sklavin Sarais. Gott hat nicht vor, an ihrem Status etwas zu ändern: “Beuge dich unter ihre Hand!” Aber zugleich segnet er sie in dieser Stellung. Und er sagt ihr: Ich habe dich in deinem Leid gehört. Ich weiß, wie es dir geht und dass du es schwer hast unter deiner Herrin. Hagar weiß nun: Gott schaut auf mich, ich bin ihm wichtig. Das können wir mitnehmen für uns selbst: Du bist bei Gott angesehen, du bist ein angesehener Mensch! Auch wenn Schweres auf dich zukommt oder wenn du unter Menschen stöhnst, die dich unterdrücken und knechten – du bist ein angesehener Mensch. Gott sieht dich und segnet dich, gerade da, wo du bist und von wo du am liebsten davonlaufen möchtest.

11.Mai 1.Mose 16, 4 - 6
Abram ging zu Hagar und sie wurde schwanger. Als sie sah, dass sie schwanger war, galt ihre Herrin in ihren Augen nichts mehr. Da sagte Sarai zu Abram: Das Unrecht, das ich erfahre, komme über dich! Ich selbst habe meine Sklavin in deinen Schoß gegeben. Aber kaum sieht sie, dass sie schwanger ist, und schon gelte ich in ihren Augen nichts mehr. Der HERR richte zwischen mir und dir. Da sagte Abram zu Sarai: Siehe, sie ist deine Sklavin, sie ist in deiner Hand. Tu mit ihr, was in deinen Augen gut erscheint! Da misshandelte Sarai sie und Hagar lief ihr davon.

Das scheinbar schlaue und eigenmächtige Handeln Sarais und Abrams führt schnell zu einem Durcheinander. Die Sklavin Hagar ist stolz auf ihre Schwangerschaft und lässt sich von Sarai nichts mehr sagen. Statt aber diesen falschen Weg zuzugeben und nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen, klagt Sarai Abram an! Warum ist er auf ihre Idee eingegangen? Er ist schuld! Und Abram? Er liefert Hagar der Rache Sarais aus, anstatt als „Hausvorstand“ die Sache zu regeln. Sie schlägt Hagar und die Sklavin läuft davon. So entstehen Familienkatastrophen und Konflikte: Am Anfang steht eine Fehlentscheidung, aber niemand will das zugeben. Es wird ein Schuldiger gesucht und der oder die Schwächste im Spiel wird am Ende verprügelt - verbal oder ganz handgreiflich. Wie sähe die Lösung aus? Etwa so: „Wir haben das alle mitgemacht, wir alle sind schuldig und tragen nun gemeinsam die Folgen unseres Tuns.“  Wie verhalte ich mich in solchen Konflikten?

10.Mai 1.Mose 16, 1 - 3 
Sarai, Abrams Frau, hatte ihm nicht geboren. Sie hatte aber eine ägyptische Sklavin. Ihr Name war Hagar. Da sagte Sarai zu Abram: Siehe, der HERR hat mir das Gebären verwehrt. Geh zu meiner Sklavin! Vielleicht komme ich durch sie zu einem Sohn. Abram hörte auf die Stimme Sarais. Sarai, Abrams Frau, nahm also die Ägypterin Hagar, ihre Sklavin, zehn Jahre, nachdem sich Abram im Land Kanaan niedergelassen hatte, und gab sie Abram, ihrem Mann, zur Frau.
Sarah sagt: "Der Herr hat mir das Gebären verwehrt!" Gott ist schuld! In ihrer Not sucht sie einen Ausweg. Menschlich ist dieser Ausweg verständlich – und kulturell damals akzeptabel. Der Sohn, der durch die Sklavin auf dem Schoss der Ehefrau geboren wird, gilt als legitimer Erbe. Abram hört auf seine Frau und willigt ein. Auch er ist müde geworden, auf einen Sohn von Sarai zu warten. Was menschlich so verständlich ist, wird später zu einem großen Problem. Das kennen wir ja auch: Wir haben Zusagen Gottes, dass er uns versorgen wird und kennen das „Sorget nicht“ der Bergpredigt. Und dann handeln wir trotzdem in Ungeduld, so als gäbe es Gott und seine Zusagen nicht. Es ist schwer, die Spannung des Wartens auszuhalten. Aber andererseits tragen wir die Folgen vorschnellen Handelns. In welchen Bereichen meines Lebens treiben mich Sorge und/oder Verlangen zu Dingen, die mir Gott nicht oder noch nicht gegeben hat?

9.Mai 1.Mose 15, 7 - 18a
Er sprach zu ihm: Ich bin der HERR, der dich aus Ur in Chaldäa herausgeführt hat, um dir dieses Land zu eigen zu geben. Da sagte Abram: Herr und GOTT, woran soll ich erkennen, dass ich es zu eigen bekomme? Der HERR antwortete ihm: Hol mir ein dreijähriges Rind, eine dreijährige Ziege, einen dreijährigen Widder, eine Turteltaube und eine junge Taube! Abram brachte ihm alle diese Tiere, schnitt sie in der Mitte durch und legte je einen Teil dem andern gegenüber; die Vögel aber zerschnitt er nicht. Da stießen Raubvögel auf die toten Tiere herab, doch Abram verscheuchte sie.
Bei Sonnenuntergang fiel auf Abram ein tiefer Schlaf. Und siehe, Angst und großes Dunkel fielen auf ihn. Er sprach zu Abram: "Du sollst wissen: Deine Nachkommen werden als Fremde in einem Land wohnen, das ihnen nicht gehört. Sie werden dort als Sklaven dienen und man wird sie vierhundert Jahre lang unterdrücken. Aber auch über das Volk, dem sie als Sklaven dienen, werde ich Gericht halten und nachher werden sie mit reicher Habe ausziehen. Du aber wirst in Frieden zu deinen Vätern heimgehen; im glücklichen Alter wirst du begraben werden.
Erst die vierte Generation wird hierher zurückkehren; denn noch hat die Schuld der Amoriter nicht ihr volles Maß erreicht."
Die Sonne war untergegangen und es war dunkel geworden. Und siehe, ein rauchender Ofen und eine lodernde Fackel waren da; sie fuhren zwischen jenen Fleischstücken hindurch.
An diesem Tag schloss der HERR mit Abram folgenden Bund: Deinen Nachkommen gebe ich dieses Land vom Strom Ägyptens bis zum großen Strom, dem Eufrat-Strom,

Das archaische Opferritual mag uns seltsam vorkommen. Aber es enthält etwas sehr Wesentliches: Es ist das Ritual eines Bundesschlusses, das bedeutet: Wenn der Bund gebrochen wird, so soll es mir gehen wie diesen Tieren! Dass Abram hier Raubvögel verscheuchen muss, mag ein Hinweis auf die Gefährdung des Bundes sein. Aber wichtiger ist: Dieser Gott schließt einen Bund mit einem Menschen! Das ist unerhört, denn Götter werden in Tempeln und vor Altären angebetet, man bringt ihnen Opfer, um sie zu besänftigen und möglichst von ihnen in Ruhe gelassen zu werden. Aber ein Gott, der sich mit Menschen verbündet, der ihnen gegenüber Verpflichtungen eingeht? Das ist revolutionär! Hier deutet sich an, was viel später bei Jesus zentral wird: Gott ist der Gott für uns und mit uns, nicht der ferne dunkle Gott, dem man Opfer bringen muss. Und auch im Judentum gab es immer den Gegensatz zwischen dem Opferkult und dem nahen, liebenden und barmherzigen Gott, der Menschen segnet und mit ihnen geht. Gott hat sich mit mir verbündet und hält zu mir, wie er Abram begleitet hat – was bedeutet das für mich? 

8.Mai 1.Mose 15, 1 - 6
Nach diesen Ereignissen erging das Wort des HERRN in einer Vision an Abram: Fürchte dich nicht, Abram, ich selbst bin dir ein Schild; dein Lohn wird sehr groß sein. Abram antwortete: Herr und GOTT, was kannst du mir geben? Ich gehe kinderlos dahin und Erbe meines Hauses ist Eliëser aus Damaskus. Und Abram sagte: Siehe, du hast mir keine Nachkommen gegeben; so wird mich mein Haussklave beerben. Aber siehe, das Wort des HERRN erging an ihn: Nicht er wird dich beerben, sondern dein leiblicher Sohn wird dein Erbe sein. Er führte ihn hinaus und sprach: Sieh doch zum Himmel hinauf und zähl die Sterne, wenn du sie zählen kannst! Und er sprach zu ihm: So zahlreich werden deine Nachkommen sein. Und er glaubte dem HERRN und das rechnete er ihm als Gerechtigkeit an.
Das ist mal ein Satz: „Herr und Gott, was kannst du mir geben?“ So dürfen wir mit unserem Gott reden! Da klingt die Verzweiflung langer Jahre an. Wie oft werden Abram und Sara gehofft und gebangt haben – und dann: Wieder nichts! Wieder ist Sara nicht schwanger. Irgendwann haben sie es aufgegeben. Der Haussklave und Verwalter wird der Erbe werden. „Nein“, sagt Gott, „so wird es nicht sein!“ Abram steht unter dem Sternenhimmel und Gott spricht in seine Gedanken hinein: So zahlreich werden deine Nachkommen sein! Es ist eine typische Redeweise Gottes, etwas, was wir sehen, als Gleichnis zu verwenden. Du solltest darauf achten, wenn du in der Natur unterwegs bist und die Gegenwart Gottes suchst. Dann kann es geschehen, dass etwas zum Gleichnis wird – ein Baum, eine Quelle, eine Blumenwiese, oder eben der Sternenhimmel. Das Erleben des Betrachteten führt dazu, dass es plötzlich transparent, durchscheinend  wird für die Gegenwart Gottes. Es unterstreicht dann die Zusage, so dass wir wie Abram plötzlich glauben können, was uns zugesagt wird. Hast du das schon einmal erlebt?

7.Mai 1.Mose 14, 17 - 24
Als er nach dem Sieg über Kedor-Laomer und die mit ihm verbündeten Könige zurückkam, zog ihm der König von Sodom ins Schawetal entgegen, das jetzt Tal des Königs heißt. Melchisedek, der König von Salem, brachte Brot und Wein heraus. Er war Priester des Höchsten Gottes. Er segnete Abram und sagte: Gesegnet sei Abram vom Höchsten Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde, und gepriesen sei der Höchste Gott, der deine Feinde an dich ausgeliefert hat. Darauf gab ihm Abram den Zehnten von allem. Der König von Sodom sagte zu Abram: Gib mir die Leute zurück, die Habe aber nimm für dich! Abram entgegnete dem König von Sodom: Ich erhebe meine Hand zum HERRN, dem Höchsten Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde: Keinen Faden und keinen Schuhriemen, nichts von allem, was dir gehört, werde ich nehmen. Du sollst nicht behaupten können: Ich habe Abram reich gemacht. Nur was meine Leute verzehrt haben und was auf die Männer entfällt, die mit mir gezogen sind, auf Aner, Eschkol und Mamre, das sollen sie als ihren Anteil behalten.

Mehrer Kleinkönige hatten sich verbündet und Sodom und Gomorra überfallen. Dabei geriet auch Lot in Gefangenschaft. Abram und seien Verbündeten jagten ihnen nach, befreiten Lot und nahmen ihnen die Beute wieder ab. Danach kommt es zu dieser seltsamen Begegnung mit Melchisedek, dem Priester des höchsten Gottes aus Jerusalem. Sein Name könnte „König der Gerechtigkeit“ bedeuten. Abram ordnet sich ihm unter, indem er ihm den Zehnten gibt. Wir wissen wenig über diesen König und seine Bedeutung. Aber eines wird deutlich gesagt: Der eben von Gott gesegnete Abram unterstellt sich diesem König. Hätte es nicht umgekehrt sein müssen? Abram hat die Demut, die Stellung dieses Priesterkönigs zu akzeptieren. Er hält sich nicht selbst für groß und bedeutend, trotz seines Sieges. Kann ich andere über mir akzeptieren, die mehr Weisheit und mehr Autorität als ich haben? Übrigens ist der Hinweis auf Brot und Wein oft als ein früher Hinweis auf das Abendmahl gesehen worden und Melchisedek als ein Priester einer „anderen Ordnung“ als die Priester am Tempel.

6.Mai 1.Mose 13, 14 - 18
Nachdem sich Lot von Abram getrennt hatte, sprach der HERR zu Abram: Erheb deine Augen und schau von der Stelle, an der du stehst, nach Norden und Süden, nach Osten und Westen! Das ganze Land nämlich, das du siehst, will ich dir und deinen Nachkommen für immer geben. Ich mache deine Nachkommen zahlreich wie den Staub auf der Erde. Nur wer den Staub auf der Erde zählen kann, wird auch deine Nachkommen zählen können. Mach dich auf, durchzieh das Land in seiner Länge und Breite; denn dir werde ich es geben. Da zog Abram mit seinen Zelten weiter und ließ sich bei den Eichen von Mamre in Hebron nieder. Dort baute er dem HERRN einen Altar.
Nachdem…das ist ein wichtiger Hinweis: Nachdem Abram Lot das Land überlassen hatte, das besser war, für das er aber keine Verheißung hatte, erhält er diese Zusage. Ob es für ihn eine Versuchung war, dieses paradiesische Land zu behalten und Lot auf die unfruchtbareren Berge zu schicken? Nun sitzt er selbst im Bergland – und erhält diese Verheißung, die weit über seinen Horizont hinaus geht. Wir beurteilen Situationen oft gemäß unserer eingeschränkten Sichtweise und können dann nicht anders urteilen als nach unseren logischen Gesichtspunkten. Wir können nicht das sehen, was hinter unserem Horizont liegt – Gott aber schon. Wenn Gott dich in eine bestimmte Situation oder auf eine besondere Stelle gesetzt hat, dann schaue nicht nach Situationen oder Stellen, die vielleicht noch besser sind. Der Segen Gottes gilt für Deine Stelle oder Situation. Hast du Gottes Zusage für die Stelle oder Lebenssituation, in der du gerade bist? Dann bleibe und „baue einen Altar"! Widme dieses Leben Gott. 

5.Mai 1.Mose 13, 1 - 13
Abram zog von Ägypten in den Negeb hinauf, er und seine Frau mit allem, was ihm gehörte, und mit ihm auch Lot. Abram hatte einen sehr ansehnlichen Besitz an Vieh, Silber und Gold.
Er ging von einem Lagerplatz zum anderen weiter, vom Negeb bis nach Bet-El, bis zu der Stätte, an der anfangs sein Zelt gestanden hatte, zwischen Bet-El und Ai, der Stätte, an der er früher den Altar errichtet hatte. Dort rief Abram den Namen des HERRN an.
Auch Lot, der mit Abram ging, besaß Schafe und Ziegen, Rinder und Zelte. Das Land reichte nicht hin, dass sich beide nebeneinander darin hätten ansiedeln können; denn ihr Besitz war zu groß und so konnten sie sich nicht miteinander niederlassen. So entstand Streit zwischen den Hirten der Herde Abrams und den Hirten der Herde Lots; auch siedelten damals noch die Kanaaniter und die Perisiter im Land. Da sagte Abram zu Lot: Zwischen mir und dir, zwischen meinen und deinen Hirten soll es keinen Streit geben; wir sind doch Brüder. Liegt nicht das ganze Land vor dir? Trenn dich also von mir! Wenn du nach links willst, gehe ich nach rechts; wenn du nach rechts willst, gehe ich nach links.
Lot erhob seine Augen und sah, dass die ganze Jordangegend überall bewässert war. Bevor der HERR Sodom und Gomorra vernichtete, war sie bis Zoar hin wie der Garten des HERRN, wie das Land Ägypten. Da wählte sich Lot die ganze Jordangegend aus. Lot brach nach Osten auf und sie trennten sich voneinander. Abram ließ sich im Land Kanaan nieder, während Lot sich in den Städten jener Gegend niederließ und seine Zelte bis Sodom hin aufschlug.
Die Männer von Sodom aber waren sehr böse und sündigten vor dem HERRN.
Streit zwischen Verwandten ist eine ärgerliche Sache – man ist sich nahe und muss doch sinnvolle Regelungen treffen. Das gelingt nicht immer - gerade, weil man sich nahe ist und weil Macht im Spiel ist. Noch heute gibt es im Orient klare Hierarchien: Nach ihnen ist völlig klar, dass Abram die erste Wahl zusteht, er ist der “Bestimmer”. Doch er handelt hier anders und lässt Lot die Wahl. Prompt entscheidet sein Neffe sich für das bessere Land, das paradiesische Jordantal. Abram bleibt Kanaan, das Land auf den Höhen, das sehr viel karger ist. Der Hinweis am Schluss lässt schon ahnen: Das war nicht die beste Wahl, denn dieses Land wird untergehen. Am Ende ist Abram der Klügere, auch wenn es zunächst nicht so aussieht. Wie viele Auseinandersetzungen in Familien über Land und Häuser und Erbteile wären unnötig, wenn die Menschen diese Klugheit und Großzügigkeit Abrams hätten. Denn er weiß: Gott wird mich segnen und dieser Segen gilt meinem Land und nicht dem Land, das Lot gewählt hat. So kann man sagen: Lass dir an dem genügen, was Gott dir gegeben hat und schiele nicht nach Erbteilen, um die es Streit gibt. Großzügigkeit lässt das Leben aufblühen, Neid erstickt es.

4.Mai 1.Mose 12, 10 - 20
Es kam aber eine Hungersnot über das Land. Da zog Abram nach Ägypten hinab, um sich dort als Fremder niederzulassen; denn die Hungersnot lastete schwer auf dem Land. Als er sich Ägypten näherte, sagte er zu seiner Frau Sarai: Ich weiß, du bist eine Frau von großer Schönheit. Wenn dich die Ägypter sehen, werden sie sagen: Das ist seine Frau! Und sie werden mich töten, dich aber am Leben lassen. Sag doch, du seist meine Schwester, damit es mir deinetwegen gut geht und ich um deinetwillen am Leben bleibe. Als Abram nach Ägypten kam, sahen die Ägypter, dass die Frau überaus schön war. Die Beamten des Pharao sahen sie und rühmten sie vor dem Pharao. Da wurde die Frau in das Haus des Pharao genommen. Er behandelte Abram ihretwegen gut: Er bekam Schafe und Ziegen, Rinder und Esel, Knechte und Mägde, Eselinnen und Kamele. Doch der HERR schlug den Pharao und sein Haus wegen Sarai, der Frau Abrams, mit schweren Plagen. Da rief der Pharao Abram und sagte: Was hast du mir da angetan? Warum hast du mir nicht kundgetan, dass sie deine Frau ist? Warum hast du behauptet: Sie ist meine Schwester, sodass ich sie mir zur Frau nahm? Jetzt aber, siehe, da hast du deine Frau wieder, nimm sie und geh! Dann befahl der Pharao seinetwegen Männern, ihn, seine Frau und alles, was ihm gehörte, fortzuschaffen.

Hunger tut weh und Abram ist für seine Leute verantwortlich. Trotzdem: Ägypten ist nicht das verheißene Land. Und sofort gerät Abram in Schwierigkeiten. Seine Sorge um Sarai ist berechtigt. Darum greift er zu einer Halbwahrheit und gibt Sarai als seine Schwester aus. Nach 1.Mose 20, 12 ist sie seine Halbschwester. Aber eine halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge. Und so landet sie im Haus des Pharao. Von Abrams Protest steht hier nichts! Er erhält eine Menge Besitztümer für sie – und da steht auch nicht, dass er sie abgelehnt hätte. Ehe wir uns entrüstet abwenden: Wie oft geht es uns selbst so? Wir haben die Unwahrheit gesagt, einen falschen Handel abgeschlossen, jemanden betrogen – und nun werden die Folgen offenbar. Und was sagen wir dann? “Augen zu und durch!” Aber das lässt Gott hier nicht zu. Schonungslos wird die Lüge aufgedeckt. Kann man daraus etwas lernen? Erstens: Hat Gott dir wirklich gesagt, dass dieser Weg auch sein Weg für dich ist? Zweitens: Gehe, wenn du ihn gehst, keine faulen Kompromisse ein, die dich zu Lügen nötigen. “Notwendige” Lügen sind oft mangelndes Gottvertrauen.

3.Mai 1.Mose 12, 6 - 9
Abram zog durch das Land bis zur Stätte von Sichem, bis zur Orakeleiche. Die Kanaaniter waren damals im Land. Der HERR erschien Abram und sprach: Deinen Nachkommen gebe ich dieses Land. Dort baute er dem HERRN, der ihm erschienen war, einen Altar. Von da brach er auf zu dem Gebirge östlich von Bet-El und schlug sein Zelt so auf, dass er Bet-El im Westen und Ai im Osten hatte. Dort baute er dem HERRN einen Altar und rief den Namen des HERRN an. Dann zog Abram immer weiter, dem Negeb zu.

Was ist bemerkenswert an diesen Versen? Nun, zweimal heißt es: Er baute einen Altar. Der Hinweis “Orakeleiche” verrät es: Bei den Kanaanitern gab es andere religiöse Angebote. Abram lässt sich nicht auf sie ein. Er meidet die Tempel und Opferstätten und baut schlichte Altäre aus Feldsteinen. Hier beginnt jene Auseinandersetzung, die in der Geschichte Israels so oft berichtet wird: Unser Gott oder ein anderer Gott? Doch Abram hat Gott gehört und ihm vertraut. Ein Gott, der redet und der mitgeht auf seinem Weg, kein Gott, der mit Opfern gnädig gestimmt werden muss. Welches Bild von Gott habe ich? Halte ich daran fest, auch wenn es andere religiöse Angebote gibt? Oder finde ich andere Vorstellungen doch attraktiver? Christen haben ihr Gottesbild von Jesus Christus!

2.Mai  1.Mose 12, 1 - 5
Der HERR sprach zu Abram: Geh fort aus deinem Land, aus deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde! Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein.
Ich werde segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den werde ich verfluchen. Durch dich sollen alle Sippen der Erde Segen erlangen. Da ging Abram, wie der HERR ihm gesagt hatte, und mit ihm ging auch Lot. Abram war fünfundsiebzig Jahre alt, als er von Haran auszog.
Abram nahm seine Frau Sarai mit, seinen Neffen Lot und alle ihre Habe, die sie erworben hatten, und alle, die sie in Haran hinzugewonnen hatten. Sie zogen aus, um in das Land Kanaan zu gehen, und sie kamen in das Land Kanaan.

Es ist eine große Herausforderung für Abram, diese drei Dinge zu verlassen: Land, Verwandtschaft und Vaterhaus. Es klingt wie eine Steigerung – es wird immer schwieriger. Doch diese Herausforderung ist mit einer großen Verheißung verbunden. Beides gehört zusammen. Fünfmal kommt das Wort Segen oder segnen vor – Wenn Abram der Stimme Gottes gehorcht, wird das eine Kette von Segnungen auslösen. Woher gewinnt Abram dieses Vertrauen, zu gehorchen und zu gehen? Mehr als irgendwo anders wird hier deutlich, dass Vertrauen ein unverfügbares Geschenk ist, das dem Menschen sozusagen “zufliegt”. Vertrauen kann ich mir nicht einreden, mich nicht selbst überzeugen. Immer wieder schildert die Bibel Menschen, die einfach “gingen” und ihre Mitmenschen kopfschüttelnd zurückließen. Kenne ich selbst solche Erfahrungen, wo ich gegen alle Vernunft nur der inneren Stimme gehorchend gegangen bin?

1.Mai  1.Mose 11, 29 - 32
Abram und Nahor nahmen sich Frauen. Der Name von Abrams Frau war Sarai. Der Name von Nahors Frau war Milka, die Tochter Harans, des Vaters der Milka und des Vaters der Jiska.
Sarai war unfruchtbar, sie hatte kein Kind.
Terach nahm seinen Sohn Abram, seinen Enkel Lot, den Sohn Harans, und seine Schwiegertochter Sarai, die Frau seines Sohnes Abram, und sie zogen miteinander aus Ur in Chaldäa aus, um in das Land Kanaan zu gehen. Als sie aber nach Haran kamen, siedelten sie sich dort an.
Die Lebenszeit Terachs betrug zweihundertfünf Jahre, dann starb Terach in Haran.
So beginnen die Abrahamsgeschichten. Noch heißt die Hauptperson Abram (=erhabener Vater). Die Sippe Abrams hatte vor, nach Kanaan zu gehen – warum sie in Haran im Norden Syriens geblieben sind, ist nicht überliefert. Wahrscheinlich war der Weg beschwerlich und die Gegend um Haran einfach zu verlockend. Ob Abrams Vater Terach schon eine Verheißung für Kanaan hatte wie später sein Sohn? Wir wissen es nicht. Aber man kann sich überlegen, was einen von ursprünglichen Zielen abhält. Es kann Bequemlichkeit sein, oder Angst oder die Verlockung besserer Aussichten. Das von Gott gesetzte Ziel der Familie sollte offenbar Kanaan sein. Durch ihre Siedelung in Haran kommt Einiges durcheinander, die Familie wird später zerrissen. Kenne ich das in meinem Leben, dass ich einen inneren Eindruck hatte oder ein festes Vorhaben für die Zukunft und dass ich dann doch ganz anders gehandelt habe? War der Weg danach gut oder schlecht?

30. April 1.Mose 4, 12 - 16 
Wenn du den Erdboden bearbeitest, wird er dir keinen Ertrag mehr bringen. Rastlos und ruhelos wirst du auf der Erde sein. Kain antwortete dem HERRN: Zu groß ist meine Schuld, als dass ich sie tragen könnte. Siehe, du hast mich heute vom Erdboden vertrieben und ich muss mich vor deinem Angesicht verbergen; rastlos und ruhelos werde ich auf der Erde sein und jeder, der mich findet, wird mich töten. Der HERR aber sprach zu ihm: Darum soll jeder, der Kain tötet, siebenfacher Rache verfallen. Darauf machte der HERR dem Kain ein Zeichen, damit ihn keiner erschlage, der ihn finde. So zog Kain fort, weg vom HERRN und ließ sich im Land Nod nieder, östlich von Eden.
Erst als Gott den Fluch über Kain ausspricht – den er selbst durch den Mord erzeugt hat – bricht dieser zusammen und bekennt seine Schuld. Zum Fluch des Menschen gehört die Rastlosigkeit. Augustin sagt: „Ruhelos ist unser Herz, bis es ruht in dir.“ Nur ist dieser Zugang zu Gott nun versperrt. Konnte er vorher noch mit Gott von Angesicht zu Angesicht reden, so muss er sich nun vor ihm verbergen und zieht von Gott fort. Kain ist der von Gott getrennte Mensch. Wir Christen glauben, dass in Jesus Christus dieser natürliche Zugang wieder offen ist. Doch schon bei Kain gibt es ein Zeichen der Barmherzigkeit Gottes: Er erhält ein Schutzzeichen, das die Blutrache verbietet. So schafft Gott eine Notordung, unter der die Menschen dennoch leben können. Kain trägt die Folgen seiner Tat, aber er wird von Gott dennoch geschützt. Die Barmherzigkeit Gottes bedeutet, dass auch der Schuldige nicht fallen gelassen wird. Bin ich barmherzig?

29. April 1. Mose 4, 8 - 11
Da redete Kain mit Abel, seinem Bruder. Als sie auf dem Feld waren, erhob sich Kain gegen Abel, seinen Bruder, und tötete ihn. Da sprach der HERR zu Kain: Wo ist Abel, dein Bruder? Er entgegnete: Ich weiß es nicht. Bin ich der Hüter meines Bruders? Der HERR sprach: Was hast du getan? Das Blut deines Bruders erhebt seine Stimme und schreit zu mir vom Erdboden. So bist du jetzt verflucht, verbannt vom Erdboden, der seinen Mund aufgesperrt hat, um aus deiner Hand das Blut deines Bruders aufzunehmen.

Da redete Kain mit Abel! Vielleicht so: „Komm mit mir, ich will dir da draußen etwas zeigen?“ Das ist kein Totschlag im Affekt, es ist eine von steigendem Hass genährte bewusste Tat. Die Antwort Gott gegenüber zeigt den in Sünde verstrickten Menschen, für den es jetzt kein Zurück mehr gibt. Leugnen, verharmlosen, sich unwissend stellen – das sind alles bekannte Verhaltensweisen, wenn wir Böses getan haben. „Bin ich der Hüter…?“ – das ist die Ablehnung der Verantwortung für die eigene Tat. Wir werden heute hoffentlich keinen Mitmenschen erschlagen, aber es gibt genügend schlechte Taten, für die wir keine Verantwortung übernehmen. „Bin ich der Hüter?“ ist die Frage, die für viele Bereiche gilt. Ja, ich bin der Hüter des Lebens, dazu hat Gott den Menschen eingesetzt. Welche Verantwortung gegenüber dem Leben habe ich heute?

28. April 1.Mose 4, 1 - 7
Der Mensch erkannte Eva, seine Frau; sie wurde schwanger und gebar Kain. Da sagte sie: Ich habe einen Mann vom HERRN erworben. Sie gebar ein zweites Mal, nämlich Abel, seinen Bruder. Abel wurde Schafhirt und Kain Ackerbauer. Nach einiger Zeit brachte Kain dem HERRN eine Gabe von den Früchten des Erdbodens dar; auch Abel brachte eine dar von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Der HERR schaute auf Abel und seine Gabe, aber auf Kain und seine Gabe schaute er nicht. Da überlief es Kain ganz heiß und sein Blick senkte sich. Der HERR sprach zu Kain: Warum überläuft es dich heiß und warum senkt sich dein Blick? Ist es nicht so: Wenn du gut handelst, darfst du aufblicken; wenn du nicht gut handelst, lauert an der Tür die Sünde. Sie hat Verlangen nach dir, doch du sollst über sie herrschen.

John Steinbeck hat in seinem Roman „Jenseits von Eden“ das letzte Wort dieses Textes ins Zentrum gestellt. „Timschal“, dieses Wort steckt hinter dem Begriff „herrschen“. Du kannst, du sollst über die Sünde herrschen? Nein, du wirst über sie herrschen! Darin steckt eine Verheißung und für Christen zielt sie auf das neue Leben in Christus: Du hast eine Wahl und du kannst diese Wahl frei treffen. Du bist deinen Neigungen, Trieben und deinen Hassgefühlen nicht wehrlos ausgeliefert. Kain hat eine Wahl. Wir wissen nicht, warum Abels Opfer akzeptabler war als das Kains – waren die Feldfrüchte nicht kostbar genug? Musste es etwas Lebendiges sein? Neid und Konkurrenz unter Geschwistern, davon handelt Steinbecks Roman. Wie oft gibt es das in Familien, dass ein Kind dem anderen vorgezogen wird! Da ist eines lieber, folgsamer oder erfolgreicher als das andere. Der „Querkopf“ bleibt ungeliebt und aus Zurücksetzung entsteht Hass. Doch Gott ist dem einen Bruder so nahe wie dem anderen. Er kennt unsere dunklen Gefühle und spricht uns darauf an: „Habe acht darauf, was sich in dir tut! Du kannst über dein Gefühl herrschen! Ja, du wirst eines Tages dieses Gefühl in den Griff bekommen. Timschal.

27. April 1.Mose 3, 21 - 24
Gott, der HERR, machte dem Menschen und seiner Frau Gewänder von Fell und bekleidete sie damit. Dann sprach Gott, der HERR: Siehe, der Mensch ist wie einer von uns geworden, dass er Gut und Böse erkennt. Aber jetzt soll er nicht seine Hand ausstrecken, um auch noch vom Baum des Lebens zu nehmen, davon zu essen und ewig zu leben. Da schickte Gott, der HERR, ihn aus dem Garten Eden weg, damit er den Erdboden bearbeite, von dem er genommen war. Er vertrieb den Menschen und ließ östlich vom Garten Eden die Kerubim wohnen und das lodernde Flammenschwert, damit sie den Weg zum Baum des Lebens bewachten.
Jenseits von Eden! Dort muss der Mensch nun leben, getrennt von Gott und seinem Schicksal überlassen. Doch nicht ganz: Gott sorgt auch dort für ihn – hier ausgedrückt in dem Symbol der Kleider, für die er ja ein Tier opfern musste. Gott muss den Menschen vom Garten Eden fernhalten, denn nun ist der Wunsch geweckt, wie Gott zu werden. „Wenn es Gott gäbe, was gäbe ich darum, ein Gott zu sein“, hat Nitzsche gesagt. All unser Zwiespalt, unser Wissen um Gut und Böse und zugleich die Unfähigkeit, das Gute zu tun, sind Folge dieser Ursünde: Wir wollen mehr sein als uns zusteht. Es gibt Ausleger dieser Geschichte, die sie quasi umdrehen und sagen: Dies ist die notwendige Befreiung des Menschen aus seiner paradiesischen Unmündigkeit. Die Geschichte selbst aber will sagen: Der Mensch hat einen falschen Weg zur Mündigkeit gewählt. Er ist nun mündig, aber zerrissen. Er ist in die Dualität von Gut und Böse, von Schwarz und Weiß geworfen und kann nicht mehr entkommen. Etwas jenseits von Gut und Böse können wir uns nicht mehr vorstellen. Darum brauchen wir Erlösung!

26. April  1.Mose 3, 16 - 20
Zur Frau sprach er: Viel Mühsal bereite ich dir und häufig wirst du schwanger werden. Unter Schmerzen gebierst du Kinder. Nach deinem Mann hast du Verlangen und er wird über dich herrschen. Zum Menschen sprach er: Weil du auf die Stimme deiner Frau gehört und von dem Baum gegessen hast, von dem ich dir geboten hatte, davon nicht zu essen, ist der Erdboden deinetwegen verflucht. Unter Mühsal wirst du von ihm essen alle Tage deines Lebens. Dornen und Disteln lässt er dir wachsen und die Pflanzen des Feldes wirst du essen. Im Schweiße deines Angesichts wirst du dein Brot essen, bis du zum Erdboden zurückkehrst; denn von ihm bist du genommen, Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück. Der Mensch gab seiner Frau den Namen Eva, Leben, denn sie wurde die Mutter aller Lebendigen.

Die Konsequenzen des „Sündenfalls“ sind furchtbar: Mühe, Schmerzen, Tod. Aus positiver Erotik wird ein Verlangen, das die Frau an den Mann bindet, durch das sie sich ihm unterwirft. So wird das Wunderbarste zwischen zwei Menschen zu etwas Problematischen. Und zum Mann wird gesagt: Deinetwegen ist der Erdboden verflucht. Die Schuld des Mannes trifft nicht nur ihn, sondern alles, für das er verantwortlich ist. So ist es bis heute – etwa wenn ein Partner fremd geht und die Ehe zerbricht. Nicht nur die Eheleute tragen an dieser Schuld, auch die Kinder und deren Kinder spüren die Auswirkungen. Und es geht weiter: Auch die Arbeit, die im Paradies eine erfüllende Angelegenheit, ein kreatives Schaffen war, wird nun mühsam. Zuletzt droht der frühe Tod. Nur im letzten Satz klingt ein Trost an. Denn Adam wird durch seine Frau in seinen Nachkommen unsterblich. Wenn wir als Christen glauben, dass durch Jesu Kommen die Folgen des Sündenfalls jetzt schon teilweise aufgehoben sind – was heißt das genauer? Die Herrschaft des Mannes über die Frau – hier erst gibt er ihr den Namen Eva! – ist zu Ende! Erotik kann wieder frei das ausdrücken, was sie sollte. Und die Arbeit kann wieder ein freies schöpferisches Tun werden. Aber erlebe ich diese Freiheiten? Lebe ich sie?

25. April  1.Mose 3, 11 - 15
 Darauf fragte er: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du von dem Baum gegessen, von dem ich dir geboten habe, davon nicht zu essen? Der Mensch antwortete: Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben. So habe ich gegessen. Gott, der HERR, sprach zu der Frau: Was hast du getan? Die Frau antwortete: Die Schlange hat mich verführt. So habe ich gegessen. Da sprach Gott, der HERR, zur Schlange: Weil du das getan hast, bist du verflucht unter allem Vieh und allen Tieren des Feldes. Auf dem Bauch wirst du kriechen und Staub fressen alle Tage deines Lebens. Und Feindschaft setze ich zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen. Er trifft dich am Kopf und du triffst ihn an der Ferse.

So ist das mit der Schuld unter den Menschen: Wir suchen uns andere Schuldige. Es war die Frau! Es war die Schlange! Nur: Das ändert hier nichts am Urteil. Alle drei sind sie schuldig. Zuerst wird das Urteil über die Schlange gesprochen. Sie frisst natürlich keinen Staub, aber sie wird in den Staub erniedrigt. Sie wird nicht vernichtet, sondern zur erbitterten Feindin der Menschheit. Auch das ist ein Bild – denn Schlangen sind unheimliche und gefährliche Wesen, die den Tod bringen. Christliche Theologie hat diesen Kampf zwischen Schlange und Mensch immer als Kampf zwischen Satan und Jesus verstanden: Er wird der Schlange Satan den Kopf zertreten. So gesehen ist die Geschichte ein verborgenes Evangelium: Der Kampf währt nicht ewig, sondern ist mit dem Kommen Jesu zu einem Ende gekommen, die alte Schlange ist besiegt. Da, wo Jesus herrscht, hat das Böse keinen Raum mehr. Aber was heißt „Jesus herrscht“ konkret für mein Leben, meine Familie, meine Gemeinde? Wie kann ich diese Zuversicht leben, dass das Böse besiegt ist? 

24. April  1. Mose 3, 6 - 10
Da sah die Frau, dass es köstlich wäre, von dem Baum zu essen, dass der Baum eine Augenweide war und begehrenswert war, um klug zu werden. Sie nahm von seinen Früchten und aß; sie gab auch ihrem Mann, der bei ihr war, und auch er aß. Da gingen beiden die Augen auf und sie erkannten, dass sie nackt waren. Sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich einen Schurz. Als sie an den Schritten hörten, dass sich Gott, der HERR, beim Tagwind im Garten erging, versteckten sich der Mensch und seine Frau vor Gott, dem HERRN, inmitten der Bäume des Gartens. Aber Gott, der HERR, rief nach dem Menschen und sprach zu ihm: Wo bist du? Er antwortete: Ich habe deine Schritte gehört im Garten; da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin, und versteckte mich.

Da sah die Frau dass es köstlich wäre…da erst! Die Schlage hat sehr geschickt die Aufmerksamkeit auf diese Früchte gelenkt. Es gab ja eine Menge von Bäumen im Garten. In ihrer Vorstellung wird die Frucht dieses Baumes immer köstlicher. Ja, neue Erkenntnis ist ein begehrenswertes Ziel. Der Mensch strebt nach Klugheit, nach tieferer Erkenntnis. Eine Erkenntnis, die gegen das Gebot Gottes gewonnen wird, bietet wirkliche Erkenntnis – aber zu welchem Preis! Sofort ist die Trennung da: Der Mensch flieht vor Gott und verbirgt sich, weil er Gott nicht mehr aushält. Bis heute ruft Gott nach uns Menschen: "Wo bist du? Wo hast du dich verborgen? Welche Schuld trennt dich von mir?" Diese Geschichte will erklären, warum aus dem „Es war sehr gut“ des Anfangs die Welt wurde, die wir heute kennen. Es war die freie Entscheidung des Menschen, gegen das Gebot zu verstoßen. So ist es bis heute – gegen alle Begründungen, die sagen „ich konnte leider nicht anders“. Auch darin besteht die Würde des Menschen, anders zu können, sich entscheiden zu können. 

23.April 1. Mose 3, 1 - 5
Die Schlange war schlauer als alle Tiere des Feldes, die Gott, der HERR, gemacht hatte. Sie sagte zu der Frau: Hat Gott wirklich gesagt: Ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen? Die Frau entgegnete der Schlange: Von den Früchten der Bäume im Garten dürfen wir essen; nur von den Früchten des Baumes, der in der Mitte des Gartens steht, hat Gott gesagt: Davon dürft ihr nicht essen und daran dürft ihr nicht rühren, sonst werdet ihr sterben. Darauf sagte die Schlange zur Frau: Nein, ihr werdet nicht sterben. Gott weiß vielmehr: Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse.

Die Schlange ist hier ein Symbol für etwas Widergöttliches, ein würgendes und verschlingendes Wesen, das Leben auslöscht. Es wir hier noch nicht mit dem Teufel identifiziert. Sie ist von Gott erschaffen und ihre Klugheit wird hervorgehoben. Die Frage nach dem Ursprung des Bösen bleibt im Dunkeln. „Hat Gott wirklich gesagt?“ – damit sät die Schlange Zweifel ins Herz Evas. Zuerst steht das klare Gebot da – dann kommen die Zweifel: Ist das denn wirklich so gemeint? Und dann entsteht eine „alternative Erklärung“. Sie widerspricht ganz klar der ersten Aussage und arbeitet mit einem vermeintlich tieferen Wissen: Ihr habt da etwas nicht richtig verstanden! Oft beginnt der Weg zu einem Handeln gegen das Gebot Gottes mit diesem Zweifel, der das klare Gebot relativiert: Kann das denn so gemeint sein? Niemand kann diese Frage vermeiden, sie ist da, denn die Schlange stellt ja die Frage. Doch wie lautet meine Antwort? Eva verschärft in ihrer Antwort das Gebot: Wir dürfen noch nicht einmal daran rühren. Es könnte sein, dass in dieser Verschärfung schon der Keim für das Brechen des Gebotes liegt: Es erscheint dadurch unsinniger. Die korrekte Antwort wäre gewesen: „Ja, das hat er wirklich gesagt!“ Wo ist es wichtig, bei dem einfachen und schlichten Sinn eines Gebotes zu bleiben?

22.April 1.Mose 2, 18 - 25
Dann sprach Gott, der HERR: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm ebenbürtig ist. Gott, der HERR, formte aus dem Erdboden alle Tiere des Feldes und alle Vögel des Himmels und führte sie dem Menschen zu, um zu sehen, wie er sie benennen würde. Und wie der Mensch jedes lebendige Wesen benannte, so sollte sein Name sein. Der Mensch gab Namen allem Vieh, den Vögeln des Himmels und allen Tieren des Feldes. Aber eine Hilfe, die dem Menschen ebenbürtig war, fand er nicht. Da ließ Gott, der HERR, einen tiefen Schlaf auf den Menschen fallen, sodass er einschlief, nahm eine seiner Rippen und verschloss ihre Stelle mit Fleisch. Gott, der HERR, baute aus der Rippe, die er vom Menschen genommen hatte, eine Frau und führte sie dem Menschen zu. Und der Mensch sprach: Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch. Frau soll sie genannt werden; denn vom Mann ist sie genommen. Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und hängt seiner Frau an und sie werden ein Fleisch. Beide, der Mensch und seine Frau, waren nackt, aber sie schämten sich nicht voreinander.
Gott als Experimentator! Er formt alle möglichen Lebewesen, um eines zu finden, das dem Menschen ebenbürtig ist. Aber nichts funktioniert. Der Mensch gibt ihnen Namen – das heißt, er gewinnt Herrschaft über sie, aber sie sind nicht ebenbürtig. Das gelingt erst, als Gott ein Stück Mensch nimmt und daraus eine Frau formt. Sie entspringt aus seinem Körper. Unterhalb der heute vorhandenen Rippen ist die verletztlichste Stelle des Menschen – der Bauch. Wichtig ist hier vor allem der Begriff „ebenbürtig“. Mann und Frau sind auf Augenhöhe. Adam gibt hier seiner Frau keinen Namen – und Mann wird er erst genannt, seit es die Frau gibt. Sie heißt hebräisch „Ischa“ – und er heißt „Isch“, Mann und Männin. Auch damit soll die Verbundenheit ausgedrückt werden. Und auch der Begriff „Gehilfin“ meint keine Unterordnung, sondern ein helfendes Gegenüber. Der Mann kam alleine einfach nicht klar! Gehen wir wirklich auf Augenhöhe miteinander um?

21.April 1.Mose 2, 8 - 17
Dann pflanzte Gott, der HERR, in Eden, im Osten, einen Garten und setzte dorthin den Menschen, den er geformt hatte. Gott, der HERR, ließ aus dem Erdboden allerlei Bäume wachsen, begehrenswert anzusehen und köstlich zu essen, in der Mitte des Gartens aber den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse. Ein Strom entspringt in Eden, der den Garten bewässert; dort teilt er sich und wird zu vier Hauptflüssen. Der Name des ersten ist Pischon; er ist es, der das ganze Land Hawila umfließt, wo es Gold gibt. Das Gold jenes Landes ist gut; dort gibt es Bdelliumharz und Karneolsteine. Der Name des zweiten Stromes ist Gihon; er ist es, der das ganze Land Kusch umfließt. Der Name des dritten Stromes ist Tigris; er ist es, der östlich an Assur vorbeifließt. Der vierte Strom ist der Eufrat. Gott, der HERR, nahm den Menschen und gab ihm seinen Wohnsitz im Garten von Eden, damit er ihn bearbeite und hüte. Dann gebot Gott, der HERR, dem Menschen: Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, doch vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen; denn am Tag, da du davon isst, wirst du sterben.
Irgendwo nördlich von Euphrat und Tigris war das Paradies! Das ist natürlich Mythologie. Wichtig sind die zwei Bäume: Der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis. Der Baum als mythisches Symbol steht in vielen Religionen für die Weltenordnung, für die Mitte der Welt und ihren von Gott bestimmten Aufbau. Wer vom Baum des Lebens isst, lebt ewig, denn er nimmt göttliche Kraft zu sich. Der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse ist ein sehr zwiespältiges Symbol, das oft mit Sexualität in Verbindung gebracht wird. Denn “Erkennen” heißt im Hebräischen auch sexuelle Vereinigung. Das hieße dann: Wer sich diese Frucht einfach nimmt, verliert den Zugang zum Baum des Lebens und damit zum ewigen Leben. Die ursprüngliche Harmonie wird zerrissen und der Mensch verliert sich an das bloß Materielle. Er fällt aus dem Paradies in die Welt von Gut und Böse, von Schwarz und Weiß, richtig und falsch. Damit soll nicht gesagt sein, dass Sexualität böse ist – sondern dass Fruchtbarkeit als Geschenk Gottes Regeln unterliegt, die den Menschen bewahren sollen. Das Geheimnis der Vereinigung zweier Menschen ist tiefer als ein bloßer “Akt”, es ist das gegenseitige Erkennen und damit das Schöpfen von Leben. 

20.April 1.Mose 2, 4 - 7
Das ist die Geschichte der Entstehung von Himmel und Erde, als sie erschaffen wurden. Zur Zeit, als Gott, der HERR, Erde und Himmel machte, gab es auf der Erde noch keine Feldsträucher und wuchsen noch keine Feldpflanzen, denn Gott, der HERR, hatte es auf die Erde noch nicht regnen lassen und es gab noch keinen Menschen, der den Erdboden bearbeitete, aber Feuchtigkeit stieg aus der Erde auf und tränkte die ganze Fläche des Erdbodens. Da formte Gott, der HERR, den Menschen, Staub vom Erdboden, und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen.
Nun folgt ein zweiter, älterer Bericht. Anders als der erste geht er vom Bild der Wüste aus und stellt den Menschen in den Mittelpunkt. Der Mensch wird von Gott aus Erde (Adama) geformt – darum heißt der erste Mensch Adam, das heißt Erdling. Das, was uns lebendig macht, ist Gottes Atem, die Ruach. Darum heißt es in Psalm 104,29: “Verbirgst du dein Angesicht, sind sie verstört, nimmst du ihnen den Atem, so schwinden sie hin und kehren zurück zum Staub." Sich an die Endlichkeit und Zerbrechlichkeit des Lebens zu erinnern, kann dabei helfen, sich über die eigenen Pläne und Ziele klar zu werden. Was ist wirklich wesentlich? Was bleibt, wenn ich wieder zu Staub werde? “Was bleibt”, sagte Jörg Zink, “ist das, was die Liebenden stiften.” Meine Lebenskraft, meine Kreativität ist “Ruach”, das Geschenk Gottes. Was mache ich damit?

19. April  1.Mose 2, 1 - 3
So wurden Himmel und Erde und ihr ganzes Heer vollendet. Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er gemacht hatte, und er ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk gemacht hatte. Und Gott segnete den siebten Tag und heiligte ihn; denn an ihm ruhte Gott, nachdem er das ganze Werk erschaffen hatte.

Der siebte Tag ist Gott geweiht! In 2.Mose 20 heißt es: “Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig! Sechs Tage darfst du schaffen und all deine Arbeit tun. Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem HERRN, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du und dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin und dein Vieh und dein Fremder in deinen Toren. Denn in sechs Tagen hat der HERR Himmel, Erde und Meer gemacht und alles, was dazugehört; am siebten Tag ruhte er. Darum hat der HERR den Sabbat gesegnet und ihn geheiligt.” Gott selbst gibt uns das Beispiel vor, dass Arbeit begrenzt ist. Es ist die gute Ordnung Gottes, dass wir zur Ruhe kommen sollen. Und wir brauchen dieses Gebot, um uns gegen alle Ansprüche auf unbegrenzte Arbeit zu wehren – gegen andere und gegen unsere eigenen Antreiber in uns. Wie begrenze ich meine Arbeit? Welche Zeiten in meinem Leben sind solche heiligen Ruhezeiten?

18.April  1.Mose 1, 28 - 31
 Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen! Dann sprach Gott: Siehe, ich gebe euch alles Gewächs, das Samen bildet auf der ganzen Erde, und alle Bäume, die Früchte tragen mit Samen darin. Euch sollen sie zur Nahrung dienen. Allen Tieren der Erde, allen Vögeln des Himmels und allem, was auf der Erde kriecht, das Lebensatem in sich hat, gebe ich alles grüne Gewächs zur Nahrung. Und so geschah es. Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Und siehe, es war sehr gut. Es wurde Abend und es wurde Morgen: der sechste Tag.
„Sehr gut!“ heißt es hier zum Abschluss der Schöpfung. Alles steht in einer sinnvollen Ordnung zueinander. Ursprünglich waren die Tiere in dieser Vorstellung keine Nahrung der Menschen. Sie waren Vegetarier. Der “Schöpfungsauftrag” bedeutet nicht, dass wir die Schöpfung ausbeuten dürfen, sondern umgekehrt, dass wir über sie herrschen wie ein Hirte über seine Herde oder ein guter König über sein Volk. Wir sind Gottes Verwalter und Stellvertreter. Gott wird uns eines Tages fragen: Was habt ihr mit meiner Schöpfung gemacht? Wie kann ich heute dieser Verantwortung gerecht werden?  


17.April 1.Mose 1, 24 - 27
Dann sprach Gott: Die Erde bringe Lebewesen aller Art hervor, von Vieh, von Kriechtieren und von Wildtieren der Erde nach ihrer Art. Und so geschah es. Gott machte die Wildtiere der Erde nach ihrer Art, das Vieh nach seiner Art und alle Kriechtiere auf dem Erdboden nach ihrer Art. Gott sah, dass es gut war. Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Bild, uns ähnlich! Sie sollen walten über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere, die auf der Erde kriechen. Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie.
Am sechsten Tag wurden Tiere und Menschen geschaffen. Sie gehören eng zusammen – der Mensch ist biologisch ein höheres Tier. Wir gehören zur Tierwelt, aber wir verhalten uns oft nicht so. Und dann wird zweimal betont: Menschen werden von Gott nach seinem Bilde geschaffen. Das bezieht sich nicht auf das Aussehen, Gott ist kein Opa mit Rauschebart. Sondern auf die Fähigkeit, ein Gegenüber zu sein, in Kontakt zu treten und verantwortlich zu handeln. „Wie groß immer der Unterschied von Mensch zu Mensch ist, die Gottebenbildlichkeit ist ihnen allen Charakter, ist ihnen allen gemeinsam: sie ist es, die den Menschen zum Menschen macht, ihn als Menschen bezeichnet.“ (Leo Baeck). Jeder Mensch ist Gottes Ebenbild und Repräsentant Gottes auf Erden, darin ist die Menschenwürde begründet. Welche Konsequenzen hat das für mein Verhältnis zu meinen Mitmenschen? Setze ich mich dafür ein, dass alle Menschen in Würde leben können? 

16.April 1.Mose 1, 20 - 23

Und Gott sprach: Es wimmle das Wasser von lebendigem Getier, und Vögel sollen fliegen auf Erden unter der Feste des Himmels. Und Gott schuf große Seeungeheuer und alles Getier, das da lebt und webt, davon das Wasser wimmelt, ein jedes nach seiner Art, und alle gefiederten Vögel, einen jeden nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war. Und Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und mehret euch und erfüllet das Wasser im Meer, und die Vögel sollen sich mehren auf Erden. Da ward aus Abend und Morgen der fünfte Tag.
Zum ersten Mal heißt es hier: Gott segnete sie. Mit diesem Segen wird den Lebewesen eine Würde verliehen, nämlich sich selbst zu vermehren. Die Lebewesen können selbst Leben erschaffen, sie haben damit eine göttliche Qualität. Wer zum ersten Mal einen gerade geborenen Menschen in seinen Armen hält, der oder die ahnt plötzlich etwas von dieser Würde. Da ist ein Lebewesen, das es vorher nicht gab und das aufgrund eigener Entscheidung entstanden ist. Dieses "Schöpfungsgefühl" ist überwältigend schön. Darum ist es so wichtig, mit dieser Gabe in allen Bereichen verantwortlich umzugehen – ob es sich um Tiere oder um Mitmenschen handelt. Jedes Lebewesen trägt den Segen Gottes in sich. Empfinde ich diese Ehrfurcht vor dem Leben?

15.April  1.Mose 1, 14 - 19
Und Gott sprach: Es werden Lichter an der Feste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht. Sie seien Zeichen für Zeiten, Tage und Jahre und seien Lichter an der Feste des Himmels, dass sie scheinen auf die Erde. Und es geschah so. Und Gott machte zwei große Lichter: ein großes Licht, das den Tag regiere, und ein kleines Licht, das die Nacht regiere, dazu auch die Sterne. Und Gott setzte sie an die Feste des Himmels, dass sie schienen auf die Erde und den Tag und die Nacht regierten und schieden Licht und Finsternis. Und Gott sah, dass es gut war. Da ward aus Abend und Morgen der vierte Tag.
Absichtsvoll wird hier formuliert: Gott heftet Lampen an das Firmament. die “Lampen” sind in den umgebenden Religionen Götter. So etwa in Ägypten der Sonnengott Re oder seine sichtbare Gestalt Aton. Oder der Gott Shamash in Babylonien. Der Schöpfungsbericht ist wahrscheinlich in Babylonien im Exil verfasst. Welche Provokation gegenüber den Einheimischen dort! “Euer Gott, den ihr verehrt, ist nur eine Lampe, die unser Gott an den Himmel gehängt hat!” Die Botschaft ist: Nichts im Diesseits darf göttliche Verehrung fordern, denn alles ist erschaffen. Die Natur, Sonne, Mond und Sterne sind nicht heilig. Aber sie folgen einer von Gott gesetzten Ordnung. Die Naturgesetze sind nicht zufällig so, wie sie sind. Wir können über ein Weltall staunen, in dem diese Gesetze gelten und sie mathematisch beschreiben. Auch wenn wir das nicht immer begreifen: Die Welt ist verlässlich und nicht chaotisch.

14. April  1.Mose 1, 11 - 13
Dann sprach Gott: Die Erde lasse junges Grün sprießen, Gewächs, das Samen bildet, Fruchtbäume, die nach ihrer Art Früchte tragen mit Samen darin auf der Erde. Und so geschah es. Die Erde brachte junges Grün hervor, Gewächs, das Samen nach seiner Art bildet, und Bäume, die Früchte tragen mit Samen darin nach ihrer Art. Gott sah, dass es gut war. Es wurde Abend und es wurde Morgen: dritter Tag.
Das Bemühen, die Schöpfungsgeschichte mit unseren Erkenntnissen zu harmonisieren, stößt hier auf ein Problem: Wie sollen Pflanzen wachsen, wenn noch gar keine Sonne erschaffen ist? Die Bibel ist kein Naturkundebuch! Jeder Versuch, hier die Bibel zu „retten“ führt zu seltsamen Verrenkungen. Wichtig sind die theologischen Aussagen: Gott hat das alles erschaffen und es ist eine gute Ordnung. Hier am dritten Tag geht es auch um eine Abgrenzung: Alles ist „nach seiner Art“ geschaffen. Die Schöpfung ist ein großartiges Netzwerk von einzelnen „Arten“, die miteinander in Verbindung stehen, aufeinander angewiesen sind, aber sich nicht einfach chaotisch vermischen. Erst allmählich ahnen wir, wie diese Zusammenhänge funktionieren, etwa wie Bäume miteinander kommunizieren. Das könnte uns eine neue Achtung vor der Schöpfung lehren. Wie könnte ich mehr auf Gottes gute Schöpfung achthaben?

13.April 1.Mose 1, 6 - 10
Dann sprach Gott: Es werde ein Gewölbe mitten im Wasser und scheide Wasser von Wasser. Gott machte das Gewölbe und schied das Wasser unterhalb des Gewölbes vom Wasser oberhalb des Gewölbes. Und so geschah es. Und Gott nannte das Gewölbe Himmel. Es wurde Abend und es wurde Morgen: zweiter Tag. Dann sprach Gott: Es sammle sich das Wasser unterhalb des Himmels an einem Ort und das Trockene werde sichtbar. Und so geschah es. Und Gott nannte das Trockene Land und die Ansammlung des Wassers nannte er Meer. Gott sah, dass es gut war.

Hier wird sehr deutlich, dass die Bibel ein anderes Weltbild hat als wir. Das Gewölbe oder „Firmament“ teilt die Urflut in einen Bereich über ihr und einen geschützten Bereich innerhalb des Gewölbes. Dort unten ordnet Gott Wasser und Land. Oberhalb des Firmamentes und rundherum befindet sich die Urflut. Wehe, wenn die Fenster des Himmels geöffnet werden und diese ganze „Kristallglocke“ wie bei Noah vollläuft. (1.Mose 7.11) Ist die Bibel als Wort Gottes damit entwertet? Nein, denn Inspiration, also das Einhauchen der Gedanken Gottes in den Schreiber, geschieht nicht unabhängig von dessen Erkenntnissen und Gedankenwelt, es ist kein ihm unverständliches Diktat. Gott spricht in die Lebenswelt des Schreibers hinein und benutzt seine Bilder und sein begrenztes Verständnis. So ist es heute auch noch: Wenn Gott zu mir spricht, dann lässt er sich auf mein begrenztes Verstehen, meinen kleinen Horizont ein. Gott ist viel größer und weiter als das, was ich über ihn denke und verstehe. Einen Gott, den man sich vorstellen kann, den kann man auch wegstellen. (Bonhoeffer). 

12. April  1.Mose 1, 1 - 5
Im Anfang erschuf Gott Himmel und Erde. Die Erde war wüst und wirr und Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser. Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. Gott sah, dass das Licht gut war. Und Gott schied das Licht von der Finsternis. Und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht. Es wurde Abend und es wurde Morgen: erster Tag.

Es gibt in den Völkern viele Mythologien, in denen die Erschaffung der Welt das Schlachten eines Götterleibes vorangeht, der dann das „Baumaterial“ für die Welt liefert. Nicht so hier. Allein das schöpferische Wort genügt. Wenn wir Gott als Schöpfer von Himmel und Erde bekennen, dann sagen wir damit, dass alle Dinge, die es gibt, in Verbindung zu ihm stehen. Alles – auch die Finsternis, die Urflut und das Chaos – ist von Gott geschaffen, um all das gleich darauf zu ordnen. Dass die Welt so geordnet ist, dass wir sie mit Formeln beschreiben können, die im ganzen Kosmos gelten, ist ein starker Hinweis auf Gott! Die Verse sagen aber auch, dass Finsternis und Chaos nicht ferne von Gott sind: „Finsternis ist nicht finster bei dir“ (Ps.139,12). Auch in meinem Leben lässt Gott das Chaos zu, um es dann sinnvoll zu ordnen und etwas Neues daraus zu schaffen.

11.April  Lukas 24, 36 - 45
Während sie noch darüber redeten, trat er selbst in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Sie erschraken und hatten große Angst, denn sie meinten, einen Geist zu sehen. Da sagte er zu ihnen: Was seid ihr so bestürzt? Warum lasst ihr in eurem Herzen Zweifel aufkommen? Seht meine Hände und meine Füße an: Ich bin es selbst. Fasst mich doch an und begreift: Kein Geist hat Fleisch und Knochen, wie ihr es bei mir seht. Bei diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und Füße. Als sie es aber vor Freude immer noch nicht glauben konnten und sich verwunderten, sagte er zu ihnen: Habt ihr etwas zu essen hier? Sie gaben ihm ein Stück gebratenen Fisch; er nahm es und aß es vor ihren Augen. Dann sagte er zu ihnen: Das sind meine Worte, die ich zu euch gesprochen habe, als ich noch bei euch war: Alles muss in Erfüllung gehen, was im Gesetz des Mose, bei den Propheten und in den Psalmen über mich geschrieben steht. Darauf öffnete er ihren Sinn für das Verständnis der Schriften. 
Die Jünger hatten gerade den  Bericht der Emmausjünger gehört, die Jesus auf dem Weg nach Hause erlebt hatten. Da ist er plötzlich selbst da und sagt: Guten Tag! Denn er verwendet den üblichen Allerweltsgruß in Israel. Wieder weichen die Jünger zurück, sie meinen einen Geist zu sehen. Um jedes Argument in Richtung einer reinen Vision des Auferstandenen zu verhindern, wird das Essen des Fisches geschildert: Seht her, ich bin körperlich hier bei euch. Wie aber kann ein Körper plötzlich auftauchen und wieder verschwinden? Trotz dieser Schilderung bleibt diese Erscheinung im Unbegreiflichen. Es wird auch nirgendwo erklärt, denn nun geht es um die Zukunft: Die Jünger sollen fähig gemacht werden, die Botschaft Jesu in die Welt zu tragen. Und wie immer man sich die Auferstehung vorstellt - sie wurden mehr als fähig, sie brannten für diese Botschaft. Sie ließen sich sogar dafür verbrennen. Das macht man nicht für eine Fake - Erzählung! 

10.April, Lukas 24, 13 - 26
Und siehe, am gleichen Tag waren zwei von den Jüngern auf dem Weg in ein Dorf namens Emmaus, das sechzig Stadien von Jerusalem entfernt ist. Sie sprachen miteinander über all das, was sich ereignet hatte. Und es geschah, während sie redeten und ihre Gedanken austauschten, kam Jesus selbst hinzu und ging mit ihnen. Doch ihre Augen waren gehalten, sodass sie ihn nicht erkannten. Er fragte sie: Was sind das für Dinge, über die ihr auf eurem Weg miteinander redet?
Da blieben sie traurig stehen und der eine von ihnen - er hieß Kleopas - antwortete ihm: Bist du so fremd in Jerusalem, dass du als Einziger nicht weißt, was in diesen Tagen dort geschehen ist? Er fragte sie: Was denn? Sie antworteten ihm: Das mit Jesus aus Nazaret. Er war ein Prophet, mächtig in Tat und Wort vor Gott und dem ganzen Volk. Doch unsere Hohepriester und Führer haben ihn zum Tod verurteilen und ans Kreuz schlagen lassen. Wir aber hatten gehofft, dass er der sei, der Israel erlösen werde.
Man kann sich gut vorstellen, was die zwei Jünger auf ihrem Weg nach Hause geredet haben: Was war das alles? Welcher Sache sind wir da nachgelaufen? Wie konnten wir uns so davon überzeugen lassen? Und was fangen wir jetzt daheim an? So können sie Jesus in dem einsamen Wanderer nicht erkennen. Er ist ihnen nahe und bleibt doch fremd. Wie oft geht es uns so, wenn wir in Sorge und Angst verstrickt sind. Und da ist noch etwas: Auf Jesu Frage erzählen sie, Jesus sei ein Prophet gewesen und habe Israel erlösen wollen. Wie viel haben sie in ihrer Jüngerzeit mitbekommen? Waren sie nicht dabei, als Petrus bekannte: "Du bist der Christus?" Jesus nimmt sich Zeit, ihnen auf dem Weg nochmals die "basics" zu erklären. Da können wir uns selbst ja auch fragen, wieviel von Jesus wir erlebt haben und wieviel wir begriffen haben. 

9.April Lukas 24,1 - 12
 Am ersten Tag der Woche gingen die Frauen mit den wohlriechenden Salben, die sie zubereitet hatten, in aller Frühe zum Grab. Da sahen sie, dass der Stein vom Grab weggewälzt war;  sie gingen hinein, aber den Leichnam Jesu, des Herrn, fanden sie nicht. Und es geschah, während sie darüber ratlos waren, siehe, da traten zwei Männer in leuchtenden Gewändern zu ihnen. Die Frauen erschraken und blickten zu Boden. Die Männer aber sagten zu ihnen: Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden. Erinnert euch an das, was er euch gesagt hat, als er noch in Galiläa war: Der Menschensohn muss in die Hände sündiger Menschen ausgeliefert und gekreuzigt werden und am dritten Tag auferstehen. Da erinnerten sie sich an seine Worte. Und sie kehrten vom Grab zurück und berichteten das alles den Elf und allen Übrigen. Es waren Maria von Magdala, Johanna und Maria, die Mutter des Jakobus, und die übrigen Frauen mit ihnen. Sie erzählten es den Aposteln. Doch die Apostel hielten diese Reden für Geschwätz und glaubten ihnen nicht. Petrus aber stand auf und lief zum Grab. Er beugte sich vor, sah aber nur die Leinenbinden. Dann ging er nach Hause, voll Verwunderung über das, was geschehen war.
Der Bericht der Frauen hat auf die Apostel keinen Eindruck gemacht. "Geschwätz", das ist ihr Urteil. Allein Petrus macht sich auf den Weg, sieht das leere Grab und wundert sich. Aber mehr auch nicht. Es sind zuerst die Frauen, die für dieses unbegreifliche Wunder empfänglich sind. Sie sehen die Lichtgestalten, sie hören sie reden. Wo finden wir uns in all dem wieder? Bei den Aposteln und ihrem Urteil, das sie verschließt? Oder bei den Frauen, denen die Augen geöffnet sind? Begreifen können wir das, was damals geschehen ist, nicht. Aber die Berichte, die wir haben - auch die über die späteren Erlebnisse der Apostel - sprechen immer wieder von der unbegreifbaren Gestalt des Auferstandenen. Jesus Christus lebt in einer anderen Dimension, einer neuen Seinsweise. Wir sollten ihn nicht mehr in toten Dingen oder Gräbern suchen, denn er lebt und wir werden mit ihm leben. Heraus aus allen menschlichen Gräbern und Ihm hinterher! 

8.April Lukas 23, 44 -  49 
Es war schon um die sechste Stunde, als eine Finsternis über das ganze Land hereinbrach - bis zur neunten Stunde. Die Sonne verdunkelte sich. Der Vorhang im Tempel riss mitten entzwei. Und Jesus rief mit lauter Stimme: Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist. Mit diesen Worten hauchte er den Geist aus.  Als der Hauptmann sah, was geschehen war, pries er Gott und sagte: Wirklich, dieser Mensch war ein Gerechter.  Und alle, die zu diesem Schauspiel herbeigeströmt waren und sahen, was sich ereignet hatte, schlugen sich an die Brust und gingen weg. Alle seine Bekannten aber standen in einiger Entfernung, auch die Frauen, die ihm von Galiläa aus nachgefolgt waren und die dies mit ansahen.
Der Tod Jesu war ein einschneidendes, unheimliches Geschehen. Die Zuschauer, die sich das "Schauspiel" ansehen wollten, waren tief betroffen und wurden sich der eigenen Schuld bewusst. Ein Hauptmann der Römer erkennt in ihm einen Gerechten. Es war etwas geschehen, was die Zuschauer nicht begreifen konnten. Und dann zerreißt der schwere, 18 Meter hohe Vorhang vor dem Allerheiligsten im Tempel. So etwas kam vor, weil ja Tag für Tag Blut des Opfertiers auf ihn gespritzt wurde. Jedes Jahr musste ein neuer Vorhang hergestellt werden. Aber hier hat diese Bemerkung tiefe Bedeutung: Im Tod Jesu fällt die Schranke zwischen Gott und Mensch, der Weg zu Gott ist frei. Durch sein Opfer sind alle anderen Opfer abgelöst und unnötig geworden. Wer auf Jesus vertraut, hat den freien Zugang zu Gott, seinem Vater. 

7.April Lukas 23. 26 - 43
 Als sie Jesus hinausführten, ergriffen sie Simon, einen Mann aus Kyrene, der gerade vom Feld kam. Ihm luden sie das Kreuz auf, damit er es hinter Jesus hertrage. Es folgteihm eine große Menge des Volkes, darunter auch Frauen, die um ihn klagten und weinten.  Jesus wandte sich zu ihnen um und sagte: Töchter Jerusalems, weint nicht über mich; weint vielmehr über euch und eure Kinder! Denn siehe, es kommen Tage, da wird man sagen: Selig die Frauen, die unfruchtbar sind, die nicht geboren und nicht gestillt haben. Dann wird man zu den Bergen sagen: Fallt auf uns! und zu den Hügeln: Deckt uns zu!  Denn wenn das mit dem grünen Holz geschieht, was wird dann erst mit dem dürren werden? Zusammen mit Jesus wurden auch zwei Verbrecher zur Hinrichtung geführt. Sie kamen an den Ort, der Schädelhöhe heißt; dort kreuzigten sie ihn und die Verbrecher, den einen rechts von ihm, den andern links. Jesus aber betete: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun! Um seine Kleider zu verteilen, warfen sie das Los.  Das Volk stand dabei und schaute zu; auch die führenden Männer verlachten ihn und sagten: Andere hat er gerettet, nun soll er sich selbst retten, wenn er der Christus Gottes ist, der Erwählte.  Auch die Soldaten verspotteten ihn; sie traten vor ihn hin, reichten ihm Essig und sagten: Wenn du der König der Juden bist, dann rette dich selbst! Über ihm war eine Aufschrift angebracht: Das ist der König der Juden.  Einer der Verbrecher, die neben ihm hingen, verhöhnte ihn: Bist du denn nicht der Christus? Dann rette dich selbst und auch uns! Der andere aber wies ihn zurecht und sagte: Nicht einmal du fürchtest Gott? Dich hat doch das gleiche Urteil getroffen.  Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Dann sagte er: Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst! Jesus antwortete ihm: Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.

Es ist viel gesagt und geschrieben worden über den ungerechten Prozess und das Hin und Her der Verantwortlichen. Für uns ist vor allem wichtig, wie Jesus sich verhält. Einmal erneuert er seine Weissagung über Jerusalem: Wie wird es dieser Stadt ergehen, wenn sie mir so etwas antun? Und dann trägt ihn immer noch die Überzeugung, dass ihm der Himmel offen steht. Er zweifelt nicht, dass er im Sinne seines Vaters handelt. Auch gegenüber einem reuigen Verbrecher hält seine Liebe durch. Auf die Verhöhnung von allen Seiten schweigt er. Wie naheliegend, sie alle miteinander zu verfluchen, aber Jesus schweigt. Wie gut, ihm nachfolgen zu können! 

6.April Lukas 22, 47 - 53
 Noch während er redete, siehe, da kam eine Schar Männer; und der Judas hieß, einer der Zwölf, ging ihnen voran. Er näherte sich Jesus, um ihn zu küssen. Jesus aber sagte zu ihm: Judas, mit einem Kuss lieferst du den Menschensohn aus? Als seine Begleiter merkten, was bevorstand, fragten sie: Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen? Und einer von ihnen schlug auf den Diener des Hohepriesters ein und hieb ihm das rechte Ohr ab. Da sagte Jesus: Lasst es! Nicht weiter! Und er berührte das Ohr und heilte den Mann. Zu den Hohepriestern aber, den Hauptleuten der Tempelwache und den Ältesten, die vor ihm standen, sagte Jesus: Wie gegen einen Räuber seid ihr mit Schwertern und Knüppeln ausgezogen. Tag für Tag war ich bei euch im Tempel und ihr habt nicht Hand an mich gelegt. 
Die Situation schrammt hart an einer Katastrophe vorbei. Denn die Jünger, die jetzt erst merken, "was bevorstand", greifen zum Schwert. Offenbar haben zwei Jünger vorgesorgt. Jetzt ist die Stunde des Aufstands! Nein, sagt Jesus, nicht weiter. Mit der Heilung des Knechtes beruhigt er die aufgeladene Situation. Und geschildert das natürlich auch, um nochmals deutlich zu machen: Ihr nehmt hier einen fest, der Leute geheilt und befreit hat! Sie behandeln ihn wie einen gemeinen Räuber. Wieso haben die Jünger trotz Jesu Ankündigungen das nicht sehen können, wieso sind sie so überrascht? Sie haben die Hoffnung auf einen Volksaufstandes im Kopf. Das verunmöglicht es ihnen, sich vorzustellen, Jesus würde "einfach so" verhaftet. Wer seine eigenen Vorstellungen im Kopf hat, dem fällt es schwer, Jesu Worte zu begreifen. 

5.April  Lukas 22, 39 - 46
Dann verließ Jesus die Stadt und ging, wie er es gewohnt war, zum Ölberg; seine Jünger folgten ihm. Als er dort war, sagte er zu ihnen: Betet, dass ihr nicht in Versuchung geratet! Dann entfernte er sich von ihnen ungefähr einen Steinwurf weit, kniete nieder und betete:  Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen. Da erschien ihm ein Engel vom Himmel und stärkte ihn. Und er betete in seiner Angst noch inständiger und sein Schweiß war wie Blut, das auf die Erde tropfte. Nach dem Gebet stand er auf, ging zu den Jüngern zurück und fand sie schlafend; denn sie waren vor Kummer erschöpft. Da sagte er zu ihnen: Wie könnt ihr schlafen? Steht auf und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet!

"Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir!" Schon seit einiger Zeit ist Jesus klar, was es für ihn bedeutet, nach Jerusalem zu gehen. Sein Leben wird zum Opfer zur Ablösung des täglichen Opfers, das im Tempel dargebracht wird. Aber gibt es nicht doch einen anderen Weg? Wird dieses Opfer etwas bewirken? Werden die Menschen begreifen? Da ist es doppelt schwer für ihn, dass seine engsten Freunde lieber schlafen. Lukas schreibt, sie seien vor Kummer erschöpft. Gegen die Versuchung der Resignation hilft es, den direkten Kontakt zu Gott zu suchen. Betet! Hier ist Jesus ganz Mensch, schwach, zweifelnd und angewiesen auf die Nähe seines Vaters. Seine Nachfolger sind in dieser Nacht noch nicht fähig, diese Nähe zu suchen.  Sie haben es später in Verfolgungen gelernt.

4.April Lukas 22, 24 - 30
Es entstand unter ihnen ein Streit darüber, wer von ihnen wohl der Größte sei. Da sagte Jesus zu ihnen: Die Könige herrschen über ihre Völker und die Vollmacht über sie haben, lassen sich Wohltäter nennen.  Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern der Größte unter euch soll werden wie der Jüngste und der Führende soll werden wie der Dienende.  Denn wer ist größer: Der bei Tisch sitzt oder der bedient? Ist es nicht der, der bei Tisch sitzt? Ich aber bin unter euch wie der, der bedient.  Ihr aber habt in meinen Prüfungen bei mir ausgeharrt.  Darum vermache ich euch das Reich, wie es mein Vater mir vermacht hat: Ihr sollt in meinem Reich an meinem Tisch essen und trinken und ihr sollt auf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten.

Haben wir richtig gelesen? Direkt nach dem Abendmahl diskutieren die Jünger die Frage, wer der Größte ist! Ja, haben die denn gar nichts mitbekommen? Oder will uns Lukas durch diese Zusammenstellung zeigen, dass die Nachfolger Jesu nichts kapiert haben? Nein, ich denke, es ist genauso bei uns Menschen. Wir haben in den heiligsten Momenten die unheiligsten Gedanken. Wir haben Abgründe und finstere Ecken in uns. Was ich wirklich bemerkenswert finde, ist die Reaktion Jesu. Er könnte doch verletzt und maßlos enttäuscht sein! "Seid ihr noch ganz bei Trost, euch jetzt mit so etwas zu beschäftigen? Ja, merkt ihr denn nicht, wie es mir geht??" - Das hätte er sagen können. Stattdessen lehrt er sie voller Geduld und weist auf sein Beispiel hin. "Ich bin der, der euch bedient, jetzt in diesem Moment." Das heißt: Er gibt sie nicht auf, auch jetzt nicht. Und weil er um ihre Schwäche weiß, gibt er ihnen ein Zukunftsbild mit, damit sie bei dem, was nun kommt, nicht aufgeben. So geht Jesus mit Abgründen um - auch mit meinen. 

3.April Lukas 22, 14 - 23
Als die Stunde gekommen war, legte er sich mit den Aposteln zu Tisch. Und er sagte zu ihnen: Mit großer Sehnsucht habe ich danach verlangt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen. Denn ich sage euch: Ich werde es nicht mehr essen, bis es seine Erfüllung findet im Reich Gottes. Und er nahm einen Kelch, sprach das Dankgebet und sagte: Nehmt diesen und teilt ihn untereinander! Denn ich sage euch: Von nun an werde ich nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken, bis das Reich Gottes kommt. Und er nahm Brot, sprach das Dankgebet, brach es und reichte es ihnen mit den Worten: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis! Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sagte: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird. Doch siehe, die Hand dessen, der mich ausliefert, ist mit mir am Tisch. Der Menschensohn muss zwar den Weg gehen, der ihm bestimmt ist. Aber weh dem Menschen, durch den er ausgeliefert wird! Da fragte einer den andern, wer von ihnen das wohl sei, der dies tun werde.

Die Worte des Abendmahls sind uns sehr vertraut. Doch die Atmosphäre dieses letzten Mahles Jesu ist eine andere als bei unseren Feiern. Es ist eine gedrückte Stimmung voller böser Vorahnung. "Vor meinem Leiden", "ich werde nicht mehr essen, nicht mehr trinken." Die Apostel werden diese Worte mit Entsetzen vernommen haben. Oder haben sie gar nicht begriffen, was Jesus hier ankündigt? Haben sie immer noch nicht erfasst, welchen Weg Jesus nun nehmen wird? Begreife ich es, in welcher Not sich Jesus befindet und warum seine Sehnsucht so groß ist, dieses Mahl mit denen zu feiern, die seine Nächsten sind? Wer das Abendmahl nimmt, der und die nimmt teil an dieser Not, am Schmerz über den Verrat und der Angst vor dem kommenden Kreuz. Wenn ich es zulasse, kann ich Jesus darin nahe sein - über alle Zeiten hinweg. 

2.April  Lukas 22,1 - 6
 Das Fest der Ungesäuerten Brote, das Pascha genannt wird, war nahe. Und die Hohepriester und die Schriftgelehrten suchten nach einer Möglichkeit, Jesus zu beseitigen; denn sie fürchteten sich vor dem Volk.
Da fuhr der Satan in Judas, genannt Iskariot, der zu den Zwölf gehörte.  Judas ging zu den Hohepriestern und den Hauptleuten und beriet mit ihnen, wie er Jesus an sie ausliefern könnte. Da freuten sie sich und kamen mit ihm überein, ihm Geld zu geben. Er sagte zu und suchte nach einer günstigen Gelegenheit, ihn an sie auszuliefern, ohne dass das Volk es merkte.
Es ist ein bleibendes Rätsel, warum Judas zum Verräter wurde. War er enttäuscht, weil Jesus nicht zum Aufstand und zu den Waffen rief? Wollte er Jesus in eine Situation bringen, in der er sich offenbaren und seine Macht zeigen musste? Wie auch immer - es ist verstörend, dass ein Jünger, der die Bergpredigt live erlebt hat, der die Wunder gesehen hat und Tag für Tag mit Jesus zusammen war, zu den Feinden überläuft.  Das enthält eine ernste Warnung: Frömmigkeit schützt nicht vor falschen Wegen. Im dunklen Winkel unseres Herzens können sich Dinge entwickeln, die irgendwann außer Kontrolle geraten. Dagegen hilft eine ehrliche Auseinandersetzung mit meinen privaten Gedanken. Halten sie das Licht der Botschaft Jesu aus?  Wer im Licht Gottes lebt, in den fährt nicht der Satan. 

1.April  Lukas 21, 20 - 24
Wenn ihr aber seht, dass Jerusalem von Heeren eingeschlossen wird, dann erkennt ihr, dass seine Verwüstung bevorsteht. Dann sollen die Bewohner von Judäa in die Berge fliehen; wer in der Stadt ist, soll sie verlassen, und wer auf dem Land ist, soll nicht in die Stadt gehen. Denn das sind die Tage der Vergeltung, damit alles in Erfüllung geht, was geschrieben steht. Wehe den Frauen, die in jenen Tagen schwanger sind oder ein Kind stillen! Denn große Bedrängnis wird über das Land hereinbrechen und Zorn über dieses Volk. Mit scharfem Schwert wird man sie erschlagen, als Gefangene wird man sie zu allen Völkern schleppen und Jerusalem wird von den Völkern zertreten werden, bis die Zeiten der Völker sich erfüllen.

Viele Theologen nehmen diese Prophetie als Beleg dafür, dass Lukas sein Evangelium nach der Zerstörung Jerusalems geschrieben hat, also als eine "Voraussage nach der Erfüllung". Man sollte Jesus schon zutrauen, dass er die Zeichen der Zeit deuten konnte.  Hier sind ähnliche Worte zu lesen wie einst beim Propheten Jeremia. Jesus blickt in eine Zeit etwa 40 Jahre nach seinem Tod. Welche Zeichen der Zeit haben wir heute zu deuten? Was wird in unserer Zeit kommen? Nur ein Gedanke dazu: Damals haben die Verantwortlichen den Kopf geschüttelt und gesagt: "Das wird nicht geschehen, wir machen gute Politik mit den Römern. Wer soll uns zerstören?"  Und heute? Was auch immer an Überraschendem kommen mag, Gott hat diese Welt in seiner Hand. Er hat uns in seiner Hand. 


31.März Lukas 21, 8 - 13
 Er sprach: Gebt Acht, dass man euch nicht irreführt! Denn viele werden unter meinem Namen auftreten und sagen: Ich bin es! und: Die Zeit ist da. - Lauft ihnen nicht nach!  Wenn ihr von Kriegen und Unruhen hört, lasst euch nicht erschrecken! Denn das muss als Erstes geschehen; aber das Ende kommt noch nicht sofort. Dann sagte er zu ihnen: Volk wird sich gegen Volk und Reich gegen Reich erheben. Es wird gewaltige Erdbeben und an vielen Orten Seuchen und Hungersnöte geben; schreckliche Dinge werden geschehen und am Himmel wird man gewaltige Zeichen sehen. Aber bevor das alles geschieht, wird man Hand an euch legen und euch verfolgen. Man wird euch den Synagogen und den Gefängnissen ausliefern, vor Könige und Statthalter bringen um meines Namens willen. Dann werdet ihr Zeugnis ablegen können.
Jesus und seine Nachfolger haben das Ende der Welt erwartet. Wir blicken mit einem Abstand von 2000 Jahren auf diese Aussagen. Das, was Jesus hier ankündigt, ist wieder und wieder geschehen. Aber das Ende kam nicht. Soll das heißen, es geht immer so weiter? Da heißt es: "Gebt acht, dass man euch nicht irreführt!" Das tun nicht nur die, die heute verkünden, das Ende sei sehr nahe. Sondern auch die, die verkünden, es gäbe gar kein Ende. Gottes Zeit ist nicht unsere Zeit. Einmal aber wird diese ganze Geschichte enden. Die Welt wird verwandelt werden in die Welt, die Gott ursprünglich gewollt hat. Hat das eine Bedeutung für uns? Ändern sich dadurch unsere Lebensperspektive, unsere Ziele und Lebensführung? 

30.März Lukas 21, 1 - 4
Er blickte auf und sah, wie die Reichen ihre Gaben in den Opferkasten legten. Er sah aber auch eine arme Witwe, die dort zwei kleine Münzen hineinwarf.  Da sagte er: Wahrhaftig, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr hineingeworfen als alle anderen. Denn sie alle haben nur etwas von ihrem Überfluss hineingeworfen; diese Frau aber, der es am Nötigsten mangelt, hat ihren ganzen Lebensunterhalt hergegeben.
Die Gelder, die in die Opferbehälter eingelegt wurden, dienten zur Bezahlung von Opfern im Tempel. Vermutlich handelt es sich in dieser Begebenheit um den Kasten für Leute, die sich selbst keine Opferbezahlung leisten konnten. Die Witwe sorgt sich also um das Heil anderer Menschen. Und sie spürt ihren Verzicht ganz unmittelbar.  Einen solchen Verzicht leistet nur der, der von der Notwendigkeit der Sache überzeugt ist. Es geht nicht darum, "dass es weh tut", wie manche sagen. Es tut nicht weh, wenn jemand von der Richtigkeit überzeugt ist.  Wo gehe ich selbst über das normale Maß des Opferns hinaus - sei es beim Geld, bei meiner Zeit oder meiner Kraft?  Warum? 

29.März Lukas 20, 27 - 36
 Von den Sadduzäern, die bestreiten, dass es eine Auferstehung gibt, kamen einige zu Jesus und fragten ihn:  Meister, Mose hat uns vorgeschrieben: Wenn ein Mann, der einen Bruder hat, stirbt und eine Frau hinterlässt, ohne Kinder zu haben, dann soll sein Bruder die Frau nehmen und seinem Bruder Nachkommen verschaffen. Nun lebten einmal sieben Brüder. Der erste nahm sich eine Frau, starb aber kinderlos.  Da nahm sie der zweite, danach der dritte und ebenso die anderen bis zum siebten; sie alle hinterließen keine Kinder, als sie starben.  Schließlich starb auch die Frau. Wessen Frau wird sie nun bei der Auferstehung sein? Alle sieben haben sie doch zur Frau gehabt. Da sagte Jesus zu ihnen: Die Kinder dieser Welt heiraten und lassen sich heiraten. Die aber, die gewürdigt werden, an jener Welt und an der Auferstehung von den Toten teilzuhaben, heiraten nicht, noch lassen sie sich heiraten. Denn sie können auch nicht mehr sterben, weil sie den Engeln gleich und als Kinder der Auferstehung zu Kindern Gottes geworden sind.
Kinder der Auferstehung! Das ist Jesu Perspektive. Nicht nur, dass er seine Auferstehung erwartet, seine Hoffnung geht über sein eigenen Schicksal hinaus und umfasst alle, die sich mit ihm verbinden. Dort in der neuen Welt Gottes herrschen ganz andere Gesetze als in dieser Welt.  Jesus malt das nirgendwo aus, aber er lebt in dieser Hoffnung. Vielleicht hat Lukas dieses Gespräch bewahrt, weil in seiner Zeit nach Ostern allmählich Christen gestorben sind, die doch auf die Wiederkunft Jesu warteten.  Welche Antwort konnte er den Hinterbliebenen geben? Sie lautet: Ihr seid Kinder der Auferstehung und werdet Anteil an seiner Auferstehung haben.  Gibt mir das Hoffnung über meinen eigenen Tod hinaus? Habe ich eine Vorstellung vom Himmel als dem Ort, an dem ich leben werde? 

28. März Lukas 20, 20 - 26
Daher lauerten sie ihm auf und schickten Spitzel, die so tun sollten, als wären sie selbst gerecht, um ihn bei einer Äußerung zu ertappen. Denn sie wollten ihn der Gerichtsbarkeit des Statthalters übergeben.
Und sie fragten ihn: Meister, wir wissen, dass du aufrichtig redest und lehrst und nicht auf die Person siehst, sondern wahrhaftig den Weg Gottes lehrst. Ist es uns erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen, oder nicht?
 Er aber durchschaute ihre Hinterlist und sagte zu ihnen:
 Zeigt mir einen Denar! Wessen Bild und Aufschrift sind darauf? Sie antworteten: Die des Kaisers.
 Da sagte er zu ihnen: Dann gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!
So gelang es ihnen nicht, ihn bei einer Äußerung vor dem Volk zu ertappen. Sie waren über seine Antwort verwundert und schwiegen.

Die Hinterlist  besteht darin, dass Jesus, wie er auch antwortet, Ärger bekommt. Sagt er, man müsse Steuern bezahlen, dann gilt er im Volk als Römerfreund und Verräter. Sagt er, man müsse es nicht, kann er bei den Römern angezeigt werden.  Was also tun? Jesu Antwort ist radikal: Das Geld könnt ihr getrost dem Kaiser geben, es gehört ihm ja. aber was gehört Gott? Alles! Das Leben und alles, was Leben ausmacht. Die Nachfolger Jesu sollen ihr Leben Gott weihen - ihren Besitz können sie dem Kaiser überlassen.  Was bedeutet das für uns? Klar, wir zahlen Steuern und Abgaben. Aber wirklich wesentlich ist das, was unser Leben ausmacht. Es gehört Gott. So hat Jesus in seiner Antwort eine Fangfrage in einen Aufruf zur Nachfolge verwandelt.  Wir können uns fragen, was heute "Dem Staat gehört" und was in unserem Leben die wesentlichen Dinge sind, die Gott gehören: Meine Zeit, mein Einsatz, meine Liebe...Wo kreise ich noch zu sehr um Dinge, die "zum Kaiser gehören?"

27.März Lukas 20, 9 - 19
Er erzählte dem Volk dieses Gleichnis: Ein Mann legte einen Weinberg an, verpachtete ihn an Winzer und reiste für längere Zeit in ein anderes Land.  Als nun die Zeit dafür gekommen war, schickte er einen Knecht zu den Winzern, damit sie ihm seinen Anteil an der Frucht des Weinbergs geben sollten. Die Winzer aber prügelten ihn und jagten ihn mit leeren Händen fort. Darauf schickte er einen anderen Knecht; auch ihn prügelten und entehrten sie und jagten ihn mit leeren Händen fort. Er schickte noch einen dritten Knecht; aber auch ihn schlugen sie blutig und warfen ihn hinaus. Da sagte der Herr des Weinbergs: Was soll ich tun? Ich will meinen geliebten Sohn schicken. Vielleicht werden sie vor ihm Achtung haben. Als die Winzer den Sohn sahen, überlegten sie und sagten zueinander: Das ist der Erbe; wir wollen ihn umbringen, damit das Erbe uns gehört. Und sie warfen ihn aus dem Weinberg hinaus und brachten ihn um. Was wird nun der Herr des Weinbergs mit ihnen tun? Er wird kommen und diese Winzer vernichten und den Weinberg anderen geben Als sie das hörten, sagten sie: Das darf nicht geschehen!  Da sah Jesus sie an und sagte: Was bedeutet dieses Schriftwort: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden? Jeder, der auf diesen Stein fällt, wird zerschellen; auf wen der Stein aber fällt, den wird er zermalmen. Die Schriftgelehrten und die Hohepriester hätten gern noch in derselben Stunde Hand an ihn gelegt; aber sie fürchteten das Volk. Denn sie hatten gemerkt, dass er sie mit diesem Gleichnis meinte.
Ein normaler Vorgang wird zum Gleichnis. Pachtwesen und das Errichten von Pachtzinsen war Alltag im Land. Doch hier geschieht Unerhörtes: Die Pächter weigern sich, die Pacht zu bezahlen. Das heißt: Sie sind von vorneherein im Unrecht.  Und noch schlimmer: Sie begehen einen Mord. Als in der Geschichte das Vernichtungsurteil ergeht, rufen die Zuhörer: 
"Das darf nicht geschehen!" Was meinen sie damit?  Die Aburteilung der Winzer oder die ganze Geschichte?  Nun
 zitiert Jesus Psalm 118 und macht klar:  Ihr seid die Leute, die immer schon die Boten Gottes verfolgt habt - und nun weigert ihr euch, den Sohn des Höchsten zu hören.  Der Eckstein ist der Stein, nach dem das ganze Bauwerk ausgerichtet ist.  Jesus ist dieser Eckstein, aber sie haben ihn verworfen.  An ihrem Umgang mit Jesus entscheidet sich ihr Schicksal.  Wer ist Jesus für mich?  Der Eckstein, an dem ich mich ausrichten lasse? Ein Stein unter vielen? Das Fundament meines Lebens? Gelingen und Scheitern meines Lebens steht auf dem Spiel. 

26. März  Lukas 20, 1 - 8
 Und es geschah: Eines Tages lehrte Jesus im Tempel das Volk und verkündete das Evangelium, da kamen die Hohepriester und die Schriftgelehrten mit den Ältesten hinzu und fragten ihn: Sag uns: In welcher Vollmacht tust du das? Wer hat dir diese Vollmacht gegeben? Er antwortete ihnen: Auch ich will euch eine Frage stellen. Sagt mir: Stammte die Taufe des Johannes vom Himmel oder von den Menschen?  Da überlegten sie und sagten zueinander: Wenn wir antworten: Vom Himmel!, so wird er sagen: Warum habt ihr ihm dann nicht geglaubt?  Wenn wir aber antworten: Von den Menschen!, dann wird das ganze Volk uns steinigen; denn sie sind überzeugt, dass Johannes ein Prophet ist. Darum antworteten sie: Wir wissen nicht, woher.  Jesus erwiderte ihnen: Dann sage auch ich euch nicht, in welcher Vollmacht ich das tue.
Eine direkte ehrliche Antwort hätte Jesus in große Schwierigkeiten gebracht. Er hätte sich als Messias "outen" müssen und man hätte ihm den Prozess machen können.  Doch Jesus lässt sich nicht zu etwas drängen, zu dem er noch nicht bereit ist. Er stellt eine Gegenfrage und bringt seine Gegner in Verlegenheit.  Was kann man daraus lernen? Wir müssen nicht denen gehorchen, die uns in Schwierigkeiten bringen wollen. Wir sind nicht jedem eine Antwort schuldig, wenn diese Antwort uns nur Probleme bringt. Auch die Gegner Jesu vermeiden ja Antworten, die ihnen nur Schwierigkeiten einbringen.  Menschen dürfen nicht darüber bestimmen, ob und wann ich etwas äußere! 

25.März Jeremia 17, 5 - 8
 So spricht der HERR: Verflucht der Mensch, der auf Menschen vertraut, auf schwaches Fleisch sich stützt und dessen Herz sich abwendet vom HERRN. Er ist wie ein Strauch in der Steppe,  der nie Regen kommen sieht; er wohnt auf heißem Wüstenboden,  im Salzland, das unbewohnbar ist. Gesegnet der Mensch, der auf den HERRN vertraut und dessen Hoffnung der HERR ist. Er ist wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist / und zum Bach seine Wurzeln ausstreckt: Er hat nichts zu fürchten, wenn Hitze kommt; seine Blätter bleiben grün; auch in einem trockenen Jahr ist er ohne Sorge, er hört nicht auf, Frucht zu tragen.
Steppenstrauch gegen Baum!  Dürre Blätter gegen gute Früchte!  Welchem Bild gleicht mein Leben? Komme ich gerade noch so über die Runden oder ist mein Leben voll guter Ergebnisse? Der Unterschied, sagt Jeremia, liegt im Vertrauen. Wenn mein Ehepartner, meine Kinder oder meine Freunde zu meiner Lebensgrundlage werden, dann gründe ich mein Leben auf schwankenden Boden. Denn Menschen können meine tiefsten Bedürfnisse nicht erfüllen, das kann nur der, der das Leben geschaffen hat. Wer an ihm bleibt, ist am Strom des Lebens und die Früchte wachsen von selbst. Was heißt es für mich heute konkret, meine Hoffnung auf Gott zu setzen? 

24.März Jeremia 16, 14 - 15 19 - 21
Darum siehe, Tage kommen - Spruch des HERRN -, da sagt man nicht mehr: So wahr der HERR lebt, der die Söhne Israels aus dem Land Ägypten heraufgeführt hat!, sondern: So wahr der HERR lebt, der die Söhne Israels aus dem Nordland und aus allen Ländern, in die er sie verstoßen hatte, heraufgeführt hat. Ich bringe sie zurück in ihr Heimatland, das ich ihren Vätern gegeben habe. 
HERR, meine Kraft und meine Burg, meine Zuflucht am Tag der Not!  Zu dir kommen Völker von den Enden der Erde und sagen: Nur Trug erbten unsre Väter,  Wahngebilde, die nichts nützen.  Kann ein Mensch sich denn Götter machen? -  Doch Götter sind es dann nicht!  Darum siehe, ich bringe sie zur Erkenntnis;  diesmal bringe ich sie zur Erkenntnis meiner Macht und meiner Stärke und sie werden erkennen, dass mein Name HERR ist.

Nach kapitellangen Anklagen und Gerichtsdrohungen kommt plötzlich ein Ausblick: Der Weg des Volkes Israel ist doch nicht zu Ende.  Die Zeit der Strafe und des Leidens wird eines Tages vorbei sein. Diese Zeit bringt noch eine andere Frucht: Die umliegenden Völker werden Gott erkennen. Sie werden sich von ihren falschen Göttern trennen und sich dem wahren Gott zuwenden. Das ist für viele Millionen Menschen weltweit in Erfüllung gegangen. Darin liegt eine wichtige Erkenntnis: Gott kann - und will! - eine Zeit des Leidens zum Segen werden lassen. Die schließliche Rettung des Volkes wird zum Segen für die Völker.  Können Dinge, an denen ich leide - und die ich vielleicht als strafe empfinde - mir am Ende zum Segen werden? 

23. März  Jeremia 13, 1 - 9
 So hat der HERR zu mir gesagt: Geh, kauf dir einen Schurz aus Leinen und leg ihn dir um die Hüften, aber tauch ihn nicht ins Wasser!  Da kaufte ich den Schurz nach dem Wort des HERRN und legte ihn mir um die Hüften. Nun erging das Wort des HERRN zum zweiten Mal an mich; er sagte:  Nimm den gekauften Schurz, den du um die Hüften trägst! Mach dich auf, geh an den Eufrat und verbirg ihn dort in einer Felsspalte!  Ich ging hin und verbarg ihn am Eufrat, wie mir der HERR befohlen hatte. Nach längerer Zeit sprach der HERR zu mir: Mach dich auf, geh an den Eufrat und hol von dort den Schurz, den ich dir dort zu verbergen aufgetragen habe! Da ging ich zum Eufrat, grub und nahm den Schurz von der Stelle, wo ich ihn verborgen hatte. Und siehe: Der Schurz war verdorben, zu nichts mehr zu gebrauchen.  Nun erging das Wort des HERRN an mich:  So spricht der HERR: Ebenso verderbe ich den Hochmut Judas und den großen Hochmut Jerusalems.
Diese prophetische Handlung findet ganz bewusst am Euphrat statt, dem Fluss, an dem bald die Einwohner Jerusalems sitzen und weinen werden (on the rivers of Babylon...). So wie dieser Schurz verdirbt, wird das Volk verderben. Es ist auch bei uns öfters so, dass ein ganz natürlicher Ablauf  oder eine alltägliche Handlung plötzlich transparent wird für eine dahinterliegende Wahrheit.  So kann es bei der Betrachtung einer Landschaft oder einer Tätigkeit geschehen, dass plötzlich dieser Gedanke kommt:  Das was ich gerade sehe, ist mir wie ein Gleichnis für das Handeln Gottes oder für eine tiefere Wahrheit. Um das zu erleben und zu hören, ist Aufmerksamkeit nötig.  Viele Dinge können mir so mitten im Alltag zum Sprachrohr Gottes werden. Und dann sehe ich nicht mehr das verrottete Stück Stoff, sondern die Aussage dahinter. Was wird dir durchscheinend für Gottes Reden? 

22.März  Jeremia 12, 14 - 17
So spricht der HERR über alle meine bösen Nachbarn, die das Erbteil antasten, das ich meinem Volk Israel zum Erbe gegeben habe: Siehe, ich reiße sie von ihrem Boden aus; doch auch das Haus Juda reiße ich aus ihrer Mitte. Und es wird sein: Nachdem ich sie ausgerissen habe, will ich umkehren und mich ihrer erbarmen und ich werde sie zurückbringen, einen jeden in sein Erbteil und jeden in seine Heimat.  Und es wird sein: Wenn sie wirklich die Wege meines Volkes lernen, sodass sie bei meinem Namen schwören: So wahr der HERR lebt!, wie sie vorher mein Volk gelehrt hatten, beim Baal zu schwören, dann sollen sie inmitten meines Volkes wieder aufgebaut werden.  Gehorchen sie jedoch nicht, so werde ich dieses Volk völlig ausreißen und vernichten - Spruch des HERRN.
Bisher ging es immer um Israel und sein Geschick. Doch nun wendet sich der Prophet den umliegenden Völkern zu. Das Gericht und die Barmherzigkeit Gottes gilt auch ihnen. Doch auch für sie gilt die Bedingung, sich von falschen Göttern abzuwenden. Wenn sie den einen Gott verehren, dann werden sie Bestand haben.  Hat das für unser Land Bedeutung? "Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott " - so beginnt unsere Verfassung.  Und das ist gut so, denn das bedeutet Schutz und eine letzte Gründung all unserer Werte. Allerdings sind damit auch Pflichten verbunden - etwa die, Schwache, Arme und Fremde zu schützen. 

21.März Jeremia 12, 1 - 4
 Du bleibst im Recht, HERR, auch wenn ich mit dir streite; dennoch muss ich mit dir rechten. Warum haben die Frevler Erfolg, weshalb können alle Abtrünnigen sorglos sein?  Du hast sie eingepflanzt und sie schlagen Wurzel, sie wachsen heran und bringen auch Frucht. Nahe bist du ihrem Mund, aber fern von ihrem Inneren. Du jedoch, HERR, kennst und siehst mich;  du hast mein Herz erprobt, ob es bei dir ist. Raff sie weg wie Schafe zum Schlachten, sondere sie aus für den Tag des Mordens!
Die Frage ist heute aktuell wie damals: Warum geht es den Gottlosen so gut? Das ist doch nicht gerecht! Ich bemühe mich, Gebote zu halten und das Rechte zu tun - und Andere scheren sich nicht darum und sie haben Erfolg im Leben! Sie reden von dem, was gut und gerecht ist, aber in ihrem Inneren sieht es ganz anders aus. Wenn es hier gerecht zuginge, müsste es ihnen schlecht ergehen. Also, Gott, schaff sie fort! Aber Gott, der - wie Jesus sagt - seine Sonne über Gerechte und Ungerechte aufgehen lässt, tut nichts dergleichen. Denn das Konzept der gerechten Vergeltung war schon damals gescheitert. Und nicht die Strafdrohung, sondern die bedingungslose Liebe verändert Menschen. Aber wir alle haben diesen Hang  in uns, denen, die unrecht leben, Böses zu wünschen. 

20.März Jeremia 11, 20 - 25
Aber der HERR der Heerscharen richtet gerecht, er prüft Nieren und Herz. Ich werde deine Vergeltung an ihnen sehen, denn dir habe ich meine Sache anvertraut. Darum - so spricht der HERR gegen die Leute von Anatot, die mir nach dem Leben trachten und sagen: Du darfst nicht als Prophet im Namen des HERRN auftreten, wenn du nicht durch unsere Hand sterben willst. Darum - so spricht der HERR der Heerscharen: Seht, ich werde sie heimsuchen. Die jungen Männer sterben durchs Schwert, ihre Söhne und Töchter sterben vor Hunger. So wird den Leuten von Anatot kein Rest mehr bleiben, wenn ich Unheil über sie bringe, das Jahr ihrer Bestrafung.

Die Leute seiner Heimatstadt trachten Jeremia nach dem Leben.  Sie bestreiten seine Berufung und wollen verhindern, dass er weiterhin im Namen Gottes redet. Ist es Neid? Oder sind sie um den Ruf ihrer Stadt besorgt?  Wie oft haben Menschen, die Gott gehorchen wollten, Ablehnung und Verfolgung erfahren.  Und Jeremia reagiert darauf ganz menschlich: Er verkündet ihnen die Vernichtung. Jesus hat Ähnliches erlebt. In seiner Heimatstadt wurde er fast gesteinigt. In Jerusalem  zum Tode verurteilt. Aber es gibt da einen bemerkenswerten Unterschied: Jesus spricht nicht von Vergeltung. Er betet für seine Feinde: Vater, vergib ihnen!  

19.März Jeremia 11, 18 - 20
Der HERR ließ es mich wissen und so wusste ich es; damals ließest du mich ihr Treiben durchschauen. Ich aber war wie ein zutrauliches Lamm, das zum Schlachten geführt wird, und ahnte nicht, dass sie gegen mich Böses planten: Wir wollen den Baum im Saft verderben; wir wollen ihn ausrotten aus dem Land der Lebenden, sodass seines Namens nicht mehr gedacht wird.  Aber der HERR der Heerscharen richtet gerecht, er prüft Nieren und Herz. Ich werde deine Vergeltung an ihnen sehen, denn dir habe ich meine Sache anvertraut.

Die  Berufung, die Jeremia hat, ist eine schwere  Bürde. Die Verantwortlichen im Lande wollen seine Worte nicht hören, sie hassen seine Botschaft. Und sie beschließen, ihn  beiseite zu schaffen. Jeremia hatte sich nicht vorstellen können, dass sie dazu fähig sind. Aber Gott hat ihm diese Pläne gezeigt - wie, wissen wir nicht.  Was tut Jeremia daraufhin? Er bleibt beharrlich, er hört nicht auf, zu rufen. Er setzt all sein Vertrauen auf Gott, er traut ihm zu, dass er sich um diese Pläne seiner Gegner kümmert. Was tue ich, wenn Menschen mich angreifen, verleumden oder mir schaden wollen? Sage ich auch: "Ich habe meine Sache Gott anvertraut"? 

18.März Jeremia 11, 1 - 5
 Das Wort, das vom HERRN an Jeremia erging: Hört die Worte dieses Bundes! Du sollst sie den Leuten von Juda und den Einwohnern Jerusalems verkünden. Du sollst ihnen sagen: So spricht der HERR, der Gott Israels: Verflucht der Mensch, der nicht hört auf die Worte dieses Bundes,  die ich euren Vätern aufgetragen habe am Tag, als ich sie aus dem Land Ägypten herausführte, aus dem Schmelzofen des Eisens: Hört auf meine Stimme und handelt in allem nach meinen Geboten; dann werdet ihr mir Volk sein und ich will euch Gott sein. Nur so kann ich den Eid halten, den ich euren Vätern geschworen habe: ihnen ein Land zu geben, in dem Milch und Honig fließen, wie ihr es heute habt.
Die Worte Jeremias erinnern das Volk an den Bund, den Gott am Sinai mit ihnen geschlossen hat. Israel hat diesen Bund nicht gehalten, folglich behalten sie das Land nicht. Was so einfach klingt, ist ein Dilemma. "Handelt in allem nach meinen Geboten - dann werdet ihr mir Volk sein."  Die Erwählung ist an diese Bedingung geknüpft. Aber die Menschen können diese Bedingung nicht erfüllen, "sie sind alle abgefallen"  (Psalm 53,3). Die Erwählung ist von dieser Bedingung abhängig - scheinbar, denn trotz dieser Worte lässt Gott ja nicht von seinem Volk. Das ist Evangelium mitten im Alten, hier kündet sich das an, was Jesus später verkünden wird: Gott ist ein liebender Vater, der seine Kinder nicht loslässt. 

17.März  Jeremia 10, 23 - 24
 Ich weiß, HERR, dass der Mensch seinen Weg nicht zu bestimmen vermag, dass keiner beim Gehen seinen Schritt lenken kann.  Züchtige mich, HERR, doch mit Maß,  nicht in deinem Zorn,  damit du mich nicht zum Verschwinden bringst!

Mitten in den Texten über die Vernichtung des Volkes finden sich diese Worte. Das ist merkwürdig, denn ansonsten war immer klar, dass die Vernichtung das Ergebnis falschen Handelns ist. Und umgekehrt galt: Wenn ich mich korrekt verhalte, geht es mir gut. Ich habe es also selbst in der Hand. So denken wir heute noch. "Jeder ist seines Glückes Schmid", sagt der Volksmund. Aber hier dämmert dem Propheten, dass es nicht so ist. Er hat sein Schicksal nicht in der Hand. Sein Weg ist von Gott her bestimmt. Darum bleibt ihm nur die Bitte, Gott möge ihm gnädig sein und ihn nicht vernichten. Es ist gut, daran zu denken: Mein Erfolg ist nicht mein Verdienst  - und ein schweres Schicksal nicht Strafe. 

16.März Jeremia 10, 6 + 10 + 12 - 13
Niemand, HERR, ist wie du: Groß bist du und groß an Kraft ist dein Name. Wer sollte dich nicht fürchten, du König der Völker? Der HERR aber ist in Wahrheit Gott,  lebendiger Gott und ewiger König. Vor seinem Zorn erbebt die Erde,  die Völker halten seinen Groll nicht aus.  Er aber hat die Erde erschaffen durch seine Kraft, den Erdkreis gegründet durch seine Weisheit,  durch seine Einsicht den Himmel ausgespannt. Lässt er seine Stimme ertönen,  dann rauschen die Wasser am Himmel. Wolken führt er herauf vom Rand der Erde;  Blitze hat er für den Regen gemacht,  aus seinen Kammern entsendet er den Wind.
Angesichts der Götter, die die Völker anbeten, gerät der Prophet ins Schwärmen: Wir kennen den lebendigen Gott!  Wir kennen den Schöpfer der ganzen Welt! Alle Erscheinungen der Natur führt er auf ihn zurück.  Ein wenig von dieser Gewissheit würde uns guttun. Ahnen wir etwas von der Größe Gottes? Welche Vorstellung haben wir von ihm? Gibt es Erfahrungen in der Natur, die uns Gott näherbringen? Etwa die Majestät einer Berglandschaft oder die Weite eines Meeresstrandes? Welche Erfahrungen hast du da gemacht? Kennst du das Gefühl der Ehrfurcht vor der Größe dieses Gottes? 

15.März  Jeremia 10, 1 - 5
Hört das Wort, das der HERR zu euch spricht, ihr vom Haus Israel!  So spricht der HERR: Lernt nicht den Weg der Völker, erschreckt nicht vor den Zeichen des Himmels, wenn auch die Völker vor ihnen erschrecken! Denn die Gebräuche der Völker sind leerer Wahn. Ihre Götzen sind nur Holz, das man im Wald schlägt,  ein Werk aus der Hand des Schnitzers, mit dem Messer verfertigt.  Man verziert es mit Silber und Gold,  mit Nagel und Hammer macht man es fest, sodass es nicht wackelt.  Sie sind wie Vogelscheuchen im Gurkenfeld.  Sie können nicht reden;  sie müssen getragen werden, weil sie nicht gehen können. Fürchtet euch nicht vor ihnen;  denn sie können weder Schaden zufügen noch Gutes bewirken. 

Erschreckt nicht vor den Zeichen des Himmels! Nein, wir erschrecken nicht mehr vor Götterstatuen, auch wenn wir solche Kunstwerke faszinierend finden.  Wir erschrecken eher von "den Zeichen des Himmels".  Wir haben Angst vor der Klimakatastrophe, den Kipppunkten, an denen die Welt untergeht. Wir beten keine Götter mehr an, doch wir lassen uns von den Propheten des Untergangs Furcht einflößen. Ich will die Gefahren und Probleme dieser Welt nicht kleinreden, wir müssen Antworten auf große Herausforderungen finden.  aber diese Welt wird nicht untergehen, weil Gott sie in seinen Händen hält. "Fürchtet euch nicht!", ruft uns Jeremia zu. Das ist wie gesagt keine Anweisung zur Sorglosigkeit, soll uns aber vor panischer Furcht bewahren, die uns lähmt, wenn wir ihr Raum geben. Es gibt Hoffnung, weil Gott regiert. 

14.März  Jeremia 9, 22 - 23
So spricht der HERR: Der Weise rühme sich nicht seiner Weisheit, der Starke rühme sich nicht seiner Stärke, der Reiche rühme sich nicht seines Reichtums. Nein, wer sich rühmen will, rühme sich dessen,  dass er Einsicht hat und mich erkennt, nämlich dass er weiß: Ich, der HERR, bin es, der auf der Erde Gnade, Recht und Gerechtigkeit wirkt. Denn an solchen Menschen habe ich Gefallen - Spruch des HERRN. 

Gnade, Recht und Gerechtigkeit sind für das Zusammenleben der Menschen elementar wichtig. Wir sind ja bestrebt, die Welt in dieser Hinsicht zu verbessern. Aber schaffen wir das? Erreichen wir die Herzen der Menschen, so dass sie gnädig miteinander umgehen, das Recht achten und gerecht handeln?  Da ist unsere Weisheit oft am Ende. Nein, gute Argumente oder gar bedrohliche Stärke bewirken hier nichts. Ganz zu schweigen von Geld. Das richtige Verhalten von Menschen ist nicht zu erkaufen. Gott aber hat die Macht, Menschenherzen wie Wasserbäche zu lenken (Sprüche 11). Es ist eine demütigende Einsicht: Wir haben sehr begrenzte Möglichkeiten, Menschen zu verändern.  Darum bitten wir Gott: Verändere du diesen Menschen, damit er das Recht einhält und Gerechtigkeit übt. Und fange bei mir an! 

13.März Jeremia 8, 18 - 23
 Kummer steigt in mir auf. Mein Herz ist krank. Siehe, die Tochter meines Volks schreit aus fernem Lande her: »Will denn der HERR nicht mehr in Zion sein, oder soll es keinen König mehr haben?« Ja, warum haben sie mich so erzürnt durch ihre Bilder, durch fremde, nichtige Götzen? »Die Ernte ist vergangen, der Sommer ist dahin und uns ist keine Hilfe gekommen!« Mich jammert von Herzen, dass die Tochter meines Volks so zerschlagen ist; ich gräme und entsetze mich.  Ist denn keine Salbe in Gilead oder ist kein Arzt da? Warum ist denn die Tochter meines Volks nicht geheilt? Ach dass ich Wasser genug hätte in meinem Haupte und meine Augen Tränenquellen wären, dass ich Tag und Nacht beweinen könnte die Erschlagenen der Tochter meines Volks!

Wer spricht hier? Ist es Gott oder der Prophet? Es ist kaum zu unterscheiden. Ja, Gott kann nicht anders als das Volk dem Verderben preisgeben. Aber das nicht als ferner und gefühlloser Richter, sondern als ein Liebender, der vom Leiden des Volkes tief betroffen ist. Was für ein Gottesbild! Bei anderen Völkern gibt es ferne, launische, unnahbare Götter - Israels Gott wird wie ein Mann geschildert, dem nichts Anderes übrig bleibt, als seine untreue Ehefrau dem Gericht zu übergeben. Geht es nicht anders, wenn er doch Gott ist? Nein, denn Gerechtigkeit bedeutet, dass Konsequenzen nicht zu vermeiden sind. Dieses Dilemma zwischen dem liebenden Gott und dem harten Gericht kann der Prophet nicht lösen - es wird erst gelöst, indem Gott selbst in Jesus Christus die Strafe trägt.  Wir haben also nicht einfach einen zornigen Gott, der besänftigt werden muss, sondern einen Liebhaber, der einen Weg findet, seine geliebten Menschen aus diesem Dilemma zu erlösen. 

12.März  Jeremia 8, 6 - 9
 Ich horche hin und höre: Schlechtes reden sie, keiner bereut sein böses Tun und sagt:  Was habe ich getan? Jeder wendet sich ab und läuft weg, schnell wie ein Ross, das im Kampf dahinstürmt.  Selbst der Storch am Himmel kennt seine Zeiten; Turteltaube, Schwalbe und Drossel halten die Frist ihrer Rückkehr ein;  mein Volk aber kennt nicht die Rechtsordnung des HERRN.  Wie könnt ihr sagen: Weise sind wir und die Weisung des HERRN ist bei uns? Fürwahr, siehe: Der Lügengriffel der Schreiber hat es zur Lüge gemacht.  Zuschanden werden die Weisen, sie sind bestürzt und werden gefangen. Siehe, das Wort des HERRN haben sie verworfen und wessen Weisheit haben sie noch?
Was habe ich getan? Warum ist es oft so schwer, etwas zu bereuen? An den Weisungen Gottes liegt es nicht, sagt Jeremia. Sie sind so klar wie die Naturgesetze. Selbst die Tiere kennen ihre Wege und Zeiten. Im Gebot der Liebe zu Gott und meinem Nächsten ist alles  enthalten, sagt Jesus. Das ist so einfach, doch wir machen es schwer, indem wir fragen: "Wer ist denn mein Nächster?" Wer die einfache Weisung verwirft, verstrickt sich in komplizierten Erklärungen, warum sie nicht für ihn gilt und hält das am Ende für Weisheit. Warum fällt es mir schwer, um Vergebung zu bitten? Ist es mein Stolz auf meine Erkenntnisse, der mich nicht umkehren lässt? Oder ist es die Angst vor dem Bedeutungsverlust, wo ich doch gerne jemand  wäre? 

11.März  Jeremia 7
 So spricht der HERR der Heerscharen, der Gott Israels: Häuft nur Brandopfer auf Schlachtopfer und esst Fleisch! Denn ich habe euren Vätern am Tag, als ich sie aus dem Land Ägypten herausführte, nichts gesagt und nichts befohlen, was Brandopfer und Schlachtopfer betrifft. Vielmehr gab ich ihnen folgendes Gebot: Hört auf meine Stimme, dann will ich euch Gott sein und ihr sollt mir Volk sein! Geht in allem den Weg, den ich euch befehle, damit es euch gut geht!  Sie aber hörten nicht und neigten mir ihr Ohr nicht zu, sondern folgten den Eingebungen und der Verstocktheit ihres bösen Herzens. Sie zeigten mir den Rücken und nicht das Gesicht.

Hört auf meine Stimme! Geht meinen Weg, damit es euch gut geht. Ist es schwer, die Stimme Gottes zu hören und sie von "Eingebungen des bösen Herzens" zu unterscheiden?  Es stehen hier zwei Hinweise, die körperlich anschaulich sind: "Neige deinen Ohren" und "jemand das Gesicht statt den Rücken zuwenden".  Das steht für aufmerksames Hinhören und für eine bewusste Zuwendung. Wir können uns da einen Menschen vorstellen, der in der Stille vor Gott kniet und lauscht. Jeremia teilt uns mit: Wenn ihr das tut, werdet ihr die Stimme Gottes hören können.  "Naht euch Gott, dann naht er sich euch", hat viele Jahre später Jakobus geschrieben.  Habe ich heute Zeit dazu? Wem oder was wende ich mein Gesicht zu?

10.März Jeremia 7, 11 - 14
 Ist denn dieses Haus, über dem mein Name ausgerufen ist, in euren Augen eine Räuberhöhle geworden? Auch ich, siehe, ich habe es gesehen - Spruch des HERRN.  Ja, geht doch zu meiner Stätte in Schilo, wo ich früher meinen Namen wohnen ließ, und seht, was ich ihr angetan habe wegen des Bösen, das mein Volk Israel verübt hat! Nun denn, weil ihr alle diese Taten getan habt - Spruch des HERRN - und ich zu euch redete, eifrig redete, ihr aber nicht hörtet, und ich euch rief, ihr aber nicht antwortetet -, so werde ich mit dem Haus, über dem mein Name ausgerufen ist und auf das ihr euch verlasst, und mit der Stätte, die ich euch und euren Vätern gegeben habe, so verfahren, wie ich mit Schilo verfuhr. 

Schilo war das zentrale Heiligtum der Stämme Israels vor dem Tempelbau. Zur Zeit Jeremias ist es schon längst zerstört.  Die Warnung heißt hier: Das, was Schilo widerfahren ist, wird nun mit dem Tempel geschehen. Das Problem der Menschen um Jeremia ist, dass sie auf die falschen Dinge vertrauen. Der Tempel war der Ort der Anwesenheit Gottes und deshalb sagten die Menschen:  Hier kann uns nichts passieren, denn hier ist Gott. Sie vertrauten auf ein Gebäude statt ihr Leben nach Gott auszurichten. Die religiösen Rituale, Gebete und Gottesdienste, die wir erleben, können eine falsche Sicherheit schaffen. Wenn wir unsere religiöse Praxis - und sei sie auch noch so schön und erhebend - mit Gott selbst verwechseln, dann werden diese Rituale leer und sinnlos. Jesus hat die Kritik Jeremias am Tempel wiederholt:  Das ist eine Räuberhöhle! Der Tempel soll ein Bethaus sein - ein Haus der intensiven  Begegnung mit Gott und kein Haus für rituelle Handlungen. Wie erlebe ich in meiner Kirche wirklich Gott? 

9.März Jeremia 7, 1 - 7 
Das Wort, das vom HERRN an Jeremia erging:  Stell dich an das Tor des Hauses des HERRN! Dort ruf dieses Wort aus und sprich: Hört das Wort des HERRN, ganz Juda, alle, die ihr durch diese Tore kommt, um euch vor dem HERRN niederzuwerfen! So spricht der HERR der Heerscharen, der Gott Israels: Bessert euer Verhalten und euer Tun, dann will ich bei euch wohnen hier an diesem Ort! Vertraut nicht auf die trügerischen Worte: Der Tempel des HERRN, der Tempel des HERRN, der Tempel des HERRN ist dies!  Denn nur wenn ihr euer Verhalten und euer Tun von Grund auf bessert, wenn ihr wirklich gerecht entscheidet im Rechtsstreit,  wenn ihr die Fremden, die Waisen und Witwen nicht unterdrückt, unschuldiges Blut an diesem Ort nicht vergießt und nicht anderen Göttern nachlauft zu eurem eigenen Schaden, dann will ich bei euch wohnen hier an diesem Ort, in dem Land, das ich euren Vätern gegeben habe von ewig und auf ewig.
Jeremia hat Mut und das kostet ihn fast das Leben. Er stellt sich ans Tor des Tempels und ruft seine Botschaft mitten in die heiligen Handlungen hinein. Er stört! Es war der feste Glaube der Menschen in Judäa, dass der Tempel ewig besteht und unzerstörbar ist. "Nein!", sagt Jeremia in göttlicher Autorität. "Ob er bleibt, entscheidet sich an eurem Verhalten und Tun." Er nennt gerechtes Entscheiden, den Einsatz für Fremde, Witwen und Waisen, Vermeidung von Blutvergießen und Abstand von Götzendienst. Sagt uns das heute noch etwas?  Auch bei uns ist das Wichtigste unser konkretes Verhalten und nicht der Kirchgang. Welches sind unsere Götter, denen wir nachlaufen? Wo schaden wir dem Leben, das Gott gibt? Wodurch benachteiligen wir Flüchtlinge und Obdachlose?  Um hierin einem erdrückenden Aktivismus zu wehren: Hier im Text steht dreimal "nicht" - es geht also nicht um neue Aktivitäten, sondern um Dinge, die wir lassen sollen, damit andere leben können. Was könnte das bei mir sein? 

8.März Jeremia 6, 16 - 20
So spricht der HERR: Stellt euch an die Wege und haltet Ausschau, fragt nach den Pfaden der Vorzeit, fragt, wo der Weg zum Guten liegt; geht auf ihm, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele!  Sie aber sagten: Wir gehen nicht. Auch habe ich Wächter für euch aufgestellt: Achtet auf den Schall des Widderhorns! - Sie aber sagten: Wir achten nicht darauf. Darum hört, ihr Völker, und erkenne, Versammlung, was mit ihnen geschieht! Höre, Erde! Siehe, ich bringe Unheil über dieses Volk als Frucht seiner Gedanken. Denn auf meine Worte haben sie nicht geachtet und meine Weisung haben sie verschmäht. Was soll mir der Weihrauch aus Saba und das gute Gewürzrohr aus fernem Land? Eure Brandopfer gefallen mir nicht, eure Schlachtopfer sind mir nicht angenehm. 

Sie gehen nicht! Sie achten nicht darauf! Statt auf Weisungen zu achten, feiern sie Gottesdienste! Dabei wäre es nicht so schwer, zu fragen, wo der Weg zum Guten verläuft. Nämlich dort, wo er schon in der Vorzeit verlief. Das redet keinem starren Traditionalismus das Wort, sondern meint die Wege, die immer schon zum Guten führten. "Es ist dir gesagt, o Mensch, was gut ist...!" heißt es in Micha 6,3. Das kommende Unheil ist hier "Frucht der Gedanken".  Welche Wege führen heute zum Guten? Auf welche Hinweise Gottes kann ich heute achten? Gibt es Warnsignale, die ich hören sollte, wenn ich Entscheidungen treffe?  Rechne ich mit dem Reden Gottes in meinen Tag hinein? 

7.März Jeremia 6, 10 - 14
 Zu wem soll ich reden und wen ermahnen, dass sie hören? Siehe, ihr Ohr ist unbeschnitten, sie können nichts vernehmen. Das Wort des HERRN dient ihnen zum Spott; es gefällt ihnen nicht. Darum bin ich erfüllt vom Zorn des HERRN, bin es müde, ihn länger zurückzuhalten. - Gieß ihn aus über das Kind auf der Straße und zugleich über die Schar der jungen Männer! Ja, alle werden gefangen genommen, Mann und Frau, Greis und Hochbetagter. Ihre Häuser gehen an andere über, die Felder und auch die Frauen. Denn ich strecke meine Hand aus gegen die Bewohner des Landes - Spruch des HERRN. Sie alle, von ihrem Kleinsten bis zu ihrem Größten, sind nur auf Gewinn aus; vom Propheten bis zum Priester betrügen sie alle. Den Schaden meines Volkes möchten sie leichthin heilen, indem sie sagen: Frieden! Frieden! - Aber da ist kein Friede.
Jeremia sieht sich einer Gesellschaft gegenüber, die schulterzuckend seine Botschaft übergeht. Das ist doch alles nicht so schlimm! Jeremia, du übertreibst, wir haben doch Frieden und Ruhe, die Geschäfte laufen gut. Auch uns gefallen mahnende Worte nicht. Unsere Lebensweise, der unbegrenzte Konsum, die Ausbeutung der Erde auf Kosten anderer Länder - so Vieles ist nicht in Ordnung. Hören wir die Worte unserer Propheten? Oder sind sie uns gleichermaßen lästig? Was müsste ich "eigentlich" ändern? Laufen wir wie die Menschen zur Zeit Jeremias blind und taub auf eine Katastrophe zu? 

6.März Jeremia 4, 26 - 30
Ich schaute und siehe: Das Gartenland war Wüste  und all seine Städte waren zerstört, zerstört durch den HERRN, durch seinen glühenden Zorn. Ja, so spricht der HERR:  Das ganze Land soll zur Öde werden; doch völlig vernichten will ich es nicht. Deswegen vertrocknet die Erde und verfinstert sich der Himmel droben, denn ich habe gesprochen und geplant, es reut mich nicht und ich nehme es nicht zurück. Vor dem Lärm der Pferde und Bogenschützen flieht die ganze Stadt; sie gehen in Höhlen und sie steigen die Felsen hinauf. Verlassen ist jede Stadt, niemand wohnt mehr darin. Du aber, was tust du, wenn du verwüstet bist? Wie kannst du in Purpur dich kleiden, mit Goldschmuck dich zieren, dir mit Schminke die Augen weiten? Umsonst machst du dich schön. Die Liebhaber verschmähen dich; sie trachten dir nach dem Leben. 

Das Land Juda und seine Bewohner  erleben die Konsequenz ihres Lebens auf der falschen Seite. Sie hatten sich den Göttern jener zugewandt, die sie nun erobern und unterjochen. Gott wird hier wie ein betrogener und verlassener Mann geschildert, der in seinem rasenden Zorn alles zerschlägt. Dieses Gottesbild ist uns fremd. Aber haben wir Gott damit nicht verharmlost? Wir haben ihn zu jenem hilflos weinenden Greis gemacht, der  bei Wolfgang Borchert (Draußen vor der Tür) nur noch jammert: "Meine Kinder, meine lieben Kinder!" Aber das ist nicht Gott, der Herrscher von Himmel und Erde. Zwischen diesen beiden Alternativen - Ohnmacht oder Zorn - steht Jesus Christus, der Gott, der selbst in den Riss tritt und sich für die Versöhnung der Welt opfert.  Die Nachfolger Jesu protestieren wie Jeremia gegen falsche Götter - und sie beten und arbeiten für die Versöhnung der Welt, damit sie nicht im Zorn Gottes untergeht. (Vielleicht  brauchen wir andere Begriffe für den "Zorn Gottes" - ich empfehle Frank Schätzings "Der Schwarm".)

5.März Jeremia 4, 16 - 18
Meldet den Nationen: Siehe! Lasst hören über Jerusalem: Belagerer kommen aus fernem Land, / sie erheben gegen Judas Städte ihre Stimme. Wie Feldwächter haben sie Juda umstellt;  denn mir hat es getrotzt - Spruch des HERRN.  Dein Weg und deine Taten haben dir das eingebracht.  Deine Bosheit ist schuld, dass es so bitter steht,  dass es dich bis ins Herz trifft.

Wie du dich verhältst, so wird es dir ergehen. An diesen Grundsatz glaubt ganz Israel. Deine Bosheit ist schuld an deinem Schicksal. Gilt dieser Grundsatz auch für uns heute? Ja, das lässt sich durchaus beobachten. Wenn jemand Menschen schlecht behandelt,  betrügt oder schädigt, wird das entsprechende Wirkungen in seinem Leben haben. "Es trifft dich bis ins Herz" sagt Jeremia. Denn das, was im Leben eines Menschen wirklich wichtig ist - Beziehung, Liebe, Freundschaft - wird dadurch zerstört. Wir mögen Menschen kennen, die durch Betrug oder Verrat viel erreicht haben, aber ihr Gericht haben sie sich selbst "angerichtet", indem das, was ihnen das Wichtigste sein sollte, nichts mehr gilt.  Die Warnung des Propheten gilt  bis heute: Du erntest, was du tust! 

4.März   Jeremia 4, 5 - 7 
Meldet es in Juda, lasst es hören in Jerusalem und sagt: Stoßt im Land ins Widderhorn, ruft aus voller Kehle und sagt: Sammelt euch! Wir wollen ziehen in die befestigten Städte!  Stellt ein Feldzeichen auf: Nach Zion! Flüchtet, bleibt nicht stehen! Denn Unheil bringe ich von Norden und großes Verderben. Der Löwe hat sich aus dem Dickicht erhoben, der Völkervernichter ist aufgebrochen; er hat seinen Ort verlassen, um dein Land zur Wüste zu machen.

Der Text ist für unser Gottesbild schier unerträglich, denn da heißt es von Gott: "Unheil bringe ich von Norden!"  Angekündigt wird die Invasion der Babylonier, die Jerusalem vernichten und den heiligen Tempel zerstören  werden. In den alten Schriften wird jedes Geschehen auf Gott zurückgeführt.  Darum kann diese Vernichtung nur als Gericht verstanden werden.  Wie sehen wir das heute? Ist die Covid19-Pandemie ein Gericht Gottes? Oder der Ukraine-Krieg? Wir sind vorsichtig geworden mit solchen Zuschreibungen. Doch es bleibt die Frage, was Gott mit diesen Geschehnissen zu tun hat. Lässt er sie zu? Lenkt er sie gar? Eines kann gesagt werden: Gott verhindert menschengemachtes Unheil nicht. Aber er nutzt es für die größeren Ziele der Geschichte der Menschen. Dass dabei Menschen umkommen, ist die bleibende Tragik und die offene Frage an Gott: Warum geht es nicht anders? Ich verstehe das nicht - und will dennoch vertrauen, dass mir der Sinn noch verborgen ist. Denn Juda bleibt und aus einem Desaster entspringt am Ende etwas Neues. 

3.März Jeremia 4, 1 - 4
»Wenn du umkehrst, Israel, dann darfst du zu mir zurückkommen; wenn du deine abscheulichen Götzen wegschaffst, dann sollst du bei mir wieder Geborgenheit finden.  Wenn du beim Schwören sagst: ›So gewiss der HERR lebt‹, und dabei ehrlich und rechtschaffen bist und zu deinem Wort stehst, dann werden auch die anderen Völker von mir Glück und Segen erwarten und werden stolz sein, mich zu kennen.« Ja, dies sagt der HERR dem Volk von Juda und den Bewohnern Jerusalems: »Pflügt den Acker völlig um, statt unter die Dornen zu säen! 4 Beschneidet euch so, wie es mir gefällt, nämlich an euren Herzen. Schafft weg, was euch von mir trennt. Sonst kommt mein Zorn über euch und brennt wie ein Feuer. Dann hilft kein Löschen mehr; ihr habt zu viel Böses getan!«

Wer wie das Volk Israel zur Zeit Jeremias einen völlig falschen Weg eingeschlagen hat, dem hilft es nicht, sich ein wenig zu ändern.  Die Änderung muss radikal sein, also an die Wurzel gehen. Die Dornen müssen samt der Wurzeln vom Acker verschwinden. Beschneidung kann ein bloß äußeres Zeichen sein, die Veränderung muss das Herz, das Zentrum des Menschen erreichen. Dasselbe kann man von der Taufe sagen: Sie muss im Herzen immer wieder innerlich erneuert werden. Das Ziel ist ein wahrhaftiger, in der Persönlichkeit verankerter Glaube. Das hat Auswirkungen: Andere Menschen  werden auf diesen Gott aufmerksam, der Menschen verändern kann.  Wie sehr ist der Glaube an Gott in meinem Herzen verankert, so dass er mein Denken und Handeln bestimmt? Worin muss ich radikal umkehren? 

2.März Jeremia 3, 22 - 23
Kehrt um, ihr abtrünnigen Kinder,  ich will eure Abtrünnigkeit heilen! Da sind wir, wir kommen zu dir;  denn du bist der HERR, unser Gott! Fürwahr, Trug kommt von den Höhen, der Lärm auf den Bergen. Fürwahr, beim HERRN, unserm Gott, ist Israels Rettung.

Trug kommt von den Höhen! Auf den Höhen standen die Heiligtümer der fremden Götter, dort wurden lärmende Feste gefeiert. Aber nun kehren Menschen um und wenden sich Gott zu: "Du bist der Herr, unser Gott!"  Und erst nach dieser klaren Wende wird ihnen der Trug erkennbar.  Wie ist das in unserer Zeit, in der so viel von fake news und alternativen Wahrheiten die Rede ist?  Wenn wir uns den Werten und Zielen unseres Gottes zuwenden, wird der Trug offenbar. Wenn wir beginnen, das zu leben, was uns Jesus vorgelebt hat, wird klar, wo es nur  "viel Lärm um nichts" gibt.  Die Zuwendung schafft Klarheit. 

1.März  Jeremia 3, 14 - 17

Kehrt um, ihr abtrünnigen Söhne - Spruch des HERRN; denn ich bin euer Gebieter. Ich hole euch, einen aus jeder Stadt und zwei aus jeder Sippe, und bringe euch nach Zion. Ich gebe euch Hirten nach meinem Herzen; mit Einsicht und Klugheit werden sie euch weiden. Und wenn ihr euch im Land vermehrt und fruchtbar seid in jenen Tagen - Spruch des HERRN -, wird man nicht mehr rufen: die Bundeslade des HERRN! Sie wird niemand in den Sinn kommen; man denkt nicht mehr an sie, vermisst sie nicht und sie wird nicht wiederhergestellt. In jener Zeit wird man Jerusalem Thron des HERRN nennen; dort, beim Namen des HERRN in Jerusalem, werden sich alle Völker versammeln und sie werden nicht mehr der Verstocktheit ihres bösen Herzens folgen. 

Inmitten dieser harten Urteilssprüche findet sich plötzlich: Hoffnung! Jeremia schaut in eine Zukunft, die hinter all dem Schrecklichen liegt, das er zu verkünden hat. Ja, Gott hat diesen Totalanspruch auf das Leben und die Anbetung seines Volkes. Doch er sehnt sich auch danach, dass Frieden wird, dass der Schalom im Land herrscht. Es geht ihm nicht um religiöse Zeremonien oder eine neue Bundeslade - ER selbst will präsent sein. Er will Hirte seines Volkes sein. Und sein Plan ist immer noch, dass dies auf alle Völker ausstrahlt und von Jerusalem Gerechtigkeit und Frieden ausgehen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Habe ich die Hoffnung, dass hinter all dem Bösen und Schrecklichen in dieser Welt Gottes Reich kommt? 

28.Februar  Jeremia 3, 6 - 8
Der HERR sprach zu mir zur Zeit des Königs Joschija: Hast du gesehen, was Israel, die Abtrünnige, getan hat? Sie begab sich auf jeden hohen Berg und unter jeden üppigen Baum und trieb dort Unzucht.  Ich dachte: Nachdem sie dies alles getan hat, wird sie zu mir zurückkehren; aber sie kehrte nicht zurück. Das sah ihre Schwester Juda, die Treulose.  Auch sah sie, dass ich Israel, die Abtrünnige, wegen ihres Ehebruchs entließ und ihr die Scheidungsurkunde gab. Aber das schreckte ihre Schwester Juda, die Treulose, nicht ab; sie ging hin und trieb ebenfalls Unzucht.
Die Teilstaaten Israel und Juda werden hier als zwei Schwestern bezeichnet. Israel ist 722 v.Chr. untergegangen.  Ihre Unzucht ist der Götzendienst. Gott wird als Ehemann dargestellt, der hofft, dass seine Frau nach geschehener Sünde reumütig zu ihm zurückkehrt. Aber das geschieht nicht.  So bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich von ihr zu trennen.  Aber selbst das hält ihre Schwester nicht davon ab, genau dasselbe zu tun.  Damit erzählt der Text etwas über Sünde: Wenn Menschen keine Konsequenzen spüren, gehen sie auf ihren falschen Wegen weiter.  Und diese Konsequenzen müssen sie an sich selbst spüren - Konsequenzen bei anderen bewirken  bei ihnen keine Umkehr.  Darf man das wirklich so verallgemeinern?  Kommt uns Einsicht nur, wenn wir die negativen Konsequenzen unseres Handelns spüren? Der Prophet sagt: Das ist nicht normal! Das müsste und könnte anders sein.  Was könnte mich zur Einsicht bringen, wenn ich auf einen falschen Weg geraten bin? 

27.Februar Jeremia 2,  31 - 35
Warum sagt mein Volk: Wir wollen frei umherschweifen, wir kommen nicht mehr zu dir? Vergisst denn ein Mädchen seinen Schmuck, eine Braut ihre Bänder? Mein Volk aber hat mich vergessen seit ungezählten Tagen.  Wie gut findest du deinen Weg, wenn du Liebe suchst. Sogar an Verbrechen hast du dein Verhalten gewöhnt. Selbst am Saum deiner Kleider fand sich das Blut von Armen, von Unschuldigen, die du nicht etwa beim Einbruch ertappt hast. Ja, es fand sich sogar noch mehr.  Und trotzdem sagst du: Ich bin unschuldig; sein Zorn hat sich ja von mir abgewandt.
 
Das Volk hat Gott vergessen. Es hat ihn verlassen. Was einem wirklich wichtig ist, das vergisst man nicht! Wenn wir etwas begehren, finden wir Wege, es zu bekommen. Also ist uns Gott, da wir ihn vergessen, nicht wirklich wichtig. Und schlimmer noch: Wir haben uns an Verbrechen gewöhnt. Wie aktuell sind diese Worte! An unseren Kleidern klebt das Blut derer, die sie allzu billig herstellen. Unschuldige sterben infolge unserer Wirtschaftsformen.  Uns geht es gut - dann sind wir doch offenbar unschuldig, oder? Wie reagieren wir auf die Ungerechtigkeit, die in unserer Welt herrscht? Glauben wir wirklich, Gott ist es egal, wie wir handeln? 

26.Februar Jeremia 2, 26 - 28 
Wie ein ertappter Dieb sich schämt, so müssen sich die Leute vom Haus Israel schämen, sie selbst, ihre Könige und Beamten, ihre Priester und Propheten. Sie sagen ja zum Holz: Du bist mein Vater und zum Stein: Du hast mich geboren. Sie kehren mir den Rücken zu und nicht das Gesicht; sind sie aber in Not, dann rufen sie: Erheb dich und hilf uns!  Wo sind nun deine Götter, die du dir gemacht hast? Sie mögen sich erheben, falls sie dir helfen können, wenn du in Not bist. Denn so zahlreich wie deine Städte, Juda, sind auch deine Götter. 
Wir haben keine Götter aus Holz oder Stein - aber welche Götter haben wir uns gemacht? "Woran dein Herz hängt, das ist dein Gott!", hat Luther geschrieben. Woran denke ich ständig, was will ich unbedingt (!) haben?  In der Not wenden wir uns dem lebendigen Gott zu - und das zeigt, dass wir doch wissen, wo wirklich Hilfe zu holen ist. Darum die Fragen: Was ist wirklich wichtig und wesentlich in meinem Leben? Wo ist wahres Leben? Es wird etwas sein, das mit Liebe, Freundschaft, Beziehung zu tun hat - und nicht mit Geld, Besitz oder Karriere. 

25.Februar Jeremia 2, 14 - 19
Ist Israel denn ein Knecht oder ein im Haus geborener Sklave? Warum wurde es zur Beute? Über ihm brüllten Löwen und ließen ihre Stimme erschallen. Sie machten sein Land zur Wüste; seine Städte sind verbrannt und menschenleer.  Sogar die Leute von Memfis und Tachpanhes zertrümmern dir den Schädel. Geschieht dir das nicht deshalb, weil du den HERRN, deinen Gott, in der Zeit verlassen hast, als er dich geleitete auf dem Weg?  Was nützt dir jetzt der Weg nach Ägypten, um Nilwasser zu trinken, und was nützt dir jetzt der Weg nach Assur, um Eufratwasser zu trinken? Dein böses Tun straft dich, deine Abtrünnigkeit züchtigt dich. So erkenne doch und sieh ein, wie schlimm und bitter es ist, den HERRN, deinen Gott, zu verlassen und keine Furcht vor mir zu haben - Spruch des Herrn, des GOTTES der Heerscharen.
Es fällt nicht leicht, eine solche Geschichtsschau zu vernehmen! Wir sind leicht dabei, uns mit dem Argument zu wehren, dass nicht jedes Unglück Folge von Sünde ist.  Schon in den Psalmen wird ja gefragt, warum manche Gottlose so glücklich sind.  Und die Staaten, denen es gut geht, sind nicht nur die Staaten, die Gott in den Mittelpunkt stellen. Doch es geht hier um Israel, um das Volk, das Gott erwählt hat.  Dieser besonderen Stellung entspricht ein besonderer Anspruch: Israel darf Gott nicht untreu werden. Folgt es fremden Göttern, steht es nicht mehr unter dem Segen Gottes.  Und wie ist das mit der Kirche, dem hinzugekommenen Volk Gottes? Was heißt es für uns, Gott treu zu sein? 

24.Februar Jeremia 2, 11 - 13
Hat je ein Volk seine Götter gewechselt? Dabei sind es gar keine Götter. Mein Volk aber hat seinen Ruhm gegen unnütze Götzen vertauscht. Entsetzt euch darüber, ihr Himmel, erschaudert gewaltig! - Spruch des HERRN. Denn mein Volk hat doppeltes Unrecht verübt: Mich hat es verlassen, den Quell des lebendigen Wassers, um sich Zisternen zu graben, Zisternen mit Rissen, die das Wasser nicht halten. 
Wie widersinnig ist das?  Juda hat einen lebendigen Gott, der das Volk führt und beschützt. Aber sie wählen sich Götter, die nur Statuen sind. So unsinnig, wie frisches fließendes Wasser gegen fauliges, abgestandenes Zisternenwasser zu vertauschen. aber mache ich es nicht genauso? Was ist für mich diese Quelle des lebendigen Wassers? Und was sind meine Zisternen?  Wo suche ich das Leben, Erfrischung, Kraft - und begnüge mich dabei mit abgestandenen Dingen?  Warum? Weil diese "Quellen" leicht verfügbar sind, weil ich sie jederzeit anzapfen kann, auch wenn nichts dabei herauskommt. Eben wie ein Götzenbild, das ich immer betrachten kann. Gott ist nicht verfügbar, ich muss darauf vertrauen, dass diese Quelle zu seiner Zeit sprudelt. Es ist diese Abhängigkeit von Gott, die mir schwerfällt. 

23.Februar Jeremia  2, 1 - 7
Das Wort des HERRN erging an mich: Auf! Ruf Jerusalem laut ins Ohr: So spricht der HERR: Ich gedenke deiner Jugendtreue, der Liebe deiner Brautzeit, wie du mir in der Wüste gefolgt bist, im Land ohne Aussaat. Heilig war Israel dem HERRN, Erstlingsfrucht seiner Ernte. Wer davon aß, machte sich schuldig, Unheil kam über ihn - Spruch des HERRN. Hört das Wort des HERRN, ihr vom Haus Jakob und all ihr Geschlechter des Hauses Israel!  So spricht der HERR: Was fanden eure Väter Unrechtes an mir, dass sie sich von mir entfernten, nichtigen Göttern nachliefen und so selber zunichte wurden?  Sie fragten nicht: Wo ist der HERR, der uns aus dem Land Ägypten heraufgeführt, der uns in der Wüste den Weg gewiesen hat, im Land der Steppen und Schluchten, im dürren und düsteren Land, im Land, das keiner durchwandert und niemand bewohnt? Ich brachte euch dann in das Gartenland, um euch seine Früchte und Güter genießen zu lassen. Aber kaum seid ihr dort gewesen, da habt ihr mein Land entweiht und mein Eigentum zum Abscheu gemacht.
Jeremia soll das Volk Juda daran erinnern, wie viel Gutes Gott ihm und seinen Vorfahren getan hat. Doch statt Dankbarkeit und Gegenliebe verließen die Israeliten ihren Gott und wandten sich anderen Dingen und Göttern zu. Und so ist es bis heute geblieben: Wie schnell vergessen wir, was Gott uns geschenkt hat und womit er unser Leben gesegnet hat. Darum steht in Psalm 103 die Mahnung:  Vergiss nicht, was Er dir Gutes getan hat! Wie die alten Israeliten nach den bunteren und beeindruckenderen Göttern schielten, so schielen wir nach Reichtümern und tollen Reisen, nach Besitz und Karriere. Sei dankbar für das, was Gott dir gegeben hat! Es ist genug zum Leben und Glücklichsein. 

22. Februar Jeremia 1, 15 - 19
 Ja, ich rufe alle Stämme der Nordreiche - Spruch des HERRN -, damit sie kommen und ihre Richterstühle an den Toreingängen Jerusalems aufstellen, gegen all seine Mauern ringsum und gegen alle Städte von Juda. Dann werde ich mein Urteil über sie sprechen für alles Böse, weil sie mich verlassen, anderen Göttern geopfert und das Werk ihrer eigenen Hände angebetet haben. Du aber gürte dich, tritt vor sie hin und verkünde ihnen alles, was ich dir auftrage! Erschrick nicht vor ihnen, sonst setze ich dich vor ihren Augen in Schrecken!  Siehe, ich selbst mache dich heute zur befestigten Stadt, zur eisernen Säule und zur bronzenen Mauer gegen das ganze Land, gegen die Könige, Beamten und Priester von Juda und gegen die Bürger des Landes. Mögen sie dich bekämpfen, sie werden dich nicht bezwingen; denn ich bin mit dir, um dich zu retten - Spruch des HERRN.
Die Schuld Judas wird hier klar benannt: Götzendienst! Sie haben sich anderen Göttern zugewandt. Das kommende Gericht in Form der Eroberung durch die Babylonier wird als Gerichtsverhandlung geschildert: Das Urteil ist schon klar.  Doch Jeremia hat nichts anderes als das Wort seines Gottes. Mit ihm soll er sich gegen all die Bürger Judas wenden, gegen die Mächtigen des Reiches. Er braucht diesen Zuspruch: Sie werden dich nicht bezwingen, denn ich bin mit dir!  Da, wo wir für eine gerechte Sache kämpfen, wo wir für Wahrheit und Frieden und gegen falsche Götter eintreten, gilt auch uns dieser Zuspruch: Ich bin mit dir, sie werden dich nicht  bezwingen. 

21. Februar Jeremia 1, 11 - 14
Das Wort des HERRN erging an mich: Was siehst du, Jeremia? Ich antwortete: Einen Mandelzweig sehe ich. Da sprach der HERR zu mir: Du hast richtig gesehen; denn ich wache über mein Wort und führe es aus. Abermals erging an mich das Wort des HERRN: Was siehst du? Ich antwortete: Einen dampfenden Kessel sehe ich; sein Rand neigt sich von Norden her. Da sprach der HERR zu mir: Von Norden her ergießt sich das Unheil über alle Bewohner des Landes. 

Welch ein Gegensatz in den wenigen Worten! Zuerst der zarte Anfang, der Hoffnung macht: Die Mandelblüte als erster Vorbote des Frühlings, des Aufbruchs des Lebens. Und dann die düstere Vision der Invasion aus dem Norden. Wie passt das zusammen? Vielleicht so:  Wie man beim Aufblühen des Mandelzweiges sicher sein kann, dass nun die Natur erwacht, so kann man auch sicher sein, dass Gott das, was er versprochen hat, ausführen wird.  Er ist nicht am Ende mit Israel. Aber er lässt dieses kommende Gericht zu, weil es keinen anderen Weg gibt, dem Volk klarzumachen, dass es auf dem falschen Weg ist.  Jeremia soll harte Zeiten verkünden, aber es selbst soll dabei immer den Mandelzweig im Blick behalten: Gott ist nicht am Ende, er verlässt sein Volk nicht. Gott ist auch mit dir nicht am Ende, sein Weg mit dir endet nicht, auch wenn es Dinge gibt, die dir sehr weh tun. 

20. Februar Jeremia 1, 8 - 10

Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin mit dir um dich zu retten - Spruch des HERRN. Dann streckte der HERR seine Hand aus, berührte meinen Mund und sagte zu mir: Hiermit lege ich meine Worte in deinen Mund. Sieh her! Am heutigen Tag setze ich dich über Völker und Reiche; du sollst ausreißen und niederreißen, vernichten und zerstören, aufbauen und einpflanzen. 

Was für ein Auftrag! Jeremia hat nichts Anderes zu tun, als das zu sagen, was Gott ihm aufträgt. Und das ist mehr Niederreißen als Aufbauen. Gibt es auch heute noch Propheten? Die meisten, von denen man hört, machen dramatische Vorhersagen, die nicht eintreffen. Und sie fühlen sich in ihrem Amt recht wohl. Ganz anders bei Jeremia: Er leidet an seiner Aufgabe. Aber er kann sich ihr nicht entziehen. Er weiß um die Brisanz seiner Botschaft, aber er wird sie ausrichten und Gott wird ihn bewahren. Sind dir schon Menschen mit "Durchblick" begegnet? Menschen, die Gott berührt hat, damit sie seine Worte sagen? Oder ging es dir selbst so, dass du dich gedrängt fühltest, in eine Situation klärend oder wachrüttelnd hinein zu sprechen?  

19.Februar Jeremia 1, 4 -7

 Das Wort des HERRN erging an mich:  Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen, noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt, zum Propheten für die Völker habe ich dich bestimmt.  Da sagte ich: Ach, Herr und GOTT, ich kann doch nicht reden, ich bin ja noch so jung.  Aber der HERR erwiderte mir: Sag nicht: Ich bin noch so jung. Wohin ich dich auch sende, dahin sollst du gehen, und was ich dir auftrage, das sollst du verkünden. 


Gibt es eine solche Festlegung, gegen die der Mensch nichts ausrichten kann? Wir meinen ja eher, wir sind frei in unseren Lebensentscheidungen. Aber das ist eine Illusion. Wir wissen nicht, was in der Tiefe unseres Wesens unseren Willen prägt. Doch, sagt der Text - es ist Gott, der all das in uns gelegt hat, bevor wir ein Bewusstsein entwickelt haben. Wir können uns dagegen wehren, so wie Jeremia es hier tut. Besser wäre es, zu dem, wozu mich mein Innerstes drängt, ja zu sagen. Ja im Vertrauen darauf, dass ich die nötigen Gaben und Fähigkeiten bekommen habe und Gott an meiner Seite ist.  Sage nicht, ich bin zu jung, zu dumm, zu untalentiert, zu....

18.Februar Jeremia 1, 1 - 3

Die Worte Jeremias, des Sohnes Hilkijas, aus der Priesterschaft zu Anatot im Land Benjamin. An ihn erging das Wort des HERRN in den Tagen des Königs Joschija von Juda, des Sohnes Amons, im dreizehnten Jahr seiner Regierung, ebenso in den Tagen des Königs Jojakim von Juda, des Sohnes Joschijas, bis das elfte Jahr des Königs Zidkija von Juda, des Sohnes Joschijas, zu Ende ging, als im fünften Monat Jerusalem in die Verbannung ziehen musste.

Jeremia wird in eine schlimme Zeit hineingeboren. Das neubabylonische Reich wird stärker und der Untergang Judas droht. Gott erspart seinem Volk diese Zeit nicht - es ist Gerichtszeit für das abtrünnige Volk. Aber Gott verlässt sein Volk nicht einfach, er sucht sich Menschen wie Jeremia, an die "sein Wort ergeht".  Wir leben ebenfalls in einer dramatischen Zeit. Aber auch wir können davon ausgehen, dass sich nicht einfach von dieser Welt verabschiedet. Es ist seine Welt. Doch wo sind Menschen, die wirklich Sprachrohre Gottes sind? Die uns sagen, was Gott von uns will in dieser Zeit?  Sie werden wie Jeremia unbequeme Wahrheiten verkünden, die niemand gerne hört.  Kenne ich solche Leute? 

17.Februar  Jakobus 5, 19 - 20 
Meine Geschwister! Wenn jemand einen unter euch, der sich von der Wahrheit abwendet und auf einen Irrweg gerät, wieder auf den richtigen Weg zurückführt, soll er wissen: Wer einen Sünder von seinem Irrweg zurückholt, wird dessen Seele vor dem Tod retten und bewirken, dass diesem Menschen die vielen Sünden, die er begangen hat, vergeben werden.

Wir haben in unserer Zeit oft eine Tendenz zur grenzenlosen Toleranz. Wenn wir jemanden sehen, der ganz andere Wege einschlägt, sagen wir: „Nunja, das hält er eben für richtig, jeder muss ja wissen, was er tut.“ Jakobus ist hier schärfer: Für ihn gibt einen richtigen Weg und es gibt Irrwege. Wenn etwa jemand sein Leben nur noch dem Geldscheffeln widmet oder nur seine egoistischen Ziele verfolgt, ist das für Jakobus ein geistlicher Tod. Unsere Haltung bewirkt oft schulterzuckende Gleichgültigkeit – wenn ich aber sehe, dass jemand stirbt, dann werde ich darauf anders reagieren. Ich kann Menschenleben retten! Ich kann Menschen vor einem sinnentleerten und hoffnungslosen Leben bewahren, indem ich für sie bete und mit ihnen einen guten Weg für sie suche. Gibt es Menschen, die ich da vor Augen habe?

16.Februar Jakobus 5, 13 - 18
Macht jemand von euch Schweres durch? Dann bete er! Erlebt jemand eine Zeit der Ermutigung? Dann singe er Loblieder! Ist jemand von euch krank? Dann bitte er die Ältesten der Gemeinde zu sich, damit sie für ihn beten und ihn im Namen des Herrn mit Öl salben. Ihr Gebet, im Glauben gesprochen, wird dem Kranken Rettung bringen; der Herr wird ihn seine Hilfe erfahren lassen. Und wenn er Sünden begangen hat, wird ihm vergeben werden. Darum bekennt einander eure Sünden und betet füreinander, damit ihr geheilt werdet. Das Gebet eines Menschen, der sich nach Gottes Willen richtet, ist wirkungsvoll und bringt viel zustande. Elia war ein Mensch wie wir, und als er Gott im Gebet anflehte, es möge nicht regnen, fiel drei Jahre und sechs Monate lang im ganzen Land kein Regen. Danach betete er erneut, und diesmal ließ der Himmel es regnen, und das Land brachte wieder seine Früchte hervor.

Ich erinnere mich an eine Frau namens Hannelore, die diese Verse las. Sie hatte Multiple Sklerose in einem ziemlich schlimmen Stadium. Als sie diese Worte las, rief sie die Leiter ihrer Gemeinde zu sich und sie taten genau das, was da steht. Die Leiter hatten das noch nie zuvor getan. Hannelore wurde plötzlich gesund und gründete aus lauter Dankbarkeit eine Klinik für MS-Kranke. Ich denke, das Geheimnis solcher Gebete ist das Vertrauen, das mitten in einer Situation der Hilflosigkeit als Geschenk begriffen wird. Manchen denken, es gäbe da eine Methode oder eine bestimmte Vorgehensweise – nein, es gibt nur diese innerste Überzeugung, die einen plötzlich überfällt. Die Anweisung, andere – hier Älteste – beten zu lassen, enthält einen wichtigen Hinweis: Es gibt Situationen, in denen fühle ich mich so schlecht, dass ich keinen Glauben aufbringe. Aber es gibt andere neben mir, die für mich glauben können. „Der Christus im Anderen ist stärker als der Christus in mir.“ Und die Sünden? Sicherlich ist hier nicht gemeint, dass die Krankheit ihre Ursache in der Sünde hat im Sinne einer Strafe – aber schon, dass es Zusammenhänge zwischen Sünde und Krankheit gibt. „Als ichs verschweigen wollte, verschmachteten meine Gebeine“ (Psalm 32,3) Zur Heilung gehören Seele und Leib, Geist und Körper. Wer ohne innere Belastung ist, wird schneller körperlich gesund! Was tue ich mit Dingen, die mich innerlich belasten und mich vielleicht krank machen?

15.Februar Jakobus 5, 12


Schwört weder beim Himmel noch bei der Erde, noch bei irgendetwas anderem. Euer Ja soll ein Ja sein und euer Nein ein Nein; andernfalls werdet ihr nicht bestehen können, wenn Gott Gericht hält.

Diese ernste Warnung kennen wir von Jesus aus der Bergpredigt. Warum ist ist das wichtig? Mindestens aus zwei Gründen. Zum einen machen beeidete Aussagen die "normalen" Aussagen wertlos, man kann sich auf ein "Ja" nicht verlassen. Der Ja- oder Neinsager ist in der Versuchung, es mit seinen uneidlichen Aussagen nicht so genau zu nehmen. So schleichen sich Lüge und Unwahrheiten ein. Zum anderen erhalten Eid-Aussagen damit den Nimbus absoluter Wahrheiten. Das ist nicht immer den Tatsachen entsprechend und oft muss ich sagen: "Soweit ich weiß" oder "Wie ich mich erinnere". Insgesamt geht es um Integrität, um Vertrauen, das gewonnen oder zerstört werden kann. Ohne Vertrauen in das Wort meines Nächsten ist Zusammenleben schwierig. Und wie soll ich Gott vertrauen, wenn ich meinen Nächsten nicht mehr trauen kann? Wie halte ich es mit "ungenauen Aussagen"? 

14.Februar Jakobus 5, 7 - 11

Haltet nun also geduldig aus, Geschwister, bis der Herr wiederkommt! Denkt an den Bauern, der darauf wartet, dass auf seinem Land die kostbare Ernte heranreift. Ihretwegen fasst er sich in Geduld, bis der Herbstregen und der Frühjahrsregen auf das Land gefallen sind. Fasst auch ihr euch in Geduld und stärkt eure Herzen im Glauben, denn das Kommen des Herrn steht nahe bevor. Klagt und jammert nicht übereinander, Geschwister, damit Gott euch nicht verurteilen muss. Denkt daran: Der Richter steht schon vor der Tür! Geschwister, wenn es darum geht, im Leiden Geduld zu beweisen, nehmt euch die Propheten, die im Namen des Herrn geredet haben, zum Vorbild. Schließlich ist es doch so, dass wir die glücklich preisen, die in der Prüfung standhaft geblieben sind. Ihr habt von der Standhaftigkeit Hiobs gehört und wisst, dass der Herr bei ihm alles zu einem guten Ende geführt hat, denn der Herr ist zutiefst barmherzig und voll Mitgefühl.

Die ersten Christen lebten in der „Naherwartung“, sie gingen davon aus, dass die Wiederkunft Christi nahe bevorsteht. 
So ist es nicht gekommen. Haben dann solche Texte dann noch irgendeine Bedeutung für uns? Ja, der Aufruf zur Geduld, zum Durchhalten in schwierigen Zeiten kann auch uns gelten. Verbunden mit der Überzeugung, dass „der Herr alles zu einem guten Ende führt.“ Gott ist zutiefst barmherzig und voller Mitgefühl. Das steht hier in einem seltsamen Kontrast zu dem Satz „der Richter steht schon vor der Türe!“ In Jakobus kämpfen zwei Gottesvorstellungen um die Herrschaft. Der barmherzige Gott und der Richtergott. Immer wieder rutschen ihm Drohungen in den Text.  Auch Jesus hat Gericht gepredigt, aber sein Umgang mit Menschen war von Barmherzigkeit geprägt. Jakobus verschärft das Drohen. Manche Christen werden so, wenn sie älter werden. Wie kann ich selbst an der Barmherzigkeit festhalten? Wer braucht sie in meiner Umgebung? 


13.Februar Jakobus 5, 1 - 6 


Und nun zu euch Reichen: Weint und klagt wegen all des Unheils, das über euch hereinbrechen wird! Der Tag kommt, an dem euer Reichtum verrottet sein wird; Motten werden eure Kleider zerfressen haben, und euer Gold und Silber wird von Rost überzogen sein. Und dieser Rost wird als Beweis gegen euch dienen und wird euch zugrunde richten, als wäre er ein Feuer, das euer Fleisch verzehrt. Denn ihr habt Reichtümer angehäuft, und das, obwohl wir am Ende der Zeit leben! Schlimmer noch: Den Arbeitern, die eure Felder bestellten, habt ihr den Lohn vorenthalten – ein Unrecht, das zum Himmel schreit! Die Hilferufe derer, die eure Ernte einbrachten, sind dem Herrn, dem allmächtigen Gott, zu Ohren gekommen. Ihr habt hier auf der Erde ein Leben im Luxus geführt und habt euch dem Vergnügen hingegeben; ihr habt euch alles gegönnt, was euer Herz begehrt, und habt euch damit höchstpersönlich für den bevorstehenden Schlachttag gemästet, den Tag des Gerichts. Ihr habt Unschuldige verurteilt und getötet – Menschen, die sich nicht gegen euch zur Wehr setzen konnten.


Vielleicht ist der Verfasser dieser Gerichtspredigt ja doch Jakobus, der Bruder Jesu. Denn auch Jesus redete ähnlich: „Doch wehe euch, die ihr reich seid; denn ihr habt euren Trost damit schon erhalten.“ (Luk. 6,24). Die Reichen – das sind wir. Die Hilferufe der Arbeiterinnen, die unsere T-Shirts nähen, unsere Früchte ernten und unsere Computer zusammenschrauben sind Gott zu Ohren gekommen. Das erinnert an Israel in Ägypten: „Ihr Geschrei über ihre Bedränger habe ich gehört!“ Gott steht auf der Seite der Bedrängten. Unser Problem heute ist, dass wir trotz aller Medien nicht wahrnehmen, wie andere Menschen leben müssen. „Ihr habt euch gegönnt, was euer Herz begehrt…!“ Man gönnt sich ja sonst nichts. Ich frage mich selbst, was geschehen muss, damit ich betroffen bin. Jakobus droht mit dem Gericht – aber erreicht er uns damit? Wäre es nicht besser, zu sagen: „Geh hin zu den Menschen und sieh, wie sie leben!“ Das ist genau das, was Jesus getan hat, denn er war nicht arm – wurde aber arm, als er sein Handwerk verließ und auf die Straße zu Tagelöhnern und Bettlern ging. Kenne ich arme Menschen? Lasse ich mich noch innerlich erreichen vom Elend derer, die für uns Reiche schuften?

12.Februar Jakobus 4, 13 - 17

Nun zu euch, die ihr sagt: »Heute oder spätestens morgen werden wir in die und die Stadt reisen! Wir werden ein Jahr lang dort bleiben, werden Geschäfte machen und werden viel Geld verdienen!« Dabei wisst ihr nicht einmal, was morgen sein wird! Was ist schon euer Leben? Ein Dampfwölkchen seid ihr, das für eine kleine Weile zu sehen ist und dann wieder verschwindet. Statt solche selbstsicheren Behauptungen aufzustellen, solltet ihr lieber sagen: »Wenn der Herr es will, werden wir dann noch am Leben sein und dieses oder jenes tun.« Doch was macht ihr? Ihr rühmt euch selbst und prahlt mit euren überheblichen Plänen. Alles Rühmen dieser Art ist verwerflich. Denkt also daran: Wenn jemand weiß, was gut und richtig ist, und es doch nicht tut, macht er sich schuldig.

Also, mein lieber Jakobus! Musst du mir so hart meine Vergänglichkeitkeit bewusst machen? Naja, wenn man einen Herzinfarkt hinter sich hat, denkt man anders darüber als vorher. Und es geht Jakobus auch nicht darum, ständig zu sagen: „Morgen könnte ich tot umfallen!“ Sondern um „überhebliche Pläne“, um eine Einstellung, die von der eigenen Unsterblichkeit ausgeht. Wie verschieben sich in meinem Leben die Prioritäten, wenn ich daran denke, dass ich einmal nicht mehr da sein werde, jedenfalls nicht hier auf der Erde? Welche Pläne stellen sich dann als ziemlich unwichtig und sinnlos heraus? Jakobus wählt ja als Beispiel einen Plan, in dem es ums Geschäftemachen und Geldverdienen geht. Das lässt an jenes Beispiel Jesu denken, bei dem es um einen reichen Bauern ging, der eine Menge Scheunen für seine gute Ernte baute und dann in der Nacht darauf starb. Am Ende heißt es da: So ist, der für sich Schätze sammelt und nicht reich ist im Blick auf Gott. (Luk. 12, 21). Reich in diesem Sinne ist der, der weiß, was gut und richtig ist und es auch tut. Was am Ende zählt, ist nicht das Geld, das übrigbleibt, sondern die Beziehungen, die gelebten Freundschaften und die gelebte Liebe. (Siehe den Film: „Das Beste kommt zum Schluss“)

11. Februar Jakobus 4, 11 - 12

Redet nicht schlecht übereinander, Geschwister! Wer schlecht über seinen Bruder redet oder seinen Bruder verurteilt, der redet damit schlecht über das Gesetz und verurteilt das Gesetz, das ein solches Verhalten untersagt. Und wenn du das Gesetz verurteilst, spielst du dich als sein Richter auf, statt es zu befolgen. Dabei gibt es doch nur einen Gesetzgeber und nur einen Richter – den, der die Macht hat zu retten und der die Macht hat, dem Verderben preiszugeben. Du aber, wer bist du, dass du über deine Mitmenschen zu Gericht sitzt?
Man sitzt in fröhlicher Runde zusammen und da fällt ein Name. Ein Vorgesetzter, Arbeitskollege, Bruder oder Schwester….plötzlich fangen alle an, die negativen Eigenschaften dieses Menschen aufzuzählen. Erlebnisse werden hervorgezerrt, unmögliche Verhaltensweisen, Ausrutscher. Warum ist das so lustvoll? Wahrscheinlich, weil es von den eigenen Fehlern ablenkt. Wir stehen jedenfalls besser da, sind weniger „unmöglich“ und „seltsam“. Jakobus erinnert an das „Gesetz“, über das man sich so erhebt. Welches meint er da? Wahrscheinlich die Bergpredigt: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet und mit welchem Maß ihr messt, wird euch zugemessen werden!“ (Matth. 7,2) Ist denn unser Reden über Andere schon „richten“? Das Problem steckt in dem Wort „verurteilen“. Ganz leicht überschreiten wir die Grenze vom bloßen Erzählen zum Verurteilen. „Ich finde das unmöglich“. „Der ist doch wirklich das Letzte auf diesem Posten.“ Solche und ähnliche Kommentare zu unseren Erzählungen sind eindeutig Verurteilungen. Es gibt nur einen Richter – wie stände ich da, wenn er mich verurteilen würde? 

10.Februar Jakobus 4, 6 - 10

Oder meint ihr, die Schrift sagt ohne Grund: »Mit leidenschaftlichem Eifer sehnt sich Gott danach, dass der Geist, den er uns Menschen eingepflanzt hat, ihm allein ergeben ist.«? Aber eben deshalb schenkt Gott uns auch seine Gnade in ganz besonderem Maß. Es heißt ja in der Schrift: »Den Hochmütigen stellt sich Gott entgegen, aber wer gering von sich denkt, den lässt er seine Gnade erfahren.« Ordnet euch daher Gott unter! Und dem Teufel widersteht, dann wird er von euch ablassen und fliehen. Sucht die Nähe Gottes, dann wird er euch nahe sein! Wascht die Schuld von euren Händen, ihr Sünder! Reinigt eure Herzen, ihr Unentschlossenen! Klagt über euren Zustand, trauert und weint! Aus eurem Lachen muss Traurigkeit werden, aus eurer Freude Bestürzung und Scham. Beugt euch vor dem Herrn, dann wird er euch erhöhen.

Ich habe heute einen Politiker vor Augen, der immer wieder über seine eigenen Äußerungen stolpert. Doch statt seine eigene Schuld anzuerkennen, findet er immer wieder Erklärungen, warum er sich so äußern musste und dass doch alles seine Richtigkeit damit habe. Es gibt Punkte im Leben, an denen man die Möglichkeit hat, zu sagen: „Ja, das war so, das habe ich getan!“ oder: „Ok, da bin ich zu weit gegangen, ich muss mich bei NN entschuldigen.“ Das nennt die Bibel Buße, Umkehr. Bestürzung und Scham wollen wir möglichst vermeiden, denn die Erkenntnis: „So bin ich auch!“ ist schmerzhaft. Bei aller Härte seiner Worte spricht Jakobus eine Verheißung aus: Wer gebückt durch diese enge Pforte der Umkehr geht, wird erhöht werden! Das Wort Unterordnung gibt die notwendige innere Haltung gut wieder: Ich akzeptiere den inneren Schuldspruch. Ok, ich lag falsch. Zum Beispiel: Ich sitze nach einem Streit aufgebracht an meinem Schreibtisch und werde allmählich ruhiger. Und dann ist da diese Stimme, die mir sagt: „Das war jetzt gerade extrem lieblos und verletzend. Geh hin und kläre das mit deiner Frau!“ Unentschlossen starre ich auf diesen Gedanken. Mein Stolz, mein Rechthabenwollen, meine Selbstbehauptung – all das steht dagegen. Werde ich gehen?

9.Februar Jakobus 4, 1 - 5

Woher kommen die Auseinandersetzungen unter euch, woher die Streitigkeiten? Kommen sie nicht daher, dass in euch selbst ein Kampf tobt? Eure eigensüchtigen Wünsche führen einen regelrechten Krieg gegen das, was Gott von euch möchte! Ihr tut alles, um eure Gier zu stillen, und steht doch mit leeren Händen da. Ihr seid bereit, über Leichen zu gehen, ihr seid erfüllt von Neid und Eifersucht, aber nichts davon bringt euch euren Zielen näher. Ihr streitet und kämpft, und trotzdem bekommt ihr nicht, was ihr wollt, weil ihr euch mit euren Anliegen nicht an Gott wendet. Und selbst wenn ihr euch an ihn wendet, werden eure Bitten nicht erhört, weil ihr in verwerflicher Absicht bittet: Das Erbetene soll dazu beitragen, eure selbstsüchtigen Wünsche zu erfüllen! Ihr Treulosen! Wie eine Ehebrecherin den Bund mit ihrem Mann bricht, so brecht ihr den Bund mit Gott. Ist euch denn nicht bewusst, dass Freundschaft mit der Welt Feindschaft gegenüber Gott bedeutet? Wer also ein Freund der Welt sein will, erweist sich damit als Feind Gottes. Oder meint ihr, die Schrift sagt ohne Grund: »Mit leidenschaftlichem Eifer sehnt sich Gott danach, dass der Geist, den er uns Menschen eingepflanzt hat, ihm allein ergeben ist.«

Jakobus, ich habe ein Problem mit dir! Du hast Leute vor Augen, die Streithammel sind, die Konflikte in die Gemeinde tragen und das aus egoistischen Motiven. Das kenne ich auch – und ich weiß auch, dass es in christlichen Gemeinden eine Menge Streit gibt, vor allem, wenn es um die Macht geht. Aber trotzdem: Ist dieser Satz  der notwendige Schluss daraus: „Freundschaft mit der Welt ist Feindschaft gegenüber Gott!“ ? Ja, ich verstehe, du siehst „Freundschaft“ als Übernahme der Werte und Ziele dieser Welt: Gier, Neid Eifersucht…Aber ist die Welt wirklich so schlecht? Die Gemeinden damals haben bittere Erfahrungen gemacht, sie wurden verfolgt, verraten und ihre Anhänger gekreuzigt oder wilden Tieren vorgeworfen. In einer solchen Situation kann man kaum mehr differenzieren. Und doch hat es auch wohlwollende „Weltmenschen“ gegeben, die Christen Gutes getan haben, sie nicht verraten haben, sie gewarnt haben. Ich würde heute lieber anders formulieren: „Wenn eure Werte und Ziele nicht anders sind als die der gierigen und egoistischen Menschen, dann seid ihr keine Freunde Gottes.“ Wir haben einen Bund mit Gott und dazu gibt es „Bundesverpflichtungen“ auf beiden Seiten. Gottes Verpflichtung, die er eingegangen ist: Erlösung von Schuld und ewiges Leben. Meine Verpflichtung: Ein Leben in Liebe leben. Das Gute an dieser Verpflichtung ist, dass sie mein Leben sinnvoll macht. Wo bin ich am ehesten in der Gefahr, andere. „weltliche“ Werte und Ziele zu leben?

8.Februar Jakobus 3, 13 - 18

Hält sich jemand unter euch für weise und verständig? Dann soll er zeigen, dass er das auch tatsächlich ist, indem er ein vorbildliches Leben führt und Dinge tut, die von Weisheit und Bescheidenheit zeugen. Wenn aber euer Herz bitter ist vor Eifersucht und wenn ihr selbstsüchtige Ziele verfolgt, dann prahlt nicht mit eurer Weisheit; ihr würdet damit lügen und euch gegen die Wahrheit stellen. Eine solche Weisheit kommt nicht von oben, sondern spiegelt das Denken dieser Welt wider und ist ganz auf das Irdische ausgerichtet; sie ist dämonischen Ursprungs. Denn wo Eifersucht und Selbstsucht herrschen, da herrscht auch Unfrieden, und das Böse kann sich ungehindert ausbreiten. Die Weisheit hingegen, die von oben kommt, ist in erster Linie rein und heilig, dann aber auch friedfertig, freundlich und bereit, sich etwas sagen zu lassen. Sie ist voll Erbarmen und bringt eine Fülle von Gutem hervor; sie ist unparteiisch und frei von jeder Heuchelei. Die Früchte, die vor Gott bestehen können, wachsen dort, wo Friedensstifter eine Saat des Friedens säen.

Was ist Weisheit? Laut Wikipedia bezeichnet der Begriff ein tiefgehendes Verständnis von Zusammenhängen in Natur, Leben und Gesellschaft sowie die Fähigkeit, bei Problemen und Herausforderungen die jeweils schlüssigste und sinnvollste Handlungsweise zu identifizieren. Jakobus liegt also richtig, wenn er nach dem Handeln fragt – jemand, der „theoretische Weisheit“ hat, ist ein Widerspruch in sich selbst, er weiß, was zu tun ist, tut aber etwas Anderes. (siehe Röm.7). Jakobus gibt einen Grund dafür an: Das Herz ist bitter vor Eifersucht, es folgt selbstsüchtigen Zielen. Wie in der jüdischen Weisheitsliteratur stellt er dem das gute Verhalten gegenüber. Aber eines tut Jakobus nicht: Er spricht nicht von Erlösung. Wie in der Bergpredigt Jesu ist der Anspruch sehr hoch (seid Friedensstifter!) – aber die Frage ist, wie ich aus Eifersucht und Egoismus herauskomme. Genügt es, an die Einsicht zu appellieren? Was hilft mir zu einem weisen Leben, das nicht nur Einsicht und Erkenntnis, sondern auch Tat und Handeln ist? Wie erlebe ich Erlösung von meinen alten Strukturen und Verhaltensweisen?

7. Februar Jakobus 3, 4 - 12

Wenn wir einem Pferd das Zaumzeug ins Maul legen, machen wir uns damit das ganze Tier gefügig und können es so lenken, wie wir es wollen. Oder denkt an ein Schiff: So groß es auch sein mag und so heftig die Winde sind, denen es ausgesetzt ist, wird es doch von einem winzigen Ruder auf dem Kurs gehalten, den der Steuermann bestimmt. Genauso ist es mit der Zunge: Sie ist nur ein kleines Organ unseres Körpers und kann sich doch damit rühmen, große Dinge zu vollbringen. Wie ist es denn beim Feuer? Ein Funke genügt, um einen ganzen Wald in Brand zu setzen! Auch die Zunge ist ein Feuer; sie ist – mehr als alle anderen Teile des Körpers – ein Mikrokosmos unserer unheilvollen Welt. Unser ganzes Wesen wird von ihr vergiftet; sie setzt die gesamte menschliche Existenz in Brand mit einem Feuer, das die Hölle selbst in ihr entzündet. Es gelingt dem Menschen zwar, die unterschiedlichsten Tiere zu zähmen – Raubtiere und Vögel, Reptilien und Fische. Sie alle hat der Mensch gebändigt; doch die Zunge kann kein Mensch bändigen. Sie ist ein ständiger Unruheherd, eine Unheilstifterin, erfüllt von tödlichem Gift. Mit ihr preisen wir den, der unser Herr und Vater ist, und mit ihr verfluchen wir Menschen, die als Ebenbild Gottes geschaffen sind. Aus ein und demselben Mund kommen Segen und Fluch. Das, meine Geschwister, darf nicht sein! Oder lässt etwa eine Quelle aus ein und derselben Öffnung genießbares und ungenießbares Wasser hervorsprudeln? Kann ein Feigenbaum Oliven tragen oder ein Weinstock Feigen, meine Geschwister? Natürlich nicht – so wenig, wie aus einer salzhaltigen Quelle Süßwasser fließt!

Schon eine unbedachte Bemerkung kann eine Beziehung auf Jahre hinaus belasten. Um wie viel mehr ein im Zorn geäußertes Wort! „Du bist doch einfach nur ein Versager!“ „Schau dich doch nur an, was aus dir geworden ist!“ Solche und ähnliche Sätze zerstören die Liebe und wirken wie Flüche über unser Leben. „Die Zunge kann kein Mensch bändigen“, sagt Jakobus. Und doch ruft er dazu auf: „Das darf nicht sein!“ Aber was ist da zu tun? Schweigen? Nein, es geht um eine Haltung namens Achtsamkeit. Sie achtet auf das, was in mir geschieht, wenn ich in Beziehung zum Anderen trete. Sind da negative Gedanken? Ärger, Ablehnung, gar Zorn? Achtsamkeit verdrängt diese Gefühle nicht, sondern schaut sie an, ohne sich von ihnen mitreißen zu lassen. Warum empfinde ich das? Wo kommt das her? Gab es einen Anlass, den ich ansprechen muss? Achtsamer Umgang bedeutet auch, dass ich überlege, wann ich Dinge ansprechen kann. Sicherlich nicht dann, wenn ich vor Zorn bebe! Worte können dann tödliches Gift sein. Oft sehe ich am Anderen nur die Projektion meines eigenen Unmutes und meiner negativen Gefühle. Der Text sagt: Er oder sie ist das Ebenbild Gottes! Wie sieht Gott diesen Menschen, den Er geschaffen hat? Können wir uns heute für einen bestimmten Menschen eine andere Perspektive zeigen lassen? Und ihn dann segnen statt ihn zu verfluchen?

6.Februar Jakobus 3, 1 - 3

Meine Geschwister, es sollen nicht so viele von euch darauf aus sein, Lehrer der Gemeinde zu werden! Ihr wisst doch, dass wir Lehrer einmal besonders streng beurteilt werden. Wir alle lassen uns ja oft und in vieler Hinsicht etwas zuschulden kommen, am meisten jedoch bei dem, was wir sagen. Wenn jemand sich nie auch nur mit einem Wort etwas zuschulden kommen lässt, ist er ein vollkommener Mensch, der auch jeden anderen Bereich seines Lebens unter Kontrolle halten kann. 
Arme Lehrer! Sie müssen wohl besonders aufpassen, was sie tun! Doch diese Mahnung gilt ja für alle, die in irgendeiner Weise lehren - also auch für jeden und jede, die oder der andere belehrt, also Glaubenswahrheiten verkündet, sei es im Hauskreis oder sonst in der Gemeinde. Es geht hier um Integrität. Wir bemerken es oft bei anderen, wenn Aussagen und Verhalten, öffentliche Rede und das Reden zuhause nicht zusammenpassen. Bemerken wir es auch bei uns selbst? Ist das, was ich meiner Partnerin, meinem Partner, meinen Kindern und Freunden sage, von der Liebe geprägt, von der ich öffentlich rede?  Die Sprache im privaten Bereich verrät, was mich wirklich steuert. 

5.Februar Jakobus 2, 21 - 26

Wurde nicht unser Vater Abraham aufgrund seines Tuns für gerecht erklärt? Er wurde für gerecht erklärt, weil er seinen Sohn Isaak auf den Altar legte, um ihn Gott als Opfer darzubringen. Erst damit zeigte sich die volle Bedeutung dessen, was die Schrift sagt: »Abraham glaubte Gott, und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet«; ja, er wurde sogar »Freund Gottes« genannt. Ihr seht also, dass der Glaube allein nicht genügt; ein Mensch wird nur dann von Gott für gerecht erklärt, wenn sein Glaube auch Taten hervorbringt. War es bei der Prostituierten Rahab nicht ebenso? Auch sie wurde aufgrund ihrer Taten für gerecht erklärt, denn sie nahm die israelitischen Boten gastfreundlich bei sich auf und half ihnen, auf einem geheimen Weg aus der Stadt zu fliehen. Genauso nämlich, wie der Körper ohne den Geist ein toter Körper ist, ist auch der Glaube ohne Taten ein toter Glaube.

Im Sinne der Bibel glauben heißt aufgrund von Verheißungen handeln. Vertrauen ist biblisch genau das gleiche Wort.  Wie kommt mein Vertrauen zum Ausdruck? Indem ich etwas dem Entsprechendes tue. Allerdings kann ich mir selbst keine Glaubensprüfungen auferlegen. Denn dann versuche ich, selbst Glauben zu produzieren. Den von Jakobus genannten Beispielen ist gemeinsam, dass die Initiative nicht von den Personen selbst ausgeht. Sie geraten einfach in die Situation, in der Glaube erfordert ist. In ihrer Situation wird ihnen Vertrauen möglich - ihr Glaube wird ihnen geschenkt, wenn sie sich ihm öffnen. Wo und wann gab oder gibt es solche Situationen? Bin ich in ihnen offen dafür, "den Sprung des Glaubens" zu wagen? 

4. Februar Jakobus 2, 14 - 20

Was nützt es, meine Geschwister, wenn jemand behauptet: »Ich glaube«, aber er hat keine entsprechenden Taten vorzuweisen? Kann der Glaube als solcher ihn retten? Angenommen, ein Bruder oder eine Schwester haben nicht genügend anzuziehen, und es fehlt ihnen an dem, was sie täglich zum Essen brauchen. Wenn nun jemand von euch zu ihnen sagt: »Ich wünsche euch alles Gute! Hoffentlich bekommt ihr warme Kleider und könnt euch satt essen!«, aber ihr gebt ihnen nicht, was sie zum Leben brauchen – was nützt ihnen das? Genauso ist es mit dem Glauben: Wenn er keine Taten vorzuweisen hat, ist er tot; er ist tot, weil er ohne Auswirkungen bleibt. Vielleicht hält mir jemand entgegen: »Der eine hat eben den Glauben und der andere die Taten.« Wirklich? Wie willst du mir denn deinen Glauben beweisen, wenn die entsprechenden Taten fehlen? Ich dagegen kann dir meinen Glauben anhand von dem beweisen, was ich tue. Du glaubst, dass es nur einen Gott gibt? Schön und gut! Aber auch die Dämonen glauben das – und zittern! Willst du denn nicht begreifen, du unverständiger Mensch, dass der Glaube ohne Taten nutzlos ist? 

Da gab es wohl einen Konflikt in den Gemeinden! Die „paulinischen“ Gemeinden standen in der Gefahr, sich auf der Gnade Gottes auszuruhen. „Schön, wir sind ohne alle Werke gerettet und erlöst. Lasst uns das neue Leben genießen.“ Das ist natürlich ein verfehltes Verständnis paulinischer Theologie! Aber Jakobus sieht diese Tendenz und hält kräftig dagegen. Vielleicht zu kräftig? Kann man Glauben anhand von Taten beweisen? Mancher tut viel Gutes ohne einen Funken Glauben. Oder stimmt das auch wieder nicht? Der, der Menschen Barmherzigkeit und Liebe erweist, glaubt ja zumindest, dass diese Taten sinnvoll sind und einen „Zukunftswert“ besitzen. Jedenfalls hängen Glaube und Taten unmittelbar zusammen. Glaube ohne Taten der Liebe ist ein toter Glaube, ein bloßes Bekenntnis von „Glaubenstatsachen“. Der Glaube, den Jakobus meint, ist eine Herzensangelegenheit, kein Lippenbekenntnis und keine Kopfsache. Wer glaubt, kann nicht passiv bleiben. Glaubende sind Liebende. Es ist so einfach-schwer: Lass doch dein Herz sprechen! Es sagt dir, was zu tun ist. 

3.Februar Jakobus 2, 10 - 13

Und ihr wisst: Wer das ganze Gesetz befolgt, aber gegen ein einziges Gebot verstößt, macht sich damit am ganzen Gesetz mit allen seinen Geboten schuldig. Denn derselbe, der gesagt hat: »Du sollst nicht die Ehe brechen!«, hat auch gesagt: »Du sollst keinen Mord begehen!« Bei jedem einzelnen Verstoß gegen ein Gebot verstößt du also gegen das Gesetz als Ganzes; du kannst einen Mord nicht damit aufwiegen, dass du keinen Ehebruch begehst. Redet und handelt so, wie es dem Gesetz der Freiheit entspricht – dem Gesetz, nach dem ihr einmal gerichtet werdet. Denn im Gericht gibt es kein Erbarmen mit dem, der selbst kein Erbarmen kannte. Doch wer barmherzig war, bei dem triumphiert die Barmherzigkeit über das Gericht: Er wird nicht verurteilt werden.

Das Gesetz der Freiheit ist nichts anderes als das, was Gottes Geist in mir geschaffen hat: In mir, in meinem Herze herrscht die Liebe Gottes. Sie sagt mir, was in der konkreten Situation zu tun ist – wenn ich sie reden lasse. Wer sich bemüht, die einzelnen Regelungen des alten Gesetzes zu befolgen, muss es perfekt befolgen – und das ist offenbar nicht möglich. Wir werden nach dem Gesetz der Freiheit gerichtet, das heißt: Wir werden danach gefragt, ob wir Liebe und Barmherzigkeit geübt haben. „Seid barmherzig wie euer Vater im Himmel barmherzig ist“, sagt Jesus in Luk. 6,36. Selbst wenn es mir nicht gelingt, alle möglichen Regeln einzuhalten und ich Schuld anhäufe: Barmherzigkeit siegt über Sünde. „Die Liebe deckt eine Menge Sünden.“ (1.Petr.4,8) Wer braucht heute meine Barmherzigkeit?

2.Februar Jakobus 2, 1 - 9

Meine Geschwister, ihr glaubt doch an Jesus Christus, unseren Herrn, dem alle Macht und Herrlichkeit gehört. Dann dürft ihr aber Rang und Ansehen eines Menschen nicht zum Kriterium dafür machen, wie ihr mit ihm umgeht! Angenommen, in euren Gottesdienst kommt ein vornehm gekleideter Mann mit goldenen Ringen an den Fingern; es kommt aber auch ein Armer in zerlumpter Kleidung herein. Wenn ihr nun dem mit der vornehmen Kleidung besondere Aufmerksamkeit schenkt und zu ihm sagt: »Hier ist ein bequemer Platz für dich!«, während ihr zu dem Armen sagt: »Bleib du dort drüben stehen oder setz dich hier bei meinem Fußschemel auf den Boden!« – messt ihr da nicht in euren eigenen Reihen mit zweierlei Maß? Und macht ihr euch damit nicht zu Richtern, die sich von verwerflichen Überlegungen leiten lassen? Hört, meine lieben Geschwister! Hat Gott nicht gerade die, die in den Augen dieser Welt arm sind, dazu erwählt, durch den Glauben reich zu werden? Hat er nicht gerade sie zu Erben seines Reiches bestimmt – zu Erben des Reiches, das er denen zugesagt hat, die ihn lieben? Doch was macht ihr? Ihr behandelt den Armen geringschätzig! Sind es denn nicht die Reichen, die euch unterdrücken und euch sogar vor die Gerichte schleppen? Und sind es nicht die Reichen, die den wunderbaren Namen unseres Herrn verhöhnen, der über euch ausgerufen worden ist? Nun, wenn ihr euch wirklich nach dem königlichen Gesetz richtet, wie es in der Schrift niedergelegt ist: »Liebe deine Mitmenschen wie dich selbst!«, dann handelt ihr gut und richtig. Doch wenn ihr Rang und Ansehen eines Menschen zum Kriterium dafür macht, wie ihr mit ihm umgeht, begeht ihr eine Sünde und werdet vom Gesetz als Gesetzesübertreter überführt.

Das ist ein Antidiskriminierungstext! Jakobus führt an Argumenten an: 1. Ihr messt mit zweierlei Maß, ihr richtet über die, die es – aus welchen Gründen auch immer - nicht weit gebracht haben. 2. Gott hat besonders die Armen erwählt. Diese „Option für die Armen“ ist schon bei Jesus deutlich, bei dem Reiche sehr schwer ins Reich Gottes kommen. 3. Es sind gerade die Reichen und Mächtigen, die die Gemeinden bekämpfen und die Botschaft Jesu verhöhnen. 4. Ihr brecht das Gesetz Christi, das lautet: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“! Warum kommt diese Bevorzugung Reicher und Mächtiger in den Gemeinden bis heute trotzdem immer wieder vor? Einmal kann sich die Gemeinde im Glanz der wichtigen Personen sonnen: „Seht her, wir sind eine wichtige Gruppe, sogar NN gehört zu uns!“ Dann gibt es handfeste finanzielle Gründe: „NN ist unser größter Spender! Er hat seinen Platz vorne verdient!“ Drittens sind Leute, die es zu etwas gebracht haben, durchsetzungsfähig und vielleicht (nicht immer!) begabter als andere. Die Gemeinde kann von ihrer Leitung profitieren. Das sind bei Licht betrachtet keine geistlichen Maßstäbe – es ist viel Unglaube dabei. Die Gemeinde wird wahrscheinlich erfolgreich sein – aber sie verrät zugleich ihren „Markenkern“. Persönlich kann man sich fragen: Wie beurteile ich Menschen? Welche Kriterien sind mir wichtig?

1.Februar Jakobus 1, 26 - 27

Wenn jemand sich für fromm hält, aber seine Zunge nicht im Zaum halten kann, betrügt er sich selbst, und seine Frömmigkeit ist nichts wert. Echte und untadelige Frömmigkeit, die vor Gott, dem Vater, bestehen kann, zeigt sich darin, dass man Waisen und Witwen in ihrer Not beisteht und sich vom gottlosen Treiben dieser Welt nicht beschmutzen lässt.

Das Wort für Frömmigkeit, das hier verwendet wird, bedeutet „zeremonielle Anbetung“. Man könnte also übersetzen: Wer eine Menge von Worshipliedern singt, aber ungebremst herumschwätzt, kann sich auch die Lieder sparen! Wenn ihr schon so mit viel Anbetung vor Gott sein wollt, dann wäre die bessere Anbetung, Witwen und Waisen zu unterstützen und euch von dem Treiben der „Welt“ zu enthalten. Eines der größeren Probleme jeder Gemeinschaft – auch der Gemeinden – ist das Reden übereinander. Wie schnell können wir dadurch Menschen verletzen und Beziehungen zerstören! Vielleicht dachte Jakobus ja an die „drei Filter des Sokrates“: Ist es wahr? Ist es gut? Ist es notwendig? So ließen sich viele Konflikte vermeiden. Und Jakobus hat wohl einige fromme Leute vor Augen, denen religiöse Formen wichtiger sind als die gegenseitige Unterstützung und der eigene Lebenswandel. Beim Letzteres muss man sich vor Augen halten, dass es in der antiken Umgebung der Gemeinden ziemlich locker zuging. Orgien, Tempelprostitution, Knabenliebe – alles Dinge, die die Gemeinden scharf ablehnten. Mit Sklavinnen konnte Männer machen, was sie wollten. In dieser Gesellschaft war die Ethik der Gemeinden ein Zeugnis in sich. Wo wäre es heute wichtig, im Gegensatz zur umgebenden Gesellschaft zu leben?

31.Januar Jakobus 1, 19 - 25

Denkt daran, meine lieben Geschwister: Jeder sei schnell bereit zu hören, aber jeder lasse sich Zeit, ehe er redet, und erst recht, ehe er zornig wird. Denn der Zorn des Menschen bewirkt nicht, was vor Gott recht ist. Deshalb legt alles ab, was euch beschmutzt, alles Böse, was noch bei euch vorhanden ist, und geht bereitwillig auf die Botschaft ein, die euch ins Herz gepflanzt wurde und die die Kraft hat, euch zu retten. Hört euch diese Botschaft nicht nur an, sondern handelt auch danach; andernfalls betrügt ihr euch selbst. Denn wer sich Gottes Botschaft zwar anhört, aber nicht danach handelt, gleicht jemand, der sein Gesicht im Spiegel betrachtet und der, nachdem er sich betrachtet hat, weggeht und sofort wieder vergisst, wie er ausgesehen hat. Wer sich jedoch in das vollkommene Gesetz vertieft, das Gesetz der Freiheit, und es ständig vor Augen hat, wer also das Gehörte nicht vergisst, sondern es in die Tat umsetzt, der ist glücklich zu preisen, denn er wird gesegnet sein bei allem, was er tut.

Zorn bewirkt Unheil! Wie schnell ist etwas gesagt, das man nie mehr zurückholen kann. Alles Böse, das in mir vorhanden ist, kann durch Zorn nach oben gespült werden – hässliche Gedanken über den anderen, lieblose Vergleiche, eigene Bitterkeit und Unerlöstheit. Ja, Zorn kommt vor und deshalb ist es gut, eine „Notbremse“ einzubauen. Es ist nicht die schlechteste Lösung, in solchen Situationen zu fliehen und aus dem Raum zu gehen. Aber natürlich keine Dauerlösung! Auf Dauer geht es um „das Böse, das noch bei euch vorhanden ist“ – um ein Wachsen der Liebe Gottes in mir, die mich von all diesem Bösen befreien kann. Wenn ich Gedanken des Neides, der Bitterkeit, Begierden und unerfüllte Wünsche in mir wuchern lasse, werden sie irgendwann an die Oberfläche kommen und mein Handeln bestimmen – vielleicht überraschend in einer Situation des Zornes. Dagegen setzt Jakobus hier auf eine Haltung des ständigen Sich-Erinnerns. Das kann praktisch so aussehen, dass ich mir ein Wort, eine Verheißung oder Ermahnung auf meinen Schreibtisch lege oder an den Kühlschrank klebe – als Erinnerung: Ja, das will ich leben! Welches Wort könnte meines sein?

30.Januar Jakobus 1, 13 - 18

Doch wenn jemand in Versuchung gerät, Böses zu tun, soll er nicht sagen: Es ist Gott, der mich in Versuchung führt! Denn so wenig Gott selbst zu etwas Bösem verführt werden kann, so wenig verführt er seinerseits jemand dazu. Nein, wenn jemand in Versuchung gerät, ist es seine eigene Begierde, die ihn reizt und in die Falle lockt. Nachdem die Begierde dann schwanger geworden ist, bringt sie die Sünde zur Welt; die Sünde aber, wenn sie ausgewachsen ist, gebiert den Tod. Macht euch nichts vor, meine lieben Geschwister! Von oben kommen nur gute Gaben und nur vollkommene Geschenke; sie kommen vom Schöpfer der Gestirne, der sich nicht ändert und bei dem es keinen Wechsel von Licht zu Finsternis gibt. Seinem Plan entsprechend hat er durch die Botschaft der Wahrheit neues Leben in uns hervorgebracht, damit wir – bildlich gesprochen – unter allen seinen Geschöpfen eine ihm geweihte Erstlingsgabe sind.

Gott ist gut! Jakobus wendet sich gegen alle Spekulationen und Gedanken, Gott könne auch eine dunkle Seite haben. Nein, Gott ist reines Licht und ändert sich genauso wenig, wie sich der Lauf der Gestirne ändert.  Ein Gott, der beides ist, Licht und Finsternis, gut und böse, wäre eine gute Erklärung für all das Leid und das Böse in der Welt.  Doch das Dunkle in der Welt bleibt, wenn Gott absolut gut und allmächtig ist, unerklärlich. Jakobus will damit einer einfachen Erklärung für unsere Verfehlungen den Boden entziehen:  Ich konnte ja nicht anders, Gott hat mir diese Versuchung geschickt. Nein, sagt er, es ist ganz und gar deine Versuchung, die du in dir genährt hast. du bist verantwortlich für das, was du heimlich denkst. Es beginnt ganz harmlos - aber es wächst, bis du am Ende sagst: Ich konnte ja nicht anders, es war Gott.  Was reizt mich gerade? Womit spiele ich in Gedanken? 


29.Januar  Jakobus 1, 9 - 12

Ein Gemeindeglied, das in ärmlichen Verhältnissen lebt, soll sich vor Augen halten, was für eine hohe Würde Gott ihm verliehen hat. Und wer reich ist, soll sich vor Augen halten, wie wenig seine hohe soziale Stellung vor Gott wert ist; denn er wird vergehen wie eine Blume auf dem Feld. Wenn die Sonne emporsteigt und ihre Glut das Gras versengt, verwelkt die Blume, und ihre Schönheit ist dahin. Genauso wird auch der Reiche vergehen mit allem, was ihm sein Reichtum ermöglicht hat. Glücklich zu preisen ist der, der standhaft bleibt, wenn sein Glaube auf die Probe gestellt wird. Denn nachdem er sich bewährt hat, wird er als Siegeskranz das ewige Leben erhalten, wie der Herr es denen zugesagt hat, die ihn lieben. 

Standhaft bleiben ist eines der Themen des Jakobus. Da bei sind die Lebenssitautionen sehr unterschiedlich.  Die Reichen müssen sich bewusst werden, wie vergänglich der Reichtum ist und den Verlockungen des Geldes widerstehen. Die Armen Sollen sich ihres Wertes bewusst sein: Sie sind Auserwählte Gottes und Erben seines Reiches. Reiche und Arme haben ein gemeinsames Problem: Die Gier. Darum spricht Jakobus vom Siegeskranz: Wir haben die Zusage unendlichen Reichtums jenseits aller vergänglichen Güter. Uns Diesseitigen fällt es schwer, das zu glauben und entsprechend zu handeln.  In welcher Weise kann mir die Sicht auf den kommenden Himmel heute helfen? 

28.Januar Jakobus 1, 3 - 8

Wenn es aber einem von euch an Weisheit fehlt, bitte er Gott darum, und sie wird ihm gegeben werden; denn Gott gibt allen gern und macht dem, der ihn bittet, keine Vorhaltungen. Doch soll der Betreffende seine Bitte in einer Haltung des Vertrauens vorbringen und nicht in der Haltung des Zweiflers; denn wer zweifelt, gleicht einer Meereswoge, die – vom Wind aufgepeitscht – einmal hierhin und dann wieder dorthin getrieben wird. Ein solcher Mensch soll nicht meinen, er werde vom Herrn etwas bekommen, denn er ist in seinem Innersten gespalten, und seine Unbeständigkeit kommt bei allem, was er unternimmt, zum Vorschein.
Lieber Jakobus!  Was soll ich denn dagegen tun, wenn ich beim Bitten um etwas zweifle?  Bin ich weil ich nicht so fest glaube, kein guter Christ? Und hängt das, was Gott gibt, denn von der Festigkeit meines Glaubens ab?  Ja, höre ich dich sagen, so hat es Jesus selbst gesagt: Dir geschehe nach deinem Glauben. Aber Glauben, heißt es, ist ein Geschenk und nichts, was ich machen kann.  Allerdings - ich kann mich für dieses Geschenk öffnen, es annehmen. Ja, manchmal muss ich wie jener Vater rufen: "Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben."  Für was brauche ich heute diesen Glauben gegen alle Zweifel? 



27.Januar Jakobus 1, 1 - 2

Jakobus, Diener Gottes und des Herrn Jesus Christus, an die zwölf Stämme, die in der Fremde leben. Euch allen sende ich meinen Gruß.
Seht es als einen ganz besonderen Grund zur Freude an, meine Geschwister, wenn ihr Prüfungen verschiedenster Art durchmachen müsst. Ihr wisst doch: Wenn euer Glaube erprobt wird und sich bewährt, bringt das Standhaftigkeit hervor. Und durch die Standhaftigkeit soll das Gute, das in eurem Leben begonnen hat, zur Vollendung kommen. Dann werdet ihr vollkommen und makellos sein, und es wird euch an nichts mehr fehlen.

Jakobus – das ist das bewusste Kontrastprogramm zu Paulus! Wir wissen nicht einmal, wer dieser Schreiber war. Er wendet sich an alle Gemeinden der damaligen „Zerstreuung“, schreibt also einen Rundbrief. Was waren das um vielleicht 90 nach Christus für Prüfungen? Es gab harte Verfolgungen und die Wiederkunft Jesu wollte sich nicht einstellen. Da war Resilienz erforderlich! Aber stimmt es, dass Standhaftigkeit das Gute meines Lebens zur Vollendung bringt? Natürlich nur dann, wenn ich nicht doch noch umfalle! Wenn ich in einer schwierigen Situation mein Vertrauen auf Gott behalte, wird mich das stärker machen. Jakobus gibt als Ziel Vollkommenheit an. Doch diese Makellosigkeit erreichen wir nicht.  Was wir tun können, ist von Mal zu Mal zu üben, einen geraden Weg zu gehen, uns nicht durch Ängste, Anfeindungen oder Nachteile vom Vertrauen abbringen zu lassen. Was macht dir besonders Mühe, welche Dinge oder Situationen lassen dich umkippen? 


26.Januar Galater 6, 11 - 18

Seht ihr, mit was für großen Buchstaben ich den Brief jetzt eigenhändig zu Ende schreibe? Jene Leute, die versuchen, euch zur Beschneidung zu zwingen, tun das, um sich mit Hilfe dieser rein äußerlichen Sache Anerkennung zu verschaffen. Und eigentlich wollen sie damit nur der Verfolgung ausweichen, die mit der Botschaft vom Kreuz Christi verbunden ist. Es geht diesen Beschnittenen ja auch gar nicht darum, das Gesetz zu befolgen; in Wirklichkeit fordern sie euch nur deshalb zur Beschneidung auf, weil sie dann voll Stolz darauf verweisen können, dass ihr euch dieser äußerlichen Zeremonie unterzogen habt. Für mich jedoch ist es unmöglich, auf irgendetwas anderes stolz zu sein als auf das Kreuz von Jesus Christus, unserem Herrn. Durch ihn ist die Welt für mich gekreuzigt, und durch ihn bin ich für die Welt gekreuzigt. Worauf es nämlich ankommt, ist weder Beschnittensein noch Unbeschnittensein. Entscheidend ist nur eins: ein neues Geschöpf zu sein. Allen, die sich an diesen Grundsatz halten, schenke Gott seinen Frieden und sein Erbarmen; sie sind das wahre Israel Gottes. In Zukunft soll mir niemand mehr mit diesen Dingen zur Last fallen! Denn die Narben, die ich an meinem Körper trage, zeigen, dass ich im Dienst von Jesus stehe und an seinem Leiden teilhabe. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit jedem Einzelnen von euch, liebe Geschwister! Amen.
Entscheidend ist, ein neues Geschöpf zu sein! Genauer: Eine neue Schöpfung. Und das ist zuallererst keine Anstrengung, sondern ein Glaube: Du bist das Licht der Welt, du bist die Stadt auf dem Berge, das Salz der Erde. (Jesus, Bergpredigt). Kann ich das glauben, darauf vertrauen? Was aber heißt „gekreuzigt“? Es bedeutet, von einer anderen Wahrheit und Wirklichkeit her sein Leben zu leben und zu gestalten. Es heißt andere Maßstäbe und Werte zu haben als die „Welt“. Äußerlich sieht dieses Leben bei Vielen nicht anders aus als das der Umgebung. Doch der innere Kompass ist auf die Botschaft Jesu ausgerichtet, auf die gute Nachricht vom Reich Gottes. Es ist die Botschaft von der Liebe Gottes, die allen Menschen gilt und niemanden ausschließt. Sie bringt Menschen dazu, die Lasten anderer zu tragen, sich für Unterdrückte und Gefangene einzusetzen und manchmal auch, laut und vernehmlich zu protestieren. Stehen wir so bei den Menschen?

25.Januar  Galater 6, 7 - 10

Macht euch nichts vor! Gott lässt keinen Spott mit sich treiben. Was der Mensch sät, das wird er auch ernten. Wer auf den Boden seiner selbstsüchtigen Natur sät, wird als Frucht seiner Selbstsucht das Verderben ernten. Wer dagegen auf den Boden von Gottes Geist sät, wird als Frucht des Geistes das ewige Leben ernten. Lasst uns daher nicht müde werden, das zu tun, was gut und richtig ist. Denn wenn wir nicht aufgeben, werden wir zu der von Gott bestimmten Zeit die Ernte einbringen. Solange wir also noch Gelegenheit dazu haben, wollen wir allen Menschen Gutes tun, ganz besonders denen, die wie wir durch den Glauben zur Familie Gottes gehören.

Wieder wird Paulus scharf in seinen Worten. Er will damit einem Missverständnis wehren, etwas, das seine Gegner ihm vorgeworfen haben: Deine Predigt der absoluten Gnade wiegt die Leute in einer falschen Sicherheit. Es ist ja dann ganz gleich, was ich tue, Gott liebt mich und nimmt mich an. 
Doch das Gesetz von Saat und Ernte ist nicht aufgehoben. Gottes Geist ist als „neuer Mensch“, als neuer Wesenskern in mir. Lasse ich mich von ihm leiten oder von meiner alten Natur? Das Geschenk Gottes ist kein Freifahrschein in den Himmel. Wer den Geist Gottes hat, der ist Gottes Sohn und Tochter – und das zeigt sich im Leben und Handeln. Wer einfach so weiterlebt wie bisher, wird am Ende verlieren, was er geschenkt bekommen hat. Ist das nun doch wieder „Werkgerechtigkeit“? Nein, denn das Geschenk kann ich nicht erwerben – aber was ich damit mache, ist meine Verantwortung. Auf welchen Boden säe ich? Ist der "neue Mensch" im Zentrum meines Handelns oder der alte Adam? 

24.Januar Galater 6, 1 - 6

Geschwister, wenn sich jemand zu einem Fehltritt verleiten lässt, sollt ihr, die ihr euch von Gottes Geist führen lasst, ihm voll Nachsicht wieder zurechthelfen. Dabei muss aber jeder von euch auf sich selbst achtgeben, damit er nicht auch in Versuchung gerät. Helft einander, eure Lasten zu tragen! Auf diese Weise werdet ihr das Gesetz erfüllen, das Christus uns gegeben hat. Wer sich jedoch einbildet, er sei etwas Besonderes – obwohl er in Wirklichkeit nichts ist – , der belügt sich selbst. Vielmehr soll jeder sein eigenes Tun überprüfen! Dann kann er sich mit dem rühmen, was er selbst tut, und muss sich nicht mit anderen vergleichen. Jeder hat nämlich seine ganz persönliche Last zu tragen. Wer in der Lehre des Evangeliums unterrichtet wird, soll mit allem, was er besitzt, zum Lebensunterhalt seines Lehrers beitragen.

Wir sind als Christen eine Gemeinschaft, in der die Liebe regiert. Es gibt ja diesen fatalen Mechanismus, dass ich mich recht gut fühle, wenn ein anderer bei einem Fehltritt ertappt wird. Ich sollte mir meiner eigenen Schwachheit und meiner Fehler bewusst sein. Du kannst in dasselbe Loch fallen – oder in ein anderes. Wenn ich mich selbst realistisch im Blick habe, kann ich Andere besser verstehen. Wenn wir unsere Lasten gegenseitig tragen wollen, muss ich um diese Lasten wissen. Interessiert es mich, welche Lasten der Christ neben mir trägt? Was ihn oder sie gerade belastet? Wir laufen so oft gedankenlos aneinander vorbei, fragen nicht nach, sehen die Not des Mitbruders, der Mitschwester erst, wenn  jemand resigniert. Gibt es da einen Menschen, der oder die mir einfällt? Wie kann ich ihre oder seine Last mittragen?

23.Januar Galater 5, 22 - 26


Die Frucht hingegen, die der Geist Gottes hervorbringt, besteht in Liebe, Freude, Frieden, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Rücksichtnahme und Selbstbeherrschung. Gegen solches Verhalten hat kein Gesetz etwas einzuwenden. Nun, wer zu Jesus Christus gehört, hat seine eigene Natur mit ihren Leidenschaften und Begierden gekreuzigt. Da wir also durch Gottes Geist ein neues Leben haben, wollen wir uns jetzt auch auf Schritt und Tritt von diesem Geist bestimmen lassen. Wir wollen nicht überheblich auftreten, einander nicht provozieren und nicht neidisch aufeinander sein!
Frucht ist das natürliche Ergebnis eines Baumes. Er muss dazu nichts Außergewöhnliches vollbringen, sondern tun, was seiner Natur entspricht. Wenn Paulus hier von einer ganzen Menge anstrengender Dinge spricht, dann unter diesem Gesichtspunkt: Der Geist bringt sie hervor, nicht ich. Das neue Leben in mir, meine neue Natur, bringt diese Frucht. Mein Anteil ist nicht, besonders heilige Dinge zu tun, sondern meine negativen Antriebe und Charaktereigenarten immer wieder zum Kreuz zu bringen – sie bewusst vor Gott hinzulegen und mich von ihnen dann abzuwenden. Zum Beispiel wenn ich etwas haben will, das andere auch haben. Die Werbung flüstert uns ein, dass man ohne dieses Teil oder diese Sache nicht mehr auskommt. „Must have“, nennt man das so treffend. Es ist Begierde, die mich anfällig macht. „Kreuzigen“ heißt hier, sich bewusst von dem Objekt zu trennen. Man könnte ein Gebet sprechen: „Herr, ich wünsche mir dieses Auto (z.B.) so sehr – ich übergebe dir diesen Wunsch.“ Möglicherweise erfüllt sich dieser Wunsch dann auf ganz andere Weise – oder ein anderer! Psalm 37, 4: Ps 37,4 „Habe deine Lust am HERRN; der wird dir geben, was dein Herz wünscht.“

22.Januar  Galater 5, 16 - 21

Ich sage aber: Wandelt im Geist, dann werdet ihr das Begehren des Fleisches nicht erfüllen! Denn das Fleisch begehrt gegen den Geist, der Geist gegen das Fleisch, denn diese sind einander entgegengesetzt, damit ihr nicht tut, was ihr wollt. Wenn ihr euch aber vom Geist führen lasst, dann steht ihr nicht unter dem Gesetz. Die Werke des Fleisches sind deutlich erkennbar: Unzucht, Unreinheit, Ausschweifung, Götzendienst, Zauberei, Feindschaften, Streit, Eifersucht, Jähzorn, Eigennutz, Spaltungen, Parteiungen, Neid, maßloses Trinken und Essen und Ähnliches mehr. Ich sage euch voraus, wie ich es früher vorausgesagt habe: Wer so etwas tut, wird das Reich Gottes nicht erben. 

Bei dem Begriff Fleisch geht es nicht um sexuelles Begehren.  Das Wort meint den Hang zur Sünde im Menschen, der uns zu egoistischem Handeln und Begehren aller möglichen Dinge treibt. Dagegen setzt Paulus das "Wandeln im Geist".  Unser Leben und Verhalten soll vom Geist Gottes bestimmt werden. Wie geht das? Indem ich höre, was Gottes Geist mir sagt. Ich muss lernen, mit dieser Stimme vertraut zu werden und sie von den Gedanken des Fleisches, aber auch von der Stimme des Gewissens zu unterscheiden. Denn ich bin ja frei von eingeprägten Normen und Ritualen. Darum ist es so wichtig, vor Entscheidungen innezuhalten und in der Stille auf die leise Stimme in mir zu achten. 

21.Januar Galater 5, 13 - 15

Geschwister, ihr seid zur Freiheit berufen! Doch gebraucht eure Freiheit nicht als Vorwand, um die Wünsche eurer selbstsüchtigen Natur zu befriedigen, sondern dient einander in Liebe. Denn das ganze Gesetz ist in einem einzigen Wort zusammengefasst, in dem Gebot: »Du sollst deine Mitmenschen lieben wie dich selbst.« Wenn ihr jedoch wie wilde Tiere aufeinander losgeht, einander beißt und zerfleischt, dann passt nur auf! Sonst werdet ihr am Ende noch einer vom anderen aufgefressen. 
Ich bin frei! Niemand darf mir sagen, was ich zu tun und zu lassen habe.  Ich entscheide selbst.  Was aber lenkt mich in meinen Entscheidungen? Sind es meine selbtsüchtigen Wünsche oder ist es die Liebe zu allen Menschen (einschließlich meiner selbst)? Wie aber merke ich es, wenn ich egoistisch handle? Oft an der Reaktion meiner Mitmenschen, die dann ebenfalls so agieren. Dann gehen wir aufeinander los - oder wir gehen auf weiten Abstand. Die Liebe kann im Anderen das Gute wecken. Sie kann seinen Egoismus, seine Angst und Wut zur Ruhe bringen.  Freie Liebe schenkt dem Anderen einen Raum der Freiheit. 

20.Januar Galater  5, 11 - 12

Mir, liebe Geschwister, wird unterstellt, ich würde immer noch verkünden, man müsse sich beschneiden lassen. Wenn das zutrifft, warum werde ich dann noch verfolgt? In diesem Fall wäre ja der Anstoß beseitigt, den die Botschaft vom Kreuz erregt.  Sollen doch jene Leute, die euch aufhetzen, so konsequent sein und sich nicht nur beschneiden, sondern auch gleich noch kastrieren lassen. 

Was meint Paulus hier? Welchen Anstoß erregt denn das Kreuz?  Es ist der Anspruch, dass jeder Mensch, der glaubt, dass der Messias, der Sohn Gottes am Kreuz für uns gestorben ist, zu Gott gehört. Wo vorher die Beschneidung der vorgeschriebene "Eingang" zu den Auserwählten war, tritt nun das Vertrauen auf die Erlösung am Kreuz an diese Stelle. Der Glaube genügt! Die Gegner des Paulus gehen so weit, zu behaupten, dass er ja auch die Notwendigkeit der Beschneidung predige. Darum rastet der Apostel aus und schreibt: Sollen sie sich doch kastrieren, dann gehören sie nach ihren eigenen Gesetzen nicht mehr zur Gemeinde!  Ist manchmal "heiliger Zorn" nötig, wenn es um das Wichtigste geht? Ja, es gibt auch in der Kirche Aussagen und Taten, angesichts derer "gebremster Schaum" nicht angebracht ist!

19.Januar  Galater 5, 7 - 10

Ihr kamt so gut voran! Wer hat euch nur davon abgebracht, weiterhin der Wahrheit zu folgen? Die Argumente, mit denen man euch überredet, kommen nicht von dem, der euch zum Glauben ruft. Denkt daran: Die kleinste Menge Sauerteig genügt, um den ganzen Teig zu durchsäuern! Doch im Vertrauen auf den Herrn bin ich zuversichtlich, wenn ich an euch denke; ich bin überzeugt, dass ihr die Dinge genauso sehen werdet wie ich. Diejenigen allerdings, die euch verwirren und irreführen, werden ihrer Strafe nicht entgehen, ganz gleich, wer sie sind. 

Was treibt die Leute an, die die Galater so verwirrt haben? Auch sie handeln im "guten Glauben", wie man so sagt. aber ihre Argumente gründen auf Angst:  "Ihr müsst diese Gesetze halten, sonst wird Gott euch verwerfen!" Es ist oft schwer, richtig und falsch zu unterscheiden, wenn es um die "richtige Lehre", die "Orthodoxie" geht. Doch es gibt eine Prüffrage: "Ist da Liebe enthalten?" Ist das, was gelehrt wird, verträglich mit diesem gnädigen und liebevollen Gott, den uns Jesus vor Augen gestellt hat? Enthält diese Lehre Barmherzigkeit?  Oder nur harte gesetzliche Forderungen?  Ja, auch Jesus kann in der Nachfolge harte Konsequenzen fordern - aber sie ergeben sich aus der Liebe zu allen Menschen und nicht aus religiösen Regeln.

18.Januar Galater 5, 5 - 6

Wir hingegen warten auf die Gerechtigkeit, die Gott für uns bereithält, und diese Hoffnung verdanken wir dem Geist Gottes; sie ist uns aufgrund des Glaubens geschenkt. Denn wenn jemand mit Jesus Christus verbunden ist, spielt es keine Rolle, ob er beschnitten oder unbeschnitten ist. Das Einzige, was zählt, ist der Glaube – ein Glaube, der sich durch tatkräftige Liebe als echt erweist. 

Das Einzige, was zählt! Das bloße Beschnittensein ist ein äußeres Zeichen - es hat in sich keine Kraft und bewirkt nichts. Es ist das durch Liebe sich erweisende Vertrauen, das die Kraft hat, mich zu erlösen und zu verändern. Worauf vertraue ich? Menschen vertrauen auf Rituale, auf Priester, auf Glaubenshelden, auf den Glauben anderer. Nein, sagt Paulus, vertraut auf Christus und seine Tat für euch. Vertraut auf die innere Stimme, mit der der Geist Gottes euch sagt: Ihr seid Kinder Gottes! Auf euch wartet der Himmel. 

17.Januar Galater 5, 1 - 4

Zur Freiheit hat Christus uns befreit! Bleibt daher standhaft und lasst euch nicht wieder unter das Joch der Sklaverei zwingen! Lasst es euch von mir, Paulus, gesagt sein: Wenn ihr euch beschneiden lasst, wird euch das, was Christus getan hat, nichts nützen. Ich weise jeden, der sich beschneiden lassen will, noch einmal mit allem Nachdruck darauf hin: Mit seiner Beschneidung verpflichtet er sich, das ganze Gesetz zu befolgen. Wenn ihr versucht, mit Hilfe des Gesetzes vor Gott gerecht dazustehen, habt ihr euch aus der Verbindung mit Christus gelöst, und euer Leben steht nicht mehr unter der Gnade. 

Und wieder ein flammender Appell! Soll das etwa heißen, dass alle Juden auf dem falschen Weg sind? Paulus ist doch auch Jude und beschnitten. Nein, es geht um die Gültigkeit des Beschlusses des "Apostelkonzils", von dem Paulus in Galater 2 ja berichtet. Jahre später kommen andere Leute und wollen das alles wieder zurückdrehen. Die Verbreitung der guten Nachricht unter den Nichtjuden steht auf dem Spiel! Hier kann Paulus nicht nachgeben. Aus der Gnade zu fallen hieße Christus, das Zentrum zu verlieren. Wir streiten in Gruppen und Kreisen oft um Nebensächliches. Das Einzige, bei dem das Streiten unumgänglich ist, ist die Botschaft von der Erlösung durch Christus, die Botschaft der umsonst geschenkten Freiheit. Wo aber gerate ich in Streit mit meinen Mitchristen? 

16.Januar   Galater 4, 21 – 31
Ihr wollt euch also dem Gesetz des Mose unterstellen! Ich frage euch: Hört ihr nicht, was eben dieses Gesetz sagt? In der Schrift wird doch berichtet, dass Abraham zwei Söhne hatte; die Mutter des einen war eine Sklavin, die Mutter des anderen war eine freie Frau. Und zwar wurde der Sohn der Sklavin infolge von menschlich-eigenmächtigem Handeln geboren, der Sohn der Freien hingegen aufgrund einer Zusage Gottes. Das Ganze kann sinnbildlich verstanden werden, nämlich so, dass es sich bei den beiden Frauen um zwei Bündnisse handelt. Der eine Bund, am Sinai geschlossen, bringt Sklaven hervor; er wird von Hagar repräsentiert. »Hagar« steht für den Berg Sinai in Arabien und entspricht dem jetzigen Jerusalem; denn dieses Jerusalem lebt mit seinen Kindern in der Sklaverei. Das Jerusalem im Himmel dagegen ist frei, und dieses Jerusalem ist unsere Mutter. Von ihr heißt es in der Schrift: »Freu dich, du Unfruchtbare, die du nie ein Kind zur Welt gebracht hast; brich in Jubel aus und jauchze, die du nie Mutter geworden bist! Denn die Kinder der Einsamen werden zahlreicher sein als die Kinder der Frau, die einen Mann hat.« Ihr nun, Geschwister, gehört – genau wie Isaak – zu den Kindern, die Gott versprochen hat; ihr verdankt euer Leben der Zusage Gottes. Und genau wie damals der Sohn, der infolge von menschlich-eigenmächtigem Handeln geboren wurde, den Sohn verfolgte, der durch das Wirken von Gottes Geist zur Welt kam, genauso ist es auch heute. Doch was sagt die Schrift? »Schick die Sklavin und ihren Sohn weg! Denn der Sohn der Sklavin soll keinen Anteil an dem Erbe bekommen; der ganze Besitz gehört dem Sohn der Freien.« All das, liebe Geschwister, zeigt, dass wir nicht Kinder der Sklavin sind, sondern Kinder der Freien.
Hier wird im Beispiel, das Paulus wählt, noch einmal der scharfe Gegensatz zwischen ihm und dem Judentum, aus dem er ja selbst kommt, deutlich. „Dieses Jerusalem lebt mir seinen Kindern in der Sklaverei.“ Ich muss dabei an einen Ausspruch einer Jüdin denken, die ich in Israel kennenlernte: „Es ist nicht leicht, eine jüdische Frau zu sein.“ Sie meinte das im Hinblick auf all ihre Pflichten um die Gesetze und Regeln, koscheres Essen, Speisegebote und Festtagsregeln. Sie wäre trotzdem nicht damit einverstanden gewesen, mit „Hagar“ identifiziert zu werden. Das Ganze ist mir nur verständlich auf dem Hintergrund der scharfen Auseinandersetzung mit den Gegnern des Paulus. Das Wegschicken der Sklavin war ja ein grausames Geschehen, in das Gott damals eingegriffen hat, indem er Hagar rettete. Man kann es heute auch so sehen: In der an sich guten Absicht, die Freiheit seiner Gemeinden zu verteidigen, greift Paulus zu einem Beispiel, das einen falschen Ton in das Ganze bringt. Später hat die Kirche aufgrund solcher Sätze die Juden verdrängt und grausam verfolgt. Das war nicht im Sinne des Paulus. Man muss aber bei Auseinandersetzungen bei allem Eifer doch die möglichen Folgen seiner Worte bedenken.  Es gibt eben Menschen, die sich in böser Absicht darauf berufen und sagen können:  Paulus hat auch gesagt....

15.Januar Galater 4, 12 - 20

Richtet euch nach meinem Beispiel, liebe Geschwister, so wie ich mich nach euch gerichtet habe; ich bitte euch darum. Bisher habt ihr mir doch noch nie Kummer bereitet! Ihr wisst, unter welchen Umständen ich euch das erste Mal das Evangelium verkündete: Ich musste wegen einer Krankheit bei euch Halt machen. Und obwohl mein körperlicher Zustand für euch eine Zumutung gewesen sein muss, habt ihr nicht mit Verachtung oder gar Abscheu reagiert, im Gegenteil: Ihr habt mich wie einen Engel Gottes aufgenommen, wie Jesus Christus persönlich. Ihr wart so glücklich damals! Was ist nur aus eurer Freude geworden? Wenn es euch möglich gewesen wäre, hättet ihr euch sogar die Augen ausgerissen und hättet sie mir gegeben; das kann ich bezeugen. Habe ich mich etwa zu eurem Feind gemacht, nur weil ich euch die Wahrheit sage? Jene Leute bemühen sich nicht in guter Absicht um euch, ganz im Gegenteil: Sie wollen einen Keil zwischen euch und mich treiben, damit ihr euch dann um sie bemüht. Es ist gut, sich um etwas Gutes zu bemühen. Aber tut es nicht nur, wenn ich bei euch bin; tut es immer! Meine Kinder, es ist, als müsste ich euch ein zweites Mal zur Welt bringen. Ich erleide noch einmal Geburtswehen, bis Christus in eurem Leben Gestalt annimmt. Was würde ich darum geben, gerade jetzt bei euch zu sein und im Gespräch mit euch den richtigen Ton zu finden! Denn ich weiß mir keinen Rat mehr mit euch.
Bis Christus in euch Gestalt gewinnt! Um nichts Anderes geht es hier. Nicht um die Meinung des Paulus oder die seiner Gegner. Paulus ringt um seine geistlichen Kinder. Das Geschehen in Galatien zeigt, wie leicht Menschen sich denen öffnen, die ihnen Regeln und Gebote verkünden – gerade in Sachen Religion. Wir wollen nicht frei sein, weil es anstrengend ist. Viel lieber wollen wir jemanden haben, der uns sagt, was gilt und wie zu leben ist. Stimmt nicht? Nunja, zum Glück nicht für alle – aber leider für recht viele. Wie kann man dieser Tendenz zum Sklaventum entgegenwirken? Paulus versucht es hier mit der Erinnerung an gute Zeiten, an herzliches Einvernehmen, an die Freude der ersten Zeit. „Ihr habt mit mir zusammen ohne diese Regeln und Gebote gelebt – und ihr habt erlebt, dass alles ok war.“ Die Zusage und das Erleben, dass ich unbedingt ein geliebter Sohn, eine geliebte Tochter meines Gottes bin, können mich vor einer falschen und einengenden Religiosität bewahren. Und so kann Christus in mir Gestalt gewinnen.


14.Januar Galater 4, 8 - 11

Früher, als ihr den wahren Gott noch nicht kanntet, sah das ganz anders aus: Damals dientet ihr Göttern, die in Wirklichkeit gar keine Götter sind, und wart ihre Sklaven. Jetzt aber kennt ihr Gott – oder vielmehr: Gott kennt euch. Wie ist es da möglich, dass ihr wieder zu den kraftlosen und armseligen Vorstellungen dieser Welt zurückkehrt? Wollt ihr ihnen wirklich von neuem dienen und ihre Sklaven sein? Ihr seid ängstlich darauf bedacht, bestimmte Tage heilig zu halten und die monatlichen und jährlichen Feste zu feiern. Ich bin in Sorge wegen euch! Sollte es etwa umsonst gewesen sein, dass ich mich euretwegen abgemüht habe?

Paulus sieht seine Gemeindegründungen in Gefahr. Die Menschen, die er doch im Namen Jesu befreien wollte, begeben sich ohne Not wieder in die Knechtschaft. Es geht nicht darum, ob man Feste feiert oder nicht. Sondern um die Abhängigkeit von Regeln und Ritualen, die man meint „unbedingt“ einhalten zu müssen. Das sind, sagt Paulus, armselige und kraftlose Dinge. Gibt es solche Praktiken in meinem Leben? Rituale können eine gute Sache sein, aber bin ich ihr Sklave? Eine gute Probe ist, wie es mir geht, wenn ich auf ein Ritual bewusst verzichte. Stellt sich dann ein schlechtes Gewissen ein? Fühle ich mich unwohl? Dann liegt es nahe, dass ich daran gebunden bin und sollte mich davon bewusst lösen. Ein Beispiel ist der Besuch des Gottesdienstes. Eine gute Sache – an sich. Aber wie ergeht es mir, wenn ich an einem Sonntag zuhause bleibe?  Wenn ich dann erwarte, dass die Woche schlecht wird, dann wird sie schlecht! Das ist eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, die mich umso fester an das Ritual bindet: „Man muss in den Gottesdienst gehen, sonst segnet Gott mich nicht!“ „Nein“, würde Paulus sagen. „Macht das in Freiheit, aber wenn es dir die Freiheit nimmt, dann lass es!“

13.Januar  Galater 4, 1 - 7

Allerdings weise ich euch auf Folgendes hin: Solange der Erbe noch unmündig ist, unterscheidet ihn nichts von einem Sklaven, obwohl er doch der künftige Herr des ganzen Besitzes ist. Er ist vielmehr Vormündern unterstellt, und sein Vermögen wird von Treuhändern verwaltet bis zu dem Zeitpunkt, den sein Vater festgelegt hat. Genauso war es auch bei uns: Als wir noch unmündig waren, waren wir den Vorstellungen unterworfen, die in dieser Welt herrschen, und waren ihre Sklaven. Doch als die Zeit dafür gekommen war, sandte Gott seinen Sohn. Er wurde als Mensch von einer Frau geboren und war dem Gesetz unterstellt. Auf diese Weise wollte Gott die freikaufen, die dem Gesetz unterstanden; wir sollten in alle Rechte von Söhnen und Töchtern Gottes eingesetzt werden. Weil ihr nun also seine Söhne und Töchter seid, hat Gott den Geist seines Sohnes in eure Herzen gesandt, den Geist, der in uns betet und »Abba, Vater!« ruft. Daran zeigt sich, dass du kein Sklave mehr bist, sondern ein Sohn. Wenn du aber ein Sohn bist, bist du auch ein Erbe; Gott selbst hat dich dazu bestimmt.
„Als wir noch unmündig waren…!“ Diese Unmündigkeit besteht darin, dass wir „äußere“ Gesetze und Vorschriften brauchen, um recht leben und handeln zu können. Es sind, sagt Paulus, Vorstellungen, die in dieser Welt herrschen. Anders gesagt ist es die Annahme, dass man ohne Regeln und Ge- und Verbote nicht leben kann. Das Leben braucht diese Leitplanken, sonst geht es in die Irre. Nein, sagt Paulus, wenn ihr Söhne und Töchter Gottes seid, braucht ihr das nicht mehr. Denn ihr habt Gottes Geist in euch, ihr habt ein neues Gottesverhältnis, indem ihr wie Jesus Gott „Abba“, Papa nennt. Das Gesetz ist nicht mehr außen, sondern als eure tiefste Überzeugung innen. In Jeremia 31,33 steht: „Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben.“ Das ist der „neue Bund“, die Kindschaft, in die wir Christen durch die Taufe eingesetzt – adoptiert – sind. Wir sind Kinder Gottes mit vollem Erbrecht durch eine göttliche Verfügung, die in der Sohnschaft Jesu begründet ist. Darum kann an Jesu Handeln abgelesen werden, wie dieses neue Leben jenseits des Gesetzes aussieht. Bin ich in meinem Handeln und Urteilen so frei wie Jesus? Ist meine Zuwendung zu den „Mühseligen und Beladenen“ so rückhaltlos wie bei ihm? Es ist ein Leben aus einer inneren Selbstverständlichkeit – getrieben von dem Geist, der im Herzen wohnt.

12.Januar Galater 3, 26 - 29

Ihr alle seid also Söhne und Töchter Gottes, weil ihr an Jesus Christus glaubt und mit ihm verbunden seid. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft worden seid, habt ein neues Gewand angezogen – Christus selbst. Hier gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Juden und Griechen, zwischen Sklaven und freien Menschen, zwischen Mann und Frau. Denn durch eure Verbindung mit Jesus Christus seid ihr alle zusammen ein neuer Mensch geworden. Wenn ihr aber zu Christus gehört, seid ihr auch Nachkommen Abrahams und seid damit – entsprechend der Zusage, die Gott ihm gegeben hat – Abrahams rechtmäßige Erben.

Man muss das zweimal lesen, um es zu begreifen: In Jesus Christus sind wir alle unterschiedslos Söhne und Töchter Gottes. Wir sind alle neue Menschen! Das ist so revolutionär, dass es Menschen bis heute nicht begriffen, geschweige denn umgesetzt haben. Wie war es möglich, dass Christen trotzdem ihre Mitchristen versklavten? Oder gläubige Schwarze für Untermenschen hielten? Dass Christen in unserem Land getaufte Juden an die NS-Schergen ausgeliefert haben? Einmal ganz abgesehen davon, dass man das allen Menschen, ganz gleich ob gläubig oder nicht, niemals antun sollte, wenn man auf den Namen Christi getauft ist – aber hier geht es um die, die zu Christus gehören. Wie kommt es nur, dass Christen immer wieder Gründe gefunden haben, diese Worte außer Kraft zu setzen? Es sind heute innerkirchlich Begriffe wie „Amtsverständnis“, „apostolische Sendung“, „Ordnung“ und dergleichen, mit denen Frauen niedrig gehalten werden. Und außerkirchlich: „Rasse“ „Natur“ „natürliche Ordnung“ und dergleichen. Immer wieder müssen wir laut sagen: Es gibt keinen Unterschied! Punkt! Und da gilt auch nicht das perfide Argument, das sei ja nur in Glaubensdingen so. Ihr seid neue Menschen!

11.Januar  Galater 3, 21 - 25

Bedeutet das nun, dass das Gesetz im Widerspruch zu Gottes Zusagen steht? Ausgeschlossen! Wenn ein Gesetz erlassen worden wäre, das imstande ist, lebendig zu machen, dann könnte man tatsächlich mit Hilfe dieses Gesetzes vor Gott gerecht dastehen. In Wirklichkeit jedoch – das zeigt die Schrift – ist die ganze Menschheit der Sünde unterworfen und wird von ihr gefangen gehalten. Denn Gottes Zusage soll sich ausschließlich auf der Grundlage des Glaubens an Jesus Christus erfüllen; was er versprochen hat, sollen die erhalten, die ihr Vertrauen auf Christus setzen. Doch bevor die Zeit des Glaubens begann, wurden wir alle zusammen unter der Aufsicht des Gesetzes in Gewahrsam gehalten; unsere Gefangenschaft sollte erst ein Ende haben, wenn Gott uns den Weg des Glaubens eröffnen würde. Das Gesetz war also unser Pädagoge, unter dessen strenge Hand Gott uns gestellt hatte, bis Christus kam; denn es war Gottes Plan, uns auf der Grundlage des Glaubens für gerecht zu erklären. Und jetzt, wo die Zeit des Glaubens da ist, stehen wir nicht mehr unter der Kontrolle jenes Aufsehers.
„Die ganze Menschheit ist der Sünde unterworfen!“ Puh – muss man das so negativ sehen? Sünde – das griechische Wort „Armatia“ - bedeutet Zielverfehlung. Einem Bogenschützen kann „armatia“ passieren – oder einem Torschützen: Knapp daneben ist auch vorbei. In diesem Sinne kann man sein Leben verfehlen, nämlich das Ziel eines sinnvollen und von der Liebe Gottes geprägten Lebens. Und da wird auch die Rolle des Gesetzes klarer: Es soll ja dazu dienen, sozusagen „Leitplanken“ für ein solches Leben bereitzustellen. Es ist unser Schulmeister, der uns sagt, was zu tun und zu lassen ist, weil wir noch unmündig sind. Aber das soll nicht so bleiben. Jetzt, sagt Paulus, brauchen wir das nicht mehr! Es lohnt sich, da einmal tiefer in sich hineinzulauschen: Richte ich mich nach geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen oder entscheide ich jeweils selbst, was zu tun ist? Und wenn ich das tue, gibt es da noch heimliche Gesetze in mir, nach denen ich mich unmerklich richte? Es kann ja eine gute Regel sein, zu einer bestimmten Zeit zu beten – aber wie fühle ich mich, wenn ich diese Regel einmal breche? Und ich muss sie brechen, wenn es z.B. um die Versorgung eines Kindes geht, das JETZT meine Hilfe braucht. Bin ich wirklich frei, zu entscheiden, was gerade wichtig ist? Die „Grundlage Christus“ bedeutet, dass ich mich wie er von der Stimme der Liebe leiten lasse und nicht von irgendeinem Gesetz.

10.Januar Galater 3, 13 - 20

Christus nun hat uns vom Fluch des Gesetzes losgekauft, indem er an unserer Stelle den Fluch getragen hat. Denn – so sagt die Schrift – »verflucht ist jeder, der am Pfahl endet«. Durch Jesus Christus bekommen jetzt also Menschen aus allen Völkern Anteil an dem Segen, den Gott Abraham zugesagt hatte; aufgrund des Glaubens erhalten wir den Geist, den Gott versprochen hat. Liebe Geschwister, lasst mich ein Beispiel gebrauchen, das uns allen vertraut ist. Wenn jemand ein Testament aufgesetzt hat und es rechtskräftig geworden ist, kann keiner mehr es für ungültig erklären oder nachträglich etwas daran ändern. Genauso verhält es sich mit den Zusagen, die Abraham und seiner Nachkommenschaft gemacht wurden. Übrigens sagt Gott nicht: »… und deinen Nachkommen« – als würde es sich um eine große Zahl handeln. Vielmehr ist nur von einem Einzigen die Rede: »deinem Nachkommen«, und dieser Eine ist Christus. Was ich sagen will, ist folgendes: Gott hat mit Abraham einen rechtskräftigen Bund geschlossen. Wenn dann 430 Jahre später das Gesetz erlassen wird, kann dieses Gesetz den Bund nicht außer Kraft setzen und damit Gottes Zusage aufheben. Genau das wäre nämlich der Fall, wenn der Empfang des Erbes davon abhinge, dass wir das Gesetz befolgen: Dann würden wir es nicht mehr aufgrund von Gottes Zusage erhalten. Das Erbe jedoch, das Gott Abraham in Aussicht stellte, ist ein Geschenk, das sich auf seine Zusage gründet. Welche Aufgabe hatte dann das Gesetz? Es wurde hinzugefügt, um ans Licht zu bringen, dass wir mit unserem Tun Gottes Gebote übertreten, und sollte so lange in Kraft bleiben, bis jener Nachkomme Abrahams da war, auf den sich Gottes Zusage bezog. Im Übrigen wurde uns das Gesetz durch Engel mit Hilfe eines Vermittlers überbracht. Ein Vermittler aber ist nicht nötig, wenn nur ein Einziger handelt, doch genau das war der Fall, als Gott, der eine und einzige Gott, Abraham das Erbe versprach.

Du bist Erbe! Das ist der Kern dieser langen Argumentation. Das Erbe ist der „Anteil am Segen, den Gott Abraham zugesagt hat“. Oder anders gesagt: Gottes Geist, seine Lebenskraft. Natürlich haben die Juden, an die Paulus denkt, gesagt: „Wir sind die Erben, wir sind Abrahams Kinder!“ Doch Paulus bezieht den Bund Gottes mit Abraham auf alle Menschen, die sich auf Jesus Christus berufen. Was soll dann noch das Gesetz? Paulus weist ihm eine negative Funktion zu: Es soll deutlich machen, dass wir es nicht schaffen, so zu leben, wie Gott es will. Da würden Juden natürlich heftig widersprechen! „Führe mich auf dem Steig deiner Gebote; denn ich habe Gefallen daran!“ heißt es in Psalm 119. Für sie sind die Gebote Gottes gute Wegweisungen ins Leben. Doch Paulus sieht – wie Jesus selbst – die Kehrseite der treuen Gesetzesbefolgung: Am Ende ist nicht mehr das Gesetz für den Menschen da, sondern der Mensch für das Gesetz. Das Erbe, das Geschenk ist nicht das Gesetz, sondern der Geist. „Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig!“ Es gibt einen Grund dafür, dass Menschen wie hier die Galater immer wieder Gesetze suchen: Die Freiheit des Geistes macht Angst, eigene Entscheidungen zu suchen, ist anstrengend. Viel bequemer ist es, in einem Buch nachzuschauen, was zu tun ist. Wage ich es, so frei zu leben?

9.Januar Galater 3, 6 - 12

Wie war es denn bei Abraham? Abraham, so heißt es in der Schrift, »glaubte Gott, und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet« Daran müsst ihr doch erkennen, wer Abrahams Söhne und Töchter sind: Es sind die Menschen, die ihr Vertrauen auf Gott setzen. Von dieser guten Nachricht hat die Schrift schon lange im Voraus gesprochen; sie kündigte an, dass Gott Menschen aus allen Völkern auf der Grundlage des Glaubens für gerecht erklären würde. Abraham wurde nämlich die Zusage gemacht: »Durch dich werden alle Völker gesegnet werden.« Daraus folgt: Wer immer sein Vertrauen auf Gott setzt, wird zusammen mit Abraham, dem Mann des Glaubens, gesegnet werden. Diejenigen hingegen, die ihre Hoffnung auf das Einhalten von Gesetzesvorschriften setzen, stehen unter einem Fluch. Denn es heißt in der Schrift: »Verflucht ist jeder, der sich nicht ständig an alles hält, was im Buch des Gesetzes steht, und der nicht alle seine Vorschriften befolgt.« Und an einer anderen Stelle heißt es: »Der Gerechte wird leben, weil er glaubt.« Daraus geht klar hervor, dass niemand, der sich auf das Gesetz verlässt, vor Gott gerecht dastehen kann. Denn beim Gesetz zählt nicht der Glaube; hier geht es vielmehr nach dem Grundsatz: »Leben wird der, der die Vorschriften des Gesetzes befolgt.«
Wer sein Vertrauen auf Gott setzt, wird gesegnet werden. Das ist der Grundsatz vor allen Regeln und Geboten. Revolutionär neu ist hier, dass das nicht nur für Juden gilt, sondern für alle Völker! Entscheidend ist dabei, worauf ich mich verlasse – auf die Zusage Gottes, dass er mich segnen wird, weil er mir das zusagt oder auf die Gesetzesbefolgung und die daraus folgende „Belohnung“ eines guten Lebens. Man kann Paulus hier kritisieren, denn für fromme Juden war die Befolgung des Gesetzes keine Vorbedingung zum Erwerb der Gottesbeziehung, sondern Ausdruck ihrer Verbundenheit mit Gott. Dass sie dabei nicht alles erfüllen konnten und Buße und Umkehr immer wieder nötig waren, lässt sich am Opferkult deutlich machen. Doch für Paulus gerät die Grundlage „Vertrauen“ aus dem Blick, wenn man nur noch in Gesetzen denkt und handelt. Zentral ist der Gedanke des „Bundes“: Gott verbündet sich mit seinem Volk und hält daran fest, auch wenn das Volk nicht tut, was es tun soll. Aber Gott verbündet sich genauso mit denen, die auf ihn vertrauen, ganz gleich, woher sie stammen. Grundlage dieses Bundes kann niemals das eigene Verhalten sein, denn wir alle scheitern immer wieder. Wer das tut, der begibt sich unter einen Fluch, oder anders gesagt: ein Verhängnis. Worauf verlasse ich mich?

8.Januar Galater 3, 1 - 5

Ach ihr unverständigen Galater! In wessen Bann seid ihr nur geraten? Jesus Christus, der Gekreuzigte, wurde euch doch mit aller Deutlichkeit vor Augen gestellt! Lasst mich nur das eine wissen: Habt ihr den Geist Gottes bekommen, weil ihr die Vorschriften des Gesetzes befolgt habt, oder habt ihr ihn bekommen, weil ihr die Botschaft, die euch verkündet wurde, im Glauben angenommen habt? In der Kraft des Heiligen Geistes habt ihr begonnen, und jetzt wollt ihr aus eigener Kraft das Ziel erreichen? Seid ihr wirklich so unverständig? Ihr habt so große Dinge erlebt! War das alles umsonst – wirklich und wahrhaftig umsonst? Überlegt doch einmal: Wieso gibt Gott euch seinen Geist? Wieso lässt er Wunder bei euch geschehen? Tut er das, weil ihr die Vorschriften des Gesetzes befolgt, oder tut er es, weil ihr der Botschaft glaubt, die euch verkündet wurde?
Wir erleben hier einen Paulus, der um seine Gemeinde ringt! Diese Leute driften gerade weg in eine gesetzliche Richtung! Sein Hauptargument ist: Ihr habt den Geist Gottes gespürt, ihr habt gute Dinge erlebt, Gott hat euch beschenkt – und das alles ohne dass ihr euch bisher um jüdische Gesetze gekümmert habt! Ist das nicht der Beweis, dass Gott gar nicht will, dass ihr all diese Regeln einhaltet? Ich denke, wir können das auch erleben: Wunder, Zuwendungen Gottes und seine spürbare Nähe trotz „unzureichender Lebensführung“ – was immer das beim Einzelnen ist. Gott gibt nicht, weil wir gut oder fromm sind, sondern weil er uns liebt. Und die Erfahrung dieser Liebe kann uns besser machen. Wenn wir das umdrehen und Heilige werden wollen, verfehlen wir den Kern des Evangeliums. Bonhoeffer schrieb 1944 im Gefängnis: „Ich erinnere mich eines Gespräches, das ich vor 13 Jahren in Amerika mit einem französischen jungen Pfarrer hatte. Wir hatten uns ganz einfach die Frage gestellt, was wir mit unserem Leben eigentlich wollten. Da sagte er: ich möchte ein Heiliger werden ( – und ich halte für möglich, dass er es geworden ist – ); das beeindruckte mich damals sehr. Trotzdem widersprach ich ihm und sagte ungefähr: ich möchte glauben lernen. ... Später erfuhr ich und ich erfahre es bis zu Stunde, dass man erst in der vollen Diesseitigkeit des Lebens glauben lernt. Wenn man völlig darauf verzichtet hat, aus sich selbst etwas zu machen…..“


7.Januar Galater 2, 15 - 21

Es stimmt, unserer Herkunft nach sind wir Juden; wir sind keine Sünder wie die Menschen heidnischer Abstammung. Aber wir wissen jetzt, dass der Mensch nicht durch das Befolgen von Gesetzesvorschriften für gerecht erklärt wird, sondern nur durch den Glauben an Jesus Christus. Darum haben auch wir unser Vertrauen auf Jesus Christus gesetzt, denn wir möchten vor Gott bestehen können, und das ist – wie gesagt – nur auf der Grundlage des Glaubens an Christus möglich, nicht auf der Grundlage der Gesetzeserfüllung. Niemand steht durch das Befolgen von Gesetzesvorschriften vor Gott gerecht da. Gerade unser Bestreben, durch die Verbindung mit Christus für gerecht erklärt zu werden, macht also deutlich, dass wir Juden genauso Sünder sind wie alle anderen Menschen. Bedeutet das dann, dass Christus im Dienst der Sünde steht? Niemals! Vielmehr bin ich es, der sich schuldig macht, und zwar dann, wenn ich das, was ich niedergerissen habe, wieder aufbaue. Denn damit erkläre ich das Niederreißen nachträglich für falsch und erweise mich selbst als ein Gesetzesübertreter. In Wirklichkeit jedoch habe ich mit dem Gesetz nichts mehr zu tun; ich bin durch das Urteil des Gesetzes dem Gesetz gegenüber gestorben, um von jetzt an für Gott zu leben; ich bin mit Christus gekreuzigt. Nicht mehr ich bin es, der lebt, nein, Christus lebt in mir. Und solange ich noch dieses irdische Leben habe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mir seine Liebe erwiesen und sich selbst für mich hingegeben hat. Ich weise Gottes Gnade also nicht zurück, denn das Gesetz kann uns nicht dazu verhelfen, vor Gott gerecht dazustehen. Wäre es anders, dann hätte Christus nicht sterben müssen.
Ganz schön kompliziert, was Paulus hier schreibt! Die Juden seiner Zeit nannten die Heiden einfach „Sünder“ – so wie die Moslems alle anderen Menschen heute „Kafir“ nennen. Nein, sagt Paulus, wir Juden sind genauso Sünder wie die Heiden! Vor Gott als gerecht bestehen zu können, ist nur durch den Glauben an Jesus Christus möglich. Da fragt man sich doch, wie die Juden denn bisher vor Gott bestanden haben! Nun, durch fortwährende Buße und durch die Opfer, die täglich im Tempel geschlachtet wurden. Denn es war klar, dass niemand jederzeit das Gesetz befolgen kann. Der neue Weg, den Paulus weist, heißt: Durch die Verbindung mit Christus werden wir für gerecht erklärt. Indem ich darauf vertraue, dass Gott in Jesus Christus am Kreuz für mich gestorben ist, bin ich vor Gott gerecht – so wie ein Straftäter vor Gericht als unschuldig erklärt wird. Für Paulus bringt das Gesetz den Tod – nicht weil es schlecht ist, sondern weil ich es nicht befolgen kann und schuldig werde. Doch „in Christus“, also in der Verbindung mit ihm bin ich mitgestorben. Und wie kann ich dann leben? Stell dir einen Moment lang ein Gefecht vor, in dem die Kugeln fliegen. Vor dir steht einer mit einem guten Schild, das Kugeln aushält. Wenn du genau hinter ihm gehst, wirst du überleben, wenn du aus der Deckung gehst, werden dich die Kugeln treffen. „Was ich jetzt noch lebe, lebe ich nur im Vertrauen auf Jesus Christus“, sagt Paulus. Was heißt das praktisch? Es heißt, dem Weg Jesu folgen, leben, wie er gelebt hat – Nachahmer Christi sein. Nicht, um gerecht zu werden – denn das bin ich ja schon – sondern weil das jetzt mein Leben ist.

6.Januar  Galater 2, 11 - 14

Doch als Petrus dann nach Antiochia kam, sah ich mich gezwungen, ihn vor der ganzen Gemeinde zur Rede zu stellen; denn so, wie er sich dort verhielt, sprach er sich selbst das Urteil. Zunächst hatte er zusammen mit den nichtjüdischen Geschwistern an den gemeinsamen Mahlzeiten teilgenommen. Als dann aber einige Leute aus dem Kreis um Jakobus kamen, zog sich Petrus aus Angst vor den Verfechtern der Beschneidung zurück und sonderte sich von den Nichtjuden ab. Und genauso unaufrichtig verhielten sich in der Folge die anderen jüdischen Geschwister. Sogar Barnabas ließ sich dazu hinreißen, dieses heuchlerische Spiel mitzumachen. Als ich nun sah, dass sie den richtigen Weg verlassen hatten, den Weg, der mit der Wahrheit des Evangeliums übereinstimmt, sagte ich in Gegenwart aller zu Petrus: »Du selbst nimmst dir – obwohl du ein Jude bist – die Freiheit, dich über die jüdische Lebensweise hinwegzusetzen und wie ein Nichtjude zu leben. Wieso zwingst du dann die Nichtjuden, sich der jüdischen Lebensweise anzupassen?«
Mit dieser schiedlich-friedlichen Vereinbarung lässt sich gut leben, wenn man nicht zusammenlebt. Aber wie soll man sich verhalten, wenn man in einer Gemeinde ist? Die einen wollen koscher essen, den anderen ist das egal. Petrus gerät in ein Dilemma: Er hatte doch in Jerusalem immer die Speisegebote beachtet – und jetzt würden die anreisenden Leute aus der Zentrale herausfinden, dass er es gar nicht so genau nahm! Schnell wurde der Saal gewechselt und eine jüdische Tischabteilung aufgemacht. Die Heuchelei besteht darin, dass Petrus und andere Judenchristen den strengen Juden vorspielen, sie würden die Speisegebote noch einhalten. Doch inwieweit zwingt das die Nichtjuden, sich der jüdischen Lebensweise anzupassen? Weil es eine Unmöglichkeit ist, in einer Gemeinde zu leben und getrennt zu essen! Das Abendmahl – eine wirkliche Mahlzeit! – war das Zentrum der Gemeinde, wer es aufteilt, teilt die Gemeinde und zerstört sie. Die einzige Lösung wäre dann, dass sich die Nichtjuden den Gesetzen unterwerfen, um die Spaltung zu vermeiden. Dieses „Diktat der Gesetzestreuen“ gibt es bis heute. Sind wir wie Paulus fähig, im Namen der Freiheit zu protestieren und jenen entgegenzutreten, die den Menschen neue Gesetze aufdrücken wollen? Die Diskussion um die Homo-Ehe zeigt, wie schwierig das immer noch ist. 

5.Januar Galater 2, 6 - 10


Zurück zu denen, die als die maßgebenden Leute der Gemeinde galten: Es spielt für mich zwar keine Rolle, wie angesehen sie damals waren; Gott achtet nicht auf Rang und Namen. Trotzdem kam alles auf ihre Entscheidung an. Und die sah so aus, dass sie mir keinerlei Auflagen machten. Im Gegenteil: Es war ihnen klar geworden, dass mir die Aufgabe anvertraut ist, das Evangelium denen zu bringen, die nicht beschnitten sind, genauso wie Petrus den Auftrag hat, es denen zu bringen, die beschnitten sind. Denn derselbe Gott, der durch Petrus gewirkt und ihn als Apostel für die Beschnittenen bestätigt hat, hat auch durch mich gewirkt und hat mich als Apostel für die Nichtjuden bestätigt. Jakobus, Petrus und Johannes hatten also erkannt, welchen Auftrag Gott mir in seiner Gnade gegeben hat. Deshalb reichten sie, die als die Säulen der Gemeinde galten, mir selbst und Barnabas die rechte Hand zum Zeichen der Gemeinschaft und zur Besiegelung folgender Übereinkunft: Während sie weiterhin unter den Beschnittenen arbeiten wollten, sollte unser Arbeitsgebiet die nichtjüdische Welt sein. Das Einzige, worum sie uns baten, war, dass wir die Armen in der Gemeinde von Jerusalem nicht vergessen, und ich habe alles getan, um dieser Bitte nachzukommen.
Wir gewinnen einen Einblick in die ersten Jahre der Gemeinde Jesu: Da gab es „Säulen“, also entscheidende Leiter, die Ansehen hatten und respektiert wurden. Sie waren enge Vertraute Jesu gewesen. Was sie hier auszeichnet, ist eine Haltung der Demut trotz hohen Ansehens. Denn es dürfte nicht leicht gewesen sein, diesen Außenseiter Paulus mit seiner neuen Botschaft zu akzeptieren. Er war doch gar nicht dabei gewesen! Er war doch einer der schärfsten Gegner der jungen Gemeinde gewesen! Wie leicht hätte es zur Ablehnung und Ausgrenzung kommen können. Aber nein, sie reichen sich die Hand und bewahren so die Einheit der jungen Bewegung. Kennst du das Gefühl, wenn andere Leute, „die doch gar nicht dabei gewesen sind“ oder „die damals noch in den Windeln lagen“ dir sagen wollen, wo es langgeht? Was bilden die sich ein! Wie kommen die dazu, die sollen erst mal…..Könnte es sein, dass Gott ausgerechnet durch solche Leute spricht, so wie er hier durch Paulus zu den Jüngern Jesu spricht? Wenn ich fähig bin, zuzuhören, kann wunderbar Neues entstehen.


4.Januar Galater 2, 1 - 5

 Dann – vierzehn Jahre später – ging ich wieder nach Jerusalem hinauf. Diesmal war Barnabas dabei, und ich nahm auch Titus mit. Der Grund für meine Reise war, dass Gott mir in einer Offenbarung eine entsprechende Weisung gegeben hatte. Ich legte der Gemeinde von Jerusalem das Evangelium vor, das ich unter den nichtjüdischen Völkern verkünde – genauer gesagt: Ich legte es den maßgebenden Leuten vor; nur sie nahmen an der Besprechung teil. Denn ich wollte sicherstellen, dass die Arbeit, die ich getan hatte und noch tun würde, nicht vergeblich war. Doch meine Sorge war unbegründet: Man versuchte nicht einmal, meinen Begleiter Titus, der ja ein Grieche ist, zur Beschneidung zu zwingen. Allerdings mussten wir uns mit einigen falschen Brüdern auseinandersetzen, mit Eindringlingen, die sich bei uns eingeschlichen hatten und ausspionieren wollten, wie wir mit der Freiheit umgehen, die Jesus Christus uns gebracht hat. Ihr Ziel war, uns wieder zu Sklaven des Gesetzes zu machen. Aber wir haben ihnen nicht einen Augenblick nachgegeben und haben uns ihren Forderungen nicht gebeugt; denn die Wahrheit, die uns mit dem Evangelium gegeben ist, sollte euch unter allen Umständen erhalten bleiben.
17 Jahre sind seit der Bekehrung des Paulus vergangen – und er zieht nach Jerusalem, um die drohende Spaltung der Gemeinden abzuwenden. Er macht sich Sorgen, dass Judenchristen, die die Einhaltung jüdischer Gesetze für alle fordern, größeren Einfluss gewinnen und seine Mission damit zu Ende kommt. Denn ihm ist klar: Wenn die Christen die gleichen Gebote befolgen müssen wie die Juden, dann endet die Bewegung Jesu als jüdische Sondergruppe. Paulus ist überzeugt: Wir sind als Christen nicht mehr „Sklaven des Gesetzes“, sondern frei. Und er erfährt zu seiner Erleichterung diese Freiheit ganz praktisch: Titus, der Grieche, wird akzeptiert. Doch da gibt es „falsche Brüder“ – natürlich ein problematischer Begriff in einer offenen Diskussion! Aber es geht Paulus um viel, ja, um alles: Die Wahrheit des Evangeliums ist, dass Christus uns von einem Fluch erlöst hat. Wenn wir versuchen, durch Befolgung von Gesetzen gut und heilig zu sein, werden wir immer scheitern. Wer das versucht, kann nie begreifen, was ihm in Jesus Christus geschenkt ist. Es sind zwei grundverschiedene Lebensentwürfe: Leben nach Gesetzen oder leben in der Freiheit der Gnade Gottes. Lebe ich in dieser Freiheit?
3.Januar Galater 1, 11 - 23

Denn eins müsst ihr wissen, Geschwister: Das Evangelium, das ich verkünde, ist nicht menschlichen Ursprungs. Ich habe diese Botschaft ja auch nicht von einem Menschen empfangen und wurde auch nicht von einem Menschen darin unterwiesen; nein, Jesus Christus selbst hat sie mir offenbart. Ihr habt doch gehört, wie radikal ich früher den jüdischen Glauben praktizierte: Ich verfolgte die Gemeinde Gottes mit äußerster Härte und tat alles, um sie auszurotten. Ja, was den Eifer für den jüdischen Glauben angeht, übertraf ich viele meiner Altersgenossen in meinem Volk, denn ich war ein besonders leidenschaftlicher Verfechter der religiösen Überlieferungen meiner Vorfahren. Doch dann hat Gott beschlossen, mir seinen Sohn zu offenbaren. Gott hatte mich ja schon für sich ausgesondert, als ich noch im Leib meiner Mutter war, und hatte mich in seiner Gnade dazu bestimmt, ihm zu dienen. Als er mir nun seinen Sohn offenbarte – mir ganz persönlich – gab er mir den Auftrag, die gute Nachricht von Jesus Christus unter den nichtjüdischen Völkern zu verkünden. Daraufhin holte ich nicht erst den Rat von Menschen ein. Ich ging auch nicht nach Jerusalem hinauf zu denen, die schon vor mir Apostel waren. Nein, ich machte mich auf den Weg nach Arabien, und von Arabien kehrte ich nach Damaskus zurück. Erst dann – drei Jahre später – ging ich nach Jerusalem, um Petrus kennen zu lernen, und blieb zwei Wochen bei ihm. Von den anderen Aposteln habe ich während dieser Zeit keinen gesehen außer Jakobus, den Bruder des Herrn. Was ich euch schreibe, schreibe ich in der Gegenwart Gottes; er ist mein Zeuge, dass ich nicht lüge. Daraufhin ging ich nach Syrien und Zilizien. Die christlichen Gemeinden in Judäa hingegen kannten mich damals noch nicht persönlich. Das Einzige, was sie immer wieder hörten, war: Der, der uns früher verfolgte, verkündet jetzt das Evangelium; er tritt für den Glauben ein, den er damals auszurotten versuchte! Und sie priesen Gott für das, was mit mir geschehen war.

Paulus führt seine Legitimation auf eine Offenbarung zurück – es ist das berühmte „Damakuserlebnis“. Mitten in der Verfolgung der Christen fällt er vom Pferd und hat eine Christusbegegnung. Wie den Aposteln nach der Auferstehung ist ihm der Auferstandene begegnet – wahrscheinlich 3 Jahre nach der Auferstehung. Er betont hier sehr, dass er sich „nicht den Rat von Menschen einholte“, als er den Auftrag verspürte, das Evangelium zu den Heiden zu bringen. Warum? Weil er herausstellen will, dass seine Beauftragung nicht sekundär ist, also nicht von Menschen abhängt. Denn dann wäre er eine Art „Unterapostel“ unter denen, die diesen Auftrag nicht so klar sehen und das Evangelium nicht so eindeutig als Befreiungsbotschaft vom Gesetz verkünden. Immerhin betont er dann doch noch die Verbindung zu Petrus und Jakobus. Seine Argumentation ist nicht unproblematisch, denn er beruft sich auf eine unüberprüfbare „Spezialoffenbarung“. Einsamen Aposteln mit hohem Sendungsbewusstsein sollte man nicht trauen! Aber ein genauerer Blick in die Biographe des Paulus zeigt: Er war nicht einsam – seine Reisen und Missionen geschahen aus Gemeinden heraus, er hatte Gefährten und hat sich immer wieder mit den „Säulen“ der Gemeinde getroffen. Die Lebenswende alleine könnte man in ihrer Radikalität kritisch sehen, aber ihre Früchte – die Ergebnisse seiner Reisen und seine Schriften – sprechen eine eindeutige Sprache: Hier ist ein Mensch wirklich Christus begegnet und das hat alles verändert. Was bedeutet Christus für mich und welche Auswirkungen hat das in meinem Leben?

2.Januar Galater 1, 6 - 10

Ich wundere mich, wie schnell ihr euch von dem abwendet, der euch zum Glauben gerufen hat! Durch Christus hat Er euch seine Gnade erwiesen, und ihr kehrt ihm den Rücken und wendet euch einem anderen Evangelium zu. Dabei gibt es doch überhaupt kein anderes Evangelium! Es ist nur so, dass gewisse Leute euch in Verwirrung stürzen, weil sie versuchen, das Evangelium von Christus auf den Kopf zu stellen. Doch wer immer euch ein anderes Evangelium bringt – und wäre es einer von uns Aposteln oder sogar ein Engel vom Himmel – , wer immer euch eine Botschaft bringt, die dem Evangelium widerspricht, das wir euch verkündet haben, der sei verflucht! Wir haben euch das bereits früher gesagt, und ich sage es hiermit noch einmal: Wenn euch jemand ein Evangelium verkündet, das im Widerspruch zu dem Evangelium steht, das ihr angenommen habt, sei er verflucht! Sagt selbst: Bin ich, wenn ich so rede, auf die Zustimmung der Menschen aus oder auf die Zustimmung Gottes? Geht es mir wirklich darum, Menschen zu gefallen? Wenn ich noch Menschen gefallen wollte, wäre ich nicht ein Diener Christi!
Meine Güte, Paulus! Was ist denn los mir dir? Ist dir da die Feder ausgerutscht? Du verfluchst Menschen! Briefe beginnen in der Antike normalerweise mit freundlichen Formeln a la „Ich danke Gott für euch…!“ Und hier fängt es an mit: „Ich wundere mich!“ Und gleich darauf der Vorwurf: „Ihr seid abtrünnig geworden! Ihr seid übergelaufen!“ Die Galater folgen auf einmal einem „anderen Evangelium“! Paulus hat ihnen das Evangelium der Gnade Gottes in Jesus Christus verkündet. Seine Betonung liegt auf der Freiheit, zu der uns Christus befreit. Kaum war er fort, kamen andere Leute, die zwar dieselben Begriffe verwendeten, aber wieder Regeln und Gebote aufstellten, die eine neue Religion konstituierten – aber die Freiheit in Christus zerstörten. Paulus sieht hier den Kern der christlichen Botschaft in Gefahr. „Es gibt kein anderes Evangelium!“, ruft er seinen Gegnern zu. „Das, was ihr verkündet, ist Abfall von Gott!“ Aus dem Fortgang des Briefes wird klar: Seine Gegner sind judenchristliche Missionare, die für das Christsein die Beschneidung und die Einhaltung weiterer Gesetze der Thora für unbedingt notwendig erklärten. Paulus wird hier so ausfallend, weil er selbst von der Gesetzesbefolgung herkommt – er hat seine Befreiung erlebt. Nun wieder Gesetze aufstellen, das wäre das Ende der befreienden Botschaft Jesu gewesen. Solche Leute gibt es auch heute noch – nicht in der „Thora-Variante“, aber Leute, die aus dem Evangelium ein neues Gesetz machen und uns die Freiheit rauben wollen. Wie Paulus müssen wir entschieden widersprechen!

1.Januar Galater 1, 1 - 5
Paulus, Apostel, berufen nicht von Menschen oder durch menschliche Vermittlung, sondern unmittelbar von Jesus Christus und von Gott, unserem Vater, der Jesus von den Toten auferweckt hat, an die Gemeinden in Galatien. Ich schreibe euch im Namen aller Brüder, die bei mir sind, und wünsche euch Gnade und Frieden von Gott, unserem Vater, und von Jesus Christus, unserem Herrn, der sich selbst als Opfer für unsere Sünden hingegeben hat. Er hat sein Leben hingegeben, um uns von allem Bösen zu befreien, das die jetzige Welt beherrscht, und hat damit den Willen Gottes, unseres Vaters, erfüllt, dem für immer und ewig die Ehre gebührt. Amen.
Paulus schreibt an die Gemeinden, die er selbst in Kleinasien (Türkei) gegründet hat. Er betont gleich am Anfang: Ich bin von Jesus Christus selbst berufen! Denn da gab es Leute, die sagten: „Was bildet sich dieser Paulus ein? Haben wir ihn etwa zum Apostel gemacht? Früher hat er uns Christen verfolgt und jetzt will er Apostel sein!“ Es gab die Ansicht, nur die 12 Jünger Jesu seien wirkliche Apostel – doch bei anderen war der Begriff viel weiter gefasst. (es gab vermutlich sogar eine Frau, Junia, die Apostelin war). Manche sagten wohl auch, dass dieser Paulus doch nur von anderen Menschen zum Apostel ernannt worden sei. Paulus muss um seinen Ruf kämpfen -und er tut das hier, indem er eine Art Glaubensbekenntnis ablegt. Indem er die Auferweckung betont, stellt er heraus: Der Gott, der Tote erweckt, steht hinter mir! Er, der Christus lebendig gemacht hat, hat ihn berufen. Er verbirgt eine kleine Spitze darin: Christus, unser Herr, hat uns von allem Bösen befreit, das die jetzige Welt beherrscht! Dazu könnten ja auch solche Auseinander-setzungen um Titel gehören. Was in der Gemeinde gehört immer noch zu der jetzigen Welt, von dem wir doch schon befreit sind? Was sollte bei uns keinen Raum haben? Eine Frage, die uns heute genauso umtreibt. Welche Dinge trage ich in die Gemeinde? Sind sie "vom Bösen befreit"? 
31.Dezember  Lukas 2  39 - 40 
Als Josef und Maria alles getan hatten, was das Gesetz des Herrn verlangte, kehrten sie nach Galiläa in ihre Heimatstadt Nazareth zurück.  Jesus wuchs heran; er war ein kräftiges Kind, erfüllt mit Weisheit, und Gottes Gnade ruhte auf ihm.
Lukas weiß anders als Matthäus offenbar nichts von einer Flucht nach Ägypten.  Bei ihm kehren die Eltern nach 40 Tagen in ihre Heimat Nazareth zurück. Unsere Informationen über die ersten Jahre Jesu sind bruchstückhaft und widersprüchlich. Klar ist, dass Jesus in Nazareth aufwuchs. Denn ein solches Detail zu erfinden, hätte keinen Sinn gemacht.  Alle Weihnachtsgeschichten wollen die Besonderheit Jesu unterstreichen. Doch das wirklich Besondere ist sein Leben als Erwachsener, ist seine Botschaft und sind seine Taten.  "Erfüllt mit Weisheit" so  beschreibt Lukas das Kind in der Rückschau. Und doch ist es ein ganz normales Kind.  In ihm wurde Gott ganz Mensch. Er war also allen menschlichen Bedingungen ausgeliefert.  Nur so ist er uns wirklich nahe. 

30.Dezember Lukas 2, 36 - 38
In Jerusalem lebte damals auch eine Prophetin namens Hanna, eine Tochter Penuels aus dem Stamm Ascher. Sie war schon sehr alt. Nach siebenjähriger Ehe war ihr Mann gestorben; sie war Witwe geblieben und war nun vierundachtzig Jahre alt. Sie verbrachte ihre ganze Zeit im Tempel und diente Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten. Auch sie trat jetzt zu Josef und Maria. Voller Dank pries sie Gott, und zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten, sprach sie über dieses Kind

Auch bei Hanna erfüllt sich eine lange Wartezeit  - wahrscheinlich mehr als 60 Jahre. Von einem rationalen Standpunkt aus könnte man sagen: Leere Zeit, die sie mit Beten gefüllt hat. Aber im göttlichen Maßstab ist es anders: Ihr Warten und Hoffen hat ein Ziel - und seither wird Hanna immer wieder in der Weihnachtsgeschichte genannt. Gottes Zeitmassstäbe sind anders als unsere. Hanna hat noch eine Aufgabe: Die, die auf Erlösung warten, auf dieses Kind hinzuweisen. Gibt es eine Verheißung Gottes, auf deren Erfüllung du noch wartest? Gibt es eine Aufgabe, die du noch angehen willst? 

29.Dezember  Lukas 2, 27 - 35

Als nun Jesu Eltern das Kind hereinbrachten, um mit ihm zu tun, was nach dem Gesetz üblich war,  nahm Simeon das Kind in seine Arme, pries Gott und sagte: »Herr, nun kann dein Diener in Frieden sterben, denn du hast deine Zusage erfüllt.  Mit eigenen Augen habe ich das Heil gesehen,  das du für alle Völker bereitet hast – ein Licht, das die Nationen erleuchtet, und der Ruhm deines Volkes Israel.«  Jesu Vater und Mutter waren erstaunt, als sie Simeon so über ihr Kind reden hörten. Simeon segnete sie und sagte zu Maria, der Mutter Jesu: »Er ist dazu bestimmt, dass viele in Israel an ihm zu Fall kommen und viele durch ihn aufgerichtet werden. Er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird – so sehr, dass auch dir ein Schwert durch die Seele dringen wird. Aber dadurch wird bei vielen an den Tag kommen, was für Gedanken in ihren Herzen sind.«
Die Prophetie des alten Simeon enthält zweierlei. Einmal die ganz große Perspektive: Heil für alle Völker, Licht der Nationen wird dieses Kind sein. Aber dann auch die andere Seite: Israel wird sich an ihm scheiden. Es wird Widerspruch erzeugen und Maria wird großes Leid erleben. An Jesus scheiden sich die Geister - bis heute. Entweder er ist wirklich der Messias, der Gesalbte Gottes - oder er ist ein Scharlatan, ein Verführer und Lügner. Denn ihn für ein bisschen Messias oder in gewisser Weise für Gottes Sohn zu halten, ist nicht möglich. Nicht angesichts seiner Predigten und Taten und erst recht nicht im Lichte der Auferstehung. Wer also ist dieses Kind für mich? 

28.Dezember Lukas 2, 25 - 27a
Damals lebte in Jerusalem ein Mann namens Simeon; er war rechtschaffen, richtete sich nach Gottes Willen und wartete auf den Trost Israels. Der Heilige Geist ruhte auf ihm, und durch den Heiligen Geist war ihm auch gezeigt worden, dass er nicht sterben werde, bevor er den vom Herrn gesandten Messias gesehen habe. Vom Geist geleitet, war er an jenem Tag in den Tempel gekommen.

Ich finde diesen Simeon faszinierend. Denn er ist ein alter Mann, der nicht aufgegeben hat. Das ist nicht selbstverständlich! Wie viele Alte werden an ihrem sogenannten Lebensabend müde und resignieren: "Ich habe so viele Enttäuschungen erlebt, habe so oft gehofft und es wurde nichts, jetzt ist es genug! Ich habe keine Kraft mehr."  Simeon ist da ganz anders unterwegs. "Er richtete sich nach Gottes Willen", er fragte nach den Impulsen des Geistes und ließ sich vom Geist leiten.  Auch an diesem Tag. Körperlich war er müde und der Weg in den Tempel war beschwerlich, aber er folgte seinem inneren Eindruck.  Wie kann ich selbst, wenn ich älter werde, innerlich geistlich frisch bleiben? Es beginnt damit, dass ich es mir wünsche. 

27.Dezember Lukas 2, 22 - 24
Als dann die im Gesetz des Mose festgelegte Zeit der Reinigung vorüber war, brachten Josef und Maria das Kind nach Jerusalem, um es dem Herrn zu weihen und so nach dem Gesetz des Herrn zu handeln, in dem es heißt: »Jede männliche Erstgeburt soll als heilig für den Herrn gelten.« Außerdem brachten sie das Reinigungsopfer dar, für das das Gesetz des Herrn ein Turteltaubenpaar oder zwei junge Tauben vorschrieb.

"War Jesus eigentlich Christ?", fragte mich eine ziemlich ahnungslose Schülerin. Wie soll man darauf antworten? Auf jeden Fall damit: "Er war ganz und gar Jude!" Von Anfang an wuchs Jesus im jüdischen Glauben auf, das zeigt dieser Text eindrücklich. Einunddreißig Tage nach der Geburt wurde ein jüdischer Erstgeborener in den Tempel gebracht. Er gehört als Erstling Gott (2.Mose 13,1)  und wird dem Priester gebracht. Dort wird er durch Geld ausgelöst.  Was bedeutet diese Botschaft des Judeseins Jesu für uns Christen? Es kann uns zur Bescheidenheit führen. Wir sind die Hinzugekommenen und sollten die Juden wie unsere älteren Geschwister ehren.  Und es kann uns Toleranz lehren. Jesus hat in Riten und Traditionen gelebt, die nicht die unseren sind. Wir können uns fremde Dinge achten, auch wenn wir nicht in ihnen leben. 

26.Dezember  Lukas 2, 19 - 21

 Maria aber prägte sich alle diese Dinge ein und dachte immer wieder darüber nach. Die Hirten kehrten zu ihrer Herde zurück. Sie rühmten und priesen Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten; es war alles so gewesen, wie der Engel es ihnen gesagt hatte. Acht Tage später, als die Zeit gekommen war, das Kind zu beschneiden, gab man ihm den Namen Jesus – den Namen, den der Engel genannt hatte, noch bevor Maria das Kind empfing.

Ich frage mich, was denn die Hirten gehört und gesehen haben. Es konnte ja vom äußeren Erscheinungsbild her nicht sehr eindrücklich gewesen sein: Eine junge Mutter und ein unerfahrener Vater in einem dreckigen Stall. Ein notdürftig gewickeltes Kind in einem Futtertrog. Das weiß Lukas auch und schreibt dennoch, dass die Hirten begeistert zurückkehrten. Da musste etwas gewesen sein, das von dieser Szene im Stall ausging, das jenseits dieser Umstände lag. Man könnte es göttliche Präsenz nennen oder etwas unbegreiflich Anrührendes. Wir erleben das selbst, wenn etwas scheinbar Gewöhnliches plötzlich transparent wird und Gottes Gegenwart gleichsam hindurchscheint. Zum Beispiel beim Abendmahl oder bei einem Lobpreislied, das mich anrührt oder mitten in einem Gespräch, das eine tiefe Begegnung ist. So ist es den Hirten ergangen und so kann es uns ergehen. Kenne ich solche Momente?   


25.Dezember Lukas 2, 15 - 18

Daraufhin kehrten die Engel in den Himmel zurück. Da sagten die Hirten zueinander: »Kommt, wir gehen nach Betlehem! Wir wollen sehen, was dort geschehen ist und was der Herr uns verkünden ließ.« Sie machten sich auf den Weg, so schnell sie konnten, und fanden Maria und Josef und bei ihnen das Kind, das in der Futterkrippe lag. Nachdem sie es gesehen hatten, erzählten sie überall, was ihnen über dieses Kind gesagt worden war. Und alle, mit denen die Hirten sprachen, staunten über das, was ihnen da berichtet wurde. 
Da diskutierten die Hirten über all das, was sie da gehört hatten. Sie berieten sich lange, so lange, bis es Morgen wurde und die Sterne verblassten. Da nahmen sie ihr Tagewerk wieder auf und allmählich vergaßen sie die ganze Sache. -   Genauso war es glücklicherweise nicht. Sie machten sich auf den Weg "so schnell sie konnten."  Manchmal ist es wichtig, auf etwas von Gott Gehörtes sofort zu reagieren, ehe die üblichen Vernunftsgründe den Platz beanspruchen. Ehe Müdigkeit und Trägheit den Impuls verdrängen. Ehe es angeblich Wichtigeres gibt. Nur so werden die Hirten zu den ersten Evangelisten. Die Menschen staunen über diese Botschaft, denn sie ist verrückt. Der Messias im Stall! Einfache Hirten als seine Botschafter! Sich auf den Weg machen, hingehen und nachsehen, das war die Chance der Hirten - sonst hätten sie niemals gewagt, so etwas Verrücktes zu verkünden.  Wie gehe ich mit Impulsen um, die Gott mir schenkt? 

24.Dezember Lukas 2, 11 - 14

 "Heute ist euch in der Stadt Davids ein Retter geboren worden; es ist der Messias, der Herr.  An folgendem Zeichen werdet ihr das Kind erkennen: Es ist in Windeln gewickelt und liegt in einer Futterkrippe." Mit einem Mal waren bei dem Engel große Scharen des himmlischen Heeres; sie priesen Gott und riefen:  "Ehre und Herrlichkeit Gott in der Höhe, und Frieden auf der Erde für die Menschen, auf denen sein Wohlgefallen ruht"

Die Botschaft der Engel enthält eine seltsame Wendung:  "Menschen, auf denen sein Wohlgefallen ruht". Diese Menschen haben Frieden, andere eher nicht. "Frieden für alle" ist eine Botschaft, die wir gerne hören. Aber sie ist unrealistisch. Die Kriege dieser Welt halten an, der Unfriede in Familie und Gesellschaft auch. Für wen gilt die Botschaft der Engel? Für Menschen, die dem Weg Jesu folgen, die nach seinen Worten leben. Friede entsteht da, wo das Fundament des Lebens stimmt. (Matthäus 7,25). Wer Jesu Botschaft ins Leben umsetzt, hat die Verheißung des Friedens, ganz gleich, ob er nun als fromm gilt oder nicht.  Auf seine Botschaft vertrauen zu können, ist ein Geschenk, das wir annehmen können.  Sehne ich mich danach, ein "Mensch des Wohlgefallens" zu sein? 

23.Dezember Lukas 2, 8 - 10

In der Umgebung von Betlehem waren Hirten, die mit ihrer Herde draußen auf dem Feld lebten. Als sie in jener Nacht bei ihren Tieren Wache hielten, stand auf einmal ein Engel des Herrn vor ihnen, und die Herrlichkeit des Herrn umgab sie mit ihrem Glanz. Sie erschraken sehr,  aber der Engel sagte zu ihnen: »Ihr braucht euch nicht zu fürchten! Ich bringe euch eine gute Nachricht, über die im ganzen Volk große Freude herrschen wird.

Die Hirten sind die ersten Botschafter der Zeitenwende! Klar, Hirten sind in der Bibel wichtig. David war Hirte. Psalm 23 spricht von Gott als dem Hirten. Aber das ist lange vorbei. Hirten sind jetzt Gelegenheitsarbeiter. Die antike Mindestlohngruppe. Leute, denen man alles Mögliche Schlechte zutraut.  Warum empfangen sie diese Botschaft?  Weil sie einfache Hirten sind. Einfache Leute sind nicht dumm oder einfältig. Die Hirten erfassen das Wesentliche dieser Botschaft vielleicht besser als Leute, die viel wissen und viel denken. Solchen "einfachen" Leuten wird sich Jesus später zuwenden, ihnen wird er das Evangelium predigen, unter ihnen wird er leben. Tausche ich mich mit solche einfachen Leuten aus oder verachte ich sie eher? 

22.Dezember Lukas 2,  6 - 7

Während sie nun in Betlehem waren, kam für Maria die Zeit der Entbindung. Sie brachte ihr erstes Kind, einen Sohn, zur Welt, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Futterkrippe; denn sie hatten keinen Platz in der Unterkunft bekommen.

Wenn wir diese Worte hören, haben wir sogleich die bekannte Szene vor Augen:  Ein hell erleuchteter Stall, Mensch und Tier in andächtiger Ruhe, Maria sitzt an der Krippe, Josef steht irgendwo daneben.  Ochs und Esel strecken ihre Köpfe neugierig in Richtung Futtertrog. Wie romantisch! In Wirklichkeit war da gar nichts romatisch. Es stank nach Kuhfladen, das Licht war eine flackernde Öllampe und Maria lag der Ohnmacht nahe im dreckigen Stroh.  Warum
müssen wir uns die Szene so zurechtmachen? Weil wir diese Armseligkeit nicht ertragen. Weil wir in Wirklichkeit nicht glauben können, dass Gott sich einem solchen Elend aussetzt. Der Gott der Armen, der Sklaven und Hirten findet keinen Raum in unseren hell erleuchteten Weihnachtszimmern. Er ist in den dunklen Ställen dieser Welt zu finden, bei den Obdachlosen im Wohnheim, bei Geflüchteten in ihren Containern, bei einsamen Kranken. 
Gehen wir ihn suchen? 

21.Dezember Lukas 2, 4 - 5

Auch Josef machte sich auf den Weg. Er gehörte zum Haus und zur Nachkommenschaft Davids und begab sich deshalb von seinem Wohnort Nazaret in Galiläa hinauf nach Betlehem in Judäa, der Stadt Davids, um sich dort zusammen mit Maria, seiner Verlobten, eintragen zu lassen. Maria war schwanger.

Dieser Bericht des Lukas verbirgt mehr als er erzählt. Wieso nimmt Josef seine hochschwangere Verlobte mit auf diese Reise?  War sie in Nazareth nicht sicher? Wurde sie wegen ihrer Schwangerschaft angefeindet, so dass er sie schützen wollte? Oder war diese Reise in Wirklichkeit eine Flucht? Die merkwürdige Tatsache, dass sie in Betlehem keine Unterkunft fanden, obwohl Josef ja von dort stammte, spricht dafür. Auf jeden Fall sind die beiden in Schwierigkeiten und das führt dazu, dass Jesus genau an dem Ort geboren wird, von dem der Prophet Micha sagt: "Aus dir wird mir der hervorgehen, der Herrscher über Israel sein soll!"  Da wird ein Muster deutlich:  Gott benutzt Schwierigkeiten, um Gutes zu bewirken. Hast Du das auch schon einmal erlebt? 

20.Dezember Lukas 2, 1 - 3
 In jener Zeit erließ Kaiser Augustus den Befehl an alle Bewohner seines Weltreichs, sich in Steuerlisten eintragen zu lassen. Es war das erste Mal, dass solch eine Erhebung durchgeführt wurde; damals war Quirinius Gouverneur von Syrien. So ging jeder in die Stadt, aus der er stammte, um sich dort eintragen zu lassen. 

Zu jener Zeit! Nicht zu irgendeiner Zeit, sondern genau zu diesem Zeitpunkt der Weltgeschichte.  Paulus schrieb den Galatern: Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn!  In der heidnischen Umgebung Israels kam eine Göttermüdigkeit auf. War es nicht sinnlos, an diese Götter zu glauben, wenn man sie recht wahllos untereinander austauschen und umbenennen konnte? Und waren sie nicht genauso wie die Menschen einer noch höheren Schicksalsmacht unterworfen? Wer oder was abe war diese Macht? Es wurde Zeit, dass Gott, der Schöpfer, sich wieder seinen Geschöpfen bekannt machte, genau zu dieser Zeit. In welcher Zeit leben wir heute? Was hat Gott heute vor? Wir alle haben das Gefühl, in einer Zeitenwende zu leben - nur wissen wir nicht, wohin sich die Geschichte wendet. Leben wir aus der Hoffnung heraus, dass Gott die Geschichte der Welt in Händen hält! 

19.Dezember  Lukas 1, 76 - 80

Und du, Kind, wirst ›Prophet des Höchsten‹ genannt werden. Denn du wirst vor dem Herrn hergehen und ihm den Weg bereiten. Du wirst sein Volk zu der Erkenntnis führen, dass es durch die Vergebung seiner Sünden gerettet wird; denn unser Gott ist voll Erbarmen. Darum wird auch der helle Morgenglanz aus der Höhe zu uns kommen,  um denen Licht zu bringen, die in der Finsternis und im Schatten des Todes leben, und um unsere Schritte auf den Weg des Friedens zu lenken.«  Johannes wuchs heran und wurde stark im Geist. Er lebte in der Wüste bis zu dem Tag, an dem er öffentlich in Israel auftrat.

Was für ein seltsamer Titel für Jesus: "Morgenglanz aus der Höhe"!  Dieses Kind bringt den Glanz und Vorschein des Himmels mit sich. Das Bild ist Bibellesern damals bekannt: "Aber der Gerechten Pfad glänzt wie das Licht, das immer heller leuchtet bis auf den vollen Tag."  heißt es in Sprüche 4. In Jesus bricht das Kommende wie ein neuer Tag an:  Ein Reich des Friedens, in dem Barmherzigkeit und Vergebung herrschen. Johannes soll die Erkenntnis vorbereiten, dass die Errettung des Volkes durch die Vergebung der Sünden geschieht. Es gibt keine Errettung und keine Veränderung des Lebens ohne die Benennung der Schuld, damit sie vergeben werden kann. Wer ohne diese Vergebung lebt, bleibt im "Schatten des Todes", wer sie aber annimmt, wird Anderen selbst zum Licht. Denn dieses Kind wird später verkünden: "Ihr seid das Licht der Welt!" Gibt es etwas in meinem Leben, das vergeben werden sollte? 

18.Dezember Lukas 1, 67 - 75
Zacharias, der Vater des Neugeborenen, wurde mit dem Heiligen Geist erfüllt und begann, prophetisch zu reden. Er sagte: »Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels! Er hat sich seines Volkes angenommen und hat ihm Erlösung gebracht. Aus dem Haus seines Dieners David hat er für uns einen starken Retter hervorgehen lassen, wie er es schon vor langer Zeit durch das Wort seiner heiligen Propheten angekündigt hatte – einen, der uns aus der Gewalt unserer Feinde rettet und uns aus den Händen all derer befreit, die uns hassen. So erbarmt sich Gott seines Volkes und hilft uns, wie er es unseren Vorfahren zugesagt hat. Er vergisst seinen heiligen Bund nicht; er denkt an den Eid, den er unserem Stammvater Abraham geschworen hat: dass er uns aus den Händen unserer Feinde befreien wird und dass wir ihm unser ganzes Leben lang ohne Furcht in Heiligkeit und Gerechtigkeit in seiner Gegenwart dienen werden. 
Diese Prophetie des Zacharias redet von Jesus, dem Messias. Man muss es klar sagen: Sie hat sich nicht erfüllt. Wie kommt das? Wenn wir Gottes Stimme hören und wiedergeben, mischen sich in diese Worte immer auch eigene Gedanken. Wir haben die Stimme nie in Reinform. Was Zacharias hier ausdrückt, ist die Hoffnung auf die politische Befreiung Israels vom Joch der Römer. Auch Jesu Jünger hegten diese Hoffnung. Das Schwert des Petrus bei Jesu Verhaftung gibt Zeugnis davon. Nein, Israel wurde durch Jesus nicht politisch befreit. Für das Hören auf Gottes Stimme, ja, für jede Prophetie heißt das: Rechne mit der Macht der eigenen Gedanken und Vorstellungen. Das macht die Prophetie nicht wertlos, denn in ihren Worten verbirgt sich die Wahrheit. Ja, Jesus ist der Retter, der uns von Hass und Gewalt  befreit. Er ist die Erfüllung des Bundes Gottes mit den Menschen. Nur ein wenig anders, als Zacharias das erwartete. 

17.Dezember Lukas 1, 64 - 66 
Während sich alle noch darüber wunderten, konnte Zacharias mit einem Mal wieder reden. Seine Zunge war gelöst, und er pries Gott. Furcht und Staunen ergriff alle, die in jener Gegend wohnten, und im ganzen Bergland von Judäa sprach sich herum, was geschehen war. Alle, die davon hörten, wurden nachdenklich und fragten sich: »Was wird wohl aus diesem Kind einmal werden?« Denn es war offensichtlich, dass die Hand des Herrn mit ihm war.

Die Leute ergriff Furcht und Staunen! Sie spürten, dass Gott in ihrem Land etwas Besonderes tat.  Es war damals eine Zeit hoher Erwartung.  Konnte es nicht sein, dass in dieser Zeit vieler Krisen und grausamer Kriege Gott endlich den Messias schicken würde? Welche Erwartungen haben wir in unserer Krisenzeit? Greift Gott ein? Wird diese verrückte Welt einmal ein Ende haben? Kommt Jesus wirklich wieder? Können wir wie damals Zeichen des Wirkens Gottes in unserer Welt erkennen?  Aber wie könnten heute solche Zeichen aussehen? Zacharias erlebt sein Zeichen, als er das tut, was er gehört hat. Wenn wir tun, was wir von Jesus hören, werden wir Wunder erleben. 

16.Dezember  Lukas 1, 57 - 63
 Für Elisabeth war die Zeit der Entbindung gekommen, und sie brachte einen Sohn zur Welt. Ihre Nachbarn und Verwandten hörten, dass der Herr Erbarmen mit ihr gehabt und ihr auf so wunderbare Weise geholfen hatte, und freuten sich mit ihr. 
Als das Kind acht Tage alt war, kamen sie zu seiner Beschneidung zusammen. Sie wollten ihm den Namen seines Vaters Zacharias geben. Doch die Mutter des Kindes widersprach. »Nein«, sagte sie, »er soll Johannes heißen.« – »Aber es gibt doch in deiner Verwandtschaft keinen, der so heißt!«, wandten die anderen ein.  Sie fragten deshalb den Vater durch Zeichen, wie er das Kind nennen wollte.  Zacharias ließ sich ein Schreibtäfelchen geben und schrieb darauf: »Sein Name ist Johannes.«


Das Kind soll Johannes heißen. So hatte es der Engel übermittelt und Zacharias hält sich daran. Sein Name bedeutet "Jahwe hat sich erinnert." - und das hat Zacharias ja erlebt. Der Name  Johannes bedeutet: "Jahwe ist gnädig." Passt dieser Name? Nein, ganz und gar nicht, wenn man an seinen Predigtstil denkt: "Ihr Schlangenbrut, wie werdet ihr dem kommenden Strafgericht entrinnen?" Doch Johannes ist der Wegbereiter Jesu. Seine Predigt ist Gerichtspredigt.  Jesu Predigt wird den Schwerpunkt auf die Gnade setzen.  Der Name passt, wenn man an daran denkt, dass er den Weg  bereitet für das Evangelium, die gute Nachricht von der Erlösung sündiger Menschen.  Wir können in unserer eigenen Gottesbeziehung auf der Seite des strengen Gerichtes oder auf der Seite der Gnade stehen.  Ist Gott für mich ein strenger Richter oder ein gnädiger Vater? 

15.Dezember Lukas 1, 46 - 56

 Da sagte Maria: »Von ganzem Herzen preise ich den Herrn,  und mein Geist jubelt vor Freude über Gott, meinen Retter. Denn er hat mich, seine Dienerin, gnädig angesehen, eine geringe und unbedeutende Frau.  Ja, man wird mich glücklich preisen – jetzt und in allen kommenden Generationen.  Er, der Mächtige, hat Großes an mir getan. Sein Name ist heilig,  und von Generation zu Generation gilt sein Erbarmen denen, die sich ihm unterstellen. Mit starkem Arm hat er seine Macht bewiesen; er hat die in alle Winde zerstreut, deren Gesinnung stolz und hochmütig ist. Er hat die Mächtigen vom Thron gestürzt und die Geringen emporgehoben. Den Hungrigen hat er die Hände mit Gutem gefüllt, und die Reichen hat er mit leeren Händen fortgeschickt. Er hat sich seines Dieners, des Volkes Israel, angenommen, weil er sich an das erinnerte, was er unseren Vorfahren zugesagt hatte:  dass er nie aufhören werde, Abraham und seinen Nachkommen Erbarmen zu erweisen.«  Maria blieb etwa drei Monate bei Elisabeth und kehrte dann nach Hause zurück.


Ich weiß nicht, wie diese Worte in den Mund einer jungen Frau kommen. Lukas wird diese Worte später von Maria gehört haben, die sich an diese Stunde erinnert. Hatte sie es damals schon geahnt? Sie war zu der Überzeugung gelangt, dass nun die Zeitenwende bevorsteht.  Sie ist die Umkehrung der Werte dieser Welt:  Die Mächtigen werden ohnmächtig, die Ohnmächtigen emporgehoben.  Die Hunrigen werden satt und die Satten erleiden Hunger. Maria erinnert sich - und in dieser Erinnerung schwingt mit, was sie seither mit ihrem Sohn Jesus erlebt hat. Er hatte diesen Umsturz gelebt, hatte sich Armen und Entrechteten zugewandt und den Mächtigen die kalte Schulter gezeigt. Und sie hat es selbst erlebt, als sie, das unbedeutende junge Mädchen für alle Nachfolger Jesu so überaus wichtig wurde.  Was bedeutet diese Umwertung der Werte heute für dich? Du musst nicht mehr nach Bedeutung und Größe streben oder Reichtümer anhäufen. Es genügt, sich Gott zu unterstellen und seine Zuwendung zu genießen. Strebe ich noch nach Größe?  

14.Dezember Lukas 1, 39 - 45

Nicht lange danach machte sich Maria auf den Weg ins Bergland von Juda. So schnell sie konnte, ging sie in die Stadt, in der Zacharias wohnte. Sie betrat sein Haus und begrüßte Elisabeth. Als Elisabeth den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabeth mit dem Heiligen Geist erfüllt und rief laut: »Du bist die gesegnetste aller Frauen, und gesegnet ist das Kind in deinem Leib! Doch wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib.  Glücklich bist du zu preisen, weil du geglaubt hast; denn was der Herr dir sagen ließ, wird sich erfüllen.«
"So schnell sie konnte" ging Maria zu Elisabeth, ihrer Verwandten. Das ist verständlich, denn Maria befindet sich in einer schwierigen Lage: Sie ist schwanger und die Hochzeit steht bevor.  Ihr Verlobter Joseph hat zwei Möglichkeiten: Entweder wendet er das Gesetz an, das besagt, dass Maria gesteinigt werden muss oder er entlässt sie unehrenhaft. Was also soll sie tun? Kann sie Joseph und ihrer Familie diese seltsame Geschichte erzählen? Stimmt das denn alles? Sie flieht zu Elisabeth und bleibt dort drei Monate. Dort erlebt sie etwas Wunderbares: Ihre Verwandte nimmt sie nicht nur freudig auf, sie bestätigt durch ihre Aussage die ganze Geschichte. Ja, es stimmt, Maria! Geh diesen Weg weiter, du bist von Gott gesegnet!  In Entscheidungssituationen ist es gut, jemanden zu haben, dem ich vertrauen kann. Ein Mensch, den ich fragen kann, ob er das, was ich von Gott gehört habe, bestätigen kann. Kenne ich einen solchen Menschen? 

13.Dezember Lukas 1, 34 - 38

»Wie soll das zugehen?«, fragte Maria den Engel. »Ich bin doch noch gar nicht verheiratet!« Er gab ihr zur Antwort: »Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind, das du zur Welt bringst, heilig sein und Gottes Sohn genannt werden.«  Und er fügte hinzu: »Auch Elisabeth, deine Verwandte, ist schwanger und wird noch in ihrem Alter einen Sohn bekommen. Von ihr hieß es, sie sei unfruchtbar, und jetzt ist sie im sechsten Monat.  Denn für Gott ist nichts unmöglich.«  Da sagte Maria: »Ich bin die Dienerin des Herrn. Was du gesagt hast, soll mit mir geschehen.« Hierauf verließ sie der Engel.
Für Gott ist nichts unmöglich! Das ist für unseren Verstand eine ziemliche Zumutung - schon bei Elisabeth und erst recht bei Maria.  Doch anstatt über Machbares und Mögliches zu spekulieren, können wir das festhalten, was wir begreifen können: Die Entstehung Jesu ist ein geheimnisvolles Geschehen und es gibt von Anfang an eine tiefe Verbindung zwischen ihm und seinem Vater im Himmel. Denn was könnte uns ein heldenhafter Mensch nützen, der sich für uns in den Tod gibt? Das, was hier geschieht, hat zutiefst mit Gott selbst zu tun. Maria muss das erfasst haben, denn sie fragt nicht weiter, sondern sagt: "So soll es geschehen".  Sie muss in diesem einen Moment begriffen haben: Das ist wirklich Gott, der mir hier begegnet.  Das ist, was sie auszeichnet: Die Bereitschaft, sich von Gott über das eigene Verstehen hinaus berühren zu lassen. 

12. Dezember Lukas 1, 26 - 33
Als Elisabeth im sechsten Monat schwanger war, sandte Gott den Engel Gabriel zu einer unverheirateten jungen Frau,  die in Nazaret, einer Stadt in Galiläa, wohnte. Sie hieß Maria und war mit Josef, einem Mann aus dem Haus Davids, verlobt; Maria war noch unberührt.  »Sei gegrüßt, dir ist eine hohe Gnade zuteil geworden!«, sagte Gabriel zu ihr, als er hereinkam. »Der Herr ist mit dir.«  Maria erschrak zutiefst, als sie so angesprochen wurde, und fragte sich, was dieser Gruß zu bedeuten habe. Da sagte der Engel zu ihr: »Du brauchst dich nicht zu fürchten, Maria, denn du hast Gnade bei Gott gefunden.  Du wirst schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen; dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und wird ›Sohn des Höchsten‹ genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Stammvaters David geben. Er wird für immer über die Nachkommen Jakobs herrschen, und seine Herrschaft wird niemals aufhören.« 
Es muss für die höchstens 16 Jahre alte Maria ein Schock gewesen sein, eine solche Botschaft zu erhalten.  Sie wird diese Begebenheit selbst in der Urgemeinde erzählt haben, zu der sie später gehörte.  Der Name Jesus bedeutet: Gott rettet - Gotthilf. "Sohn des Höchsten" - das war für Juden ein  bekannter Titel - sie kannten die Worte an David aus dem Samuelbuch: "Dein Haus und dein Königtum werden vor dir auf ewig bestehen bleiben; dein Thron wird auf ewig Bestand haben."  So viel konnte Maria damals verstehen: Ihr Kind sollte die Linie Davids fortsetzen und das Königtum in Israel wieder errichten. Unter all den vielen Frauen in Judäa wurde sie ausgewählt - weil sie fähig war, sich diese Botschaft anzuhören und sie aufzunehmen. Maria war eine besondere Frau, weil sie die Fähigkeit hatte, etwas völlig Ungewöhnliches zu akzeptieren. Welche Bedeutung hat Maria für mich? Und wäre ich auch bereit, eine Botschaft Gottes, die ganz aus dem üblichen Rahmen fällt, anzunehmen? 

11.Dezember Lukas 1, 21 - 25
 Draußen wartete das Volk auf Zacharias, und alle wunderten sich, dass er so lange im Tempel blieb. Als er endlich herauskam, konnte er nicht mit ihnen sprechen. Da merkten sie, dass er im Tempel eine Erscheinung gehabt hatte. Er machte sich ihnen durch Zeichen verständlich, blieb aber stumm. Als sein Priesterdienst zu Ende war, kehrte Zacharias nach Hause zurück. Bald darauf wurde seine Frau Elisabeth schwanger. Die ersten fünf Monate verbrachte sie in völliger Zurückgezogenheit. Sie sagte: »Der Herr hat Großes an mir getan! Die Menschen verachteten mich, aber er hat mich gnädig angesehen und hat meine Schande von mir genommen.«

Elisabeth zieht sich völlig zurück, als sie merkt, dass sie schwanger ist. Warum tut sie das? Ihre Lebenssituation hat sich total verändert. Sie hatte ja schon damit abgeschlossen, ein Kind zu bekommen. Sie braucht diese Zeit, um sich neu zu orientieren. Sie hätte ja auch umherlaufen und jedem erzählen können, das sie schwanger ist. Durch ihre Zurückhaltung gewinnt sie Zeit, die  Bedeutung dessen zu erfassen, was ihr geschehen ist. Und der Ertrag dieser Stille wird später deutlich: Als Maria zu ihr kommt, spricht sie als geisterfüllte Prophetin zu ihr.  Bei wichtigen Erlebnissen und einschneidenden Erfahrungen ist es gut, nicht sofort in die Öffentlichkeit zu gehen, sondern sich Zeit zu lassen, das Erlebte zu bedenken. So gewinnt die Erfahrung an Tiefe und ich erfasse ihre Bedeutung. 


10.Dezember Lukas 1, 18 - 20
Zacharias sagte zu dem Engel: »Woran soll ich erkennen, dass das alles geschehen wird? Ich bin doch ein alter Mann, und meine Frau ist auch nicht mehr jung.« Der Engel erwiderte: »Ich bin Gabriel; ich stehe vor Gott und bin von ihm gesandt, um mit dir zu reden und dir diese gute Nachricht zu bringen. Doch nun höre: Du wirst stumm sein und nicht mehr reden können bis zu dem Tag, an dem diese Dinge eintreffen, denn du hast meinen Worten nicht geglaubt. Sie werden aber in Erfüllung gehen, wenn die Zeit dafür gekommen ist.«
Das ist doch ein verständlicher Einwand, den der alte Zacharias da vorbringt! Er kann diese gute Nachricht, auf die er doch sein Leben lang gewartet hat, nun nicht mehr glauben und fordert ein Zeichen. Denn er müsste nun tätig werden und mit seiner Frau schlafen.  Glauben bedeutet ja: Im Vertrauen handeln. Wie kann jemand, der keine Hoffnung mehr hat, zum Umdenken veranlasst werden? Das, was nun an ihm geschieht, ist viel mehr als eine Strafe. Sein Stummwerden unterbricht seine Argumente. In der Stille muss er sich mit der Frage auseinandersetzen, was dieser Gott vorhat und welchen Sinn das macht. Und er wird bereit, dem Engel zu glauben. Manche von uns haben die Erfahrung gemacht, dass Gott sie unterbricht in all ihrem Tun und Denken und sie durch eine Krankheit oder einen Schicksalsschlag zu einem tieferen Nachdenken bringt. Aber selbst das ist ja nicht zwingend. Lasse ich mich unterbrechen und zu einem tieferen Vertrauen führen? 

9.Dezember Lukas 1, 17  
Erfüllt mit dem Geist und der Kraft des Elia, wird er vor dem Herrn hergehen. Durch ihn werden sich die Herzen der Väter den Kindern zuwenden, und die Ungehorsamen werden ihre Gesinnung den Gerechten zuwenden. So wird er dem Herrn ein Volk zuführen, das für ihn bereit ist.

Diese Worte waren den bibelkundigen Juden wohlbekannt, sie stehen in Maleachi 3: "Siehe, ich sende euch den Propheten Elia, bevor der Tag des HERRN kommt, der große und furchtbare."  Doch die Drohung ist weggefallen. Bei Maleachi heißt es: "...damit ich nicht komme und den Bann an dem Land vollstrecken muss." Hier ist alles als Verheißung formuliert: So wird das geschehen! Und war es so? Ja, Johannes der Täufer wird zum Vorläufer Jesu, seine Bußbewegung nimmt die Botschaft Jesu vorweg: "Kehrt um, denn das Reich Gottes ist nahe!" Aber - und leider gibt es da ein "Aber" - das tun längst nicht alle im Volk. So ist es bis heute. Der Ruf des Reiches Gottes erreicht nur eine Minderheit. Und das hatte damals die traurige Folge, dass Maleachi 3 doch noch wahr wurde: Das jüdische Volk wählte einen falschen Messias, den "Sternensohn" Bar Kochba  und wurde in alle Welt vertrieben. Welche Bedeutung hat der Umkehrruf des Johannes, den Jesus aufnimmt, heute für mich? Gibt es etwas, wo Versöhnung geschehen sollte? Wo Eltern und Kinder wieder zusammenkommen können? 

8.Dezember Lukas 1, 13 - 16
Der Engel sagte zu ihm: »Du brauchst dich nicht zu fürchten, Zacharias! Dein Gebet ist erhört worden. Deine Frau Elisabeth wird dir einen Sohn schenken; dem sollst du den Namen Johannes geben. Du wirst voller Freude und Jubel sein, und auch viele andere werden sich über seine Geburt freuen. Denn er wird groß sein in den Augen des Herrn. Er wird keinen Wein und keine starken Getränke zu sich nehmen, und schon im Mutterleib wird er mit dem Heiligen Geist erfüllt sein. Viele Israeliten wird er zum Herrn, ihrem Gott, zurückführen. 


Es gibt einen Unterschied zwischen der frohen Prophezeiung des Engels und dem, was kommen wird. Denn der Täufer Johannes wird kein einfaches Leben haben. Er wird in der Wüste leben, unverheiratet und als Sonderling. Ja, die Menschen werden zu ihm kommen - aber er wird trotzdem ins Gefängnis geworfen und dann ermordet werden.  Stimmt das also alles nicht? Der Schlüssel liegt in dem Satz: "Denn er wird groß sein in den Augen des Herrn!" Es ist ein Unterschied zwischen unserer Einschätzung eines Menschen und der unseres Gottes. Oft ist es ja sogar ein Gegensatz: Das was wir für "groß" halten, ist klein bei Gott und umgekehrt. Nach welchem Maßstab beurteile ich mein eigenes Leben? Ist es der Maßstab Gottes oder der der Menschen?  Sie mögen dich für klein, für unbedeutend halten - wenn Gottes Geist, der Geist seiner Liebe in dir wirkt, dann ist das eine große Sache.  

7.Dezember Lukas 1, 8 - 12
Einmal, als Zacharias vor Gott seinen Dienst als Priester versah, weil seine Abteilung damit an der Reihe war,  wurde er nach der für das Priesteramt geltenden Ordnung durch das Los dazu bestimmt, in den Tempel des Herrn zu gehen und das Rauchopfer darzubringen. Während der Zeit, in der das Rauchopfer dargebracht wurde, stand die ganze Volksmenge draußen und betete. Da erschien dem Zacharias ein Engel des Herrn; er sah ihn auf der rechten Seite des Rauchopferaltars stehen. Zacharias erschrak und wurde von Furcht gepackt. 

Einmal...!  Es ist ein Merkmal biblischer Offenbarung, dass sie aus "heiterem Himmel" geschehen. Wie oft wird Zacharias vor diesem Altar gestanden haben und alles war normal. Und plötzlich ist alles anders. Er wird von Furcht gepackt. Auch das ist ein Merkmal, wenn jemand wirklich Gott begegnet: Das ganz Andere, Größere und Gewaltige dieser Begegnung erzeugt das Gefühl der Furcht. Darum heißt es so oft: Fürchte dich nicht! Gottes- oder Engelbegegnungen können wir nicht bestellen oder erbitten - sie geschehen mitten im Alltag und oft überraschend. Aber es ist sicherlich kein Zufall, dass diese  Begegnung hier inmitten des alltäglichen Gottesdienstes geschieht. Das alltägliche Ritual macht mich offen für die unverfügbare Begegnung! 

6. Dezember Lukas 1, 5 – 7
 In der Zeit, als Herodes König von Judäa war, lebte dort Zacharias, ein Priester, der zur Abteilung des Abija gehörte. Seine Frau stammte wie er aus dem Geschlecht Aarons; sie hieß Elisabeth. Beide lebten so, wie es Gott gefiel, und hielten sich in allem genau an die Gebote und Weisungen des Herrn. Sie hatten keine Kinder, denn Elisabeth war unfruchtbar, und jetzt waren sie beide alt.

Gott hat etwas Besonderes mit diesem alten Ehepaar vor – aber das wissen die beiden ja nicht.  Jahrzehntelang leistet Zacharias seinen Dienst im Tempel, jahrzehntelang leben sie, wie es Gott gefällt. Aber nichts ändert sich, Elisabeth bleibt unfruchtbar. Wie gehe ich mit Zeiten um, in denen Gott untätig bleibt? Hadere ich damit? Kündige ich meinen Dienst auf? Die beiden leben weiterhin so, wie sie es für richtig finden. Die Lebensgestaltung mit Gott hängt nicht davon ab, ob meine Wünsche erfüllt werden – das ist nicht einfach, aber wenn ich weiß, dass Gott mit mir durch diese Zeit geht, kann ich es leben.

5.Dezember  Johannes 1, 16 - 17
Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade. Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.  Niemand hat Gott je gesehen; der einziggeborene Sohn, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat es verkündigt.
Der Einziggeborene - ein fast nicht übersetzbares Wort. Damit wird das besondere Verhältnis Jesu Christi zu Gott, seinem Vater ausgedrückt. Es ist ein Liebesverhältnis, eine unmittelbare Nähe, die wir nur mit Bildern ausdrücken können.  Sein Kommen bedeutet für uns: Es gibt mehr als das Gesetz, das den Menschen sagt, wie sie leben sollen. Gott ist Liebe und Barmherzigkeit. Die Wahrheit ist nicht nur, dass wir immer wieder am Gesetz scheitern, sondern auch, dass wir dennoch von Gott geliebt sind - mit all unseren Schatten und Fehlern. Jesus hat uns diesen Gott vor Augen gestellt. Er muss es wissen, sagt der Evangelist, denn er kommt von Gott. Glaube ich an den strengen Gott des Gesetzes oder an den barmherzigen Gott der Liebe? 

4.Dezember  Johannes 1, 14 - 15
Er, der das Wort ist, wurde ein Mensch von Fleisch und Blut und lebte unter uns. Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit voller Gnade und Wahrheit, wie nur er als der einzige Sohn sie besitzt, er, der vom Vater kommt. Auf ihn wies Johannes die Menschen hin. »Er ist es!«, rief er. »Von ihm habe ich gesagt: Der, der nach mir kommt, ist größer als ich, denn er war schon vor mir da.« 
Der Evangelist gerät ins Schwärmen. "Wir sahen seine Herrlichkeit..." Was meint er damit? Sicherlich nicht die äußere Gestalt Jesu oder die Umstände seines Erscheinens. Gnade und Wahrheit sind die entscheidenden Stichworte. Jesus bringt die Botschaft von seinem Vater, dem liebenden und gnädigen Gott, der auf seine verlorenen Söhne und Töchter wartet. Und er verkündet die Wahrheit über den Menschen, über seine Verlorenheit und seine Not, nicht selbst zu wahrem Leben zu finden.  Als Jesus vor Pilatus steht, sagt er: Ich bin in die Welt gekommen, um für die Wahrheit Zeuge zu sein; dazu bin ich geboren. Jeder, der auf der Seite der Wahrheit steht, hört auf meine Stimme.«  Doch der Statthalter ist taub, er entgegnet nur: "Was ist Wahrheit?" Wahrheit und Gnade gehören zusammen. Denn wenn ich die Wahrheit über mich selbst erkenne, brauche ich Annahme und Vergebung. Aus Gnade bin ich, was ich bin! 

3.Dezember  Johannes 1, 8 - 12 - 13 
All denen jedoch, die ihn aufnahmen und an seinen Namen glaubten, gab er das Recht, Gottes Kinder zu werden. Sie wurden es weder aufgrund ihrer Abstammung noch durch menschliches Wollen, noch durch den Entschluss eines Mannes; sie sind aus Gott geboren worden. 

Es gibt eine Neugeburt! Menschen, die an Jesus glauben, die ihn aufgenommen haben, sind noch einmal aus Gott geboren. Wir sind in ganz neuer Weise Kinder Gottes. Das war nicht unser Entschluss, sagt Johannes, der Evangelist, sondern entsprang dem Willen Gottes. Niemand kann sich darauf etwas einbilden - denn es ist nicht mein Verdienst, dass ich Jesus vertrauen kann.  Es kann nicht anders sein: Wäre "glauben können" eine besondere Charaktereigenschaft oder ein Familienerbe oder Produkt besonderer Willensstärke, so würde alles auf den Menschen ankommen.  Doch Jesus aufnehmen können bleibt ein Geheimnis. Wir wissen nicht, warum wir unser Herz öffnen konnten, es bleibt das Geheimnis Gottes.  Unsere Antwort ist Dankbarkeit für das Geschenk dieser neuen Kindschaft. 


2.Dezember Johannes 1, 8 - 11
. Johannes selbst war nicht das Licht; sein Auftrag war es, auf das Licht hinzuweisen. Der, auf den er hinwies, war das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet – das Licht, das in die Welt kommen sollte.  Er war in der Welt, aber die Welt, die durch ihn geschaffen war, erkannte ihn nicht. Er kam zu seinem Volk, aber die Seinen wollten nichts von ihm wissen.

Diese wenigen Verse enthalten eine gewaltige Aussage: In Jesus Christus kommt das Licht, das jeden Menschen erleuchtet, sichtbar zur Welt. Er ist das Licht der Schöpfung von allem Anfang her, ja, der Schöpfer selbst, der in seine Schöpfung eingeht. Wieso erkennt die Welt, die er geschaffen hat, ihren Schöpfer nicht? Weil sie "verdreht" ist, weil sie in dem Geschaffenen nicht mehr das Bild und die Spur des Schöpfers erkennt. Sie erkennt das, was vor Augen ist, aber nicht, was sich dahinter verbirgt. Kann ich im Antlitz eines Menschen das Wesen Christi entdecken? In einer eindrucksvollen Landschaft den Schöpfer ahnen? In dem Zimmermann aus Nazareth Gott entdecken? "Man sieht nur mit dem Herzen gut - das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar", sagt der kleine Prinz.  Was aber ist in meinem Herzen, das mir ermöglicht, das Wesentliche zu sehen? 

1.Dezember  Johannes 1, 6 - 7


Gott schickte einen Boten, einen Mann, der Johannes hieß. Sein Auftrag war es, die Menschen auf das Licht hinzuweisen. Alle sollten durch seine Botschaft an den glauben, der das Licht ist. 

Ich frage mich, ob Johannes selbst das auch so formuliert hätte! Denn das ist ja im Nachhinein geschrieben, nach Ostern und den vielen Geschehnissen danach. Johannes war zunächst ein eigenständiger Bußprediger, der den Leuten ihre Sünden um die Ohren gehauen hat. Sein Auftrag wurde erstmals klarer, als Jesus bei ihm auftauchte und sich taufen ließ. Das finde ich ganz schön hart: Seine Bedeutung hatte er nicht als Bußprediger, auch nicht als Kritiker des Königs - was ihn das Leben kostete - sondern als Wegbereiter Jesu. Er konnte sich in seinem Tun am Jordan bestätigt fühlen, aber seine wichtigste Aufgabe war, auf das kommende Licht hinzuweisen.  Wie sehe ich meinen Platz und Auftrag in dieser Welt? Könnte es sein, dass am Ende etwas ganz Anderes von mir bleibt, als ich denke? In welcher Weise bin ich für andere ein Hinweis auf das Licht? 

30. November  Johannes 1, 5- 6
 
Das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht auslöschen können. 

Dieser eine Satz enthält eine ganze Geschichte. Nämlich die von Ostern!  Die Finsternis hat sich angestrengt, dieses Licht zu vernichten. Sie hat Jesus das Lebenslicht ausgepustet. Aber in Jesus hat das Leben gesiegt, das Licht wurde nicht gelöscht. Seitdem stehen wir im Kampf zwischen diesem Licht und der Finsternis.  Uns soll die Hoffnung geraubt werden, tagtäglich flüstern uns Medien ein: Es wird schlechter! Die Katastrophe kommt! Wir werden untergehen!  Doch das Licht von Ostern scheint und wird nicht mehr verlöschen.  Wo sehe ich in meiner Umgebung Zeichen echter Hoffnung? Es gibt sie! 

29.November  Johannes 1, 3 - 4
Alles wurde durch das Wort geschaffen; nichts ist ohne das Wort entstanden. In ihm war das Leben, und dieses Leben war das Licht für alle Menschen. 

Licht für alle Menschen! Wir alle sind durch das gleiche Wort am leben - ja, mehr noch, alles, was lebt, ist durch den "logos" entstanden, hat den gleichen Ursprung. Was auf unserer Seite der Welt so zufällig aussieht, ist von Anfang an dieser Quelle entsprungen.  Die ganze Schöpfung ist vom Geist Gottes durchdrungen. Jeder Mensch hat die gleiche Würde und das gleiche Recht, auf Erden zu sein. Alle Menschen sind in dieser Weise Kinder Gottes. Das möchte ich mir bewusst machen, wenn mich die Fremdheit oder das Verhalten von Menschen abstößt oder ängstigt. So hat Jesus gelebt, auf den wir in dieser Zeit warten. 

28. November  Johannes 1, 1 - 2

Am Anfang war das Wort. Das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott selbst. Von Anfang an war es bei Gott. 

Am Anfang! Wir sind in der Adventszeit und der Blick richtet sich auf Jesus, den kommenden Herrn.  " Wer ist der?" haben schon die Leute damals gefragt. Johannes gibt eine kühne Antwort. Er erinnert an den Beginn der Bibel: "Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde."  Am Anfang, so Johannes, war der Logos, das Wort, der Sinn oder die Vernunft der Welt bei Gott. Jesus, der Kommende ist hier Gott selbst.  Wer ist Jesus für mich? Als Mensch ist er mir nahe - er kämpft und leidet, er wächst als Handwerker auf und zieht über die Straßen Galiläas. Ist er für mich mehr Mensch oder mehr Gott? Da ist etwas Unbegreifliches in Jesus, eine Unmittelbarkeit zu Gott und das spüren die Menschen um ihn her.  Lasse ich mich anstecken von diesem Geist Jesu? Wenn ich ihn vor Augen habe, bin ich Gott selbst ganz nahe. 

27.November Lukas 14, 1 – 6
An einem Sabbat war Jesus zum Essen im Haus eines führenden Pharisäers. Er wurde aufmerksam beobachtet. In seiner Nähe war ein Mann, der an Wassersucht litt. Jesus fragte die anwesenden Gesetzeslehrer und Pharisäer: »Ist es erlaubt, am Sabbat zu heilen, oder nicht?« Sie schwiegen. Da berührte er den Kranken, machte ihn gesund und ließ ihn gehen. Dann wandte er sich wieder zu den anderen und fragte sie: »Wenn einem von euch ein Kind in den Brunnen fällt oder ein Tier, zieht er es dann nicht auf der Stelle wieder heraus, auch wenn es gerade Sabbat ist?« Darauf konnten sie ihm nichts erwidern.

Wieder dieser Konflikt um den Sabbat! Mir fällt daran ein Detail auf. Da heißt es: „Er wurde aufmerksam beobachtet!“ Da waren also Menschen, die nur darauf warteten, dass Jesus einen Fehler macht. Er stand unter Beobachtung. Solche Situationen kenne ich. Wie reagiere ich darauf? Bemühe ich mich, den Erwartungen gerecht zu werden? Vermeide ich es, Kritik auf mich zu ziehen? Es wäre ja eine Möglichkeit, gar nichts zu tun. Die Gegner wären zufrieden – nur der kranke Mann wäre nicht geheilt. Jesus ist in solchen Situationen innerlich unabhängig. Es ist ihm offenbar ganz gleich, ob er beobachtet wird. Wie kann ich solche Unabhängigkeit gewinnen? Indem ich mir dessen bewusst werde, was viel wichtiger ist als alle Meinungen und Erwartungen - und Befürchtungen – der Umgebenden: Da ist ein Mensch, der Hilfe braucht! Da ist etwas zu tun, das keinen Aufschub duldet. Da ertrinkt ein Kind! Es ist die starke innere Überzeugung, die mich nach außen stark macht. Das könnte allerdings auch „Verbohrtheit“ sein – darum ist es gut, sie am Beispiel Jesu auszurichten, der Dinge aus unbedingter Liebe heraus tut. .

26.November   Lukas 13, 31 – 35


Da kamen einige Pharisäer zu Jesus und sagten: »Auf, geh fort von hier; Herodes trachtet dir nach dem Leben!« Jesus erwiderte: »Geht und sagt diesem Fuchs: ›Heute und morgen treibe ich Dämonen aus und heile Kranke, und am dritten Tag wird mein Leben vollendet.‹ Ja, ich muss heute und morgen und auch noch am darauffolgenden Tag meinen Weg gehen; denn es ist undenkbar, dass ein Prophet an einem anderen Ort umkommt als in Jerusalem.« »Jerusalem, Jerusalem, du tötest die Propheten und steinigst die, die Gott zu dir schickt. Wie oft wollte ich deine Kinder sammeln, wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt! Aber ihr habt nicht gewollt. Seht, euer Haus wird verlassen sein. Ich sage euch: Ihr werdet mich erst wieder sehen, wenn die Zeit kommt, in der ihr rufen werdet: ›Gesegnet sei er, der im Namen des Herrn kommt!
Jesus sieht seinen Weg klar vor sich. Sein Einsatz für die Menschen geht weiter und Herodes wird das nicht aufhalten können. Aber sein Ziel ist Jerusalem und diese Stadt liegt außerhalb des Gebietes des Herodes. Jesus weiß, dass es dort zu einer tödlichen Konfrontation kommen wird. Warum flieht er nicht in die Wüste? Warum geht er nicht außer Landes? Er sieht sich in einer Reihe mit den Propheten des ersten Bundes. Wie sie hat er den Auftrag, Jerusalem Gottes Botschaft zu verkünden. Er weiß sich an diesen Auftrag gebunden und sieht die kommende Katastrophe: „Euer Haus wird verlassen sein!“ Aber sein Blick geht weit über diese Zeit hinaus auf eine Zeit, in der Israel ihn als Messias begrüßt. Ob er gewusst hat, wie lange diese Zeit ist und wie viel Leid und Tod vor seinem Volk liegt? Faszinierend ist die Klarheit, in der Jesus seinen Weg geht – er lässt sich nicht von der Furcht bestimmen, die die Nachricht von Herodes auslösen könnte. Wie klar ist mir mein Weg, meine Lebensaufgabe? Was kann mich davon abbringen? C.S. Lewis sagte einmal, schon ein wenig Zahnweh könne einen Menschen völlig von seinen Aufgaben abbringen! 

25.November  Lukas 13, 22 – 30
Jesus setzte seine Reise nach Jerusalem fort; er zog von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf, und überall lehrte er. Einmal wurde er gefragt: »Herr, sind es nur wenige, die gerettet werden?« Jesus antwortete: »Setzt alles daran, durch die enge Tür einzutreten! Denn das sage ich euch: Viele werden versuchen einzutreten, und es wird ihnen nicht gelingen. Wenn der Hausherr aufgestanden ist und die Tür abgeschlossen hat, werdet ihr draußen stehen, an die Tür klopfen und rufen: ›Herr, mach uns auf!‹ Doch er wird euch antworten: ›Ich kenne euch nicht; ich weiß nicht, woher ihr seid.‹ Dann werdet ihr einwenden: ›Wir haben doch mit dir gegessen und getrunken, und du hast auf den Straßen unserer Stadt gelehrt.‹ Er aber wird euch noch einmal dasselbe antworten: ›Ich kenne euch nicht; ich weiß nicht, woher ihr seid. Geht alle weg von mir, ihr mit eurem unrechten Treiben!‹ Dort draußen bleibt für euch nichts als lautes Jammern und angstvolles Zittern und Beben, wenn ihr sehen werdet, dass Abraham, Isaak und Jakob samt allen Propheten im Reich Gottes sind, ihr aber ausgeschlossen seid. Von Osten und Westen und von Norden und Süden werden Menschen kommen und sich im Reich Gottes zu Tisch setzen. Es gibt Letzte, die werden Erste sein, und Erste, die werden Letzte sein.«

Warum gelingt es Vielen nicht, durch die „enge Tür“ einzutreten? Es gibt einen Hinweis: „Ihr mit eurem ungerechten Treiben!“ Mit diesem „Gepäck“ kommt man nicht durch die Türe, genauso, wie ein Kamel nicht durch ein Nadelöhr kommt. Jesus ruft in seinen Predigten immer wieder zu solchen Entscheidungen auf. Und er sagt auch immer wieder: Es gibt ein zu spät. Irgendwann ist diese Tür zu. Zweimal fällt dieser Satz: „Ich kenne euch nicht!“ Ob jemand drinnen oder draußen ist, wird von Jesus nicht an einem Bekenntnis festgemacht, auch nicht an einer Kirchenzugehörigkeit, sondern am Tun des Gerechten: „Wer diese meine Worte hört und tut…!“ Darum werden am Ende Leute im Reich Gottes sein, von denen man es nicht gedacht hätte – und andere, von denen man es gedacht hätte, werden fehlen. Was aber bedeutet für mich das „Tun des Gerechten“ heute? Welche Menschen sollen heute durch mich die Gerechtigkeit und Liebe Gottes erfahren?

24.November Lukas 13, 18 – 21

Dann sagte Jesus: »Mit welchem Bild lässt sich das Reich Gottes darstellen? Womit soll ich es vergleichen? Es ist mit dem Reich Gottes wie mit einem Senfkorn, das ein Mann in seinem Garten sät. Es geht auf und wächst und wird zu einem Baum, in dessen Zweigen die Vögel nisten.« Jesus fuhr fort: »Womit kann ich das Reich Gottes noch vergleichen? Es ist mit dem Reich Gottes wie mit dem Sauerteig. Eine Frau nimmt eine Hand voll davon, mengt ihn unter einen halben Sack Mehl, und am Ende ist die ganze Masse durchsäuert.«

Die Herrschaft Gottes kommt nicht mit Gewalt, sondern durch ein stilles Wachsen. Das Senfkorn ist ein winziges Korn – der Baum ist riesig. Eine Handvoll Sauerteig ist nicht viel – aber am Ende ist der ganze Teig durchwirkt. Beides war damals ein unbegreifliches Wunder. Das Reich Gottes ist weiter und weiter gewachsen. Nach drei Jahrhunderten wurde das Christentum plötzlich Staatsreligion. Das war eine ziemlich gewaltsame Sache und ganz und gar nicht im Sinne der Bildworte. Doch im Verborgenen ist es trotzdem weiter gewachsen. Und heute? Unsere gesellschaftlichen Werte, unsere Demokratie, die Menschenrechte, der Einsatz für Arme und Schwache – all das hängt mit der Vision von Gottes Reich zusammen. Wo sehe ich das Reich Gottes wachsen und wirken? Man sollte dabei nicht auf die großartigen Dinge schauen, sondern auf die „Senfkörner“, die kleinen Dinge, die Menschen beginnen, die verborgenen Taten der Liebe – da wächst gerade das Reich Gottes.  Es wächst auch in den kleinen Liebestaten, die du heute vollbringst. 


23. November Lukas 13, 10 – 17
 Jesus lehrte an einem Sabbat in einer Synagoge. Unter den Zuhörern war eine Frau, die seit achtzehn Jahren unter einem bösen Geist zu leiden hatte, der sie mit einer Krankheit plagte. Sie war verkrümmt und völlig unfähig, sich aufzurichten. Jesus bemerkte sie und rief sie zu sich. »Liebe Frau«, sagte er, »du bist frei von deinem Leiden!«, und er legte ihr die Hände auf. Im selben Augenblick konnte sie sich wieder aufrichten, und sie fing an, Gott zu preisen. Doch der Synagogenvorsteher war empört darüber, dass Jesus die Frau am Sabbat geheilt hatte. Er sagte zu der versammelten Menge: »Es gibt sechs Tage, die zum Arbeiten da sind. An denen könnt ihr kommen und euch heilen lassen, aber nicht am Sabbat.« Der Herr entgegnete ihm: »Ihr Heuchler! Bindet nicht jeder von euch auch am Sabbat seinen Ochsen oder seinen Esel vom Futterplatz los und führt ihn zur Tränke? Und diese Frau hier, die der Satan volle achtzehn Jahre lang gebunden hielt und die doch eine Tochter Abrahams ist – die sollte man am Sabbat nicht von ihren Fesseln befreien dürfen?« Diese Antwort Jesu brachte alle seine Gegner in größte Verlegenheit. Das ganze Volk jedoch freute sich über all die wunderbaren Dinge, die durch ihn geschahen.

Jesus unterbricht seine Lehrveranstaltung und wendet sich einer Frau zu, die er unter den Zuhörern bemerkt. Offenbar hat die Frau sich nicht selbst gemeldet. Es wird hier auch nicht vom Glauben der Frau gesprochen – alle Aktivität geht von Jesus aus. Gemäß der Erkenntnisse der damaligen Zeit wird ihre Krankheit mit einem bösen Geist in Verbindung gebracht. Wie fühlt sich das Leben an, wenn man nur auf den Boden schauen kann? 18 Jahre lang war sie gebunden an ihre Verkrümmung. Der Synagogenvorsteher steht hier für Menschen, die sich nicht von diesem Leid erreichen lassen, die gleichgültig bleiben. „Das kann man doch auch noch am Montag machen!“ ist sein rationales Argument. Kennen wir solche Argumente? „Da wird viel zu viel für diese Leute getan, die sich in die soziale Hängmatte legen !“ „Die Flüchtlinge bekommen alles in den Rachen gesteckt!“ „Wenn die in ein Schlauchboot steigen, sind sie doch selber schuld, wenn sie ertrinken!“ und so weiter. Jesu Aktion bedeutet spontanes Erbarmen. Hier und jetzt ist Hilfe gefragt, denn ein Mensch leidet. Wo sehe ich Menschen, die leiden? Wo ergreift mich Erbarmen?

Zuhören statt lesen

22.November  Lukas 13, 6 – 9
Dann erzählte Jesus folgendes Gleichnis: »Ein Mann hatte in seinem Weinberg einen Feigenbaum stehen; doch wenn er kam und sehen wollte, ob der Baum Früchte trug, fand er keine. Schließlich sagte er zu dem Gärtner, der den Weinberg pflegte: »Schon drei Jahre komme ich jetzt, um zu sehen, ob dieser Feigenbaum Früchte trägt, und finde keine. Hau ihn um! Warum soll er den Boden noch länger aussaugen?‹ ›Herr‹, erwiderte der Gärtner, ›lass ihn noch dieses Jahr stehen. Ich will die Erde um ihn herum noch einmal umgraben und düngen. Vielleicht trägt er dann nächstes Jahr Früchte – wenn nicht, kannst du ihn umhauen.‹«

Der Feigenbaum ist ein Bild für Israel – hier im Besonderen Jerusalem. Die Früchte kann man das verstehen, was Jesus in seinen Predigten fordert: Umkehr zu Gott, Versöhnung mit ihm und ein neues Leben. Gleichnisse schildern oft ein überraschendes Moment. Hier ist es die erneute Mühe, die der Gärtner auf sich nimmt. Sind drei Jahre Warten nicht genug? Aber nein, es erfolgt ein letzter Versuch mit allen Mitteln, die dem Gärtner zur Verfügung stehen. So handelt Gott an uns: Trotz mangelnder Frucht lässt er in seiner Bemühung nicht nach und schafft noch bessere Bedingungen. Allerdings gibt es da eine Grenze: Wenn nicht…! Das Gericht wird nicht ewig aufgehalten. Warum? In der Stadt geschieht Unrecht, Menschen werden ausgebeutet und unterdrückt, der Arme empfängt keine Vergebung, sie wird im Tempel an Reiche verkauft. Menschen geraten in Schuldsklaverei, andere müssen sich Tag für Tag für Hungerlöhne verkaufen. Soll Gott dem ewig zusehen? Dann wäre er ein gleichgültiger, grausamer Gott. Seine Forderung nach Umkehr ist die Forderung nach Gerechtigkeit. Jesu Bemühen um Jerusalem ist ein letztes „Umgraben“ – doch 40 Jahre später folgt die Katastrophe. Ja, es gibt im Leben ein "zu spät" - aber noch nicht jetzt! 


21.November  Lukas 13, 1 - 5   Zuhören statt lesen
Zu dieser Zeit kamen einige Leute zu Jesus und berichteten ihm von den Galiläern, die Pilatus am Altar umbringen ließ und deren Blut sich auf diese Weise mit dem ihrer Opfertiere vermischte. Da sagte Jesus zu ihnen: »Meint ihr, diese Leute seien größere Sünder gewesen als alle übrigen Galiläer, weil so etwas Schreckliches mit ihnen geschehen ist? Nein, sage ich euch; wenn ihr nicht umkehrt, werdet ihr alle genauso umkommen. Oder denkt an jene achtzehn Menschen, die beim Einsturz des Turms von Schiloach den Tod fanden. Meint ihr, ihre Schuld sei größer gewesen als die aller anderen Einwohner Jerusalems? Nein, sage ich euch; wenn ihr nicht umkehrt, werdet ihr alle ebenso umkommen.«

„Wen Unglück oder Krankheit trifft, der muss eine geheime Schuld auf sich geladen haben!“ Dieses Denken war tief im Volksglauben verankert. Im Hiobbuch heißt es: „Gott vergilt dem Menschen, wie er verdient hat und trifft einen jeden nach seinem Tun.“ (Hiob 34,11) Schon dort wird diese Ansicht verworfen – aber sie ist bis heute so bequem für die, die noch kein Unglück getroffen hat. „Nein“, sagt Jesus. „Ihr alle seid in gleichem Maße schuldig!“ Das Rätsel des Schicksals löst er damit nicht. Er wendet die Frage zu einem Bußruf: „Wenn ihr nicht umkehrt!“ Der vermutete Zusammenhang Unglück und Schuld ist damit zerrissen. Wir alle sind in der Gemeinschaft der Sünder, keiner ist besser, weil es ihm besser geht. Wie begegne ich Menschen, die von Leid und Unglück getroffen sind? Ist meine Opferhilfe eine gnädige Herablassung oder ist sie von dem Wissen geprägt, dass wir auf der gleichen Seite stehen und das Unglück des anderen bald auch mein Unglück sein kann? Das unlösbare Rätsel des Geschicks könnte uns solidarisch machen. 

20 November Lukas 12, 54 – 59

 Jesus wandte sich an die Volksmenge und sagte: »Wenn im Westen eine Wolke aufsteigt, sagt ihr sofort: ›Es gibt Regen.‹ Und so kommt es dann auch. Und wenn der Südwind weht, sagt ihr: ›Es wird heiß.‹ Und auch das trifft ein. Ihr Heuchler! Ihr beobachtet die Erde und den Himmel und könnt so das Wetter beurteilen. Wieso könnt ihr dann nicht die gegenwärtige Zeit beurteilen? Warum macht ihr euch nicht selbst klar, was vor Gott richtig ist? Wenn du jemand eine Schuld zu bezahlen hast und er mit dir vor Gericht geht, dann gib dir alle Mühe, dich noch unterwegs mit ihm zu einigen; sonst schleppt er dich vor den Richter, und der Richter übergibt dich dem Vollzugsbeamten, und der Vollzugsbeamte wirft dich ins Gefängnis. Ich sage dir: Du wirst von dort nicht herauskommen, bevor du alles bis auf den letzten Heller bezahlt hast.«

Wie sollen wir denn die gegenwärtige Zeit beurteilen? Indem wir uns klar machen, „was vor Gott richtig ist!“ Vordergründig geht es um eine Schuld, die zu bezahlen ist und um das herrschende Rechtssystem, dem ich ausgeliefert bin, wenn ich nicht schnell bezahle. Darin liegt eine Unerbittlichkeit: Wenn ich erst einmal vor dem Richter stehe, ist es zu spät, ich muss alles bezahlen. Die gegenwärtige Zeit, genauer dieser Zeitpunkt ist genau der, in dem ich noch die Gelegenheit habe, mich mit meinem Gegner zu versöhnen. Man kann dabei an Gott selbst denken, der dann Richter und Vollstrecker in einer Person ist – oder aber an meinen Nächsten. Dann geht es darum, die mir verbleibende Zeit zu nutzen, um einen Weg zur Versöhnung zu finden. Im Judentum heißt es zum großen Versöhnungstag (Jom Kippur): „Vergehungen des Menschen gegen Gott sühnt der Versöhnungstag; solche gegen den Nächsten sühnt der Versöhnungstag nicht, bis dass er seinen Nächsten versöhnt hat.“ Was ich selbst auf dem Wege zur Versöhnung tun kann, sollte ich tun! Denn es gibt auch bei uns Menschen ein „zu spät!“

19.November  Lukas 12, 49 – 53

 »Ich bin gekommen, um auf der Erde ein Feuer anzuzünden; ich wünschte, es würde schon brennen! Aber vor mir steht eine Taufe, mit der ich noch getauft werden muss, und wie schwer ist mir das Herz, bis sie vollzogen ist! Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, nicht Frieden, sondern Entzweiung. Von jetzt an wird es so sein: Wenn fünf Menschen unter einem Dach leben, werden sich drei gegen zwei stellen und zwei gegen drei. Der Vater wird sich gegen den Sohn stellen und der Sohn gegen den Vater, die Mutter gegen die Tochter und die Tochter gegen die Mutter, die Schwiegermutter gegen die Schwiegertochter und die Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter.«
Streit statt Frieden! Die Älteren gegen die Jüngeren! Warum? In dem Moment, wo jemand ein Licht anschaltet, entstehen auch die Schatten. In dem Augenblick, in dem jemand eine Wahrheit ausspricht, werden Lüge und Unwahrheit offenbar. Diese Konfrontation ist unvermeidlich – es sei denn, man belässt es bei Halbwahrheiten und lauen Kompromissen. Das ist uns oft lieber, denn Auseinandersetzungen sind unschön. Jesus aber sieht diese letzte Konfrontation in Jerusalem vor sich und weiß, dass er dabei den Kürzeren ziehen wird. Und er sieht voraus, dass es darüber Kontroversen geben wird. Die einen werden sagen: Er ist gescheitert, vergesst ihn! Für die anderen aber ist er der Gott am Kreuz, der geopfert wird, das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt auf sich nimmt. Es kann nicht ohne Streit abgehen, weil die Nachfolge Jesu das ganze Leben beansprucht – und das ist denen, die auch Ansprüche an mein Leben haben – nämlich die, mit denen ich unter einem Dach lebe – ein Dorn im Auge. Wo erlebe ich diesen Konflikt in meinem Leben? Oder weiche ich ihm aus, indem ich  verberge, was mir wichtig ist udn was ich leben will? 


18.November  Lukas 12, 41 – 48
Petrus fragte: »Herr, meinst du mit diesem Vergleich nur uns oder auch alle anderen?« Darauf sagte der Herr Folgendes: »Woran erkennt man denn einen treuen und klugen Verwalter? Angenommen, ein Herr überträgt einem seiner Diener die Verantwortung, der ganzen Dienerschaft zur gegebenen Zeit das Essen zuzuteilen. Wenn nun sein Herr kommt und ihn bei der Arbeit findet – wie glücklich ist da der Diener zu preisen! Ich sage euch: Der Herr wird ihm die Verantwortung für seinen ganzen Besitz übertragen. Wenn jener Diener sich aber sagt: ›Mein Herr kommt noch lange nicht!‹ und anfängt, die Knechte und Mägde zu schlagen, während er selbst schwelgt und prasst und sich volltrinkt, dann wird sein Herr an einem Tag kommen, an dem er ihn nicht erwartet, und zu einem Zeitpunkt, an dem er es nicht vermutet. Er wird den Diener in Stücke hauen lassen und ihm dasselbe Los bereiten wie den Ungläubigen.« »Der Diener, der den Willen seines Herrn kennt und sich nicht auf sein Kommen vorbereitet und nicht tut, was sein Herr will, wird hart bestraft werden. Wer hingegen den Willen seines Herrn nicht kennt und etwas tut, was Strafe verdient, wird weniger hart bestraft werden. Wem viel gegeben wurde, von dem wird viel gefordert, und wem viel anvertraut wurde, von dem wird umso mehr verlangt.«

Petrus kann man hier antworten: Es sind auch alle anderen gemeint! Alle, die in der Gemeinde Verantwortung tragen, sind diese Verwalter, die „Obersklaven“, die für die Versorgung aller Sklaven eines Haushaltes verantwortlich waren, wenn der Hausherr nicht da war. Wenn er gut arbeitet und tut, was der Hausherr erwartet hat, wird der Verwalter aufsteigen. Der „ganze Besitz“ deutet auf den Himmel hin. Der „Lohn im Himmel“ ist von Jesus immer wieder angesprochen worden. Auf der anderen Seite wird der schlechte Sklave „in Stücke gehauen“ – ein Bild für das Gericht am Ende. Uns ist das Bild und seine Konsequenz der Strafe eher fern. Aber wir sollten bedenken, dass hier ein krasses Fehlverhalten geschildert ist, das Leid und Verletzung für die Untergebenen zur Folge hat. Sollen die bisher ungesühnten Missbrauchsfälle in den Kirchen ungesühnt bleiben? Gerade die Priester und Pfarrer sind doch diese Verwalter, die hier angesprochen werden. Ihnen ist viel gegeben, sie haben Verantwortung. Und wir? Wie viel ist uns gegeben? Wo haben wir Verantwortung für andere Menschen? Versorgen wir die Menschen, die uns anvertraut sind – oder schlagen wir sie? (Man kann ja auch mit Worten erschlagen oder jemanden mit Missachtung strafen).

17.November Lukas 12, 35 - 40

Haltet euch bereit und sorgt dafür, dass eure Lampen brennen! Seid wie Diener, deren Herr auf einem Fest ist und die auf seine Rückkehr warten, damit sie ihm sofort aufmachen können, wenn er kommt und an die Tür klopft. Glücklich zu preisen sind die Diener, die der Herr wach und bereit findet, wenn er kommt. Ich sage euch: Er wird sich einen Schurz umbinden und sie zu Tisch bitten, und er selbst wird sie bedienen. Vielleicht kommt er spät in der Nacht oder sogar erst gegen Morgen. Wenn er sie dann bereit findet – wie glücklich sind sie da zu preisen!« »Ihr könnt gewiss sein: Ein Hausherr, der wüsste, in welcher Stunde der Dieb kommt, würde nicht zulassen, dass in sein Haus eingebrochen wird. So sollt auch ihr ständig bereit sein; denn der Menschensohn kommt zu einem Zeitpunkt, an dem ihr nicht damit rechnet.«
Die ersten Christen hatten die Erwartung, dass Jesus bald wiederkommt. Diese „Naherwartung“ geht auf Jesus selbst zurück – obwohl er andererseits sagt: „Zeit und Stunde weiß niemand.“ Das Urchristentum hatte einige Mühe, sich von dieser Vorstellung zu verabschieden, als die Zeit ohne Wiederkunft verging. Und wir heute? Manche sagen: Jetzt sind wir diese letzte Generation! Aber das haben schon viele Generationen gedacht. Wichtiger ist, dass die Bereitschaft, das Warten auf die Wiederkunft bis heute klar macht: Diese Welt ist endlich. Leid und Ungerechtigkeit werden nicht ewig herrschen. Im Warten wird uns die Vorläufigkeit dieser Welt deutlich. Und das führt dazu, dass wir zwar in ihr leben und viele Dinge genießen, uns aber nicht daran „verkaufen“, denn all das vergeht. Und da steht auch noch: Jesus kommt nicht als mächtiger Herr, sondern er kommt, um uns zu dienen. Wie seltsam anders als diese üblichen Schlachtvorstellungen mit einem schwertschwingenden Jesus! 

16.November Lukas 12, 33 – 34

Verkauft euren Besitz und gebt das Geld den Armen! Schafft euch Geldbeutel an, die nicht löchrig werden und legt euch einen unerschöpflichen Reichtum im Himmel an, wo kein Dieb ihn findet und keine Motten ihn fressen. Denn wo euer Reichtum ist, da wird auch euer Herz sein.« 
Der Besitz, der verkauft werden soll, ist das „frei verfügbare Vermögen“ – also das, was man ja eigentlich nicht zum Leben braucht – es sein denn, man will für schlechte Zeiten vorsorgen. Aber das ist ja gerade durch das „sorget nicht“ ausgeschlossen. Die wichtige Botschaft ist: Es gibt einen Schatz im Himmel! „Was am Ende bleibt, stiften die Liebenden“, hat Jörg Zink formuliert. Das letzte Hemd hat keine Taschen, sagen die Leute. Aber der Schatz im Himmel bleibt bewahrt – all das, was in Liebe getan ist, auch wenn es noch so unbedeutend und bruchstückhaft ist. Was ist es , das mich hindert, meinen Reichtum zu teilen mit denen, die das Geld nötiger haben als ich? 

15.November Lukas 12, 22 – 31
Dann wandte sich Jesus wieder an seine Jünger und fuhr fort: »Deshalb sage ich euch: Macht euch keine Sorgen um die Nahrung, die ihr zum Leben, und um die Kleidung, die ihr für euren Körper braucht. Denn das Leben ist wichtiger als die Nahrung, und der Körper ist wichtiger als die Kleidung. Seht euch die Raben an! Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie haben weder Vorratskammern noch Scheunen, und Gott ernährt sie doch. Und ihr seid doch viel mehr wert als die Vögel! Wer von euch kann dadurch, dass er sich Sorgen macht, sein Leben auch nur um eine Stunde verlängern? Wenn ihr also nicht einmal so etwas Geringfügiges fertigbringt, warum macht ihr euch dann Sorgen um all das Übrige? Und seht euch die Lilien an! Sie wachsen, ohne sich abzumühen und ohne zu spinnen und zu weben. Und doch sage ich euch: Sogar Salomo in all seiner Pracht war nicht so schön gekleidet wie eine von ihnen. Wenn Gott die Blumen auf dem Feld, die heute blühen und morgen ins Feuer geworfen werden, so herrlich kleidet, wie viel mehr wird er sich dann um euch kümmern, ihr Kleingläubigen! Lasst euch nicht von der Sorge um Essen und Trinken umtreiben und in Unruhe versetzen! Denn um diese Dinge geht es den Heiden, den Menschen dieser Welt. Euer Vater aber weiß, dass ihr das alles braucht. Es soll euch vielmehr um sein Reich gehen, dann wird euch das Übrige dazugegeben.
So sorglos sollte man leben können! Einfach herumwandern, von der Hand in den Mund leben und darauf vertrauen, dass mich morgen schon jemand versorgen wird. Ist das nicht alles fernab unserer Lebenswelt? Wer kann denn so leben? Die entscheidende Frage ist: Wie kann ich diese Sorglosigkeit in mein eigenes Leben übersetzen? Wir leben in vielen sozialen und beruflichen Bezügen, die wir nicht auflösen können und wollen. Wie kann ich in all dem zu einer Einstellung kommen, die nicht von Sorgen bestimmt ist? Jesus sagt hier: „Euer Vater aber weiß, dass ihr das alles braucht.“ Das Wesentliche ist ein tiefes Vertrauen in diesen Vater, der weiß, was ich heute brauche. Aus dieser Geborgenheit heraus kann ich tagtäglich meinen Sorgen begegnen, die ja nicht einfach verschwinden. „Vater, du weist ja…!“ wäre ein gutes Gebet. Aber ein Gebet, das nicht um die Sorgen kreist, sondern bekennt: „Du wirst dich darum kümmern!“ Wo schlägt das oft notwendige eigene Kümmern um Dinge in ungutes Sorgen um? 


14.November Lukas 12, 13 -21
Einer aus der Menge bat Jesus: »Meister, sag doch meinem Bruder, er soll das väterliche Erbe mit mir teilen!« Jesus entgegnete ihm: »Lieber Mann, wer hat mich denn zum Richter über euch eingesetzt oder zum Vermittler in euren Erbangelegenheiten?« Dann wandte er sich an alle und sagte: »Nehmt euch in Acht! Hütet euch vor aller Habgier! Denn das Leben eines Menschen hängt nicht von seinem Wohlstand ab.« Jesus erzählte den Leuten dazu ein Gleichnis: »Die Felder eines reichen Mannes hatten einen guten Ertrag gebracht. Der Mann überlegte hin und her: ›Was soll ich tun? Ich weiß ja gar nicht, wohin mit meiner Ernte.‹ Schließlich sagte er: ›Ich weiß, was ich mache! Ich reiße meine Scheunen ab und baue größere. Dort kann ich mein ganzes Getreide und alle meine Vorräte unterbringen. Und dann werde ich zu mir selbst sagen: Du hast es geschafft! Du hast einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Gönne dir jetzt Ruhe, iss und trink und genieße das Leben!‹ Da sagte Gott zu ihm: ›Du törichter Mensch! Noch in dieser Nacht wird dein Leben von dir zurückgefordert werden. Wem wird dann das gehören, was du dir angehäuft hast?‹« Jesus schloss, indem er sagte: »So geht es dem, der nur auf seinen Gewinn aus ist und der nicht reich ist in Gott.«
Jesus weigert sich, die eigentlich für Schriftgelehrte übliche Rolle eines Erbteilers einzunehmen. Der ältere Bruder erhielt Grund und Boden und 2/3 alles Vermögens. Hier scheint er alles behalten zu wollen. Wir wissen aus vielen Beispielen, wie bei solchen Streitigkeiten Familien zerbrechen und lebenslange Zerwürfnisse entstehen. Der tiefere Grund ist oft, dass an diesem Punkt alte Familienrollen an die Oberfläche kommen, wenn also eine Seite sich schon immer benachteiligt oder weniger geliebt oder unwichtig fühlte. Jesus geht mit seiner Geschichte an die Wurzel solcher Konflikte, indem er sagt: „Das Leben eines Menschen hängt nicht von seinem Wohlstand ab!“ Habsucht ist eine Sucht! Sie bringt Millionäre dazu, noch weitere Millionen anzuhäufen. Sie führt wie andere Süchte zum Zerbruch von Freundschaften und zu sozialer Kälte. Das was im Leben wirklich zählt, sind Freundschaften und Beziehungen. „Reich sein in Gott“ bedeutet, Gott im Zentrum seines Lebens haben. Wer Gott im Zentrum hat, hat auch den Nächsten im Blick, denn Gottesliebe und Nächstenliebe gehören zusammen. Statt wie der Reiche zu sagen: „Du hast es geschafft, genieße jetzt dein Leben!“ heißt es hier: „Mit wem kann ich mein Leben genießen?“ „Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon“ – auch das ist ein Wort Jesu.

13.November Lukas 12, 6 – 12
Denkt doch einmal an die Spatzen! Fünf Spatzen kosten nicht mehr als zwei Groschen, und doch vergisst Gott keinen einzigen von ihnen. Und bei euch sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt. Seid darum ohne Furcht! Ihr seid mehr wert als eine noch so große Menge Spatzen. Ich sage euch: Wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem wird sich auch der Menschensohn vor den Engeln Gottes bekennen. Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, der wird auch vor den Engeln Gottes verleugnet werden. Wer etwas gegen den Menschensohn sagt, dem kann vergeben werden. Wer aber den Heiligen Geist lästert, dem wird nicht vergeben werden. Wenn man euch in den Synagogen vor Gericht stellt oder euch vor die Behörden und die Machthaber führt, dann macht euch keine Sorgen, wie ihr euch verteidigen und was ihr sagen sollt. Denn wenn es soweit ist, wird euch der Heilige Geist zeigen, was ihr sagen müsst.«
Lukas spricht in die Verfolgungssituation der Gemeinden hinein. Zunächst steht da ein Trostwort: Ihr seid Gott viel wert! Dahinter steht die Vorstellung, dass Gott alles in seiner Hand hat, dass also nichts geschieht, das sich seinem Handeln entzieht. So zu denken fällt uns angesichts von Katastrophen, Kriegen und Pandemien schwer – aber das war damals ja nicht anders. Und dann das Bekenntniswort: Das Bild dahinter ist das eines himmlischen Gerichtshofes mit einem Ankläger (Satan) und einem Verteidiger, dem Menschensohn. Der erste Satz „Wer mich bekennt…“ ist verständlich. Doch wie steht es mit dem zweiten? „Wer mich verleugnet…!“ ? Einige alte Handschriften haben ihn nicht überliefert. Und es stimmt ja – zum Glück – auch nicht: Die Jünger sind angesichts der Verhaftung Jesu alle geflohen! Petrus hat ihn sogar offen verleugnet. Ist das eine Drohung angesichts der verfolgten Gemeinde? Es hat im 2.Jahrhundert eine harte Diskussion darüber gegeben, ob Gemeindeglieder, die in der Verfolgung ihren Glauben verleugnet haben, wieder aufgenommen werden dürfen, wenn die Verfolgung vorbei ist. Kann ihnen – wie Petrus – vergeben werden? Ich denke, ja, das ist im Sinne Jesu. Auch das Wort über die Lästerung des Heiligen Geistes ist folgenschwer gewesen – Menschen haben sich dadurch endgültig verdammt gefühlt. Man könnte es aber so sehen: Wer das Reden Gottes, die Stimme Gottes in sich abtötet, wird taub für ihn. Er kann nicht mehr erreicht werden und sein geistliches Leben stirbt ab. Ein solcher Mensch fragt sich nicht mehr, ob er verdammt ist – es interessiert ihn gar nicht mehr.


12.November  Lukas 12, 1 – 5
Inzwischen waren die Menschen zu Tausenden herbeigeströmt; das Gedränge war so groß, dass sie sich gegenseitig auf die Füße traten. Jesus wandte sich zunächst an seine Jünger; er sagte: »Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer – vor der Heuchelei! Nichts, was verborgen ist, bleibt verborgen; alles wird ans Licht kommen. Und nichts, was geheim ist, bleibt geheim; alles wird bekannt gemacht werden. Darum: Was ihr im Dunkeln sagt, wird am hellen Tag zu hören sein, und was ihr jemand hinter verschlossenen Türen ins Ohr flüstert, wird in aller Öffentlichkeit verkündet werden. Meine Freunde, ich sage euch: Fürchtet euch nicht vor denen, die euch das irdische Leben nehmen können; sie können euch darüber hinaus nichts anhaben. Ich will euch sagen, wen ihr fürchten müsst: Fürchtet den, der nicht nur töten kann, sondern auch die Macht hat, in die Hölle zu werfen. Ja, ich sage euch: Ihn müsst ihr fürchten!

Sauerteig ist ein gutes Sinnbild für etwas, das klein und unscheinbar anfängt und dann die ganze Gesellschaft durchwirkt. Jesus hat es für das Reich Gottes verwendet - hier aber verwendet er das Bild für die Heuchelei der Pharisäer. Beides verbreitet sich - Gutes und Schlechtes. Alles kommt ans Licht der Öffentlichkeit. Das haben die Kirchen in den Missbrauchsskandalen bitter erfahren müssen. Aber Jesus ist überzeugt, dass das Gute, das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit sich auch ausbreiten werden. All das, was jetzt noch im Hinterzimmer flüsternd weitergegeben wird, wird bald laut verkündet werden. Da kann man sich fragen: Taugt das, was wir innerhalb unseren Kirchenmauern sagen, diskutieren und miteinander tun, für die breite Öffentlichkeit? Wenn nicht, dann sollten wir es auch nicht sagen oder tun, denn alles wird bekannt werden!  Lukas fügt noch ein Wort über Furcht und Mut an. Denn wenn alles bekannt werden wird, was die junge Gemeinde glaubt und lehrt, wird es Widerstand und Verfolgung geben. Fürchte ich noch die Reaktionen meiner Mitmenschen, wenn sie erfahren, was und wie ich glaube?

11.November Lukas 11, 45 - 54

Einer der Gesetzeslehrer unterbrach Jesus und rief: »Meister, mit dem, was du sagst, greifst du auch uns an!« Darauf sagte Jesus: »Ja, wehe auch euch Gesetzeslehrern! Ihr bürdet den Menschen Lasten auf, die man kaum tragen kann, aber ihr selbst rührt diese Lasten mit keinem Finger an. Wehe euch! Ihr errichtet Grabmäler für die Propheten, die doch von euren Vorfahren umgebracht wurden. Damit gebt ihr nicht nur zu, dass eure Vorfahren das getan haben; ihr heißt es sogar gut. Sie haben die Propheten umgebracht, und ihr errichtet die Grabmäler. Das ist auch der Grund, weshalb die Weisheit Gottes gesagt hat: ›Ich werde Propheten und Apostel zu ihnen schicken; einige von ihnen werden sie umbringen, und andere werden sie verfolgen.‹ Darum wird diese Generation zur Rechenschaft gezogen werden für den Tod aller Propheten, die seit der Erschaffung der Welt umgebracht wurden, angefangen bei Abel bis hin zu Sacharja, der zwischen dem Altar und dem Haus Gottes umkam. Ja, ich sage euch: Diese Generation wird dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Wehe euch Gesetzeslehrern! Ihr habt den Schlüssel der Erkenntnis weggenommen. Selbst seid ihr nicht eingetreten, und die, die eintreten wollten, habt ihr daran gehindert.« Und als er von dort hinausging, fingen die Schriftgelehrten und die Pharisäer an, heftig auf ihn einzudringen und ihm mit vielerlei Fragen zuzusetzen, und belauerten ihn, ob sie etwas aus seinem Mund erjagen könnten.
Wieso greift Jesus die Gesetzeslehrer so heftig an? Nun, wenn man sich in den Gesetzen auskannte, gab es da gewissen Erleichterungen, die nicht jedem zur Verfügung standen. "Sie predigten Wasser und trinken heimlich Wein", sagen wir heute. Und dann greift Jesus die "Gedenkkultur" an. Die Propheten wurde umgebracht, weil ihre Botschaft den Herrschenden nicht passte. Und nun werden sie von den Nach-Herrschenden verehrt! Ja, als Heroen der Vergangenheit, aber ihre Botschaft wird von ihnen nicht ernst genommen. Sie sind immer noch bereit, die Sendboten Gottes zu töten. "Diese Generation wird dafür zur Rechenschaft gezogen werden", sagt Jesus. Nicht als Kollektivschuld, sondern weil sie genau dieselbe Geisteshaltung haben wie die einst Herrschenden. Wenn wir heute etwa Bonhoeffer verehren, sind wir dann auch bereit, seine Botschaft zu hören? Es ist leicht, Leute zu verehren - aber hören wir ihnen auch zu, was sie uns zu sagen haben? Und wenn jemand rassistisches Gedankengut verbreitet, wird er für alle rassistischen Taten der NS-Zeit mitverantwortlich. 

10.November  Lukas 11, 37 – 44

Kaum hatte Jesus aufgehört zu reden, lud ihn ein Pharisäer zum Essen ein. Jesus ging zu ihm ins Haus und nahm am Tisch Platz, ohne zuerst die vorgeschriebene Waschung zu verrichten. Als der Pharisäer das sah, war er entrüstet. Da sagte der Herr zu ihm: »So seid ihr Pharisäer! Ihr reinigt das Äußere eurer Becher und Schüsseln, aber euer Inneres ist voll Raubgier und Bosheit. Ihr Toren! Hat der, der das Äußere schuf, nicht auch das Innere geschaffen? Gebt doch, was in euren Bechern und Schüsseln ist, den Armen, und ihr werdet sehen: Alles ist dann für euch rein! Aber wehe euch Pharisäern! Ihr gebt den zehnten Teil von Kräutern wie Minze und Raute und von sämtlichen Gemüsesorten und lasst dabei die Forderungen der Gerechtigkeit und der Liebe Gottes außer Acht. Diese solltet ihr erfüllen und das andere nicht unterlassen. Wehe euch Pharisäern! In den Synagogen nehmt ihr die vordersten Sitze für euch in Anspruch, und ihr liebt es, wenn man euch auf der Straße ehrfurchtsvoll grüßt. Wehe euch! Ihr seid wie Gräber, die unkenntlich geworden sind; die Leute gehen darüber und verunreinigen sich, ohne es zu merken.«
Jesus verstößt hier sehr bewusst gegen die Regeln des Händewaschens – es ist, so kann man sagen, eine prophetische Zeichenhandlung. Das Thema, das er dann anspricht, ist der Gegensatz zwischen äußerer Religionsbefolgung und innerer Reinheit – wir würden heute sagen: Integrität. Bei einem inneren „bei Gott sein“ würden sich Barmherzigkeit und Liebe einstellen.  Die Pharisäer diskutieren über die Versteuerung von Gartenkräutern, vergessen aber die, die nichts zu essen haben. Wehe euch! Das ist ein Gerichtswort über die, die das Wort Gottes missachtet haben: „Gerechtigkeit will ich und nicht Opfer!“ Die religiösen Führer sind wie Gräber, über die ahnungslose Leute stolpern und sich verunreinigen – man glaubte damals, dass die Berührung mit Gräbern verunreinigt. Wo trifft mich dieser Vorwurf des Gegensatzes zwischen innen und außen? Befolge ich lieber religiöse Regeln als mich um meinen Nächsten zu kümmern? Bliebe ich lieber in meiner religiösen Blase, in der ich mich auskenne, anstatt den Weg zu denen zu suchen, die einsam, krank und hilflos sind? Und wenn ich dies tue, geschieht es aus meiner Integrität heraus oder ist das schon wieder eine einzuhaltende Regel?


9.November Lukas 11, 33 - 36
»Niemand zündet eine Lampe an und versteckt sie dann in einem Winkel oder stellt sie unter ein Gefäß. Im Gegenteil: Man stellt sie auf den Lampenständer, damit jeder, der hereinkommt, Licht hat und sehen kann. Das Auge gibt deinem Körper Licht. Ist dein Auge gut, dann ist dein ganzer Körper im Licht. Ist es jedoch schlecht, dann ist dein Körper im Finstern. Achte deshalb darauf, dass das Licht in dir nicht Finsternis ist. Wenn nun dein ganzer Körper im Licht steht und nichts mehr an ihm finster ist, dann ist es, wie wenn dich eine Lampe mit ihrem hellen Schein anstrahlt; alles steht im Licht.«

Das Licht, von dem hier die Rede ist, ist Jesus selbst – er versteckt sich nicht, er bleibt nicht im Winkel irgendwo in Galiläa. Alle sollen ihn sehen! Das Auge kann dieses Licht aufnehmen – wenn es „gut“ ist – dem entspricht eine innere Haltung von Aufrichtigkeit und Einfachheit. Wie kann das Auge dem Körper Licht geben? Indem es helle, lichte Dinge sieht. Versagt das Auge, dann ist es im Inneren finster. Wofür steht hier das „Auge“? Es steht, denke ich, für mein Auffassungsvermögen, meine Aufmerksamkeit Menschen und Dingen gegenüber. Was schaue ich an? Das, was ich anschaue, prägt mich. Wenn ich meine Aufmerksamkeit auf finstere Dinge richte, wird es allmählich in mir finster. Wenn ich Hoffnungslosigkeit nähre, werde ich am Ende keine Hoffnung mehr haben. Ist mein Auge gut? Betrachte ich die guten Dinge, Heilsames, Hoffnungsvolles, Sinnvolles? Oder habe ich schlechte Augen? Was nehme ich wahr von dieser Welt und von den Menschen? Achte darauf, dass das Licht in dir nicht Finsternis ist. Es ist also meine eigene Entscheidung, was ich aufnehme, wohin ich meinen Blick richte. Was will ich heute sehen, wahrnehmen?

8.November Lukas 11, 29 - 32

Die Menge, die sich um Jesus drängte, wurde immer größer. Da sagte er: »Diese Generation ist böse! Sie verlangt ein Zeichen. Aber es wird ihr kein Zeichen gegeben werden, nur das des Propheten Jona. Denn wie Jona für die Leute von Ninive ein Zeichen war, so wird es auch der Menschensohn für die heutige Generation sein. Im Gericht wird die Königin aus dem Süden gegen die Menschen der heutigen Generation auftreten und sie verurteilen; denn sie kam vom Ende der Erde, um die Weisheit Salomos zu hören – und hier ist einer, der mehr ist als Salomo! Im Gericht werden auch die Leute von Ninive gegen die heutige Generation auftreten und sie verurteilen; denn sie sind auf Jonas Predigt hin umgekehrt – und hier ist einer, der mehr ist als Jona!«

Die Leute wollen von Jesus Zeichen und Wunder sehen. Damit könnte er sich als Messias ausweisen. Dann würden sie ihm folgen und mit ihm das Reich Davids wieder errichten. Doch Jesus geht es um etwas ganz anderes: Er will die Herzen der Menschen ändern, sie zur Umkehr von ihren falschen Wegen bringen. Doch sie begreifen es nicht. Warum? Weil sie ihre Sichtweise nicht loslassen wollen, weil sie auf Zeichen aus sind, anstatt sich selbst zu betrachten und ihre falschen Einstellungen zu begreifen. Provozierend wählt Jesus zwei Beispiele für Umkehr und Suche nach Einsicht aus der heidnischen Umwelt. Seht nur her, ihr Frommen! Heiden konnten umkehren, ihr aber sucht die falschen Dinge!   Und was suche ich bei Jesus? Was soll mein Glaube "bringen"? Spektakuläre Dinge, die Erfüllung meiner Wünsche -  oder die Veränderung meines Lebens? 

7.November Lukas 11, 27 – 28
Während Jesus über diese Dinge sprach, unterbrach ihn plötzlich eine Frau aus der Menge und rief ihm zu: »Glücklich zu preisen ist die Frau, die dich zur Welt bringen und die dich stillen durfte!« – »Ja«, erwiderte Jesus, »glücklich zu preisen sind die, die Gottes Wort hören und es befolgen.« 

Ist das nicht eine seltsame Antwort auf den Lobpreis der Frau? Aber was hätte denn antworten sollen? "Ja, liebe Frau, du hast es gemerkt, ich bin wirklich etwas Besonderes!" Oder: "Ja, meine Mutter hat wirklich Glück gehabt mit mir?" Die Frau unterbricht Jesu Lehre, sie ist also gar nicht bei der Sache, um die es Jesus doch geht: Dass seine Zuhörer Gottes Wort hören und ihr Handeln danach ausrichten. Sie bleibt bei ihren Gefühlen. Wie reagiere ich auf die Botschaft des Evangeliums? Habe ich sie so gehört, so dass sie mich beanspruchen und mich verändern darf? Oder habe ich nur religiöse Gefühle entwickelt? Ich bin, sagt Jesus, glücklich zu preisen, wenn ich höre und befolge, was er mir sagt. Nur: Was höre ich heute von ihm? 

6. November Lukas 11, 21 – 26
Solange ein starker Mann in voller Bewaffnung sein Haus bewacht, ist sein Besitz in Sicherheit. Doch wenn ein Stärkerer ihn angreift und ihn besiegt, nimmt er ihm alle seine Waffen weg, auf die er sich verlassen hat, und verteilt die Beute. Wer nicht auf meiner Seite steht, ist gegen mich, und wer nicht mit mir sammelt, zerstreut.« »Wenn ein böser Geist einen Menschen verlassen hat, zieht er durch öde Gegenden und sucht einen Ruheplatz, findet aber keinen. Dann sagt er sich: ›Ich will wieder in mein Haus gehen, das ich verlassen habe.‹ Er kehrt zurück und findet das Haus sauber und aufgeräumt. Daraufhin geht er und holt sieben andere Geister, die noch schlimmer sind als er selbst, und sie ziehen in das Haus ein und wohnen dort. Damit steht es am Ende schlimmer um diesen Menschen als am Anfang.«

Wer ist dieser „Stärkere“? Es ist Jesus selbst, der gerade einen Dämon vertrieben hat. Und in solchen Kämpfen gilt ein „Schwarz-Weiß“: Entweder Gott oder Teufel. Angesichts zerstörerischer Mächte gibt es keine Kompromisse. Wir kennen das aus totalitären Systemen: Wer mit ihnen Kompromisse schließt, ist schon korrumpiert. Wer ein bisschen Tyrannei mitmacht, gehört zum Tyrannen. Jesus will Menschen radikal, grundsätzlich befreien. Doch wer einmal von Jesus befreit worden ist, kann durchaus rückfällig werden. Auch das kennen wir nur zu gut, zum Beispiel von Süchten. Da ist jemand endlich frei geworden von seiner Alkohol- oder Tablettensucht. Nach einer Zeit der Erleichterung kommen die alten Geister wieder und die Sucht wird schlimmer als zuvor. Geistlich gesehen war das „Haus“ leer – und diese innere Leere muss gefüllt werden. Gottes Geist kann diese Leere füllen, Engagement im Sinne des Reiches Gottes, Taten der Liebe, die Sinn stiften, können das Haus des Menschen füllen. Auf jeden Fall bleibt es nicht lange leer!

5.November  Lukas 11, 14 – 20

Einmal trieb Jesus einen stummen Dämon aus einem Besessenen aus. Sowie der Dämon ausgefahren war, konnte der Mann, der bis dahin stumm gewesen war, reden. Die Menge staunte; doch einige waren darunter, die sagten: »Er treibt die Dämonen mit Hilfe von Beelzebul aus, dem Obersten der Dämonen.« Andere wollten Jesus auf die Probe stellen und forderten von ihm ein Zeichen vom Himmel. Jesus, der ihre Überlegungen kannte, sagte zu ihnen: »Jedes Reich, das mit sich selbst im Streit liegt, geht zugrunde; in einem solchen Reich fällt eine Familie über die andere her. Wenn also der Satan mit sich selbst im Streit liegt, wie kann sein Reich dann bestehen? Und ihr behauptet, dass ich die Dämonen mit Hilfe von Beelzebul austreibe! Wenn ich die Dämonen tatsächlich mit Hilfe von Beelzebul austreibe, mit wessen Hilfe treiben dann eure eigenen Leute sie aus? Sie selbst sind es daher, die über euch das Urteil sprechen werden. Wenn ich die Dämonen nun aber durch Gottes Finger austreibe, dann ist doch das Reich Gottes zu euch gekommen.
Beelzebul, der „Herr der Fliegen“ war eigentlich ein Stadtgott einer heidnischen Stadt – die jüdischen Schriftgelehrten hatten daraus einen Dämonenfürsten gemacht, der auch mit Satan identifiziert wurde. Krankheiten wurden damals oft mit Dämonen in Verbindung gebracht. Dämonen sind in dieser Sichtweise widergöttliche Mächte, die unter der Herrschaft des „Diabolos“, des „Durcheinanderbringers“ die gute Schöpfungsordnung Gottes zerstören – die Folge ist, dass hier dieser Mann nicht reden kann. Jesu Argumentation ist einfach: Wenn einem Menschen etwas Gutes geschieht, kann nichts Böses dahinterstecken. Wirkliche Heilung kann nicht von der „Gegenseite“ kommen. Wenn Jesus hier Dinge in Ordnung bringt, dann ist das ein Moment des Reiches Gottes. Wo ist das Reich Gottes also anzutreffen? Dort, wo Menschen heil werden, wo die ursprüngliche Schöpfungsordnung Gottes wieder hergestellt wird, wo das „Siehe, es ist sehr gut“ des Anfangs wieder in Kraft gesetzt wird. Überall dort – und nicht nur in „richtigen“ religiösen Systemen, nicht nur in der Kirche, sondern weit darüber hinaus. Und manchmal mehr draußen „vor dem Lager“ als drinnen. (Hebr.13,13). Wo entdecke ich es? 


4.November  Lukas 11, 5 – 13
Weiter sagte Jesus zu seinen Jüngern: »Angenommen, einer von euch hat einen Freund. Mitten in der Nacht sucht er ihn auf und sagt zu ihm: ›Bitte leih mir doch drei Brote! Ein Freund von mir hat auf der Reise bei mir Halt gemacht, und ich habe nichts, was ich ihm anbieten könnte.‹ Und angenommen, der, den er um Brot bittet, ruft dann von drinnen: ›Lass mich in Ruhe! Die Tür ist schon abgeschlossen, und meine Kinder und ich sind längst im Bett. Ich kann jetzt nicht aufstehen und dir etwas geben.‹ Ich sage euch: Er wird es schließlich doch tun – wenn nicht deshalb, weil der andere mit ihm befreundet ist, dann doch bestimmt, weil er ihm keine Ruhe lässt. Er wird aufstehen und ihm alles geben, was er braucht. Darum sage ich euch: Bittet, und es wird euch gegeben; sucht, und ihr werdet finden; klopft an, und es wird euch geöffnet. Denn jeder, der bittet, empfängt, und wer sucht, findet, und wer anklopft, dem wird geöffnet. Ist unter euch ein Vater, der seinem Kind eine Schlange geben würde, wenn es ihn um einen Fisch bittet? Oder einen Skorpion, wenn es ihn um ein Ei bittet? Wenn also ihr, die ihr doch böse seid, das nötige Verständnis habt, um euren Kindern gute Dinge zu geben, wie viel mehr wird dann der Vater im Himmel denen den Heiligen Geist geben, die ihn darum bitten.«

Mit diesem Beispiel ruft Jesus dazu auf, in seinem Bitten gegenüber Gott nicht nachzulassen. Da lebt jemand in einer Ein-Raum-Hütte, alle schlafen im gleichen Raum. Steht der Vater auf, sind alle wach. Trotzdem, sagt Jesus, wird er es tun, um endlich Ruhe zu haben vor dem unverschämten Bittsteller. Ja, es ist undenkbar, dass er es nicht tut, denn Gastfreundschaft ist heilige Pflicht. Er wird ihm sogar alles geben, was er braucht! Genauso kann Gott gebeten werden, wenn es darum geht, „Brot des Lebens“ zu bekommen, nämlich die innere Gemeinschaft mit Gott, die Zugehörigkeit zum Reich Gottes, die zugleich den Empfang des Heiligen Geistes bedeutet. Es geht also nicht um irgendwelche „Sachen“, um die ich bitte, sondern  um das Wesentliche des Lebens. Dabei kann ich nicht selbst machen, aber ich kann bitten, dass mir geöffnet wird. Wieder vergleicht Jesus dieses Bitten mit einem Vater-Sohn-Verhältnis. Undenkbar, dass ich statt eines Fisches eine Schlange, statt eines Eis einen Skorpion erhalten würde. Abba ist nicht boshaft, er ist dein Vater! Wenn du ihn suchst, wird er sich finden lassen. Darum: Bitte um den Geist Gottes, um die innige Verbindung zu Gott – und sie wird dir geschenkt werden.

3.November  Lukas 11, 1 – 4

Jesus hatte unterwegs Halt gemacht und gebetet. Darauf bat ihn einer seiner Jünger: »Herr, lehre uns beten; auch Johannes hat seine Jünger beten gelehrt.« Jesus sagte zu ihnen: »Wenn ihr betet, dann sprecht: Vater, dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Gib uns jeden Tag, was wir zum Leben brauchen. Und vergib uns unsere Sünden; auch wir vergeben jedem, der an uns schuldig geworden ist. Und lass uns nicht in Versuchung geraten.
Anders als das uns so bekannte „Vater-Unser“ ist diese Version viel kürzer – es hat in der Urgemeinde offenbar verschiedene Versionen gegeben. Ein Unterschied ist besonders bemerkenswert: Während wir beten „Vater unser im Himmel“ heißt es hier nur: „Vater!“ Dahinter verbirgt sich die Anrede „ABBA“ – und das ist die Anrede Gottes wie  in einem Kindergebet. Ja, man kann hier „Väterchen“ oder Papa übersetzen. Das heißt: Jesus lehrt hier seine Nachfolger ein ganz anderes Gottesverhältnis, eine Vertrautheit, die den Zusatz „im Himmel“ nicht verträgt. Gott ist nicht irgendwo im Himmel, er ist hier bei mir, ich kann mit ihm reden, ihn fragen, klagen und loben. Diese Nähe ist „typisch Jesus“. Dieser Name soll geheiligt werden – wertgehalten, geehrt durch das Vertrauen, das dem Vater entgegengebracht wird. Ich heilige seinen Namen, indem ich mein Leben auf dieses Vertrauen gründe und ihm zutraue, dass er sich als Abba, Vater in meinem Leben zeigt. Und so kann ich mich fragen: Wer ist dieser Gott für mich? Gesetzgeber, Richter, ferner heiliger und rätselhafter Gott in Himmel – oder mein Vater? Wie bete ich zu ihm und wie denke ich über ihn?


2.November  Lukas 10, 38 – 42
Als Jesus mit seinen Jüngern weiterzog, kam er in ein Dorf, wo ihn eine Frau mit Namen Martha in ihr Haus einlud. Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte ihm zu. Martha hingegen machte sich viel Arbeit, um für das Wohl ihrer Gäste zu sorgen. Schließlich stellte sie sich vor Jesus hin und sagte: »Herr, findest du es richtig, dass meine Schwester mich die ganze Arbeit allein tun lässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen!« – »Martha, Martha«, erwiderte der Herr, »du bist wegen so vielem in Sorge und Unruhe, aber notwendig ist nur eines. Maria hat das Bessere gewählt, und das soll ihr nicht genommen werden.«

 Wir denken oft, wir haben in einer Situation keine Wahl – wir müssen arbeiten, organisieren, dienen und so weiter. Unser Tun ist „alternativlos“ – denken wir. Doch Jesus denkt anders: Maria hat das Bessere gewählt! Martha dachte, da gäbe es keine Wahl. Das Wohl der Gäste und die Regeln der Gastfreundschaft zwingen sie in die traditionelle Rolle der Hausfrau. Irgendjemand muss das doch tun! Wie stehen wir denn da, wenn die Gäste nichts zu essen bekommen? Das sind eiserne Regeln und Martha fordert Jesus hier auf, diese Regeln zu bestätigen: „Findest du es etwa richtig….?“ Ja, er findet es richtig, dass diese Frau aus der Rolle fällt, die Regel bricht und seinen Lehren zuhört. Aber eine Frau muss und darf doch nichts aus der Thora lernen! „Doch!“ sagt Jesus. „Sie hat eine Wahl!“ Habe ich auch eine Wahl? Kann ich mich für das Leben entscheiden? Für die Liebe? Für etwas Wesentliches? „Ja“, sagt Jesus. „Das kannst du! Sogar gegen die Wünsche und Ansprüche der anderen.“

1.November  Lukas 10, 29 - 37

Indem der Gesetzeslehrer aber sich selbst rechtfertigen wollte, sprach er zu Jesus: „Und wer ist mein Nächster?“ Jesus aber sprach: „Ein Mensch ging von Jerusalem nach Jericho hinab und fiel unter Räuber, die ihn auch auszogen und ihm Schläge versetzten und weggingen und ihn halb tot liegen ließen. Zufällig aber ging ein Priester jenen Weg hinab; und als er ihn sah, ging er an der entgegengesetzten Seite vorüber. Ebenso aber kam auch ein Levit, der an den Ort gelangte, und er sah ihn und ging an der entgegengesetzten Seite vorüber. Aber ein Samaritaner, der auf der Reise war, kam zu ihm hin; und als er ihn sah, wurde er innerlich bewegt; und er trat hinzu und verband seine Wunden und goss Öl und Wein darauf; und er setzte ihn auf sein eigenes Tier und führte ihn in eine Herberge und trug Sorge für ihn. Und am folgenden Morgen zog er zwei Denare heraus und gab sie dem Wirt und sprach: Trage Sorge für ihn! Und was du noch dazu verwenden wirst, werde ich dir bezahlen, wenn ich zurückkomme. Was meinst du, wer von diesen dreien der Nächste dessen gewesen ist, der unter die Räuber gefallen war?“ Er aber sprach: „Der die Barmherzigkeit an ihm übte.“ Jesus aber sprach zu ihm: „Geh hin und handle du ebenso!“

Hier kommen zwei Leute vor, die in ihrem Dienst ganz nahe bei Gott und beim Gesetz sind: Ein Priester und ein Levit, ein Tempeldiener. Beide wechseln sozusagen die Straßenseite und drücken sich an dem verletzten Samariter vorbei. Sie haben einen guten Grund: Würde der Verletzte ihnen unter den Händen sterben, wären sie unrein und für den Dienst im Tempel mehrere Tage nicht mehr einsetzbar. Sie stellen also die Gesetze der Reinheit über das Gesetz der Barmherzigkeit. Obwohl es doch schon beim Propheten Hosea heißt: „Barmherzigkeit will ich und nicht Opfer!“ Der, der sich schließlich erbarmt, ist ein Samariter. Samariter sind Feinde und haben auch allen Grund dazu. Im Jahre 128 v.Chr. hatte der jüdische König Hyrkanos I den Tempel der Samariter geplündert. Und ausgerechnet einer dieser Samariter wird „von Mitleid bewegt“, es drehte ihm wörtlich den Magen um. Und was tut er nicht alles, um diesen Feind zu retten! Er, ein Gesetzloser in den Augen der Juden, erfüllt das Gesetz, indem er einfach tut, was ihm sein Herz sagt. Er fragt nicht: „Muss ich das tun?“, sondern handelt einfach. Die anschließende Frage Jesu dreht die Frage des Lehrers um. Die Frage ist nun: „Wem mache ich mich zum Nächsten?“ Von wem lasse ich mich in der konkreten Situation berühren? Mein Nächster ist der, dem ich zum Nächsten werde. Wer könnte das für mich sein? 

31.Oktober Lukas 10, 25 – 28
Und siehe, ein Gesetzesgelehrter stand auf und versuchte ihn und sprach: Lehrer, was muss ich getan haben, um ewiges Leben zu erben? Er aber sprach zu ihm: Was steht in dem Gesetz geschrieben? Wie liest du? Er aber antwortete und sprach: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft und mit deinem ganzen Verstand und deinen Nächsten wie dich selbst.« Er sprach aber zu ihm: „Du hast recht geantwortet; tu dies, und du wirst leben.“ 

So einfach ist es! Tu dies und du wirst leben! Dieser Satz bedeutet eine große Freiheit: Alle komplizierten Gesetze und Gebote sind in diesem Doppelgebot gut aufgehoben. "Liebe und tue, was du willst!", konnte Augustin sagen. Und Luther, an den wir an diesem Tag besonders denken, sagte: "Die Erfahrung lehrt, daß durch Liebe weit mehr ausgerichtet werden könne als durch knechtischen Zwang." Es genügt, sich am Anfang eines Tages zu fragen: "Was entspricht heute der Liebe?" Alles andere ergibt sich daraus. Aber Mesnchen haben oft - wie dieser Gesetzeslehrer - den Wunsch, genaue Anweisungen zu erhalten und das auf Kosten ihrer eigenen Entscheidungsfreiheit! 

30.Oktober Lukas 10, 21 – 24
Nun begann Jesus, im Heiligen Geist vor Freude zu jubeln; er rief: »Ich preise dich, Vater, du Herr über Himmel und Erde, dass du das alles den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast. Ja, Vater, so hast du es gewollt, und dafür preise ich dich. Alles hat mir mein Vater übergeben. Niemand weiß, wer der Sohn ist, nur der Vater; und niemand weiß, wer der Vater ist, nur der Sohn – und die, denen der Sohn es offenbaren will.« Dann wandte sich Jesus wieder zu den Jüngern, nahm sie beiseite und sagte: »Glücklich zu preisen sind die, die das sehen, was ihr seht! Denn ich sage euch: Viele Propheten und Könige hätten gern gesehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen; sie hätten gern gehört, was ihr hört, und haben es nicht gehört.«
Es gibt Momente im Leben, da ist plötzlich alles klar. Ich glaube, so ergeht es Jesus hier. Er war so sehr Mensch, dass er über seinen Weg und seinen Auftrag durchaus auch Zweifel bekommen konnte – gerade angesichts der Ablehnung in seiner Heimat. Aber hier ist ein Moment geschildert, in dem Klarheit herrscht. „So hast du es gewollt!“ Es geht gerade nicht darum, dass Jesus groß herauskommt, dass die Herrschenden und Mächtigen zu ihm pilgern und seine Botschaft annehmen. Nein, es ist genau anders herum, die Underdogs, die, die auf den Straßen leben und ausgeschlossen sind, sind die, die die Botschaft aufnehmen können. Welche Botschaft? Es ist die Nachricht von einer neuen und anderen Seite Gottes. Der Gott, den Jesus offenbart, ist Abba, der Vater. Kein anderer als der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, aber vor lauter Traditionen und rituellen Handlungen ist er seinen jüdischen Zeitgenossen fern geworden. Es ist der Gott einer persönlichen Beziehung, der in der Stille in der Wüste oder auf dem Berg spricht, der sich in grenzenloser Liebe den Verlorenen und Zerstörten zuwendet. Wo komme ich mit diesem ganz anderen Gott in Kontakt? Wann höre ich ihn?


29.Oktober: Lukas 10, 13 - 20

Weh dir, Chorazin! Weh dir, Betsaida! Wenn in Tyrus und Sidon die Wunder geschehen wären, die bei euch geschehen sind – die Menschen dort hätten sich längst in Sacktuch gehüllt und in Asche gesetzt und wären zu Gott umgekehrt. Tyrus und Sidon – so viel steht fest – wird es im Gericht noch erträglich gehen im Vergleich zu euch. Und du, Kafarnaum, meinst du etwa, du wirst zum Himmel emporgehoben werden? Ins Totenreich musst du hinunter! Wer auf euch hört, hört auf mich, und wer euch ablehnt, lehnt mich ab. Wer aber mich ablehnt, lehnt den ab, der mich gesandt hat.« Die zweiundsiebzig Jünger kehrten voller Freude zurück. »Herr«, sagten sie, »sogar die Dämonen müssen uns gehorchen, wenn wir uns auf deinen Namen berufen!« Da sagte Jesus zu ihnen: »Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen. Es ist wahr, ich habe euch Vollmacht gegeben, auf Schlangen und Skorpione zu treten und die ganze Macht des Feindes zu überwinden, und nichts wird euch schaden können. Doch nicht darüber sollt ihr euch freuen, dass euch die Geister gehorchen. Freut euch vielmehr, dass eure Namen im Himmel aufgeschrieben sind.«

Die Orte, die Jesus hier nennt, waren sein Wirkungsbereich in seiner Heimat. Die Erfahrung ist, dass stark religiöse Menschen am wenigsten empfänglich sind für Neues!  Kafarnaum war der Ort, in dem Jesus am meisten gewirkt hatte. Verständlich, dass er enttäuscht ist über die Reaktion seiner Landleute. Indem sie ihn ablehnen und auf ihren Traditionen beharren, lehnen sie Gott ab, dem sie doch dienen wollen.
Ganz anders sind die Erfahrungen der 72 Jünger in den Dörfern Richtung Jerusalem. Ihre Mission hat nicht nur bewirkt, dass Menschen geheilt und befreit wurden, denn Jesus sieht prophetisch eine Veränderung in der geistlichen Welt. Satans Macht geht zu Ende. Er hat sein Anrecht auf die Menschen an Jesus verloren. Dadurch haben die Jünger die Vollmacht „auf Schlangen und Skorpione zu treten“. Damit sind böse Geister gemeint, über die die Nachfolger Jesu Gewalt haben. Aber ist das "nichts wird euch schaden" nicht ein wenig zu viel gesagt? Jesus selbst musste ja erfahren, dass er Schaden litt. Doch hier richtet sich der Blick auf das Ende: So wie Jesus in der Auferstehung siegt, so können wir in Auseinandersetzungen und Kämpfen mit bösen Dingen die Erfahrung machen, dass Niederlagen in Siege verwandelt werden. Einfach ist es nicht, "mittendrin" das Vertrauen zu behalten. Doch das Böse hat keine wirkliche Macht mehr! 

28.Oktober  Lukas 10, 7 – 12
In diesem Haus aber bleibt, und esst und trinkt, was sie haben! Denn der Arbeiter ist seines Lohnes wert. Geht nicht aus einem Haus in ein anderes! Und in welche Stadt ihr kommt, und sie nehmen euch auf, ⟨da⟩ esst, was euch vorgesetzt wird, und heilt die Kranken darin und sprecht zu ihnen: Das Reich Gottes ist nahe zu euch gekommen. In welche Stadt ihr aber gekommen seid, und sie nehmen euch nicht auf, ⟨da⟩ geht hinaus auf ihre Straßen und sprecht: „Auch den Staub, der uns aus eurer Stadt an den Füßen hängt, schütteln wir gegen euch ab; doch dies wisst, dass das Reich Gottes nahe gekommen ist“. Ich sage euch, dass es Sodom an jenem Tag erträglicher ergehen wird als jener Stadt.
Esst und trinkt, was sie haben! Das war (und ist) frommen Juden unmöglich, wenn das Essen nicht koscher ist. Das Gesetz wird für die Boten aufgehoben – die Botschaft ist wichtiger. Die Boten sind nicht mittellos, sie bringen das Heil, das Reich Gottes und heilen Krankheiten. Darum sind sie Arbeiter, die einen Lohn verdient haben. Wenn auch heute die Botschaft wichtiger ist, bedeutet es, dass ich mich auf die Gebräuche und Eigenarten, das fremde Essen und den ungewöhnlichen Umgang von Flüchtlingen einlassen soll. Wie gehe ich mit Leuten anderer Kulturen um? Ist mir die Botschaft der Liebe wichtiger als meine eigene Kultur?  Manchmal zeigt sich die Liebe beim Essen für mich seltsamer Speisen! 


27.Oktober: Lukas 10, 1 – 6

Danach bestimmte der Herr zweiundsiebzig andere Jünger und schickte sie zu zweit voraus in alle Städte und Ortschaften, die er später selbst aufsuchen wollte. Er sagte zu ihnen: »Die Ernte ist groß, doch es sind nur wenig Arbeiter da. Bittet deshalb den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter auf sein Erntefeld schickt. Geht nun! Seht, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe. Nehmt keinen Geldbeutel mit, keine Vorratstasche und keine Sandalen. Haltet euch unterwegs nicht mit langen Begrüßungen auf. Wenn ihr ein Haus betretet, sagt als Erstes: ›Friede sei mit diesem Haus!‹ Und wenn dort ein Sohn des Friedens ist, so wird euer Friede auf ihm ruhen; wenn aber nicht, so wird er zu euch zurückkehren.
Hier heißt es: „Der Herr“ – Jesus sendet 72 Gesandte aus wie ein König, der sein Kommen ankündigen lässt. Das Wort „Ernte“ weist auf das Ende hin: die Menschen werden „eingesammelt“ und dann kommt das Gericht, das Sortieren nach Weizen und Spreu. Die Jünger werden wie Schafe unter die Wölfe gesandt. Genauso sah sich Israel: Als das Schaf unter den – nach damaliger Anschauung – 72 Völkern. Lukas hat hier also schon die Mission der christlichen Gemeinde im Blick – geht hin zu allen Völkern. Lange Begrüßungsrituale, wie im Orient üblich, würden ihnen nur die Zeit stehlen – und die Zeit drängt. Der Friedensgruß ist wie eine Art Substanz vorgestellt, die verteilt wird. Es ist der Shalom Gottes, das umfassende Heil, das sich bei denen auswirkt, die Söhne und Töchter des Friedens sind. Wer ein Kind des Friedens ist, wissen wir nicht – darum geht der Gruß an alle, aber nicht alle werden dafür offen sein. So kann es bei uns auch sein: Da, wo wir hingehen und eintreten, kommt das Heil Gottes in ein Haus, eine Wohnung – und bleibt dort, wenn die Menschen dafür offen sind. Ich kann mir bewusst machen: Mein Friedensgruß hat Heilskraft. Das ist eine schöne Aufgabe!


26.Oktober: Lukas 9, 57 –62
Und als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst. Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege. Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe. Er aber sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes! Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Hause sind. Jesus aber sprach zu ihm: Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.
Sagen mir diese harten Worte noch etwas in meiner bürgerlichen Existenz? Die katholische Kirche hat diese Frage gelöst, indem sie solche Worte für Nonnen, Mönche und Priester reserviert – sie sind die Nachfolger im strengeren Sinne, wir anderen bemühen uns, die 10 Gebote zu halten. Aber hat das Jesus wirklich gemeint? Andererseits: Kein Schlafplatz, keine Familienrituale, kein Abschied – nicht jeder, der Jesus damals begegnet ist, ist auch mit ihm gezogen. Und heute? Nachfolge heute bedeutet, dass alle Lebensbereiche auf Jesus ausgerichtet sind. Sie bedeutet, die zweite Meile mitzugehen, den Mantel zu verschenken, die andere Wange hinzuhalten. Insgesamt so zu leben, wie es dem Reich Gottes entspricht – mitten in der Welt. Und das ist bisweilen schwerer als eine Existenz in einer abgeschiedenen religiösen Gemeinschaft. Nachfolge heute ist eine tagtägliche Entscheidung. Ich kann mich aus unguten Bindungen, aus angeblich unverzichtbarem Komfort, aus der Bindung an Gestriges lösen und frei werden für das Neue, das mit Jesus kommt. „Lass die Toten ihre Toten begraben!“ Ja, zu meinem Leben gehören die Begräbnisse und alles, was dazu gehört, aber das steht immer in Spannung zu dem „Du aber verkündige das Reich Gottes!“  Entscheiden muss ich von Fall zu Fall, das ist meine Freiheit. 

25.Oktober  Lukas 9, 51 – 56

Es begab sich aber, als die Zeit erfüllt war, dass er in den Himmel aufgenommen werden sollte, da wandte er das Angesicht, entschlossen, nach Jerusalem zu wandern. Und er sandte Boten vor sich her; die gingen hin und kamen in ein Dorf der Samariter, ihm Herberge zu bereiten. Und sie nahmen ihn nicht auf, weil er sein Angesicht gewandt hatte, nach Jerusalem zu wandern. Als aber das die Jünger Jakobus und Johannes sahen, sprachen sie: Herr, willst du, so wollen wir sagen, dass Feuer vom Himmel falle und sie verzehre. Er aber wandte sich um und bedrohte sie. Und sie gingen in ein anderes Dorf.

Da gab es offenbar einen Konflikt in der wandernden Truppe um Jesus! Die Jünger hatten viele Wunder erlebt, begeisterte Menschenmassen, die Jesus an den Lippen hingen. Und jetzt: Noch nicht einmal ein Schlafplatz! Klar, das hier war nicht mehr Galiläa, sondern Samarien – hier lebten mit den Juden verfeindete Menschen. Grund des Konfliktes war der Streit um die richtige Anbetung – in Samarien oder in Jerusalem – und um die gültige Schrift – das ganze Testament oder nur die fünf Bücher Mose. Darum nehmen die Dörfler Jesus nicht auf – denn er zieht ja nach Jerusalem. Ob die eifrigen Jünger Jakobus und Johannes wirklich Feuer hätten herabbeschwören können, ist hier nebensächlich – wahrscheinlich eher nicht. Aber dass sie auf diese Idee kamen, zeigt, wie wenig sie noch von der Botschaft Jesu begriffen haben. Immer noch reagieren sie auf Ablehnung mit Wut! „Er aber bedrohte sie!“ Wie oft sind Menschen bereit, auf eine Ablehnung, eine zugefügte Verletzung oder Beleidigung zur Vernichtung zu schreiten. Bei uns nicht mehr so oft physisch (zum Glück!), aber umso heftiger sozial und psychologisch: Kontaktabbruch, Ausgrenzung und Schlechtmachen sind dann die Mittel der Rache. Ja, es gibt Situationen – und Menschen – die sind unerfreulich. Was macht Jesus hier? Er geht in ein anderes Dorf. Manchmal ist es gut, Abstand zu nehmen, statt zu versuchen, den zu bekehren, der einfach nicht will, der oder die mich nicht will. Oder gar zurückzuschlagen.

24.Oktober Lukas 9, 48 - 50

Johannes sagte zu Jesus: »Meister, wir haben gesehen, wie jemand in deinem Namen Dämonen austrieb. Wir haben versucht, ihn daran zu hindern, weil er nicht mit uns zusammen dir nachfolgt.« Doch Jesus gab ihm zur Antwort: »Hindert ihn nicht! Denn wer nicht gegen euch ist, der ist für euch.«
Kennen Sie auch dieses Mißtrauen? Da arbeitet einer auf ganz andere Weise an derselben Sache. Da engagiert sich plötzlich jemand bei den flüchtlingen, bei ihren Flüchtlingen. Da taucht plötzlich eine neue Initiative auf und gründet eine ganz andere Gemeinde. Unerhört! Was wollen die hier? Wer nicht mit uns schafft, ist gegen uns! Nein, sagt Jesus, seht es doch umgekehrt! Es gibt so viel zu tun, das Feld ist so weit. Wie schön, dass da andere Menschen auf ihre Art die Botschaft der Liebe verbreiten und Menschen helfen - auch wenn sie nicht mein Gebetsbuch haben. Kann ich so großzügig sein - oder bin ich eher mißtrauisch und hindere Leute an ihrem Tun?


23.Oktober Lukas 9, 46 - 48


Unter den Jüngern kam die Frage auf, wer von ihnen wohl der Größte sei. Jesus wusste, was in ihren Herzen vorging. Er nahm ein Kind, stellte es neben sich und sagte: »Wer dieses Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat. Wirklich groß ist der, der unter euch allen der Geringste ist.« 
Gerade hat Jesus seinen Nachfolgern deutlich gemacht, dass er nicht nach Größe strebt. Da passt es, einmal ihre eigene Einstellung zur Größe aufs Korn zu nehmen. Sie sind wie so viele Menschen darauf aus, groß und bedeutend zu sein. Und das gibt es ja sogar für ganze Länder: Make America great again! Bin ich ganz heimlich darauf aus, doch einmal groß heraus zu kommen? Oder bin ich mit meiner kleinen "Lebensrolle" zufrieden, auch wenn es bedeutet "nur" ein Kind aufzunehmen? Was heißt es für mich, da, wo ich lebe, der oder die "Geringste" zu sein? Jedenfalls bin ich dann ganz dicht bei Jesus! 


22.Oktober Lukas 9, 44 – 45
Er aber sagte zu seinen Jüngern: »Prägt euch gut ein, was ich euch jetzt sage: Der Menschensohn wird in die Hände der Menschen gegeben werden.« Doch sie konnten mit dieser Aussage nichts anfangen. Was damit gemeint war, war ihnen verborgen; sie begriffen es nicht, wagten aber auch nicht, ihn danach zu fragen. 

Wieder werden die Jünger als ziemlich ahnungslos dargestellt – sie begreifen nichts! Jesus hat gerade ein Wunder vollbracht, die Leute staunen! Da wirkt seine Prophezeiung wie eine kalte Dusche. Der „Menschensohn“ ist ein Titel, den Jesus sich selbst gibt, er geht auf Daniel 7 zurück. Dort heißt es: „Es kam einer mit den Wolken des Himmels wie eines Menschen Sohn und gelangte zu dem, der uralt war, und wurde vor ihn gebracht. Ihm wurde gegeben Macht, Ehre und Reich, dass ihm alle Völker und Leute aus so vielen verschiedenen Sprachen dienen sollten. Seine Macht ist ewig und vergeht nicht, und sein Reich hat kein Ende.“ Jesus stellt dies auf den Kopf, indem er sagt: „Diese mächtige Gestalt bin ich – aber ich werde ohnmächtig sein!“ Verstehe ich den Weg Jesu? 


21 Oktober Lukas 9, 37 – 43
Als Jesus mit den drei Jüngern am nächsten Tag den Berg hinunterstieg, kam ihm eine große Menschenmenge entgegen. Ein Mann aus der Menge rief: »Meister, ich flehe dich an, hilf meinem Sohn; er ist mein einziges Kind! Immer wieder wird er von einem bösen Geist gepackt. Dann schreit er plötzlich auf, wird von dem Geist hin und her gezerrt, und Schaum tritt ihm vor den Mund. Der Geist lässt fast nicht wieder von ihm ab; er richtet sein Leben noch völlig zugrunde. Ich habe deine Jünger gebeten, den Geist auszutreiben, doch sie konnten es nicht.« »Was seid ihr nur für eine ungläubige und verkehrte Generation!«, erwiderte Jesus. »Wie lange soll ich noch bei euch sein und euch ertragen? Bring deinen Sohn her!« Sowie der Junge in die Nähe Jesu kam, warf ihn der Dämon zu Boden und riss ihn hin und her. Aber Jesus trat dem bösen Geist mit Macht entgegen, heilte den Jungen und gab ihn seinem Vater zurück. Alle waren überwältigt von der Größe Gottes. Die Leute waren voller Staunen über alles, was Jesus tat.

Sie konnten es nicht! Die Jünger werden hier ganz schön „in den Senkel gestellt“! Ungläubig, verkehrt! Jesus geht also davon aus, dass die Jünger bei ein wenig mehr Glaube und Zuversicht die Heilung auch hätten bewirken können. Aber wie macht man das, glauben? Sicherlich nicht, indem ich mir etwas einrede oder meine Zweifel zu unterdrücken versuche. Denn Glaube ist eine innere Gewissheit, die ohne meinen Willen in mir entsteht. Die entsprechende Haltung ist Offenheit und Bereitschaft, dieses Geschenk zu bemerken. Es ist genau diese Unverfügbarkeit, die uns als Menschen ärgert. Wir wollen gerne etwas „machen“, wollen über die Dinge bestimmen, sie in der Hand haben. Beim Glauben funktioniert das nicht – im Moment des Glaubens muss ich mein eigenes Wollen und Machen gerade loslassen, mich fallen lassen, leer werden. Ja, man kann sagen, dass ich vom Glauben überfallen werde. Wo habe ich diese Erfahrung  gemacht, dass ich in einer Situation glauben konnte?

20.Oktober Lukas 9, 28 – 36

Etwa acht Tage, nachdem Jesus das gesagt hatte, nahm er Petrus, Johannes und Jakobus mit sich und stieg auf einen Berg, um zu beten. Während er betete, veränderte sich das Aussehen seines Gesichts, und seine Kleider wurden strahlend weiß. Auf einmal erschienen zwei Männer in himmlischem Glanz und redeten mit Jesus; es waren Mose und Elia. Sie sprachen mit ihm über das Ende, das ihm in Jerusalem bevorstand, und wie sich damit sein Auftrag erfüllen würde. Der Schlaf hatte Petrus und seine Gefährten überwältigt. Als sie aufwachten, sahen sie Jesus in seinem himmlischen Glanz und die beiden Männer, die bei ihm standen. Als diese im Begriff waren, von ihm wegzugehen, sagte Petrus zu Jesus: »Meister, wie gut ist es, dass wir hier sind! Wir wollen drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elia.« Doch Petrus wusste selbst nicht, was er da sagte. Während er noch redete, kam eine Wolke und warf ihren Schatten auf sie. Als die Wolke sie ganz einhüllte, fürchteten sich die Jünger. Und aus der Wolke sprach eine Stimme: »Dies ist mein Sohn, mein Auserwählter; auf ihn sollt ihr hören!« Als die Stimme aufgehört hatte zu reden, war nur noch Jesus da. Die Jünger schwiegen über das, was sie erlebt hatten; sie erzählten in jener Zeit niemand etwas davon.

Was war da los auf diesem Berg? Die Jünger erleben eine Vision, einen Blick in eine Realität jenseits unserer Wirklichkeit. Sie sind während der langen Gebetszeit Jesu eingeschlafen. Warum hat er sie mitgenommen? Ich denke, es ging angesichts des beschlossenen Weges für Jesus darum, Klarheit über diesen Weg nach Jerusalem zu bekommen. Im Ringen ist man nicht gerne alleine – aber wie später in Gethsemane schlafen die Jünger ein. Immerhin bekommen sie mit, dass es um Jesu Auftrag geht und um sein Ende. Mose und Elia sind die beiden Menschen, die im ersten Testament Gott am nächsten kamen – Mose als Freund Gottes, Elia als Prophet, der in den Himmel aufgenommen wird. Sie sind hier zur Bestätigung des Auftrages Jesu – denn angesichts des kommenden Leidens könnte man meinen, Gott habe Jesus verstoßen. Die Wolke ist die Anwesenheit Gottes selbst – sie löst bei den Jüngern Furcht aus. Das ist das biblische Merkmal einer Gottesbegegnung – Furcht angesichts der Größe und Heiligkeit Gottes. Petrus ist so verwirrt, dass er unsinnige Vorschläge macht: „Lasst uns Hütten bauen!“  Wir sind eben lieber gemütlich beieinander als unseren Auftrag in dieser Welt wahrzunehmen. Visioen sind wichtig, aber eben nur als Vorbereitung des eigenen Auftrages in der Welt.  Was aber ist mein Auftrag?

19.Oktober Lukas 9, 23 – 27

Nun wandte sich Jesus an alle und sagte: »Wenn jemand mein Jünger sein will, muss er sich selbst verleugnen, sein Kreuz täglich auf sich nehmen und mir nachfolgen. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten. Was nützt es einem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen, wenn er dabei sich selbst ins Verderben stürzt oder unheilbar Schaden nimmt? Denn wer nicht zu mir und meinen Worten steht, zu dem wird auch der Menschensohn nicht stehen, wenn er in seiner Herrlichkeit und in der Herrlichkeit seines Vaters und der heiligen Engel kommt. Glaubt mir: Einige von denen, die hier stehen, werden nicht sterben, bis sie das Reich Gottes gesehen haben.«
Selbstverleugnung ist ein schwieriger Begriff. Oft wurde darunter etwas verstanden, was einer Verhinderung von Leben gleichkam: Verzicht, Unterdrückung von Wünschen und Antrieben, strenge Ich-Verleugnung. Aber was heißt denn „sein Leben um meinetwillen verlieren“? Zu Jesu Botschaft stehen, war damals eine gefährliche Sache. So wie er jetzt bereit war, nach Jerusalem zu gehen, mussten auch seine Nachfolger damit rechnen, verfolgt und getötet zu werden. Für viele Menschen ist das heute noch Realität – in Nordafrika, China, im Nahen Osten – in so vielen Ländern. Und bei uns? „Sein Leben retten“, das heißt für uns, alles zu tun, damit das Leben erfolgreich, bunt und supergeil wird. Daraus wird ein egoistisches, selbstzentriertes Leben, in dem sogar der Einsatz für andere zur Selbstdarstellung wird. „Verlieren“ bedeutet, die Hände zu öffnen, loslassen, nichts festhalten. Aber das ist nur die eine Hälfte. „Um meinetwillen“ ist die andere: Sie bedeutet Hingabe an das, was Jesus verkündet und lebt. Mein Einsatz für andere Menschen, für Liebe und Fürsorge ohne groß herauszukommen. Diese Art Selbstverleugnung verwandelt sich im Tun zu einer neuen Selbstfindung. Ich entdecke neue Fähigkeiten an mir, erlebe ein bereicherndes Miteinander mit Menschen, die ich bisher nicht beachtet habe, erfahre kleine und große Wunder im eigenen Leben. Der Weg dazu ist das Loslassen von Dinge, die allen so wichtig sind.

18.Oktober Lukas 9, 18 – 22

Als Jesus sich einmal zum Gebet zurückgezogen hatte und nur seine Jünger bei ihm waren, fragte er sie: »Für wen halten mich die Leute?« – »Die einen halten dich für Johannes den Täufer«, antworteten sie, »andere halten dich für Elia, und wieder andere sagen, einer der alten Propheten sei auferstanden.« – »Und ihr«, fragte er, »für wen haltet ihr mich?« Petrus antwortete: »Für den von Gott gesandten Messias.« Doch Jesus schärfte ihnen mit allem Nachdruck ein, niemand etwas davon zu sagen. »Denn der Menschensohn wird vieles erleiden müssen«, sagte er, »und wird von den Ältesten, den führenden Priestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er wird getötet werden und drei Tage danach auferstehen.«
Was ist da mit Jesus geschehen? Hatte er nicht ein Programm zur Evangelisierung Israels? Seine Frage an die Jünger klingt so, als suche er noch einmal die Bestätigung seines Auftrages. In der Stille, im Gespräch mit seinem himmlischen Vater hat Jesus eine ganz andere Sicht auf seinen Auftrag gewonnen: Es geht nicht mehr darum, die Massen zu lehren,  zu begeistern und sie ins Reich Gottes einzuladen. Nein, es geht jetzt um etwas viel Größeres: Die Bezwingung des Todes. Im Leiden in Jerusalem wird er sich als der Messias erweisen – aber als ein ganz anderer Messias, als die Leute denken. Mit seinem Tod wagt er das Äußerste. Werden Liebe und Vergebung am Ende siegen? Wird sein Vater dieses Opfer bestätigen? Wird überhaupt etwas bleiben von ihm, von seiner Botschaft? Immerhin: Petrus ist der Einzige, der bekennt: „Du bist der Gesalbte Gottes!“ Aber wie versteht Petrus das? Jesus verbietet den Jüngern, das zu verkünden. Denn vor seinem Leiden würden die Leute doch immer nur den kämpferischen Messias und den Wundertäter in ihm sehen, der Rom vernichtet und das alte Königtum wieder aufrichtet. Erst nach Ostern wird klar werden, welche Art Messias Jesus ist. Für wen aber halte ich Jesus? Was erwarte ich von ihm? Erwarte ich etwas von ihm für mich? 

17.Oktober Lukas 9 11 - 17
Aber die Leute merkten es (Anm. dass Jesus in Betsaida war) und folgten ihm in großen Scharen. Jesus wies sie nicht ab, sondern sprach zu ihnen über das Reich Gottes; und alle, die Heilung nötig hatten, machte er gesund. Als es auf den Abend zuging, kamen die Zwölf zu ihm und sagten: »Schick die Leute fort, dann können sie in die umliegenden Dörfer und Gehöfte gehen und dort übernachten und etwas zu essen bekommen. Hier sind wir ja an einem einsamen Ort.« Jesus erwiderte: »Gebt doch ihr ihnen zu essen!« – »Wir haben fünf Brote und zwei Fische, mehr nicht«, entgegneten sie. »Oder sollen wir uns etwa auf den Weg machen und für alle diese Leute Essen kaufen?« (Es waren etwa fünftausend Männer dabei.) Da sagte Jesus zu seinen Jüngern: »Sorgt dafür, dass sich die Leute in Gruppen von je etwa fünfzig lagern.« Die Jünger taten, was Jesus ihnen gesagt hatte. Als alle sich gesetzt hatten, nahm Jesus die fünf Brote und die zwei Fische, blickte zum Himmel auf und dankte Gott dafür. Dann zerteilte er die Brote und die Fische und ließ sie durch die Jünger an die Menge verteilen. Und alle aßen und wurden satt. Am Schluss wurde aufgesammelt, was sie übriggelassen hatten – zwölf Körbe voll.

Dieses Wunder heißt traditionell „Brotvermehrung“. Doch das Wort Vermehrung steht nicht im Text. Darauf hat Papst Franziskus hingewiesen: Es geht um das Teilen, nicht um das Vermehren. Jesus teilt die Brote und Fische einfach im Vertrauen aus. Der Papst forderte seine Zuhörer dazu auf, die Denkweise Gottes anzunehmen und ihr Weniges mit ihren Mitmenschen zu teilen. „Dein Weniges ist in den Augen Jesu viel, wenn du es nicht für dich behältst, wenn du es aufs Spiel setzt.“ Man könnte es ja auch so sehen, dass dieses Beispiel andere dazu brachte, ihre Taschen zu leeren und ihr Weniges auch zu teilen – so dass am Ende alle satt wurden. Denn das Erschaffen neuer „Brot-Materie“ hätte uns nicht viel zu sagen – nur, dass damals erstaunliche Dinge passiert sein sollen. Aber das vertrauensvolle Teilen sagt uns etwas. Was aber kann ich teilen? Wo gehe ich das Risiko ein, dass ich der Einzige bleibe? 


16.Oktober Lukas 9, 7 – 10
Der Tetrarch Herodes erfuhr von all diesen Dingen. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Denn die einen sagten, Johannes sei von den Toten auferstanden, andere waren der Ansicht, Elia sei auf die Erde zurückgekommen, und wieder andere meinten, einer der alten Propheten sei auferstanden. »Johannes habe ich doch selbst enthaupten lassen«, überlegte Herodes. »Wer ist dann dieser Mann, von dem man mir solche Dinge erzählt?« Darum wollte er Jesus unbedingt sehen. Als die Apostel zu Jesus zurückkamen, berichteten sie ihm alles, was sie getan hatten. Danach nahm Jesus sie mit sich und zog sich in die Nähe der Stadt Betsaida zurück, um mit ihnen allein zu sein.

Der „Viertelsfürst“ Herodes ist beunruhigt. Er hat allen Grund dazu, denn er muss als Herrscher in den Provinzen Galiläa und Peräa im Norden Palästinas auf Ruhe achten. Die Römer, die ihn eingesetzt haben, beobachten ihn misstrauisch. Und da zieht also wieder so ein Unruhestifter durchs Land! Er soll sogar Zeloten („Eiferer“, Terroristen) in seinen Reihen haben. Man sagt, er ziehe die Massen an und kümmere sich um die Armen am Rande der Gesellschaft. Das ist gefährlich! Das Reich Gottes ist ein Reich des Friedens – aber gerade dadurch bedroht es die Reiche dieser Welt. Menschen, die sich nicht mehr durch Habsucht, Egoismus und Neid bestimmen lassen, entgleiten den Mächtigen und kommen auf die Idee, auszusteigen aus dem Karussell des Schaffens und Erwerbens. In einer Kultur gegenseitigen Dienens geht es den Herrschern schlecht. Das Interesse des Herodes, Jesus zu sehen, erfüllt sich kurz vor der Kreuzigung. Er zeigt keinerlei Neigung, Jesus zu retten, er hat nur Verachtung übrig für den armen Wanderprediger. Seine Welt ist wieder in Ordnung – doch bei Licht betrachtet ist es die Welt eines erbärmlichen Minifürstens von Roms Gnaden. Ein paar Jahre später wird er von seinem Neffen um die Herrschaft gebracht, nach Lyon verbannt und dort ermordet. Das ist die Welt des Herodes. Welche "weltlichen" Dinge faszinieren mich, die es nicht wert sind, dafür zu leben? 


15.Oktober  Lukas 9, 1 – 6
Jesus rief die zwölf Jünger zusammen und gab ihnen Kraft und Vollmacht, alle Dämonen auszutreiben und die Kranken zu heilen. Er sandte sie aus mit dem Auftrag, die Botschaft vom Reich Gottes zu verkünden und die Kranken gesund zu machen. »Nehmt nichts mit auf den Weg«, sagte er zu ihnen, »keinen Wanderstab, keine Vorratstasche, kein Brot und kein Geld; auch soll keiner zwei Hemden bei sich haben. Wenn jemand euch in seinem Haus aufnimmt, dann bleibt bei ihm, bis ihr die Ortschaft wieder verlasst. Wenn euch aber in einer Stadt die Leute nicht aufnehmen, dann verlasst den Ort und schüttelt den Staub von euren Füßen als Hinweis auf das Gericht, das sie erwartet.« Die Jünger machten sich auf den Weg und zogen von Dorf zu Dorf. Überall verkündeten sie die Botschaft vom Reich Gottes und heilten die Kranken.
Wir bekommen einen Einblick in die „Jesus-Bewegung“ in ihren Anfängen. Jesus hat 12 Jünger ausgewählt – symbolisch für die 12 Stämme Israels. Sie sollen das Reich Gottes überall proklamieren und zugleich Kranke heilen. Die Menschen sollen in eine Entscheidung gestellt werden: Für oder gegen die gute Nachricht. Ein Auftrag ohne Absicherung und sozialem Netz – ganz im Vertrauen auf die Versorgung durch Gott. Dahinter steht die Vorstellung, dass Israel diese Botschaft annimmt und nun wirklich das Reich Gottes anbricht. Wir wissen: Das ist nicht geschehen. Am Ende weint Jesus über Jerusalem und sagt: „Wenn doch auch du erkenntest zu dieser Zeit, was zum Frieden (Shalom) dient!“ Das Scheitern des ersten Planes bringt den zweiten hervor: Jesu Tod am Kreuz. Doch wenn auch der ursprüngliche Plan zunächst scheiterte, lässt sich erkennen, was Jesus vorhatte. Seine Boten sollten den Menschen dienen und ihnen das Heil bringen. Bei Matthäus heißt es: „Umsonst habt ihr's empfangen, umsonst gebt es auch!“ So entsteht das Bild einer Gesellschaft, in der sich die Menschen gegenseitig versorgen und umeinander kümmern. Jeder dient dem anderen mit dem, was er hat. Das wollte Jesus und das haben seine Nachfolger in der Kirche verwirklicht – jedenfalls in ihren Anfängen. Und heute? Wie können wir uns in der Kirche und darüber hinaus dieser Gemeinschaftsvorstellung nähern?

14. Oktober Lukas 8, 49 – 56

Während Jesus noch mit ihr redete, kam jemand vom Haus des Synagogenvorstehers. »Deine Tochter ist gestorben«, sagte der Mann zu Jairus. »Bemühe den Meister nicht länger!« Jesus hörte das. »Du brauchst dich nicht zu fürchten!«, sagte er zu dem Synagogenvorsteher. »Glaube nur, und sie wird gerettet werden.« Er ging in das Haus, ließ aber niemand zu dem Mädchen mit hinein außer Petrus, Johannes und Jakobus sowie den Vater und die Mutter des Kindes. Das Haus war voller Menschen, die um das Mädchen weinten und trauerten. »Hört auf zu weinen!«, sagte Jesus. »Sie ist nicht tot, sie schläft nur.« Da lachten sie ihn aus, denn sie wussten sehr wohl, dass sie gestorben war. Jesus aber ergriff sie bei der Hand und rief: »Kind, steh auf!« Da wurde sie wieder lebendig; sie stand sofort auf, und Jesus ordnete an, ihr etwas zu essen zu geben. Die Eltern konnten kaum fassen, was geschehen war. Doch Jesus verbot ihnen, jemand etwas davon zu erzählen.

Talitha Kumi! Mädchen, steh auf! Aber können Tote wieder lebendig werden? Unserer Erfahrung entspricht das nicht – aber Jesus verweist wieder auf den Glauben: Glaube nur! Das Entscheidende ist hier nicht eine magische Kraft oder ein Trick, sondern ganz schlicht das Vertrauen in die Kraft Gottes, in die Kraft des Lebens. In welchen Bereichen meines Lebens brauche ich dieses Vertrauen? Auffallend ist die völlig unterschiedliche Bewertung der Situation. Jesus sagt: Sie schläft nur! Die Leute aber lachen ihn aus. Sicherlich nicht aus bösem Willen, sondern weil sie von den normalen Tatsachen ausgehen. Tot ist tot. So urteilen wir doch auch oft. Wir gehen davon aus, dass es ganz „normal“ zugeht auf der Welt. Und das Lachen ist ein Lachen der Resignation: Mach dir nichts vor! Da ändert sich nichts! Das war schon immer so! So läuft das hier immer! Doch Jesus durchbricht das Normale – neues Leben bricht sich Bahn. Wo bin ich auf der Seite der „Lacher“? Wo brauche ich das Vertrauen in neues Leben?


13. Oktober Lukas 8, 40 - 48

Als Jesus ans andere Ufer zurückkam, empfing ihn eine große Menschenmenge; alle hatten auf ihn gewartet. Da kam ein Mann namens Jairus, der Vorsteher der Synagoge. Er warf sich Jesus zu Füßen und bat ihn, in sein Haus zu kommen, weil sein einziges Kind, ein Mädchen von etwa zwölf Jahren, im Sterben lag. Auf dem Weg dorthin wurde Jesus von der Menge, die sich um ihn drängte, fast erdrückt. Unter den Leuten war auch eine Frau, die seit zwölf Jahren an schweren Blutungen litt. Alles, was sie besaß, hatte sie für die Ärzte ausgegeben, doch niemand hatte sie heilen können. Diese Frau drängte sich von hinten an Jesus heran und berührte den Saum seines Gewandes. Im selben Augenblick hörten die Blutungen auf. »Wer hat mich berührt?«, fragte Jesus. Alle beteuerten, sie seien es nicht gewesen, und Petrus meinte: »Meister, die Leute drängen sich ja von allen Seiten um dich herum!« Doch Jesus beharrte darauf: »Irgendjemand hat mich berührt; ich habe gespürt, dass eine Kraft von mir ausgegangen ist.« Der Frau war jetzt klar, dass sie nicht unbemerkt geblieben war. Zitternd trat sie vor und warf sich vor Jesus nieder. Dann erzählte sie vor allen Leuten, warum sie ihn berührt hatte und wie sie im selben Augenblick geheilt worden war. »Meine Tochter«, sagte Jesus zu ihr, »dein Glaube hat dich gerettet. Geh in Frieden!«

Zwölf Jahre leidet diese Frau an schweren Blutungen! Und sie hat alles versucht, Heilung zu erlangen. Markus berichtet zusätzlich: „und hatte viel erlitten von vielen Ärzten.“ Ihre Krankheit isoliert sie von der Gemeinschaft, denn sie ist dadurch ja unrein und muss sich hüten, jemanden zu berühren. (3.Mose 15, 25-27). Dass sie es hier trotzdem tut, zeigt, wie groß ihre Not ist – sie setzt sich über diese Regel hinweg. Als sie die Quaste des Gewandes berührt, spürt sie eine körperliche Veränderung. Und Jesus spürt, dass eine Kraft fließt. Es gibt jenseits messbarer Energien offenbar „Kraftfelder“, die zwischen uns wirken und von denen wir nur wenig wissen. Die Frau spürt es und Jesus spürt es. Warum lässt er sie jetzt nicht in Ruhe? Sie bekommt es mit der Angst zu tun, als er fragt: „Wer hat mich berührt?“ Denn sie denkt: „Man wird mich bestrafen, denn ich habe das Gebot übertreten, niemanden zu berühren.“ Sie hatte sich ja in die Menge gedrängt und dabei viele berührt. Aber sie kann nicht entkommen und wirft sich zitternd nieder. „Ich bin geheilt“, erzählt sie den Umstehenden. „Ich weiß es, ich habe es gefühlt!“ Skeptische Blicke, die Leute murmeln unwillig. „Die ist unrein, sie hat mich berührt!“ Doch Jesus erwähnt das Gebot noch nicht einmal. Er hebt den Glauben der Frau hervor. „Dein Vertrauen hat dich gerettet!“ Statt Gebotserfüllung, Trennung, Absonderung von Menschen stiftet dieses Wunder Gemeinschaft, neues Leben und Freiheit. Das sagt Jesus ihr zu, deshalb darf sie nicht anonym bleiben. „Gehe in Frieden!“ Zum Gefühl des Geheiltseins tritt das Wort der Bestätigung und Bekräftigung. Wo hat Jesus mich freigesetzt, geheilt, mich bekräftigt? 

12.Oktober  Lukas 8, 26 – 33

Sie legten im Gebiet der Gerasener an, auf der Seite des Sees, die Galiläa gegenüberliegt. Als Jesus aus dem Boot stieg und an Land ging, lief ihm ein Mann aus der ´nahegelegenen` Stadt entgegen, der von Dämonen besessen war. Er trug schon lange keine Kleider mehr und lebte abseits von den Häusern in den Grabhöhlen. Als er Jesus sah, schrie er auf und warf sich vor ihm auf den Boden. Er rief mit lauter Stimme: »Was willst du von mir, Jesus, Sohn Gottes, des Allerhöchsten? Ich flehe dich an: Quäle mich nicht!« Denn Jesus war dem bösen Geist mit dem Befehl entgegengetreten, den Mann zu verlassen. Der Besessene war schon seit langer Zeit in der Gewalt des Dämons; man hatte ihn zwar an Händen und Füßen gefesselt, um ihn in sicherem Gewahrsam halten zu können, doch er hatte die Ketten immer wieder zerrissen und war von dem Dämon an einsame Orte getrieben worden. Nun fragte ihn Jesus: »Wie heißt du?« – »Legion«, antwortete er; denn es waren viele Dämonen in ihn gefahren. Diese flehten Jesus an, sie nicht in den Abgrund zu schicken. Nicht weit von dort weidete am Berg eine große Herde Schweine. Die Dämonen baten Jesus, in die Schweine fahren zu dürfen. Er erlaubte es ihnen, und sie verließen den Mann und fuhren in die Schweine. Da stürzte sich die ganze Herde den Abhang hinunter in den See und ertrank. 

Dieser Bericht ist für uns schwer verständlich. Denn wir würden diese Krankheit als Epilepsie bezeichnen. Dass hinter solchen Krankheiten Dämonen stehen, war in der Antike allgemeine Überzeugung. Und sie wird verständlich, wenn man bedenkt, dass hier ein Mensch im absoluten Chaos fernab der menschlichen Gemeinschaft leben muss. Zusätzlich findet diese Geschichte auf heidnischem Boden statt, nicht auf jüdischem Gebiet. Manche Kommentare sagen, die Sache mit den Schweinen sei eine nachträgliche Bosheit gegenüber den Römern – deren Legion, die Jerusalem zerstörte, trug einen Eber in ihrem Feldzeichen. Wie auch immer – Jesus heilt diesen verzweifelten Mann und vertreibt die Dämonen aus ihm. Auch wir sprechen durchaus von Dämonen in Menschen – Dämonen der Angst, der Wut oder der Verzweiflung, die Menschen zu Taten treiben, die uns unverständlich bleiben. Wir isolieren solche Menschen in Kliniken und Gefängnissen. Jesus scheut sich nicht, diesem Menschen zu begegnen und in ihm jenseits der Dämonen einen Menschen zu sehen. Er holt ihn in die Gemeinschaft der Menschen zurück. Gibt es Menschen, die mir Angst machen mit ihrem zerstörerischen Wesen, mit ihrer Dämonie? Das sagt die Geschichte deutlich: Die Kraft Jesu ist stärker!

11.Oktober  Lukas 8, 22 – 25
Eines Tages stieg Jesus mit seinen Jüngern ins Boot und sagte zu ihnen: »Wir wollen über den See ans andere Ufer fahren!« Während der Fahrt schlief Jesus ein. Plötzlich brach auf dem See ein schwerer Sturm los; das Boot füllte sich mit Wasser, und sie waren in großer Gefahr. Die Jünger stürzten zu Jesus und weckten ihn. »Meister, Meister«, schrien sie, »wir sind verloren!« Jesus stand auf und wies den Wind und die Wellen in ihre Schranken. Da legte sich der Sturm, und es wurde ganz still. »Wo bleibt euer Glaube?«, fragte Jesus seine Jünger. Sie aber sagten voll Furcht und Staunen zueinander: »Wer ist nur dieser Mann? Er befiehlt sogar dem Wind und dem Wasser, und sie gehorchen ihm.«

„Bin ich Jesus?“, fragten manche meiner Kumpel früher, wenn es um die Lösung schier unlösbarer Probleme ging. Nein, bin ich nicht. Die Jünger fragen sich, wer dieser Mann ist. Ich denke, dass Jesus geantwortet hätte: „Darum geht es doch nicht! Ich frage euch nach eurem Glauben – denn mit ein wenig Glauben hättet ihr das auch zustande gebracht!“ Habe ich angesichts bedrohlicher Dinge Glauben oder lasse ich mich von Angst bestimmen? Gerade in unserer Zeit können wir unsere innere Einstellung gut überprüfen: Lähmt mich die Angst vor dem Winter und seinen kriegsbedingten Problemen? Oder gar die Angst vor einem Atomkrieg? Schaue ich nur noch auf die bedrohlichen Wogen dieser Zeit? Diese Geschichte hier spricht von einer vertrauenden Lebensweise, die angesichts von Bedrohungen zu leben wagt.  Denn um Wagnisse geht es ja in der Geschichte. Sonst wären sie bei unsicherem Wetter nicht losgefahren. Kann Gott mich in meinen schwierigen Situationen bewahren? Und wage ich es, aktiv zu werden und "dem Sturm zu gebieten"? Welchen Dingen könnte ich gebieten: "Sei still!"?


10.Oktober Lukas 8, 19 – 21

Es kamen aber seine Mutter und seine Brüder zu ihm und konnten wegen der Menge nicht zu ihm gelangen. Da wurde ihm gesagt: Deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und wollen dich sehen. Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Meine Mutter und meine Brüder sind diese, die Gottes Wort hören und tun.


Es muss in der Familie Jesu einige schwere Auseinandersetzungen gegeben haben. Kein Wunder, wenn der älteste Sohn einfach das Geschäft verlässt und Wanderprediger wird. In Markus 3, 20-21 heißt es gar: „Und er ging in ein Haus. Und da kam abermals das Volk zusammen, sodass sie nicht einmal essen konnten. Und als es die Seinen hörten, machten sie sich auf und wollten ihn ergreifen; denn sie sprachen: Er ist von Sinnen.“ Jesus ist verrückt! Dieses harte Urteil lässt Lukas fort – es passt nicht zu seiner Gemeindeerfahrung. Denn er weiß, dass Maria, die Mutter Jesu, Mitglied der Gemeinde ist und dass Jakobus, der Bruder Jesu, die Gemeinde in Jerusalem geleitet hat. Es war wohl so: Die Familie Jesu hat seine Sendung erst einmal abgelehnt. Doch Jesus lässt sich nicht beirren, er geht seinen Weg – und erst allmählich sieht seine Familie, dass er wirklich der Bote Gottes ist. Jesus hat – unerhört für den Orient – seine Familie gewechselt: Seine Anhängerschaft, seine Jünger und all die, die mit ihm gehen, das ist seine Familie. Doch die Ursprungsfamilie bliebt nicht außen vor. Maria gehört nach der Auferstehung zum Kreis der Gemeinde in Jerusalem. Was mich daran fasziniert, ist die Unabhängigkeit Jesu. Er geht seinen Weg, auch wenn seine Nächsten ihn für verrückt halten. Aber trotzdem trennt er sich nicht von ihnen. Das heißt: Geh deinen Weg mit Gott, ganz egal, was Andere sagen. Und: Bleib trotzdem mit deinen Nächsten verbunden. Wenn sie deine Liebe spüren, wirst du sie am ehesten von deinem Weg überzeugen!


9.Oktober Lukas 8, 16 - 18
»Niemand zündet eine Lampe an und verbirgt sie dann unter einem Gefäß oder stellt sie unter das Bett. Im Gegenteil: Man stellt sie auf einen Lampenständer, damit jeder, der hereinkommt, Licht hat und sehen kann. So gibt es auch nichts Geheimes, was geheim bleibt; alles wird offenbar werden. Und es gibt nichts Verborgenes, was verborgen bleibt; alles soll öffentlich bekannt gemacht werden. Achtet also darauf, wie ihr mit dem umgeht, was ihr hört! Denn wer hat, dem wird gegeben; aber wer nicht hat, dem wird auch das genommen, was er zu haben meint.«

Was haben die Menschen von Jesus gehört? Er hat ihnen verkündet:  Die Herrschaft Gottes kommt! Die Liebe und Vergebung Gottes gilt jetzt allen Menschen. Alle verlorenen Söhne und Töchter Gottes können jetzt nach Hause laufen. Wie gebe ich diese Botschaft in Tat und Wort weiter? Denn es wäre höchst unvernünftig, sie für sich zu behalten. Jede und jeder soll Licht haben und sehen können! Wer Liebe weitergibt, multipliziert sie – was ich gebe, wächst und bringt Liebe hervor. Wer nichts zu geben hat, wird am Ende feststellen, dass nichts von seinem Leben geblieben ist.
Eines ist dazu nötig: Vertrauen in diese Zusage: Was du aussäst, wird Frucht bringen. Was du in Liebe investierst, wird vervielfältigt. Aber das sieht man nicht immer. Neulich erhielt ich eine mail von einer ehemaligen Schülerin: „Was Sie damals im Unterricht gesagt haben, hat mein ganzes Leben beeinflusst. Sonst wäre ich heut nicht, was ich bin.“ Sie war vor 30 Jahren meine Schülerin. Wir haben keine Ahnung, wo die Frucht wächst, die wir ausgestreut haben. Aber sie wächst!

8.Oktober   Lukas 8, 9 – 15

Die Jünger fragten Jesus, was dieses Gleichnis bedeute. Da sagte er: »Euch ist es von Gott gegeben, die Geheimnisse seines Reiches zu verstehen; den Übrigen jedoch werden sie nur in Gleichnissen verkündet. Denn ›sie sollen sehen und doch nicht sehen, sie sollen hören und doch nichts verstehen. Das Gleichnis bedeutet Folgendes: Die Saat ist das Wort Gottes. Bei einigen, die es hören, ist es wie mit der Saat, die auf den Weg fällt. Der Teufel kommt und nimmt das Wort wieder aus ihrem Herzen weg, sodass sie nicht glauben und daher auch nicht gerettet werden. Bei anderen ist es wie mit der Saat, die auf felsigen Boden fällt. Wenn sie das Wort hören, nehmen sie es mit Freuden auf. Aber sie sind wie Pflanzen ohne Wurzeln; zunächst glauben sie, doch wenn eine Zeit der Prüfung kommt, wenden sie sich wieder ab. Wieder bei anderen ist es wie mit der Saat, die ins Dorngestrüpp fällt. Sie hören das Wort, doch im Lauf der Zeit wird es von den Sorgen, dem Reichtum und den Freuden, die das Leben bietet, verdrängt, sodass keine Frucht reifen kann. Bei anderen jedoch ist es wie mit der Saat, die auf guten Boden fällt. Mit aufrichtigem und bereitwilligem Herzen hören sie das Wort; sie halten daran fest, lassen sich nicht entmutigen und bringen Frucht.«

„Vierfach ist das Ackerfeld – Mensch, wie ist dein Herz bestellt?“ lautet ein alter Vers. Die Auslegung des Gleichnisses konzentriert sich auf die Zuhörer und ihre Bereitschaft, das Wort aufzunehmen. Der Same auf dem Weg steht für einen Menschen, der die gute Nachricht zwar hört, aber sofort in Zweifel zieht. Er lässt die Möglichkeit des Glaubens nicht zu und erstickt ihn in Gegenargumenten. Menschen mit felsigem Herzen haben in der Tiefe ihres Wesens ihre eigenen Prinzipien, sie können sich zwar rasch für eine Sache begeistern, aber das bleibt an der Oberfläche – innen drinnen bleiben sie die Alten. „Dornige Menschen“ sind zwar aufnahmebereit, sie hören die Botschaft, aber sie hören auch eine Menge anderer Dinge und sind sehr beschäftigt. Sie finden einfach keine Zeit, nachzudenken und die Botschaft wirken zu lassen. Die Menschen, bei denen etwas wächst, werden durch diese Eigenschaften gekennzeichnet: aufrichtig, bereitwillig, festhalten, sich nicht entmutigen lassen. Ist man seinem eigenen Herzenscharakter ausgeliefert oder kann man da etwas verändern? Jesus ruft uns zu: Kehrt um! Ändert euch! Ein erster Schritt wäre, zu fragen, welcher Boden in mir vorherrscht. Was will ich in meinem Leben verändern?

7.Oktober  Lukas 8, 4b – 8
Da erzählte er ihnen folgendes Gleichnis: »Ein Bauer ging aufs Feld, um zu säen. Beim Ausstreuen der Saat fiel einiges auf den Weg, wo es zertreten und von den Vögeln aufgepickt wurde. Einiges fiel auf felsigen Boden. Die Saat ging zwar auf, verdorrte aber bald, weil die nötige Feuchtigkeit fehlte. Einiges fiel mitten ins Dornengestrüpp. Die Dornbüsche wuchsen mit der Saat in die Höhe und erstickten sie. Und einiges fiel auf guten Boden, ging auf und brachte hundertfache Frucht.« Jesus schloss mit dem Ausruf: »Wer Ohren hat und hören kann, der höre!«
Das ist ein seltsamer Säemann! Er läuft scheinbar völlig wahllos durch die Gegend und streut den Samen mal dahin, mal dorthin. Die Leute, die zuhören, schütteln den Kopf – so sät man doch nicht! Das, was Jesus ausstreut, ist die Botschaft vom Reich Gottes, die gute Nachricht von der Vergebung und einem neuen, anderen Leben. Sie wird jedem Menschen ohne Vorurteil angeboten. Wir verhalten uns ja oft anders: Wir klassifizieren Menschen von vorneherein, beurteilen, ob unsere Zuwendung „Sinn macht.“ Damit aber werten wir Menschen ab, nehmen ihnen die Chance, sich eben doch als „guter Boden“ herauszustellen. Nein, wir wissen nicht, bei wem nichts aufgehen wird. Bei welchen Menschen habe ich Vorurteile? Um wen mache ich einen Bogen? Wen schließe ich aus? Habe ich für diesen Menschen von vorneherein keine Hoffnung? „Die kenne ich, die ändert sich nicht!“ ist ein furchtbarer Satz. Und wie schön ist es, ganz „unverhofft“ guten Boden zu finden – also einen Menschen, bei dem etwas aufgeht, den andere aber schon aufgegeben hatten.


6.Oktober  Lukas 8, 1 – 4a
In der nun folgenden Zeit zog Jesus von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf. Überall verkündete er die Botschaft vom Reich Gottes. Dabei begleiteten ihn die Zwölf sowie einige Frauen, die von bösen Geistern und von Krankheiten geplagt gewesen waren und durch ihn Heilung gefunden hatten: Maria aus Magdala, aus der er sieben Dämonen ausgetrieben hatte, Johanna, die Frau des Chuzas, eines Beamten des Herodes, sowie Susanna und viele andere. Alle diese Frauen dienten Jesus und seinen Jüngern mit dem, was sie besaßen. Die Menschen scharten sich in großer Zahl um Jesus, und von Ort zu Ort wurden es mehr, die mit ihm gingen.

Was würde wohl Chuza, der Verwalter, sagen, wenn wir ihn fragen könnten, ob er das gut findet, dass seine Frau Johanna mit Jesus durch das Land zieht? Vielleicht dies: „Ihr lauft diesem Taugenichts nach und unterstützt ihn auch noch mit meinem Geld! Ja, er hat dich geheilt, aber darum kann er sich doch nicht über alles hinwegsetzen, was uns die Rabbiner lehren! Meine Frau zieht mit einem fremden Mann umher! Wo schlafen die denn? Etwa zusammen? Und wahrscheinlich lehrt er sie aus der Thora. Eine Frau!“ So ähnlich könnte er geredet haben. Denn eine Frau ist den Sklaven und Kindern gleichgestellt. Mit einem Mann zusammen zu reisen, das ist schlicht verboten. Indem Jesus sich darüber hinwegsetzt, sendet er eine Botschaft, die selbst der kommenden Kirche zu viel war: Frauen sind absolut gleichberechtigt, sie sind bei allem dabei. Punkt!  Und heute? Welchen Menschen sprechen wir ihr volles Menschsein ab? Wen behandeln wir wie Sklaven oder Kinder? Wer sagt heute: "Wir wollen Menschen sein wie ihr! Wir wollen voll und ganz dabei sein!" Verwehren wir es ihnen? 


5.Oktober Lukas 7, 36 – 50

Ein Pharisäer hatte Jesus zu sich zum Essen eingeladen, und Jesus war gekommen und hatte am Tisch Platz genommen. In jener Stadt lebte eine Frau, die für ihren unmoralischen Lebenswandel bekannt war. Als sie erfuhr, dass Jesus im Haus des Pharisäers zu Gast war, nahm sie ein Alabastergefäß voll Salböl und ging dorthin. Sie trat von hinten an das Fußende des Polsters, auf dem Jesus Platz genommen hatte, und brach in Weinen aus; dabei fielen ihre Tränen auf seine Füße. Da trocknete sie ihm die Füße mit ihrem Haar, küsste sie und salbte sie mit dem Öl. Als der Pharisäer, der Jesus eingeladen hatte, das sah, dachte er: »Wenn dieser Mann wirklich ein Prophet wäre, würde er die Frau kennen, von der er sich da berühren lässt; er wüsste, was für eine sündige Person das ist.« Da wandte sich Jesus zu ihm. »Simon«, sagte er, »ich habe dir etwas zu sagen.« Simon erwiderte: »Meister, bitte sprich!« – »Zwei Männer hatten Schulden bei einem Geldverleiher«, begann Jesus. »Der eine schuldete ihm fünfhundert Denare, der andere fünfzig. Keiner der beiden konnte seine Schulden zurückzahlen. Da erließ er sie ihnen. Was meinst du: Welcher von den beiden wird ihm gegenüber wohl größere Dankbarkeit empfinden?« Simon antwortete: »Ich nehme an, der, dem er die größere Schuld erlassen hat.« – »Richtig«, erwiderte Jesus. Dann wies er auf die Frau und sagte zu Simon: »Siehst du diese Frau? Ich bin in dein Haus gekommen, und du hast mir kein Wasser für meine Füße gereicht; sie aber hat meine Füße mit ihren Tränen benetzt und mit ihrem Haar getrocknet. Du hast mir keinen Kuss zur Begrüßung gegeben; sie aber hat, seit ich hier bin, nicht aufgehört, meine Füße zu küssen. Du hast meinen Kopf nicht einmal mit gewöhnlichem Öl gesalbt, sie aber hat meine Füße mit kostbarem Salböl gesalbt. Ich kann dir sagen, woher das kommt. Ihre vielen Sünden sind ihr vergeben worden, darum hat sie mir viel Liebe erwiesen. Wem aber wenig vergeben wird, der liebt auch wenig.« Und zu der Frau sagte Jesus: »Deine Sünden sind dir vergeben.« Die anderen Gäste fragten sich: »Wer ist dieser Mann, der sogar Sünden vergibt?« Jesus aber sagte zu der Frau: »Dein Glaube hat dich gerettet. Geh in Frieden!«
Diese Geschichte lenkt unseren Blick auf drei Personen: Eine Frau, die in Sünde lebt und Jesus, der Gast im Hause eines vornehmen Mannes ist. Die dritte Person ist der Pharisäer – er kann nur als schlechtes Beispiel dienen! Die Frau ist im Ort allseits bekannt. Doch das, was sie da tut, ist sehr ungewöhnlich. Das Alabasterfläschchen ist wertvoll, der Inhalt noch kostbarer – sie wird dafür lange ihre Dienste angeboten haben. Aber in diesem Moment ist ihr das gleich – ihr einziges Ziel ist, sich diesem Bußprediger zu nähern und ihm zu dienen, ihm Gutes zu tun und so zu zeigen, dass sie ihren bisherigen Lebenswandel bereut. Ihre Hingabe ist in diesem Moment völlig bedenkenlos. Sie rechnet nicht, sie hofft alles und fürchtet nichts. Sie ist einfach da und tut, was ihr jetzt sinnvoll erscheint. Die Botschaft von der Umkehr, die Botschaft Jesu, hat sie völlig ergriffen. Das Maßlose ihres Handelns zeigt: Sie ist gerade nicht berechnend, sie sucht einen Ausdruck bedingungsloser Liebe. Und während sie so liebt, erfährt sie Vergebung. Jesus selbst lässt das an sich geschehen. Eine peinliche Stille breitet sich aus. Muss sich Jesus jetzt beim Gastgeber für diesen Vorfall entschuldigen? Er tut etwas anderes: Er konfrontiert den Pharisäer mit seinem eigenen Verhalten. Er hat die einfachsten Regeln orientalischer Höflichkeit vermissen lassen. Weder durch die Stellung seines Gegenübers noch durch die Situation lässt Jesus sich beeindrucken. Schonungslos macht er dem Phasisäer klar: Du bist der, dem wenig vergeben wurde – du hast es nie für nötig erachtet, etwas in deinem Leben zu ändern. Du gehörst zu den Gerechten, die auf andere, Ungerechte herabsehen. Wer angeblich keine Barmherzigkeit nötig hat, gewährt sie auch anderen nicht. Wie weit geht meine Bereitschaft, anderen zu vergeben? Bin ich ein barmherziger Mensch?

4.Oktober Lukas 7 24 – 35
Als aber die Boten des Johannes fortgingen, fing Jesus an, zu dem Volk über Johannes zu reden: Was zu sehen seid ihr hinausgegangen in die Wüste? Ein Schilfrohr, das vom Wind bewegt wird? Oder was zu sehen seid ihr hinausgegangen? Einen Menschen in weichen Kleidern? Seht, die herrliche Kleider tragen und üppig leben, die sind an den königlichen Höfen. Oder was zu sehen seid ihr hinausgegangen? Einen Propheten? Ja, ich sage euch: Er ist mehr als ein Prophet. Er ist's, von dem geschrieben steht (Maleachi 3,1): »Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir bereiten soll.« Ich sage euch, dass unter denen, die von einer Frau geboren sind, keiner größer ist als Johannes; der aber der Kleinste ist im Reich Gottes, ist größer als er. Und alles Volk, das ihn hörte, und die Zöllner gaben Gott recht und ließen sich taufen mit der Taufe des Johannes. Aber die Pharisäer und die Lehrer des Gesetzes verwarfen für sich Gottes Ratschluss und ließen sich nicht von ihm taufen. Mit wem soll ich die Menschen dieses Geschlechts vergleichen, und wem sind sie gleich? Sie sind den Kindern gleich, die auf dem Markt sitzen und rufen einander zu: Wir haben euch aufgespielt, und ihr habt nicht getanzt; wir haben Klagelieder gesungen, und ihr habt nicht geweint. Denn Johannes der Täufer ist gekommen und aß kein Brot und trank keinen Wein; und ihr sagt: Er ist von einem Dämon besessen. Der Menschensohn ist gekommen, isst und trinkt; und ihr sagt: Siehe, dieser Mensch ist ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund der Zöllner und Sünder! Und doch ist die Weisheit gerechtfertigt worden von allen ihren Kindern.
Jesus erinnert seine Zuhörer an die Volksbewegung, die Johannes ausgelöst hatte. Alle sind sie zum Jordan geströmt, es war „in“, sich taufen zu lassen. Aber was haben sie da gesucht? Eine kurze Sensation? Einen berühmten Menschen? Genauso geht es ja zu bei religiösen und anderen „Bewegungen“: Die Menschen strömen dorthin – und übermorgen liegt schon wieder etwas anderes im Trend. Jesus vergleicht seine Zeitgenossen mit Kindern, die auf dem Markt spielen, sich aber nicht entschließen können, wirklich irgendwo mitzumachen. Sie kritisieren an allem herum, sehen da und dort Verwerfliches – und bleiben hocken. Jesus sieht Johannes ganz anders. Für ihn ist er der größte der Menschen, denn er ist der Vorläufer, der Wegbereiter. Das haben die Leute, die sich bei ihm taufen ließen, nicht erfasst. Der Kleinste im Himmelreich – da könnte Jesus sich selbst meinen, denn er hat sich von Johannes taufen lassen. Doch er ist größer als Johannes – denn im Himmelreich ist der Kleinste der Größte. Diese Botschaft ist etwas für das einfache Volk und für Zöllner und Sünder – die Theologen in Jerusalem lehnen sie ab, wie sie die Taufe des Johannes abgelehnt haben. Wem gleiche ich in dieser Geschichte? Den Kindern auf dem Markt, die mal hier und mal da sind? Den Jüngern, die sich entschlossen haben, mit Jesus mitzugehen? Den Gesetzeslehrern, die an allem etwas zu kritisieren haben?

3.Oktober Lukas 7, 18 – 23

Durch seine Jünger erfuhr auch Johannes von all diesen Dingen. Er rief zwei von ihnen zu sich und gab ihnen den Auftrag, zum Herrn zu gehen und ihn zu fragen: »Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?« Die beiden kamen zu Jesus und sagten: »Johannes der Täufer hat uns zu dir geschickt und lässt dich fragen: ›Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?‹« Dabei wurden sie Zeugen, wie Jesus viele Kranke und Leidende und von bösen Geistern Geplagte heilte und vielen Blinden das Augenlicht schenkte. Er gab den Boten zur Antwort: »Geht zu Johannes und berichtet ihm, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden geheilt, Taube hören, Tote werden auferweckt, und den Armen wird Gottes gute Botschaft verkündet. Und glücklich zu preisen ist, wer nicht an mir Anstoß nimmt.«
Johannes und Jesus – zwei Gruppierungen, zwei verschiedene Botschaften. Der eine predigt Gericht und Buße, der andere das Heil, das von Gott kommt. Der eine tauft Leute, die umkehren – der andere heilt und befreit Menschen. Johannes weiß, dass er nicht der „Kommende“ ist – aber ist es Jesus? Es ist seine menschliche Größe, dass er anfragt und seine Zweifel ausspricht, anstatt sich einfach abzuwenden.  Ja, er hat Zweifel. Müsste der Messias nicht kraftvoller auftreten? Müsste er nicht alles hinwegfegen, was das Heil Gottes hindert? Die Römer, die korrupten Priester, die mordenden Zeloten? Müsste er nicht Israel in voller Größe wiedererrichten?
 Seine Boten werden Zeugen des Handelns Jesu: Sie sehen keine gewaltige politische Aktion, keinen Aufruhr oder Aufstand – sie sehen Jesus inmitten armer Menschen, die Hilfe suchen. Wir sind in der gleichen Lage wie Johannes: Wir sehen viele Werke der Liebe, sehen hier und da auch Wunder - aber wo ist das Reich Gottes? Da ist so viel Chaos und Krieg und Gewalt auf der Welt! Jesus preist die glücklich, die das Kommende schon sehen können und nicht am Gegenwärtigen verzweifeln. Kann ich sehen, wo Jesus heute wirkt? 

2.Oktober  Lukas 7, 11 – 17

Bald darauf zog Jesus in die Stadt Nain weiter, begleitet von seinen Jüngern und einer großen Menschenmenge. Als er sich dem Stadttor näherte, kam ihm ein Trauerzug entgegen. Der Tote war der einzige Sohn einer Witwe gewesen. Zahlreiche Menschen aus dem Ort begleiteten die Mutter zum Grab. Als der Herr die Frau sah, ergriff ihn tiefes Mitgefühl. »Weine nicht!«, sagte er zu ihr. Er trat näher und berührte die Bahre. Die Träger blieben stehen, und Jesus sagte zu dem Toten: »Junger Mann, ich befehle dir: Steh auf!« Da richtete sich der Tote auf und fing an zu sprechen, und Jesus gab ihn seiner Mutter zurück. Alle waren voller Ehrfurcht; sie priesen Gott und sagten: »Ein großer Prophet ist unter uns aufgetreten. Gott hat sich seines Volkes angenommen!« Die Nachricht von diesem Ereignis verbreitete sich im ganzen jüdischen Land; sogar in allen umliegenden Gebieten sprach man von Jesus.
Da begegnet ein Zug des Lebens dem Zug des Todes: Jesus und seine Jünger samt dem Volk kommen einem Trauerzug entgegen. Was ist da los? Es ist eine Katastrophe: Der einzige Sohn einer Witwe ist gestorben. Da sie Witwe ist und der Sohn jung ist, muss ihr Mann auch jung gestorben sein. Nach jüdischem Verständnis ist das Strafe für irgendeine Schuld. Genauso beim Sohn: Sein früher Sterben weist auf eine Schuld der Witwe hin, sie ist doppelt bestraft. Und sie steht nun ohne rechtlichen Schutz und ohne Versorgung da – ihr weitere Leben ist akut bedroht. Jesus wird angesichts der Situation von tiefem Mitgefühl ergriffen. Es geht also nicht um eine wahllose und zufällige Auferweckung – er stellt sich dem vorzeitigen Tod entgegen, der den Nächsten schwer trifft. Er wird hier als „Kyrios“, als Herr bezeichnet – Jesus wird hier als Herr über den Tod dargestellt. Sein Tun ist nicht nur Lebendigmachung, sondern auch Rechtfertigung der Mutter vor dem Volk: Seht her, diese Frau hat nicht gesündigt, der Tod des Sohnes ist keine Strafe! So steht in diesem spektakulären Wunder die Frau und ihr Sohn im Mittelpunkt. Das Entscheidende ist das Mitgefühl, die Barmherzigkeit. „Es ging ihm an die Eingeweide“ steht da wörtlich. Gibt es Dinge, die mich so berühren? Die mir „an die Nieren gehen“? Und mich so zum Handeln bewegen?

1.Oktober  Lukas 7, 1 – 10
Das Volk hörte allem zu, was Jesus sagte. Als er seine Rede beendet hatte, ging er nach Kafarnaum. Der Hauptmann einer dort stationierten Einheit hatte einen Sklaven, den er sehr schätzte; dieser war schwer krank und lag im Sterben. Als der Hauptmann von Jesus hörte, schickte er einige Älteste der jüdischen Gemeinde zu ihm; sie sollten ihn bitten, zu kommen und seinem Diener das Leben zu retten. Die Männer gingen zu Jesus und baten ihn inständig, mit ihnen zu kommen. »Er ist es wert, dass du ihm diese Bitte erfüllst«, sagten sie. »Er liebt unser Volk und hat uns sogar die Synagoge gebaut.« Jesus machte sich mit ihnen auf den Weg. Doch als er nicht mehr weit vom Haus des Hauptmanns entfernt war, schickte dieser ihm einige Freunde entgegen und ließ ihm ausrichten: »Herr, bemühe dich nicht! Ich bin es nicht wert, dass du mein Haus betrittst. Deshalb hielt ich mich auch nicht für würdig, selbst zu dir zu kommen. Sprich nur ein Wort, und mein Diener wird gesund. Ich bin ja selbst dem Befehl eines anderen unterstellt und habe meinerseits Soldaten unter mir. Wenn ich zu einem von ihnen sage: ›Geh!‹, dann geht er, und wenn ich zu einem sage: ›Komm!‹, dann kommt er; und wenn ich zu meinem Diener sage: ›Tu das und das!‹, dann tut er es.« Jesus staunte über den Mann, als er das hörte. Er wandte sich um und sagte zu der Menge, die ihm folgte: »Ich versichere euch: Solch einen Glauben habe ich in ganz Israel nicht gefunden.« Als die Männer, die der Hauptmann geschickt hatte, zu ihm zurückkamen, stellten sie fest, dass der Diener wieder gesund war.

Dieser Centurio scheint ein bemerkenswerter Mann zu sein: Er hat sich mit der jüdischen Religion beschäftigt, hat gute Beziehungen zur örtlichen Gemeinde und sogar die Synagoge erbaut. Er hält sich an die Regeln, denn er achtet die Reinheitsgebote, die ihn von direktem Kontakt mit den Juden ausschließen. „Ich bin es nicht wert, dass du mein Haus betrittst“, damit wird deutlich, dass er weiß, dass dieser fromme Rabbi Jesus nicht in ein heidnisches Haus darf. Jesus kümmert sich nicht darum, er ist ja gerade auf dem Weg zu ihm. Aber das ist nicht nötig, denn der Centurio vertraut auf die Macht des Wortes Jesu in einem Maße, das selbst Jesus wundert. Woher hat er das? Das wird nicht erklärt! „Glaube ist ein Rechnen mit der Erfüllung dessen, worauf man hofft, ein Überzeugtsein von der Wirklichkeit unsichtbarer Dinge.“, heißt es in Hebräer 11,1. Dazu kann man sich nicht selbst überreden – diese Überzeugung ist ein momentanes Geschenk in einer Situation, die „passiert“. Allerdings: Ich muss bereit sein, sie zuzulassen. So geht es hier dem Centurio: Er ist plötzlich felsenfest davon überzeugt, dass „es auch so geht“ – dass der Befehl Jesu genügt. (Vorher wollte er ja, dass Jesus kommt!). Glauben zulassen zu können hängt mit Demut zusammen – der Centurio hält sich nicht für würdig, obwohl er auf seine Stellung und seine Verdienste um die Juden pochen könnte. Habe ich solche spontane Glaubensüberzeugung erlebt? Wann habe ich erlebt, dass ich in schwieriger Situation plötzlich etwas glauben konnte?

30.September  Lukas 6, 46 – 49
Warum nennt ihr mich immerfort ›Herr‹, wenn ihr doch nicht tut, was ich sage? Wisst ihr, wem der gleicht, der zu mir kommt, meine Worte hört und danach handelt? Ich will es euch sagen. Er gleicht einem Mann, der ein Haus baut und dabei tief ausschachtet und das Fundament auf felsigen Grund legt. Wenn dann Hochwasser kommt und die Flutwellen gegen das Haus schlagen, können sie es nicht erschüttern, so gut ist es gebaut. Wer aber meine Worte hört und nicht danach handelt, gleicht einem Mann, der ein Haus baut, ohne auszuschachten und ohne ein Fundament zu legen. Sobald die Flutwellen dagegen schlagen, stürzt es in sich zusammen und wird völlig zerstört.«
Ich stelle mir diesen Mann vor, der da sein Haus ohne Fundament baut. Wahrscheinlich hat er es eilig, er nimmt sich keine Zeit, auszuschachten. Dafür ist sein Haus umso größer und schöner anzuschauen als das des Nachbarn, der einen Teil seines Geldes und seiner Kraft ins Fundament gesteckt hat. Wie viele Menschen bauen so ihr Leben! Der schöne Schein ist wichtig, etwas darstellen, bewundert werden wegen dem, was man sich aufgebaut hat. Aber das Fundament des Lebens fehlt. Was ist dieses Fundament? Es ist die Lebensausrichtung nach den Worten Jesu, das Handeln nach diesen Worten. Und diese Worte haben alle mit meinem Nächsten zu tun. Es geht also nicht darum, zurückgezogen fromm zu sein, sondern mitten im Leben mit den anderen Menschen nach Jesu Worten zu leben. Ob dieses Fundament trägt, stellt sich dann heraus, wenn das Wasser steigt. Flutwellen - Schwierigkeiten, Konflike und Krankheiten - werden kommen und dann ist die Frage, ob das Gebäude meines Lebens einen tieferen Grund hat, ob es auf Fels steht oder auf Sand. Gibt es einen tieferen Grund für all das, was ich tue und mache? Mit welchen Worten Jesu lebe ich? 

29. September: Lukas 6, 43 – 45

Ein guter Baum trägt keine schlechten Früchte, und ebenso wenig trägt ein schlechter Baum gute Früchte. Jeden Baum erkennt man an seinen Früchten: Von Dornbüschen pflückt man keine Feigen, und von Gestrüpp erntet man keine Trauben. Ein guter Mensch bringt Gutes hervor, weil sein Herz mit Gutem erfüllt ist. Ein böser Mensch dagegen bringt Böses hervor, weil sein Herz mit Bösem erfüllt ist. Denn wie der Mensch in seinem Herzen denkt, so redet er.«

Jesus verbreitet keine Illusionen über den Menschen – so nach dem Motto „Ihr seid alle ganz ok!“ Nein, es gibt gute und schlechte Menschen. Wir haben oft Schwierigkeiten, zu erkennen, wie Menschen wirklich sind. Sie können sich verstellen, schön reden, uns einwickeln. Wenn wir solchen Menschen folgen, kann es gefährlich werden. Die Früchte machen es deutlich, ob jemand gut oder böse ist. Ist dieser Mensch barmherzig? Wie geht er mit Anderen um, wenn niemand zusieht? Bricht er oder sie schnell einen Streit vom Zaun? Fühlen sich Menschen in seiner / ihrer Umgebung beachtet und geliebt? Oder eher missachtet und ausgenutzt? Bei manchen Menschen braucht man Situationen, in denen sie nicht auf ihre Wirkung achten – etwa beim Autofahren. Aber es mag umgekehrt auch vorkommen, dass jemand, der hart wirkt, sich in seiner Stärke vor andere stellt und sie beschützt. Das wäre dann eine gute Frucht. Wie sieht es mit meinen Früchten aus? Sind in meinem Leben Barmherzigkeit, Liebe, Friede und ansteckende Freude zu entdecken? 


28. September: Lukas 6, 37 - 42
»Richtet nicht, und ihr werdet nicht gerichtet werden. Verurteilt nicht, und ihr werdet nicht verurteilt werden. Sprecht frei, und ihr werdet freigesprochen werden. Gebt, und es wird euch gegeben werden. Ein volles Maß wird man euch in den Schoß schütten, ein reichliches Maß, bis an den Rand gefüllt und überfließend. Denn das Maß, das ihr verwendet, wird auch bei euch verwendet werden.« Jesus gebrauchte noch einen Vergleich; er sagte: »Kann ein Blinder einen Blinden führen? Werden nicht beide in die Grube fallen? Ein Jünger steht nicht über seinem Meister; wenn er alles von ihm gelernt hat, ist er höchstens so weit gekommen wie dieser. Wie kommt es, dass du den Splitter im Auge deines Bruders siehst, aber den Balken in deinem eigenen Auge nicht bemerkst? Wie kannst du zu deinem Bruder sagen: ›Bruder, halt still! Ich will den Splitter herausziehen, der in deinem Auge sitzt‹ – und bemerkst dabei den Balken im eigenen Auge nicht? Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem eigenen Auge; dann wirst du klar sehen und kannst den Splitter, der im Auge deines Bruders ist, herausziehen.

Richtet nicht! Doch Unrecht, das Menschen  begehen, müssen wir benennen, denn das tut Jesus auch. Was ist dann mit richten und verurteilen gemeint? Es ist ein Urteil über einen Menschen wie in einem Gerichtsurteil: Das ist ein schlechter Mensch! Der oder die ist unmoralisch, unfähig, unaufrichtig, un….! Ein solches Urteil über einen Menschen steht mir nicht zu, sagt Jesus. Und das Maß, das ich verwende, wird bei mir verwendet werden. Darum wäre es gut, barmherzig zu sein! Wer einen Fehler bei einem anderen bemerkt, der sehe zu, dass er nicht einen ähnlichen Fehler bei sich übersieht. Denn oft ist das, was ich beim anderen bemerke, das, was mein eigenes verdrängtes Problem ist. Was ich bei mir nicht zulasse – und mir doch im Geheimen wünsche – sehe ich bei meinem Nächsten, der es tut, umso größer. Wir sind aus dem gleichen Holz. Wo beurteile oder verurteile ich einen meiner Mitmenschen? Und kann ich dabei den Balken im eigenen Auge entdecken? Eine Hilfe kann sein, sich ehrlich nach seinen Motiven zu fragen: Warum will ich meinen Nächsten kritisieren, ihn tadeln? Wenn ich entdecke, dass ich mich besser, gerechter oder richtiger dabei fühle, sollte ich schweigen!

27.September  Lukas 6 27 - 36

»Aber euch, die ihr mir zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen; segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch Böses tun. Schlägt dich jemand auf die eine Backe, dann halt ihm auch die andere hin, und nimmt dir jemand den Mantel, dann lass ihm auch das Hemd. Gib jedem, der dich bittet, und wenn dir jemand etwas nimmt, dann fordere es nicht zurück. Handelt allen Menschen gegenüber so, wie ihr es von ihnen euch gegenüber erwartet. Wenn ihr die liebt, die euch Liebe erweisen, verdient ihr dafür etwa besondere Anerkennung? Auch die Menschen, die nicht nach Gott fragen, lieben die, von denen sie Liebe erfahren. Und wenn ihr denen Gutes tut, die euch Gutes tun, verdient ihr dafür besondere Anerkennung? So handeln doch auch die, die nicht nach Gott fragen. Und wenn ihr denen leiht, von denen ihr ebenfalls etwas erwarten könnt, verdient ihr dafür besondere Anerkennung? Auch bei denen, die nicht nach Gott fragen, leiht einer dem anderen in der Hoffnung auf eine entsprechende Gegenleistung. Nein, gerade eure Feinde sollt ihr lieben! Tut Gutes und leiht, ohne etwas zurückzuerwarten. Dann wartet eine große Belohnung auf euch, und ihr werdet Söhne des Höchsten sein; denn auch er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen. Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist.«

Die sogenannte „Goldene Regel“ wird oft passiv formuliert: „Was du nicht willst, das man dir tu..!“ Oder im ersten Testament: „Was du hasst, das tu niemand anderem an!“ Aber Jesus dreht das um und formuliert: „Handelt allen Menschen gegenüber so, wie ihr es von ihnen euch gegenüber erwartet.“ Was erwarte ich von anderen Menschen? Beachtung, Anerkennung, Lob, konkrete Hilfe, wenn es mir schlecht geht – was noch? Von meinen Feinden – den Menschen, mit denen ich im Konflikt bin - erwarte ich, dass sie einen Weg zu mir finden, wieder miteinander zu reden, um Konflikte zu lösen. Aber bin ich bereit, diesen Weg zu gehen? Oft ist es erforderlich, sich in die Rolle und Stellung des Anderen zu versetzen, seine Blockaden und Ängste wahrzunehmen – ihn oder sie als Mensch in seiner / ihrer Bedürftigkeit und Begrenztheit zu sehen. Und warum sollte ich das tun? Jesus sagt: „Gott ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.“ Ich selbst erfahre tagtäglich die Barmherzigkeit Gottes – darum kann ich selbst barmherzig sein. Es wird konkrete Fälle geben, in denen sehe ich keinen Weg zu einer Versöhnung. Da scheint alles gesagt. Doch da heißt es: „Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch Böses tun.“ Das kann ich auf jeden Fall tun – segnen, beten. Ich glaube, Gebet verändert die Atmosphäre – bei meinem Feind und bei mir. Vielleicht sehe ich danach Wege, die zum Anderen führen. 


26. September  Lukas 6 20 – 26

Jesus blickte seine Jünger an und sagte: »Glücklich zu preisen seid ihr, die ihr arm seid; denn euch gehört das Reich Gottes. Glücklich zu preisen seid ihr, die ihr jetzt hungert; denn ihr werdet satt werden. Glücklich zu preisen seid ihr, die ihr jetzt weint; denn ihr werdet lachen. Glücklich zu preisen seid ihr, wenn ihr um des Menschensohnes willen gehasst und ausgestoßen werdet und wenn man euch um seinetwillen beschimpft und euren Namen in den Schmutz zieht. Freut euch, wenn das geschieht; tanzt und springt vor Freude! Denn im Himmel wartet eine große Belohnung auf euch. Genauso haben es ja ihre Vorfahren mit den Propheten gemacht. Doch weh euch, die ihr reich seid; denn ihr habt euren Trost damit schon erhalten. Weh euch, die ihr jetzt satt seid; denn ihr werdet hungern. Weh euch, die ihr jetzt lacht; denn ihr werdet trauern und weinen. Und weh euch, wenn alle Leute gut von euch reden! Genauso haben es ja ihre Vorfahren mit den falschen Propheten gemacht.«

Anders als in der Bergpredigt berichtet Lukas von einer „Feldrede“. Er spricht seine Jünger an, das sind bei Lukas mehr als die zwölf. Ich habe Schwierigkeiten mit diesen radikalen Worten! „Im Himmel die Belohnung!“ Ist das nicht Vertröstung aufs Jenseits? Und für die anderen – Bestrafung! Was sind es für Leute, zu denen Jesus hier spricht? (Und Lukas, der für die Gemeinde schreibt) Es sind Arme, Hungernde, Weinende, Leute, die gehasst werden und ausgestoßen werden. Der scharfe Gegensatz entsteht nicht zuerst in der Predigt, er ist in der Realität der Leute da: Sie, die das Reich des Friedens und der Liebe verkünden, erleben das genaue Gegenteil. Das ist die Situation der verfolgten Gemeinde, an die Lukas schreibt. Denen, die reich und satt sind, die lachen und ein leichtes Leben auf Kosten der anderen haben, gelten diese Gerichtsworte. Ist das auch eine Mahnung an uns? 

25.September  Lukas 6, 12 – 19
Es begab sich aber zu der Zeit, dass er auf einen Berg ging, um zu beten; und er blieb über Nacht im Gebet zu Gott. Und als es Tag wurde, rief er seine Jünger und erwählte zwölf von ihnen, die er auch Apostel nannte: Simon, den er auch Petrus nannte, und Andreas, seinen Bruder, Jakobus und Johannes; Philippus und Bartholomäus; Matthäus und Thomas; Jakobus, den Sohn des Alphäus, und Simon, genannt der Zelot; Judas, den Sohn des Jakobus, und Judas Iskariot, der zum Verräter wurde. Und er ging mit ihnen hinab und trat auf ein ebenes Feld, er und eine große Schar seiner Jünger und eine große Menge des Volkes aus dem ganzen jüdischen Land und Jerusalem und aus dem Küstenland von Tyrus und Sidon, die gekommen waren, ihn zu hören und von ihren Krankheiten geheilt zu werden; und die von unreinen Geistern umgetrieben wurden, die wurden gesund. Und alles Volk suchte ihn anzurühren; denn es ging Kraft von ihm aus und heilte sie alle.
Die Jesus-Bewegung nimmt Fahrt auf! 12 Jünger – das ist ein Programm: Jesus hat seine Sendung auf Israel gerichtet – dieses auserwählte Volk will er sammeln. 12 Jünger symbolisch für die 12 Stämme. Sie sind Apostel, Gesandte und als solche seine Stellvertreter. Offenbar hat Jesus die Zeit in der Einsamkeit im Gebet gebraucht, um zu entscheiden – sich von Gott zeigen zu lassen – wer zu diesem Kreis gehört. Wie treffe ich wichtige Entscheidungen? Gönne ich mir eine Zeit der Stille und erwarte ich, dass da „etwas kommt“? 
Bemerkenswert ist, dass die Wahl der Apostel nicht perfekt ist. Da ist Judas, der zum Verräter werden wird, dabei. Warum? Vom Ende her gedacht ist Judas derjenige, der Jesus ausliefert und ihn ans Kreuz bringt. Doch Jesus ist ganz Mensch und sieht das nicht voraus. Judas hat die Chance, einen anderen Weg einzuschlagen. Er entscheidet sich gegen Jesus und wird damit letztlich die Erlösung am Kreuz mit bewirken.  Unsere falschen Entscheidungen können Gottes Pläne nicht aufheben, ja er kann sie sogar "einbauen", um zu seinem Ziel zu kommen. 

24.September.  Lukas 6, 6 - 11

An einem anderen Sabbat, als Jesus in die Synagoge ging und lehrte, war dort ein Mann, dessen rechte Hand verkrüppelt war. Die Schriftgelehrten und Pharisäer beobachteten Jesus aufmerksam; sie wollten sehen, ob er am Sabbat heilen würde. Sie hofften nämlich, einen Vorwand zu finden, um ihn anklagen zu können. Jesus wusste, was sie dachten. »Steh auf und komm nach vorn!«, sagte er zu dem Mann mit der verkrüppelten Hand. Der Mann stand auf und trat vor. Nun wandte sich Jesus zu den Schriftgelehrten und Pharisäern und sagte: »Ich frage euch: Was ist richtig – am Sabbat Gutes zu tun oder Böses? Einem Menschen das Leben zu retten oder ihn ins Verderben zu stürzen?« Er sah sie alle der Reihe nach an. Dann befahl er dem Mann: »Streck deine Hand aus!« Der Mann tat es, und seine Hand war geheilt. Da wurden sie von sinnloser Wut gepackt und berieten miteinander, was sie gegen Jesus unternehmen könnten.

Es ist auch im Judentum geboten, einem Menschen in Not am Sabbat zu helfen. Aber ist der Mann mit der verkrüppelten Hand in akuter Not? Könnte Jesus ihn nicht am Montag heilen? Den Gegnern Jesu geht es darum, Jesus bei einer Gesetzesübertretung zu ertappen. Jesus aber verfolgt mit seinem Handeln zwei Dinge: Einmal geht es um die Heilung eines Menschen, der schon lange leidet. Zum Anderen konfrontiert er seine Gegner mit einem messianischen Wunder, das sie nicht abstreiten können. Damit sagt er: Wenn eure Gesetzesbefolgung etwas Gutes und Heilsames verhindert, dann stimmt sie nicht! Und wir? Immer, wenn wir im Namen der Religion einem leidenden Menschen sagen: "Das ist jetzt nicht so wichtig!" oder "Warte bis morgen, stell dich nicht so an!" begeben wir uns auf die Seite der Gegner Jesu. Werden wir uns in unseren Gottesdiensten und Gebeten stören lassen?  

23.September   Lukas 6, 1 - 5

An einem Sabbat ging Jesus durch die Felder. Seine Jünger rissen Ähren ab, zerrieben sie mit den Händen und aßen die Körner. Da sagten einige der Pharisäer: »Was tut ihr da? Das ist doch am Sabbat nicht erlaubt!« Jesus entgegnete ihnen: »Habt ihr nie gelesen, was David tat, als er und seine Begleiter Hunger hatten? Wie er ins Haus Gottes ging, die geweihten Brote nahm, davon aß und auch seinen Begleitern davon gab, obwohl doch niemand außer den Priestern davon essen darf?« Und Jesus fügte hinzu: »Der Menschensohn ist Herr über den Sabbat.« 

Die Regeln im Judentum waren streng – am Sabbat wurden Schritte gezählt - 1000 sind erlaubt - und jede Arbeit war verboten, sogar Feuer im Herd zu machen. Jesus erinnert an David, der in der Not seiner Flucht von Broten aß, die Gott und den Priestern vorbehalten waren. Aber das war ja eine Notsituation – die Jünger aber hatten einfach nur Hunger. Wo kommen wir hin, wenn wir die Bedürfnisse der Menschen über die heiligen Gebote stellen? So argumentieren strenge Gläubige bis heute. Doch Jesus entscheidet in der konkreten Situation anders. Es heißt hier nicht: "Der Mensch ist Herr über den Sabbat" sondern: "Der Menschensohn",  Jesus selbst.  Sein Verhalten gegenüber Menschen, sein Leben und Sterben für uns sind Maßstab für unser Leben. Und was heißt das an diesem Tag? 

22. September: Lukas 5, 33 – 39
Daraufhin sagten sie zu Jesus: »Die Jünger des Johannes fasten oft und verrichten Gebete, ebenso die Jünger der Pharisäer; deine Jünger jedoch fasten nicht, sondern essen und trinken.« Jesus entgegnete ihnen: »Könnt ihr etwa bei einer Hochzeit die Gäste fasten lassen, während der Bräutigam noch bei ihnen ist? Es kommt allerdings eine Zeit, wo ihnen der Bräutigam entrissen sein wird; dann werden sie fasten.« Jesus gebrauchte noch einen Vergleich; er sagte: »Niemand schneidet ein Stück Stoff aus einem neuen Kleid und flickt damit ein altes; sonst ist das neue Kleid zerschnitten, und zu dem alten passt das herausgeschnittene Stück ja gar nicht. Auch füllt niemand jungen Wein in alte Schläuche. Er gärt ja noch und würde die Schläuche zum Platzen bringen; der Wein würde auslaufen, und auch die Schläuche wären nicht mehr zu gebrauchen. Nein, jungen Wein füllt man in neue Schläuche. Aber niemand, der vom alten Wein getrunken hat, will vom jungen etwas wissen. ›Der alte ist besser‹, sagt er.«

Der letzte Satz kann einen verwirren. Ist das Alte jetzt doch besser? Es ging doch um Neues, Besseres, oder? Nein, im Kern geht es darum, Altes und Neues nicht zu vermischen. Dann ist nämlich Beides kaputt. Junger Wein in neue Schläuche – alter Wein soll in den alten Schläuchen bleiben. Gegenüber seinen Gegnern heißt das: Bleibt ihr nur bei euren Traditionen und Regeln – sie haben ihr Recht, es ist ja schließlich das mosaische Gesetz, das sie befolgen, von dem Jesus einmal sagt: „Ich bin nicht gekommen, es aufzulösen.“ Doch das Neue, das mit Jesus kommt, die Herrschaft Gottes, kann und soll nicht mit dem Alten vermischt werden. Das bedeutet für uns, die Nachfolger Jesu: Wagt im Namen Jesu immer wieder das Neue und vermischt es nicht mit Altem. Das Alte war nicht schlecht, doch nun bricht Neues an. Für das eigene Leben heißt das: Es gibt Wendepunkte, die ein scharfes Vorher – nachher markieren. Wenn jemand Christ wird, oder wenn jemand eine ganz neue Beziehung beginnt oder eine neue Stelle antritt. „Pflüget ein neues (Feld)“, ruft da das Wort Gottes – und beim Pflügen soll man ja laut Jesus nicht zurückschauen. Das Alte war in sich gut, aber jetzt gilt es, etwas Neues zu gestalten, Lass das Alte los, vermische nicht Neues und Altes, sonst wird es nichts. Kann ich mich (noch) vertrauensvoll auf Neues einlassen? Kann ich Altes loslassen?

21. September Lukas 5, 27 – 32

Als Jesus danach weiterging und am Zollhaus vorbeikam, sah er dort einen Zolleinnehmer sitzen, einen Mann namens Levi. Jesus sagte zu ihm: »Folge mir nach!« Da stand Levi auf, ließ alles zurück und folgte Jesus. Levi gab Jesus zu Ehren in seinem Haus ein großes Fest. Zusammen mit Jesus und seinen Jüngern nahmen zahlreiche Zolleinnehmer und andere Leute von zweifelhaftem Ruf an dem Essen teil. Die Pharisäer und ihre Anhänger unter den Schriftgelehrten waren darüber empört und stellten die Jünger zur Rede. »Wie könnt ihr nur zusammen mit Zolleinnehmern und Sündern essen und trinken?«, sagten sie. Jesus selbst gab ihnen die Antwort: »Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken. Ich bin nicht gekommen, um Gerechte zu rufen; ich bin gekommen, um Sünder zur Umkehr zu rufen.«

Wer mit solchen Leuten isst und trinkt, verunreinigt sich! Das ist die Überzeugung der Pharisäer. Wie halten wir es mit diesen Leuten „von zweifelhaftem Ruf“? Betrügerische Makler, Finanzjongleure, Leute, die Frauen auf die Straße schicken, Unternehmer, die osteuropäische Arbeiter ausbeuten und so weiter? Blos Abstand halten, mit solchen Leuten sollte man nichts zu tun haben. Jesus aber geht von einer Grundüberzeugung aus: Diese Leute sind krank und sie können geheilt werden. In ihnen gibt es ein verborgenes Wissen um Gerechtigkeit und Recht. Wenn ich mit ihnen Gemeinschaft suche, kann ich dieses Wissen, diese Sehnsucht nach wahrem und richtigem Leben in ihnen wachrufen. Nicht sie werden mich „infizieren“, sondern ich sie. Und die Menschen, die Jesus begegnen, spüren: Da ist etwas, das ich zutiefst gesucht habe, da ist Sinn und Antwort auf meine Lebensfragen. Deshalb steht Levi, der Zöllner auf und lässt alles hinter sich – getroffen von dieser Erkenntnis: Das ist es! Das habe ich gesucht! Die „Gerechten“ aber gehen in ihrer Rechtschaffenheit am Leben vorbei.

20.September  Lukas 5, 17 – 26

Eines Tages, als Jesus lehrte, saßen unter den Zuhörern auch Pharisäer und Gesetzeslehrer, die aus allen Dörfern Galiläas und aus Judäa und Jerusalem gekommen waren. Die Kraft des Herrn war durch ihn wirksam, sodass Heilungen geschehen konnten. Da brachten einige Männer einen Gelähmten auf einer Tragbahre. Sie versuchten, ihn ins Haus hineinzutragen, um ihn vor Jesus niederzulegen. Doch es herrschte ein solches Gedränge, dass sie keinen Weg fanden, den Kranken zu ihm zu bringen. Da stiegen sie auf das Dach des Hauses, deckten einige Ziegel ab und ließen den Gelähmten samt seiner Bahre mitten in den Raum hinunter, genau vor Jesus. Als Jesus ihren Glauben sah, sagte er zu dem Mann: »Mein Freund, deine Sünden sind dir vergeben!« Das erregte den Widerspruch der Schriftgelehrten und Pharisäer. »Wer ist dieser Mensch, der solche Gotteslästerungen ausspricht?«, fragten sie sich. »Niemand kann Sünden vergeben außer Gott.« Jesus wusste, was sie dachten. »Warum gebt ihr solchen Gedanken Raum in euren Herzen?«, fragte er sie. »Was ist leichter – zu sagen: ›Deine Sünden sind dir vergeben‹ oder: ›Steh auf und geh umher!‹? Doch ihr sollt wissen, dass der Menschensohn die Vollmacht hat, hier auf der Erde Sünden zu vergeben.« Und er wandte sich zu dem Gelähmten und sagte: »Ich befehle dir: Steh auf, nimm deine Tragbahre und geh nach Hause!« Sofort stand der Mann auf, nahm vor ihren Augen die Bahre, auf der er gelegen hatte, und ging, Gott lobend und preisend, nach Hause. Da gerieten alle außer sich vor Staunen und priesen Gott; voll Ehrfurcht sagten sie: »Heute haben wir unglaubliche Dinge erlebt.«

Eine tolle Geschichte! Wer solche Freunde hat, ist gut dran. Sie lassen sich in ihrer Sorge um den Freund nicht von einem Lehmdach stoppen. Aber diese Story bekommt plötzlich eine unerwartete Wendung: Alle warten doch darauf, dann Jesus den Mann heilt! Und dann sagt er: „Deine Sünden sind dir vergeben!“ Nein, es kann nicht sein, dass Jesus auf diese alten Lehren vom Kranksein als Sündenstrafe zurückwill. Dem hat er an anderer Stelle deutlich widersprochen. Es kann aber sehr wohl sein, dass er etwas sieht, das anderen verborgen ist: Das Problem dieses Mannes ist nicht nur seine Lähmung, sondern zuerst seine Lebenshaltung, sein Getrenntsein von Gott – vielleicht in Verbitterung und Groll. Das ist die Wurzel seiner Krankheit. Und die muss entfernt werden. Dabei lässt sich Jesus überhaupt nicht davon beeindrucken, was die Leute sagen werden – weder die, die auf die Heilung warten noch die anwesenden Theologen. Diese schreiten auch sofort ein: Das geht ja gar nicht! Nur Gott darf…Jesus stellt eine geschickte Frage: Was ist leichter – heilen oder Sünden vergeben? Nunja, Sünden vergeben, sagen die Leute, da muss man ja nichts Sichtbares tun. Doch dann heilt er den Mann und macht damit klar: Wenn das, von dem ihr denkt, es sei das Schwerere, geschieht – dann geschieht doch auch das „Leichtere“, wenn ich es sage, oder? Jesus beansprucht damit göttliche Autorität. Was mich an der Geschichte fasziniert – außer dem kaputten Dach und den Freunden – ist, dass Jesus sich in seiner „Agenda“ überhaupt nicht durcheinanderbringen lässt – er zieht durch, was ihm wichtig ist. Und ich? Wie oft lasse ich mich von der vermuteten Reaktion der Leute von dem abhalten, das ich als wichtig und wesentlich erkannt habe?



18.September: Lukas 5, 12 – 16


In einer der Städte, durch die Jesus kam, war ein Mann, der am ganzen Körper Aussatz hatte. Als er Jesus sah, warf er sich vor ihm nieder und flehte ihn an: »Herr, wenn du willst, kannst du mich rein machen.« Da streckte Jesus die Hand aus und berührte ihn. »Ich will es«, sagte er, »sei rein!« Im selben Augenblick verschwand der Aussatz. Jesus verbot dem Geheilten, mit jemand darüber zu sprechen. »Geh stattdessen zum Priester«, befahl er, »zeig dich ihm und bring das Opfer für deine Reinigung dar, wie Mose es vorgeschrieben hat. Das soll ein Zeichen für sie sein.« Jesus wurde immer bekannter; die Menschen strömten in Scharen herbei, um ihn zu hören und von ihren Krankheiten geheilt zu werden. Er aber zog sich in die Einsamkeit zurück, um zu beten.

Warum endet diese Geschichte in der Einsamkeit? Sie hätte doch der Anfang einer gewaltigen Bewegung sein können: Jesus, der Heiler und Lehrer, der  berühmte Rabbi, der Tausende um sich schart. Einmal abgesehen davon, dass damals eine "Messiasbewegung" eine ziemlich gefährliche Angelegenheit war, ist Jesus offenbar nicht dran interessiert, Massen zu bewegen. Die Leute wollen Wunder sehen, ihm aber geht es um das Reich Gottes. Seine Botschaft heißt: "Kehrt um! Werdet anders!" Ja, er wendet sich dem Einzelnen zu, der seine Hilfe braucht - aber nicht, um eine Massenbewegung zu entfachen. Denn diese Masse sucht nicht ihn und seine Botschaft, sondern die Sensation. Was suche ich bei Jesus? Heilung, Befreiung, ein glücklicheres Leben? Das ist alles nicht schlecht - aber suche ich ihn und seine Botschaft, nämlich die Erlösung der Welt? 

17.September  Lukas 5, 1 – 11
Eines Tages stand Jesus am See Gennesaret; eine große Menschenmenge drängte sich um ihn und wollte das Wort Gottes hören. Da sah er zwei Boote am Ufer liegen. Die Fischer waren ausgestiegen und reinigten ihre Netze. Jesus stieg in das Boot, das Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück weit auf den See hinauszufahren. So konnte er im Boot sitzen und von dort aus zu den Menschen sprechen. Als er aufgehört hatte zu reden, wandte er sich an Simon und sagte: »Fahr jetzt weiter hinaus auf den See; werft dort eure Netze zum Fang aus!« Simon antwortete: »Meister, wir haben uns die ganze Nacht abgemüht und haben nichts gefangen. Aber weil du es sagst, will ich die Netze auswerfen.« Das taten sie dann auch, und sie fingen eine solche Menge Fische, dass ihre Netze zu reißen begannen. Deshalb winkten sie den Fischern im anderen Boot, sie sollten kommen und mit anpacken. Zusammen füllten sie die beiden Boote, bis diese schließlich so voll waren, dass sie zu sinken drohten. Als Simon Petrus das sah, warf er sich vor Jesus auf die Knie und sagte: »Herr, geh fort von mir! Ich bin ein sündiger Mensch.« Denn ihm und allen, die bei ihm im Boot waren, war der Schreck in die Glieder gefahren, weil sie solch einen Fang gemacht hatten, und genauso ging es Jakobus und Johannes, den Söhnen des Zebedäus, die zusammen mit Simon Fischfang betrieben. Doch Jesus sagte zu Simon: »Du brauchst dich nicht zu fürchten. Von jetzt an wirst du ein Menschenfischer sein.« Da zogen sie die Boote an Land, ließen alles zurück und schlossen sich ihm an.

Diese Berufungsgeschichte hat eine Voraussetzung: Simon wird von Jesus gebeten, ein wenig hinauszufahren, damit er predigen kann. Er könnte sagen: „Also, hör mal, Jesus, ich bin mit diesen Netzen noch nicht fertig. Außerdem bin ich müde, die Nacht war lang! Such dir doch einen anderen!“ Aber das steht nicht da – Simon nickt und tut worum Jesus ihn bittet. Der Beginn seiner Glaubensgeschichte ist etwas sehr einfaches: Er tut, was er leicht tun kann – und damit ist er dem Reden Jesu ganz nahe. Er hört zu – und es heißt ja, der Glaube kommt aus dem Hören. Wie könnte das bei uns aussehen? Vielleicht der Entschluss, einen Gottesdienst zu besuchen, oder jemandem zuzuhören, der seine Geschichte erzählt. Oder….es gibt viele Möglichkeiten, sich für die Botschaft Jesu zu öffnen. Erst nach diesem Hören folgt sozusagen die „zweite Stufe“: „Fahrt weiter hinaus“ Und nun kann Simon sagen: „Auf dein Wort hin!“ Das hätte er, bevor er Jesus zugehört hatte, nicht so gesagt. Bonhoeffer schreibt einmal: Nur der Glaubende ist gehorsam und nur der Gehorsame glaubt. Diese scheinbar ausweglose Situation löst er auf, indem er von Situationen spricht, in denen geglaubt werden kann. Es sind Momente, in denen beides zusammenfällt: Ich kann glauben und gehorchen. Es ist eine Situation, in die ich durch göttliche Fügung gerate: Plötzlich ist es ganz leicht, ja zu sagen, zu folgen. Es ist nicht mein heroischer Entschluss und nicht mein Verdienst – es ist ein Geschenk. So ergeht es Simon Petrus hier: Dass er Jesus nun folgt, ist für ihn nach dem Fischzug keine Frage mehr. Wo habe ich solch eine Situation erlebt? Oder: Will ich sie erleben?

16.September  Lukas 4, 40 – 44

 Als die Sonne unterging, brachten alle Leute ihre Kranken zu Jesus – Menschen mit den verschiedensten Leiden. Er legte jedem Einzelnen von ihnen die Hände auf und heilte sie. Von vielen fuhren auch Dämonen aus; diese schrien: »Du bist der Sohn Gottes!« Aber Jesus trat ihnen mit Nachdruck entgegen und verbot ihnen zu reden; denn sie wussten, dass er der Messias war. Bei Tagesanbruch verließ Jesus ´das Haus` und ging an einen einsamen Ort. Doch die Leute suchten ihn, bis sie ihn gefunden hatten. Sie wollten ihn festhalten und verhindern, dass er von ihnen wegging. Aber er sagte zu ihnen: »Ich muss auch den anderen Städten die Botschaft vom Reich Gottes verkünden, denn dazu bin ich gesandt worden.« Von da an verkündete er die Botschaft vom Reich Gottes überall in den Synagogen des jüdischen Landes.

Es wäre nicht gut für Jesus gewesen, wenn er offen als Messias aufgetreten wäre. Dafür konnte man schnell an ein Kreuz geschlagen werden. Er ist verdeckt unterwegs, seine Messianität wird nur in seinen Taten deutlich – wenn er heilt, Sünden vergibt und sich über Gesetze hinwegsetzt. Die Leute mögen Jesus, sie wollen, dass er bleibt und eine lokale Berühmtheit wird. Jesus von Kafernaum – der berühmte Rabbi, der dort eine Schule gegründet hat. Doch das ist nicht sein Ziel. Er weiß, wozu er von Gott gesandt worden ist. Er kennt seine Bestimmung – und das macht ihn frei gegenüber den Ansprüchen und dem Lob der Leute. Denn es ist oft gerade das Lob, das uns bindet: Wir brauchen dich hier, du bist eine wichtige Stütze, unverzichtbar usw. Weiß ich, was mein Ziel und meine Bestimmung ist? Was ist wirklich wesentlich? Und wo erlebe ich, dass Menschen mich in eine Bestimmung hineindrängen wollen, die nicht die meine ist? Jeder Mensch sucht Anerkennung – bin ich davon abhängig?

15.September Lukas 4, 31 – 39

Jesus ging hinunter nach Kafarnaum, einer Stadt in Galiläa, und sprach dort am Sabbat zu den Menschen. Sie waren von seiner Lehre tief beeindruckt, denn er redete mit Vollmacht. In der Synagoge war auch ein Mann, der einen bösen Geist hatte, einen Dämon. Er schrie mit lauter Stimme: »Was willst du von uns, Jesus von Nazareth? Bist du gekommen, um uns zugrunde zu richten? Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes!« – »Schweig!«, befahl ihm Jesus. »Verlass diesen Mann!« Da warf der Dämon den Mann mitten in der Synagoge zu Boden und verließ ihn, ohne ihm noch etwas antun zu können. Furcht und Staunen ergriff alle, und sie sagten zueinander: »Was für eine Vollmacht und Kraft hat sein Wort! Er befiehlt den bösen Geistern auszufahren, und sie fahren aus.« Bald gab es in der ganzen Gegend keinen Ort mehr, an dem man nicht von Jesus sprach. Von der Synagoge aus ging Jesus in das Haus Simons. Dessen Schwiegermutter hatte hohes Fieber, und man bat Jesus, ihr zu helfen. Er trat zu ihr hin, beugte sich über sie und befahl dem Fieber, sie zu verlassen. Das Fieber verschwand, und sofort stand sie auf und sorgte für das Wohl Jesu und seiner Begleiter.

Jesus hat Menschen geheilt. Das wird immer und immer wieder berichtet. Es ist die Konsequenz seiner Botschaft: Im Reich Gottes wird es weder Leid noch Krankheit geben. Die Wunder sind Zeichen des Kommenden und nicht Demonstrationen der Macht. So verstehen es die Zuschauer, aber Jesus wendet sich immer einzelnen Menschen zu, die Hilfe brauchen. Uns ist die Schilderung dämonischer Besetzung eher fremd. Aber es gibt sie. Aber es gibt hier keinen „Exorzismus“. Die Sache läuft ganz andersherum. Der Dämon in dem Mann spricht Jesus an. Er weiß, wer Jesus ist. Vier Worte spricht Jesus und der Dämon gehorcht. Die Kraft, die von Jesus ausgeht, ist so stark, dass es nicht vieler Worte bedarf. Wie anders sind oft unsere Bittgebete! Dabei sagt Jesus selbst einmal: Macht nicht viele Worte, wenn ihr betet!“ Es kommt nicht auf die Worte an – sondern auf die dahinterstehende Überzeugung, auf den Glauben, dass Gott es tun wird. Dieser Glaube entspringt einer tiefen Verbundenheit Jesu mit seinem Vater – immer wieder wird berichtet, dass er sich der Menge entzieht und irgendwo auf einem Berg sitzt und betet. Welche Intensität und Tiefe hat mein Gebet – und von welcher Überzeugung ist es getragen?

14.September: Lukas 4, 22 - 30


Alle waren von ihm beeindruckt und staunten über seine Worte. Sie mussten zugeben, dass das, was er sagte, ihm von Gott geschenkt war. »Aber ist er denn nicht der Sohn Josefs?«, fragten sie. Da sagte Jesus zu ihnen: »Ihr werdet mir sicher das Sprichwort vorhalten: ›Arzt, hilf dir selbst!‹ und werdet sagen: ›Wie wir gehört haben, hast du in Kafarnaum große Dinge getan. Nun, dann tu sie auch hier in deiner Vaterstadt!‹« »Ich sage euch«, fuhr Jesus fort, »kein Prophet gilt etwas in seiner Vaterstadt. Im Übrigen erinnere ich euch an Folgendes: Es gab in Israel viele Witwen, als es in den Tagen Elias drei Jahre und sechs Monate nicht regnete und im ganzen Land eine große Hungersnot herrschte. Und doch wurde Elia zu keiner von ihnen geschickt, sondern zu einer Witwe in Sarepta im Gebiet von Sidon. Und zur Zeit des Propheten Elisa gab es in Israel viele Aussätzige. Aber nicht einer von ihnen wurde geheilt, nur der Syrer Naaman.« Als die Leute in der Synagoge das hörten, packte sie alle die Wut. Sie sprangen auf, zerrten Jesus zur Stadt hinaus und führten ihn an einen Abhang des Hügels, auf dem ihre Stadt erbaut war; dort wollten sie ihn hinunterstürzen. Jesus aber schritt mitten durch die Menge hindurch und ging fort.

Es hätte ein so schöner Gottesdienst werden können! Doch Jesus verdirbt ihn! Warum? Hinten den Worten „Sie mussten zugeben“ und „Ist das nicht Josephs Sohn?“ verbirgt sich eine hitzige Diskussion, die seine Worte ausgelöst haben. Der Vorwurf der Leute lautet: Wenn du der Messias sein willst, musst du Wunder vorweisen! Aber Jesus hatte in Nazareth keine Wunder vollbracht. Gerade weil ihn die Leute kennen – er ist ja hier aufgewachsen – können sie ihn nicht akzeptieren und auch nicht glauben, dass er „etwas Besonderes“ ist. Das ist ein verbreitetes Verhalten: Weil wir meinen, unsere Nächsten zu kennen, können wir in ihnen nichts anderes sehen, als das, was wir vermeintlich kennen. Wir legen unsere Nächsten auf die Rollen fest, die sie unserer Meinung nach haben sollten. Niemand sollte da zu sehr nach Höherem oder Anderem streben. Jesus weist mit seinen Beispielen aus der Geschichte Israels darauf hin: Das Heil Gottes kommt, wenn es von den Juden abgelehnt wird, eben zu den Heiden. Das ist für die frommen Nazarener eine Provokation, denn sie sind doch das Volk Gottes! Sie sehen sich nicht als die Armen, Gefangenen und Blinden, zu denen Jesus gesandt ist. Sie sind rechtschaffene Leute! Aber Jesus sagt ihnen, dass Gott an ihnen vorbeigeht und das Heil dann eben woanders stattfindet. Jesus erlebt hier die Ablehnung und den Zorn derer, die so festgefügte Meinungen und Ansichten haben, dass bei ihnen das Leben nicht wachsen kann. Gibt es bei mir solche Erfahrungen? Menschen, die mir mit ihren Einstellungen das Leben schwer machen, die Entwicklungen verhindern und in mir nur immer den „Zimmermannssohn“ oder die brave Tochter sehen? Jesus schritt mitten durch sie hindurch und ging fort….

13. September: Lukas 4, 14 – 21

Erfüllt mit der Kraft des Geistes, kehrte Jesus nach Galiläa zurück. Bald sprach man in der ganzen Gegend von ihm. Er lehrte in den Synagogen und wurde von allen hoch geachtet. So kam Jesus auch nach Nazaret, wo er aufgewachsen war. Am Sabbat ging er, wie er es gewohnt war, in die Synagoge. Er stand auf, um aus der Schrift vorzulesen, und man reichte ihm die Buchrolle des Propheten Jesaja. Er rollte sie auf und las die Stelle, an der es heißt: »Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt mit dem Auftrag, den Armen gute Botschaft zu bringen, zerbrochene Herzen zu heilen, den Gefangenen zu verkünden, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen werden, den Unterdrückten die Freiheit zu bringen, und ein Jahr der Gnade des Herrn auszurufen.« Jesus rollte die Buchrolle zusammen, gab sie dem Synagogendiener zurück und setzte sich. Alle in der Synagoge sahen ihn gespannt an. Er begann zu reden. »Heute hat sich dieses Schriftwort erfüllt«, sagte er zu ihnen. »Ihr seid Zeugen.« Alle waren von ihm beeindruckt und staunten über seine Worte.
Jesus hat Erfolg. Er ist als Lehrer akzeptiert – er könnte eine Karriere als Rabbi machen. Doch dann lehrt er in seiner Heimatsynagoge. Der Vorgang ist ganz üblich: Einer steht im Gottesdienst auf, ihm wird eine Schriftrolle gereicht und er sucht sich selbst den Lesetext heraus. Nicht zufällig wählt Jesus den Text aus Jesaja 61, Vers 1 und folgende. Es ist die Ankündigung des Messias. Gespannt warten die Besucher auf die Auslegung. Kühn bezieht Jesus dieses Wort auf sich: „Heute ist es erfüllt!“ Die Leute staunen – erst einmal. Der Auftrag des Messias lautet: Den Armen die gute Botschaft zu bringen! Jesus ist nicht einfach ein Rabbi, ein Lehrer – er ist der, der diese Botschaft in die Realität umsetzt, der tut, was er verkündet. Mit ihm beginnt diese Botschaft Wirklichkeit zu werden. Es ist ein Schritt über eine unsichtbare Linie. Vorher konnte man theoretisch darüber reden, diskutieren, abwägen. Nun aber hat er sich festgelegt: Das geschieht jetzt und hier, mit mir! Auch für seine Nachfolger gibt es diese „Schritte über die Linie“ – die Festlegung auf ein Handeln, das sich an dem Heil ausrichtet, das Gott den Armen versprochen hat. Wenn jemand offen für Flüchtlinge eintritt, wenn jemand die Seenotrettung offen unterstützt oder seine Zeit und Kraft denen widmet, die durch alle sozialen Netze gefallen sind oder die irgendwo in der Welt im Gefängnis sitzen - dann ist dafür Entschiedenheit notwendig. Die Umwelt sagt: Was geht das uns an? Aber Jesus sagt: Das ist mein Auftrag: Gefangenen verkünden, dass sie frei sein sollen – was nur Sinn macht, wenn sie wirklich freikommen. Wo ist die Linie, die ich vor mir sehe und die ich überschreiten werde?


12.September Lukas 4, 8 - 13


Der Teufel führte ihn auch nach Jerusalem, stellte ihn auf einen Vorsprung des Tempeldaches und sagte: »Wenn du Gottes Sohn bist, dann stürz dich von hier hinunter! Denn es heißt in der Schrift: ›Er wird seine Engel schicken, damit sie dich behüten. Sie werden dich auf ihren Händen tragen, damit du mit deinem Fuß nicht an einen Stein stößt.‹« Jesus erwiderte: »Es heißt aber auch: ›Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht herausfordern!‹« Nachdem der Teufel alles versucht hatte, um Jesus zu Fall zu bringen, ließ er ihn für einige Zeit in Ruhe.

"Wenn du Gottes Sohn bist!" - Wäre es für Jesus am Anfang seines Wirkens nicht von Vorteil, einen klaren Beweis für seine Sendung zu haben? Seine Verwandten haben ihn für verrückt erklärt, in seinem Heimatort wird er mit Misstrauen betrachtet. Der Teufel hat den Schwachpunkt erkannt und bietet ihm scheinbare Sicherheit: Probiere es doch aus! Wieder antwortet Jesus mit einem Gotteswort. Er weiß: Sein Vater wird ihm keine andere Sicherheit bieten als die innerste Beziehung im hörenden Vertrauen. Auch wir erhalten keine "Bestätigungswunder" auf Bestellung und sind auf das Vertrauen angewiesen, das Gott uns schenkt.  


11.September Lukas 4, 3 - 7 

Der Teufel führte ihn an eine hochgelegene Stelle, zeigte ihm in einem einzigen Augenblick alle Reiche der Erde und sagte: »Alle diese Macht und Herrlichkeit will ich dir geben. Denn mir ist das alles übergeben, und ich gebe es, wem ich will. Du brauchst mich nur anzubeten, und alles gehört dir.« Aber Jesus entgegnete: »Es heißt in der Schrift: ›Den Herrn, deinen Gott, sollst du anbeten; ihm allein sollst du dienen.‹«

Der zweite Bereich Der Versuchung Jesu heißt: Macht!  Wenn Menschen für ihren eigenen Machtgewinn oder Machterhalt handeln, ist das nicht ohne Weiteres erkennbar. Sie sprechen dann von gottgegebener Autorität oder von verliehener Leiterschaft. Doch hier wird nicht Gott angebetet und nicht Gott gedient, sondern dem Teufel. Wer selbst unter solcher Machtausübung steht, braucht den Mut zum Widerstand: "Ich diene allein Gott!" Aber zugleich ist es gut, sich zu fragen, ob ich in meinem "Machtbereich" Gott diene oder meinem eigenen Machtstreben. 

10.September: Lukas 4, 1 – 13
Erfüllt mit dem Heiligen Geist, verließ Jesus die Jordangegend. Vierzig Tage war er, vom Geist geführt, in der Wüste und wurde vom Teufel versucht. Während jener ganzen Zeit aß er nichts, sodass er am Ende sehr hungrig war. Da sagte der Teufel zu ihm: »Wenn du Gottes Sohn bist, dann befiehl diesem Stein hier, er soll zu Brot werden.« Aber Jesus gab ihm zur Antwort: »Es heißt in der Schrift: ›Der Mensch lebt nicht nur von Brot.‹«  

Wir geraten hier mitten in die anfängliche Geschichte Jesu: Die Taufe ist geschehen, Gott hat sich zu seinem Sohn bekannt, eine Taube war das sichtbare Zeichen des Geistempfangs. Und nun die Wüste! In drei typischen Bereichen will der Versucher Jesus zu Fall bringen. Zuerst der Bereich menschlicher Bedürfnisse. Wird Jesus seinem Hungergefühl nachgeben? Wird er versuchen, für sich selbst Wunder zu wirken, um sein Bedürfnis zu stillen? Es ist ein Beispiel – wir könnten auch an andere menschliche Bedürfnisse denken und fragen: Lasse ich mich von ihnen steuern? In welchen Situationen bin ich versucht, mich von Bedürfnissen zu Dingen treiben zu lassen, die ich sonst ablehne? Wie steht es um meine Fähigkeit, Bedürfnisse aufzuschieben? 

9.September Rut 4, 13 – 17

So nahm Boas Rut zur Frau und ging zu ihr. Der HERR ließ sie schwanger werden und sie gebar einen Sohn. Da sagten die Frauen zu Noomi: Gepriesen sei der HERR, der es dir heute nicht an einem Löser hat fehlen lassen. Sein Name soll in Israel gerühmt werden. Du wirst jemand haben, der dein Herz erfreut und dich im Alter versorgt; denn deine Schwiegertochter, die dich liebt, hat ihn geboren, sie, die für dich mehr wert ist als sieben Söhne. Noomi nahm das Kind, drückte es an ihre Brust und wurde seine Pflegemutter. Die Nachbarinnen rühmten ihn und sagten: Der Noomi ist ein Sohn geboren. Und sie gaben ihm den Namen Obed. Er ist der Vater Isais, des Vaters Davids.

Rut ist für Noomi mehr wert als sieben Söhne! Warum? Weil sie nicht nur an ihre Versorgung und ihr Glück gedacht hat, sondern Noomi mit hineingenommen hat. Sie hat sich dem Gesetz des ihr fremden Volkes unterworfen und ist so unter den Segen Gottes gekommen. Für Noomi bedeutet es, dem ungesicherten Stand der Witwe zu entkommen und nun rechtlich gesehen einen Sohn zu haben. Dieser Sohn ist der Großvater Davids. Damit ist Rut nun wirklich „integriert“! Wenn Gott Heilsgeschichte schreibt, kümmert er sich nicht um unsere Vorurteile. Wenn wir heute Menschen begegnen und uns um sie kümmern, kann Gott mit ihnen Geschichte schreiben. Wir wissen nie, was dabei herauskommt und welche neuen Geschichten entstehen. An welche Menschen denke ich dabei? Wen hat Gott in meinen Weg gestellt?

8.September Rut 4, 7 - 12

Früher bestand in Israel folgender Brauch: Um ein Löse- oder Tauschgeschäft rechtskräftig zu machen, zog man den Schuh aus und gab ihn seinem Partner. Das galt in Israel als Bestätigung. Der Löser sagte nun zu Boas: Erwirb es für dich! und zog seinen Schuh aus. Boas sagte zu den Ältesten und zum ganzen Volk: Ihr seid heute Zeugen, dass ich alles Eigentum Elimelechs sowie das Kiljons und Machlons aus der Hand der Noomi erworben habe. Auch Rut, die Moabiterin, die Frau Machlons, habe ich mir zur Frau erworben, um den Namen des Verstorbenen auf seinem Erbe erstehen zu lassen, damit sein Name unter seinen Verwandten und im Tor seines Ortes nicht erlischt. Ihr seid heute Zeugen. Da antwortete das ganze Volk im Tor samt den Ältesten: Wir sind Zeugen. Der HERR mache die Frau, die in dein Haus kommt, wie Rahel und Lea, die zwei, die das Haus Israel aufgebaut haben. Handle tüchtig in Efrata und komm zu Ansehen in Betlehem! Dein Haus gleiche dem Haus des Perez, den Tamar dem Juda geboren hat, durch die Nachkommenschaft, die der HERR dir aus dieser jungen Frau geben möge.

Der Brauch, einen Schuh auszuziehen, wird in 5.Mose 25, 5f andersherum dargestellt: Die durch den Löser verschmähte Frau zieht ihm zu seiner Schande einen Schuh aus und spuckt ihn an. Hier passt ds nicht, denn Rut will ja diesen Mann gar nicht. Boas folgt konsequent dem Vorschlag der beiden Frauen. Das Volk aber äußert Bemerkenswertes: Rut wird hier mit Rahel und Lea vergleichen – sie haben das Haus Israel aufgebaut und nicht etwa die Männer! Und sie wird mit Tamar vergleichen. Das ist die Witwe, der Juda einst seinen Sohn verweigerte und die dann ihn selbst verführte, um einen Sohn zu bekommen. Lauter starke Frauen – und nun Rut, die Ausländerin! Gott ist kein Traditionalist! Wer mit ihm geht, sollte damit rechnen, dass Traditionen durchbrochen werden und neue Dinge passieren. Und wo muss ich mich auf Neues einlassen? Gott will, dass allen Menschen geholfen wird.



7.September Rut 4, 1 – 6

Indes war Boas zum Tor gegangen und hatte sich dort niedergelassen. Da ging gerade der Löser vorüber, von dem Boas gesprochen hatte. Er sagte zu ihm: Komm herüber und setz dich hierher! Der kam herüber und setzte sich. Dann holte Boas zehn Männer von den Ältesten der Stadt und sagte: Setzt euch hierher! Sie taten es. Darauf sagte er zu dem Löser: Das Grundstück, das unserem Verwandten Elimelech gehört, will Noomi, die aus dem Grünland Moabs zurückgekehrt ist, verkaufen. Ich dachte, ich will dich davon unterrichten und dir sagen: Erwirb es in Gegenwart der hier Sitzenden und in Gegenwart der Ältesten meines Volkes! Wenn du lösen willst, so löse! Willst du aber nicht lösen, so sag es mir, damit ich es weiß; denn außer dir ist niemand zum Lösen da und ich bin nach dir an der Reihe. Jener antwortete: Ich werde lösen. Boas fuhr fort: Wenn du den Acker aus der Hand der Noomi erwirbst, dann erwirbst du zugleich auch die Moabiterin Rut, die Frau des Verstorbenen, um den Namen des Toten auf seinem Erbe erstehen zu lassen. Der Löser sagte: Dann kann ich für mich nicht lösen, sonst schädige ich mein eigenes Erbe. Übernimm du mein Löserecht; denn ich kann nicht lösen.

Das „Tor“ war die Gerichtsstätte, an der Geschäfte und Verträge verhandelt wurden und Recht gesprochen wurde. Wieder ein Zufall: Gerade zur rechten Zeit geht der Löser der Familie vorbei. Zehn Männer, eine ganze Gemeinde also, versammeln sich nun. Nun wird zuerst über das Grundstück verhandelt, das Noomi gehört. Es ist Erbbesitz und darf nicht veräußert werden. Aber es ist verpfändet und muss für die Sippe ausgelöst werden. Dazu ist der Mann bereit. Doch als er erfährt, dass dazu auch eine Frau, Rut, gehört, macht er einen Rückzieher. Denn ein zu erwartendes Kind mit Rut wäre in diesem Fall der Erbe seines gesamten Besitzes. Offenbar aber hat er schon Kinder, die er nicht schädigen will. Das hat Boas offenbar vorhergesehen. Um ganz sicher zu gehen, hat er diese Verhandlung in größtmöglicher Öffentlichkeit geführt, sozusagen gleich beim Notar der damaligen Zeit. Gerade in der Verwandtschaft ist es manchmal erforderlich, so klug zu sein und Dinge offen fest zu machen, statt sich auf Absprachen unter vier Augen zu verlassen. Gerade wenn es um Geld und Besitz geht, ist es oft ratsam, die .Schwächen des Nächsten mit zu bedenken.  Wir sind alle Menschen! 

6.September Rut 3, 12 – 18


(Boas sagt: ) Gewiss, ich bin Löser, aber es gibt noch einen Löser, der näher verwandt ist als ich. Bleib über Nacht, und wenn er dich dann am Morgen lösen will, gut, so mag er lösen. Wenn er dich aber nicht lösen will, so werde ich dich lösen, so wahr der HERR lebt. Bleib liegen bis zum Morgen! Sie blieb zu seinen Füßen liegen bis zum Morgen. Doch noch ehe man einander erkennen konnte, stand sie auf. Denn Boas wollte nicht bekannt werden lassen, dass die Frau auf die Tenne gekommen war. Er sagte zu ihr: Reich mir das Tuch, das du umgelegt hast! Sie hielt es hin und er füllte sechs Maß Gerste hinein und lud es ihr auf. Dann ging er zur Stadt. Rut kam nun zu ihrer Schwiegermutter und diese fragte: Wie steht es, meine Tochter? Sie erzählte ihr, wie viel Gutes ihr der Mann erwiesen hatte, und sagte: Diese sechs Maß Gerste hat er mir gegeben; denn er meinte: Du sollst nicht mit leeren Händen zu deiner Schwiegermutter kommen. Noomi antwortete ihr: Warte ab, meine Tochter, bis du erfährst, wie die Sache ausgeht; denn der Mann wird nicht ruhen, ehe er noch heute die Sache erledigt hat.

Es sind archaische Gesetze, die hier zur Anwendung kommen: Es gibt in der Verwandtschaft noch einen, der direkter mit Rut und Noomi verwandt ist. Wenn diese Person das Erbe, auf dem eine Hypothek ist, auslöst, wird er auch Rut zu „übernehmen“ haben. Warum ist Noomi dieses Risiko eingegangen? Zum einen bleibt ihr nichts Anderes übrig – die Gesetze sind nun einmal so. Zum anderen aber erkennt sie in der zufälligen Begegnung Ruts mit Boas auf dem Feld die Hand Gottes – und das ist entscheidend: Sie vertraut darauf, dass Gott ihr und Rut diesen Mann geschickt hat, um ihre Zukunft zu sichern. Und so treibt sie diesen Plan im Vertrauen auf Gott voran. In dem erneuten Geschenk erkennt sie Boas Verlangen, Rut zu bekommen. Der sorgt sich schon um den Ruf seiner Zukünftigen – niemand soll sagen können, dass sie heimlich zusammen waren. Rut aber muss nun abwarten. So gibt es eine Zeit der Aktivität und eine Zeit des Abwartens. Wenn ich mein Teil in einer Angelegenheit getan habe, ist es oft gut, abzuwarten – so wie ein Schachspieler einen Zug wählt und dann warten muss, was sein Gegenüber tut. Ruts Abwarten ist von Vertrauen getragen: Gott wird diese Sache zu einem guten Ende führen! Wo muss ich abwarten?

5.September Rut 3 7 - 11

Als Boas gegessen und getrunken hatte und es ihm wohl zumute wurde, ging er hin, um sich neben dem Getreidehaufen schlafen zu legen. Nun trat sie leise heran, deckte den Platz zu seinen Füßen auf und legte sich nieder. Um Mitternacht schrak der Mann auf, beugte sich vor und fand eine Frau zu seinen Füßen liegen. Er fragte: Wer bist du? Sie antwortete: Ich bin Rut, deine Magd. Breite doch den Saum deines Gewandes über deine Magd; denn du bist Löser. Da sagte er: Gesegnet bist du vom HERRN, meine Tochter. So zeigst du deine Güte noch schöner als zuvor; denn du bist nicht den jungen Männern, ob arm oder reich, nachgelaufen. Jetzt aber, fürchte dich nicht, meine Tochter! Alles, was du sagst, will ich dir tun; denn jeder im Tor weiß, dass du eine tüchtige Frau bist.

Der Zeitpunkt ist klug gewählt. Wie oft gehen Kommunikationen schief, weil es dem Anderen eben nicht „wohl zumute“ ist. Es ist Klugheit, schwierige Dinge dann zu verhandeln, wenn mein Gegenüber dafür empfänglich ist – so wie Boas neben seinem Getreidehaufen nach getaner Arbeit. Nun kann Rut ihr Anliegen vorbringen: Du bist der Löser! Du könntest mich heiraten, wenn du willst. Hatte Noomi nicht gesagt: „Er wird dir sagen, was zu tun ist?“ Hier aber sagt Rut, was er tun soll! Und sie verknüpft das Eheangebot mit der Lösung, nimmt also Noomi mit in diese Sache hinein. Boas offenbart in seiner Antwort seine geheime Sorge: Diese junge Frau wird doch eher jüngeren Männern nachschauen! Jetzt trifft ein, was er insgeheim gehofft hat – und sich nicht anzusprechen getraut hat. Rut hat offene Türen eingerannt. Aber das war nur im Dunkel der Nacht ohne Öffentlichkeit möglich und barg ein großes Risiko: Boas hätte leicht über Rut herfallen können, um am Morgen so zu tun, als sei da nichts gewesen. Wo will ich im Glauben Risiken eingehen? Etwa indem ich jemandem vertraue, ihm etwas anvertraue oder leihe, oder ihm oder ihr mein privates Leben öffne? Ich sage damit: Ich vertraue dir – und dadurch entsteht eine tiefere Beziehung.

4.September  Rut 3, 1 – 6

Ihre Schwiegermutter Noomi sagte zu ihr: Meine Tochter, ich möchte dafür sorgen, dass du einen Ort der Geborgenheit findest, wo es dir gut geht. Nun ist ja Boas, bei dessen Mägden du warst, ein Verwandter von uns. Heute Abend worfelt er die Gerste auf der Tenne. Wasch dich, salbe dich und zieh dein Obergewand an, dann geh zur Tenne! Zeig dich aber dem Mann nicht, bis er fertig gegessen und getrunken hat. Wenn er sich niederlegt, so merk dir den Ort, wo er sich hinlegt. Geh dann hin, deck den Platz zu seinen Füßen auf und leg dich dorthin! Er wird dir dann sagen, was du tun sollst. Rut antwortete ihr: Alles, was du sagst, will ich tun. Sie ging zur Tenne und tat genauso, wie ihre Schwiegermutter ihr aufgetragen hatte.

Rut muss der Vorschlag ihrer Schwiegermutter ja seltsam vorgekommen sein. „Wirf dich diesem Mann an den Hals!“ Aber sie kennt weder die Sitten des Landes noch Boas. Sie vertraut dem Rat Noomis, die sagt: „Ich möchte, dass es dir gut geht!“ Noomi scheint zu wissen, dass Boas ein wenig begriffsstutzig ist und einen Schubs braucht, bevor er tätig wird. Trotzdem ist das Ganze natürlich ein Wagnis. Doch Rut weiß, dass Noomi Lebenserfahrung hat und sich auskennt. Sie soll den Zeitpunkt abpassen, an dem es ruhig wird und niemand mehr auf sie achtet. Ihr Niederlegen zu seinen Füßen sagt: „Ich will dich! Ich will zu dir gehören!“ Öffentlich wäre das eine Unverschämtheit, im Geheimen lässt es Boas die Entscheidung. Habe ich Menschen, auf deren Rat ich vertrauen kann, von denen ich weiß, dass es ihnen allein darum geht, dass es mir gut geht und ich Geborgenheit finde? Bete um solch einen Menschen!

3.September Rut 2, 19 –23


Ihre Schwiegermutter fragte: Wo hast du heute aufgelesen und gearbeitet? Gesegnet sei, der auf dich Acht hatte. Sie berichtete ihrer Schwiegermutter, bei wem sie gearbeitet hatte, und sagte: Der Mann, bei dem ich heute gearbeitet habe, heißt Boas. Da sagte Noomi zu ihrer Schwiegertochter: Gesegnet sei er vom HERRN, der seine Güte den Lebenden und Toten nicht entzogen hat. Und sie erzählte ihr: Der Mann ist mit uns verwandt, er ist einer unserer Löser. Die Moabiterin Rut sagte: Er hat noch zu mir gesagt: Halte dich an meine Knechte, bis sie meine Ernte eingebracht haben! Gut, meine Tochter, sagte Noomi zu Rut, ihrer Schwiegertochter, wenn du mit seinen Mägden hinausgehst, dann kann man dich auf einem anderen Feld nicht belästigen. Rut hielt sich beim Ährenlesen an die Mägde des Boas, bis die Gersten- und Weizenernte beendet war. Danach blieb sie bei ihrer Schwiegermutter.

Boas ist „Löser“, das heißt, er hat in der Familie besondere Pflichten denen gegenüber, die in Not geraten sind. So sollte er den verpfändeten Grundbesitz zurückkaufen und in Sklaverei geratene Familienmitglieder auslösen. Falls der Bruder stirbt, heiratet er die Witwe, um mit ihr Nachkommen zu zeugen. Das ist bei Boas und Noomi offenbar nicht der Fall, aber die besondere Versorgungspflicht wird hier auf den entfernten Verwandten ausgeweitet. Wenn Hiob bekennt: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“, verwendet er das gleiche Wort „goel“, das hier steht. Rut steht nun unter dem Schutz des Boas. Gott hat dafür gesorgt, dass Boas sein Amt wahrnimmt, indem er Rut auf das richtige Feld geführt hat. Boas brauchte offenbar diese Begegnung, vorher wusste er zwar von der Geschichte mit Noomi, wurde aber nicht tätig, weil er nicht unmittelbar verwandt war. Wir können öfters erleben, dass Gott in Notzeiten die Dinge so lenkt, dass sich Gutes und Neues ergibt. Wo habe ich die Fürsorge Gottes in meinem Leben erlebt? Wo ist er mir zum „Löser“ geworden? )der ist mir jemand zum "Löser" geworden?

 

2.September  Rut 2, 14 – 18

Zur Essenszeit sagte Boas zu ihr: Komm hierher und iss von dem Brot, tauch deinen Bissen in die Würztunke! Sie setzte sich neben die Schnitter. Er reichte ihr geröstete Körner und sie aß sich satt und behielt noch übrig. Als sie wieder aufstand zum Ährenlesen, befahl Boas seinen Knechten: Auch wenn sie zwischen den Garben liest, dürft ihr sie nicht schelten. Ihr sollt sogar für sie eigens etwas aus den Bündeln herausziehen und liegen lassen; sie mag es auflesen und ihr dürft sie nicht schelten. So sammelte sie auf dem Feld bis zum Abend. Als sie ausklopfte, was sie aufgelesen hatte, war es etwa ein Efa Gerste. Sie hob es auf, ging in die Stadt und ihre Schwiegermutter sah, was sie aufgelesen hatte. Dann packte sie aus, was sie von ihrer Mahlzeit übrigbehalten hatte, und gab es ihr.

Boas tut hier mehr als man von ihm erwarten kann. Er wird als ganz offensichtlich verliebt dargestellt. Seine Knechte werden gegrinst haben – der alte Boas! Bei Rut ist bemerkenswert, dass sie an ihre Schwiegermutter denkt. Sie arbeitet nicht nur für sich, sondern auch für sie und schleppt zwei Eimer Gerste nach Hause. Ja, sie denkt daran, das, was von der Mahlzeit übrig ist, auch noch mitzunehmen. Ein wichtiges Wort in Beziehungen ist „Wertschätzung“. Mein Partner oder mein Freund, meine Freundin ist mir so wichtig, so dass ich in Kleinigkeiten des Alltags daran denke, ihm oder ihr Gutes zu tun, sie zu überraschen oder ungefragt zu helfen. Beziehung lebt in solchen Zeichen der Wertschätzung. An wen denke ich nun gerade?


1.September  Rut 2, 10 - 13

Sie sank nieder, beugte sich zur Erde und sagte zu ihm: Wie habe ich es verdient, dass du mich so achtest, da ich doch eine Fremde bin? Boas antwortete ihr: Mir wurde alles berichtet, was du nach dem Tod deines Mannes für deine Schwiegermutter getan hast, wie du deinen Vater und deine Mutter, dein Land und deine Verwandtschaft verlassen hast und zu einem Volk gegangen bist, das dir zuvor unbekannt war. Der HERR, der Gott Israels, zu dem du gekommen bist, um dich unter seinen Flügeln zu bergen, möge dir dein Tun vergelten und dich reich belohnen. Sie sagte: Ich habe Gnade gefunden in deinen Augen, Herr. Du hast mir Mut gemacht und zum Herzen deiner Magd gesprochen und ich bin nicht einmal eine deiner Mägde.

 Boas findet wohl Gefallen an seinem Versteckspiel und vermutlich auch an Rut. Er erklärt sein Verhalten aber mit dem Segen Gottes, der für Rut gilt, weil sie alles verlassen hat und mit Noomi gegangen ist. So ist Rut ein Vorbild einer Nachfolgerin und Gottsucherin. Boas selbst betont in seinen Worten die Verbindung von Rut und Noomi. Anders als sonst in der Bibel wird die ganze Geschichte über zwei starke Frauen entwickelt. Sie treiben die Dinge voran, nicht die Männer! Boas macht Rut Mut, er hat „zu ihrem Herzen gesprochen.“ Das ist die Möglichkeit, die wir Menschen haben: Uns im Namen Gottes Mut machen, zu dem Herzen eines oder einer anderen sprechen. Kenne ich solche Momente? Welchen Menschen mache ich Mut – und welche haben mir Mut gemacht?

31.August Rut 2, 4 – 9
Und nun kam Boas von Betlehem dazu. Er sagte zu den Schnittern: Der HERR sei mit euch! Sie antworteten ihm: Der HERR segne dich. Boas fragte seinen Knecht, der die Schnitter beaufsichtigte: Wem gehört dieses Mädchen da? Der Knecht, der die Schnitter beaufsichtigte, antwortete: Es ist eine junge Moabiterin, die mit Noomi aus dem Grünland Moabs gekommen ist. Sie hat gesagt: Ich möchte gern Ähren lesen und bei den Garben hinter den Schnittern her sammeln. So kam sie und hielt aus vom Morgen bis jetzt und gönnte sich kaum Ruhe. Boas sagte zu Rut: Höre wohl, meine Tochter, geh auf kein anderes Feld, um zu lesen; entfern dich nicht von hier, sondern halte dich an meine Mägde; behalte das Feld im Auge, wo sie ernten, und geh hinter ihnen her! Ich habe den Knechten befohlen, dich nicht anzurühren. Hast du Durst, so darfst du zu den Gefäßen gehen und von dem trinken, was die Knechte schöpfen.

Boas begreift sofort, dass Rut zu seiner Sippe gehört. Rut weiß das nicht. Boas sagt ihr das nicht – es scheint so, als wolle er sie prüfen. Doch er sorgt auch für sie: Sie darf trinken und die Knechte beschützen sie. Denn ihre Stellung ist ja alles andere als sicher, sie ist als Ausländerin und junges Mädchen durchaus in Gefahr. Hier kann man sich zwei Dinge überlegen: Einmal ist da die Erfahrung von Hilfe durch andere Menschen, die völlig „vom Himmel fällt“. Meine Mutter hat immer erzählt, dass sie als junge schwangere Frau versucht hat, in einen der letzten überfüllten Züge zu gelangen, die Berlin im Krieg verließen. Mitten im Gedränge rief plötzlich ein Mann: „Die Frau da! Lasst sie herein!“ Sie hat nie erfahren, wer da gerufen hat! Wo habe ich Erfahrungen überraschender Hilfe gemacht. Und andersherum: Wo bin ich selbst zu solch einem rettenden Engel geworden – vielleicht gerade einem Ausländer oder einer Geflüchteten gegenüber?


30.August Rut 1, 22 – 2,3

Es war aber um die Zeit, da die Gerstenernte anging, als Noomi mit ihrer Schwiegertochter Rut, der Moabiterin, zurückkam vom Moabiterland nach Bethlehem. Nun hatte Noomi einen Verwandten ihres Mannes, einen angesehenen und redlichen Mann aus der Sippe Elimelechs, und sein Name war Boas. Und Rut, die Moabiterin, sprach zu Noomi: Lass mich aufs Feld gehen und Ähren auflesen bei einem, vor dessen Augen ich Gnade finde. Sie aber sprach zu ihr: Geh hin, meine Tochter! Rut ging hin und las auf dem Feld hinter den Schnittern her. Dabei war sie auf ein Grundstück des Boas aus dem Geschlecht Elimelechs ( = Gott ist König) geraten.

Es ist eine schwierige Rückkehr in die alte Heimat, nach Bethlehem (= Haus des Brotes!). Noomi, hat wenig Aussichten, sich und Rut zu ernähren. Zwar gibt es Verwandte, aber werden die sich um sie kümmern? Ausgerechnet Rut, die Ausländerin ergreift die Initiative und beruft sich auf ein Gesetz in Israel, in dem festgelegt ist, dass Arme hinter den Erntearbeitern auf dem Feld hergehen dürfen, um einzelne Ähren einzusammeln. Aber da muss man schon jemanden finden, der sich nach diesem Gesetz richtet. Rut wagt es und setzt damit die weiteren Geschehnisse in Gang. 
Man kann in seinen Problemen sitzen bleiben oder gar passiv auf die Hilfe Gottes hoffen – oder im Vertrauen gehen und etwas wagen. Hier bei Rut lenkt Gott ihren Weg ausgerechnet auf das Feld des Verwandten Boas. Das heißt: Geh im Vertrauen auf die lenkende Hand Gottes! Erwarte, dass Er deinen Weg gestaltet und dir Türen öffnet. Geh!

29.August Rut 1, 19 - 21

So zogen sie miteinander bis Betlehem. Als sie in Betlehem ankamen, geriet die ganze Stadt ihretwegen in Bewegung. Die Frauen sagten: Ist das nicht Noomi? Doch sie erwiderte: Nennt mich nicht mehr Noomi, Liebliche, sondern Mara, Bittere; denn viel Bitteres hat der Allmächtige mir getan. Reich bin ich ausgezogen, aber mit leeren Händen hat der HERR mich heimkehren lassen. Warum nennt ihr mich noch Noomi, da doch der HERR gegen mich gesprochen und der Allmächtige mir Schlimmes angetan hat?

Es gibt bittere Zeiten im Leben, an denen wir Gott selbst anklagen und ihn fragen, warum er Unglück und Leid nicht verhindert hat. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen, einen Unfall zu verhindern oder eine Ansteckung nicht geschehen zu lassen. Warum bin ich genau in diesem Moment auf diese Kreuzung gefahren? Warum bin ich diesem Menschen begegnet, der das Virus in sich trug? Solche Fragen führen zu nichts, wir erhalten darauf keine Antwort. Noomi erwartet sie auch nicht – sie sagt: Der Herr hat gegen mich gesprochen, mir Schlimmes angetan! Er ist der Herr, trotzdem. Sie geht ihren Weg mit ihm weiter und darin liegt ihre Größe: Auch wenn Gott gegen sie ist, sie geht mit ihm. Das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass diese Geschichte eine Wendung nehmen kann. Denn mit dieser Einstellung ist Noomi fähig, zu handeln, als sich ihr die Chance bietet. Wie begegne ich bitteren Momenten im Leben?

28.August Rut 1, 14b – 18

Doch dann gab Orpa ihrer Schwiegermutter den Abschiedskuss, während Rut nicht von ihr ließ. Noomi sagte: Du siehst, deine Schwägerin kehrt heim zu ihrem Volk und zu ihrem Gott. Folge ihr doch! Rut antwortete: Dränge mich nicht, dich zu verlassen und umzukehren! Wohin du gehst, dahin gehe auch ich, und wo du bleibst, da bleibe auch ich. Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe auch ich, da will ich begraben sein. Der HERR soll mir dies und das antun - nur der Tod wird mich von dir scheiden. Als sie sah, dass Rut darauf bestand, mit ihr zu gehen, redete sie nicht länger auf sie ein.

Warum geht Orpa nach Hause und Rut nicht? Es wäre falsch, Orpa für schlechter zu halten. Bei ihr hat die Gottesbeziehung, die sie in der Familie erlebt hatte, nicht „gezündet“. Sie kehrt zu ihrem Gott und ihrem Volk zurück. Doch Rut ist dem Gott Israels in irgendeiner Weise begegnet, so dass sie sagen kann: „Das ist mein Gott, das ist mein Volk!“ Ihre Lebensentscheidung beruht nicht nur auf der Beziehung zu Noomi, sondern auf dem Vertrauen in diesen Gott. Wir beklagen oft, dass Menschen heute Probleme mit Entscheidungen haben. Doch hier liegt ein Schlüssel: Wer Gott begegnet ist, wer von ihm „hingerissen“ ist, für den ist die Entscheidung für den Weg mit ihm keine Frage mehr. Entschiedenheit ist die Folge der Erkenntnis, das Gesuchte gefunden zu haben. Darum sagt Petrus: „Herr, wohin sollen wir (sonst) gehen? Wir haben erkannt, dass du der Heilige Gottes bist!“ Kenne ich solche Entschiedenheit in meinem Leben? 

27.August Rut 1, 6 – 14a

Da brach sie mit ihren Schwiegertöchtern auf, um aus dem Grünland Moabs heimzukehren; denn sie hatte dort gehört, der HERR habe sich seines Volkes angenommen und ihm Brot gegeben. Sie verließ zusammen mit ihren beiden Schwiegertöchtern den Ort, wo sie sich aufgehalten hatte. Als sie nun auf dem Heimweg in das Land Juda waren, sagte Noomi zu ihren beiden Schwiegertöchtern: Kehrt doch beide heim zu euren Müttern! Der HERR erweise euch Güte, wie ihr sie den Toten und mir erwiesen habt. Der HERR lasse jede von euch Geborgenheit finden bei einem Gatten. Damit küsste sie beide zum Abschied; doch Orpa und Rut begannen laut zu weinen und sagten zu ihr: Nein, wir wollen mit dir zu deinem Volk gehen. Noomi sagte: Kehrt doch um, meine Töchter! Warum wollt ihr mit mir ziehen? Habe ich etwa in meinem Leib noch Söhne, die eure Männer werden könnten? Kehrt um, meine Töchter, und geht; denn ich bin zu alt, noch einem Mann zu gehören. Selbst wenn ich dächte, ich habe noch Hoffnung, ja, wenn ich noch diese Nacht einem Mann gehörte und gar Söhne bekäme: Wolltet ihr warten, bis sie erwachsen sind? Wolltet ihr euch so lange abschließen und ohne einen Mann leben? Nein, meine Töchter! Mir täte es bitter leid um euch; denn mich hat die Hand des HERRN getroffen. Da weinten sie noch lauter.

Noomi nimmt bei ihrer Heimkehr nach Juda zunächst die beiden Schwiegertöchter mit. Doch auf dem Wege scheinen ihr Bedenken zu kommen: Wenn sie mitgehen, werden sie in der Fremde – denn in Juda werden sie fremd sein – wohl kaum Männer finden. Und sie selbst kann keine Söhne mehr bekommen, die als Brüder nach israelitischen Recht Orpa und Ruth heiraten müssten. Dies bedenkend drängt sie die beiden Schweigertöchter, heimzukehren und dort zu versuchen, noch Männer zu finden. Das Thema, das hier anklingt, heißt „loslassen“. Noomi ist bereit, die beiden Frauen loszulassen, denn es „täte ihr bitter leid um sie“. Es sind die eigenen Kinder, Freunde oder sogar Partner, die wir irgendwann loslassen müssen. Das ist schwierig, denn wie Orpa und Ruth möchten wir Beziehungen halten und am liebsten nichts verändern. Wen muss ich loslassen? Wer muss eigene Wege gehen, die nicht (mehr) meine Wege sind?

26.August Rut 1, 1 – 5

Zu der Zeit, als die Richter regierten, kam eine Hungersnot über das Land. Da zog ein Mann mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen aus Betlehem in Juda fort, um sich als Fremder im Grünland Moabs niederzulassen. Der Mann hieß Elimelech, seine Frau Noomi und seine Söhne hießen Machlon und Kiljon; sie waren Efratiter aus Betlehem in Juda. Als sie im Grünland Moabs ankamen, blieben sie dort. Elimelech, der Mann Noomis, starb und sie blieb mit ihren beiden Söhnen zurück. Diese nahmen sich moabitische Frauen, Orpa und Rut, und so wohnten sie dort etwa zehn Jahre lang. Dann starben auch Machlon und Kiljon und Noomi blieb allein, ohne ihren Mann und ohne ihre beiden Söhne.

Die Geschichte der Rut, Urgroßmutter Davids, beginnt als Emigrationsgeschichte. Aufgrund einer Hungersnot wandert die Familie der Noomi nach Moab aus – ausgerechnet in ein Land, dem Israel feindlich gegenübersteht. Doch davon ist hier keine Rede. Auch nicht, dass sie Wirtschaftsflüchtlinge waren. Andere sind offenbar im Land geblieben. Wir sind schnell dabei, die Motive anderer Menschen zu be- und zu verurteilen. Doch Gott nutzt die Entscheidung dieser Familie, um ein Mädchen namens Ruth zuerst in die Familie Noomis und dann nach Israel zu bringen. So kommt sie in den Stammbaum Davids und damit in Jesu Stammbaum. Gott schreibt andere Geschichten als wir uns vorstellen, sein Horizont ist unendlich weiter als unserer. Welche Heilsgeschichten schreibt er gerade in den gegenwärtigen Fluchtgeschichten? Wie können wir Gottes Handeln an Menschen unterstützen?


25.August Jesaja 25, 1 - 5

HERR, du bist mein Gott, ich will dich erheben, deinen Namen preisen, denn du hast Wunder getan, Pläne von fern her verwirklicht, zuverlässig und sicher. Du hast die Stadt zu einem Steinhaufen gemacht, die befestigte Stätte zu einem Trümmerfeld, den Palast der Fremden, dass er keine Stadt mehr ist, auf ewig wird er nicht mehr aufgebaut. Darum ehrt dich das starke Volk, die Stätte gewalttätiger Nationen fürchtet dich. Denn du bist der Schutz für den Schwachen gewesen, der Schutz für den Armen in seiner Not, eine Zuflucht vor Unwetter, ein Schatten vor glühender Hitze. Denn der Sturm der Gewalttätigen ist wie Unwetter gegen eine Mauer, wie Hitze im Trockenland. Den Lärm der Fremden trittst du nieder. Durch den Schatten einer Wolke die Hitze - er macht schwach den Gesang der Gewalttätigen.

Darf man ein „Danklied zum Untergang der feindlichen Stadt“ singen? Man muss sich in die Lage der Schwachen und Armen versetzen, um zu begreifen, wie groß die Erleichterung war, als Städte wie Ninive oder Babylon untergingen. Es waren Gewaltherrscher, die ganze Völker versklavt haben. In Deutschland können wir an die Kapitulation und den Untergang des Naziregimes denken. Wir sollten ein Danklied singen! So viele Jahre haben wir von Kapitulation und verlorenem Krieg geredet, nicht aber von Befreiung. Ja, Gott hat ein Wunder getan und dabei unsere Städte zu Steinhaufen gemacht. Es ist Handeln Gottes, indem er Feinde herbeiruft, die das Treiben jener beenden, die die Schwachen nicht schützen und die Armen vernichten. Wo muss Gott heute eingreifen, um in dieser Weise zu handeln? 

24.August Jesaja 24, 3 – 9

Verheert wird die Erde, verheert, geplündert wird sie, geplündert, denn der HERR hat dieses Wort gesprochen. Die Erde welkt, sie verwelkt, die Welt verkümmert, sie verwelkt; es verkümmern die Hohen des Volkes im Lande. Die Erde ist entweiht durch ihre Bewohner; denn sie haben die Weisungen übertreten, das Gesetz verletzt, den ewigen Bund gebrochen. Darum hat ein Fluch die Erde gefressen, und die auf ihr wohnen, mussten es büßen. Die Bewohner der Erde nahmen ab, von Menschen bleibt nur ein geringer Rest. Der Most ist vertrocknet, der Weinstock verkümmert, es seufzen alle, die freudigen Herzens waren. Zu Ende ist der fröhliche Klang der Pauken, der Lärm der Ausgelassenen hat aufgehört, zu Ende ist der fröhliche Klang der Leier. Beim Gesang trinkt man keinen Wein mehr, bitter schmeckt das Bier denen, die es trinken.

„Weltgericht“, so ist dieser Text heute überschrieben. Eine geplünderte, welkende Erde – das sagt uns heute etwas. Sollte es so sein, dass wir uns dieses Weltgericht selbst anrichten? Die Erde ist entweiht, weil wir den ewigen Bund gebrochen haben. Wir könnten fortfahren: Wir haben sie ausgeplündert, ihre natürlichen Gesetze missachtet, die Natur geschändet mit unserer Gier nach noch mehr Reichtum. Sicherlich hatte der Prophet das noch nicht im Blick, doch seine Worte bekommen heute einen ganz neuen Sinn. Gott ist der Schöpfer dieser Erde – er duldet nicht, dass wir sein Werk mutwillig zerstören. Darum bedeutet Gericht: Nach seinem Gesetz werden wir ernten, was wir säen. Doch Umkehr ist bei Gott immer möglich, der Herr des Gerichtes kann das Gericht abwenden. Aber werden seine Menschen umkehren?


23.August Jesaja 22, 15 - 19

So spricht der Herr, der GOTT der Heerscharen: Auf, geh zu diesem Verwalter, zu Schebna, dem Palastvorsteher! Wie kommst du dazu und wer bist du, dass du dir hier ein Grab ausgehauen hast? - Einer, der sich hoch oben sein Grab aushaut, sich im Felsen seine Wohnung ausmeißelt! - Siehe, der HERR schleudert dich in hohem Bogen weg, Mann! - Er wickelt dich fest ein, knäult dich zu einem Knäuel zusammen - wie einen Ball in ein nach allen Seiten hin offenes Land. Dort wirst du sterben und dorthin kommen deine Prunkwagen, du Schande im Haus deines Herrn. Ich werde dich von deinem Posten stoßen und er wird dich aus deiner Stellung reißen.

Spricht man denn so zu einem verdienstvollen Beamten? Was ist denn sein Vergehen? Vermutlich der Luxus, den er sich leistet – und die vermeintliche Sicherheit, die er damit zeigt: Wir werden im Lande bleiben, nichts wird sich hier ändern. Es ist nicht der prophetischen Zuspruch, den er verkörpert, so wie er an anderer Stelle zu lesen ist: Baut Häuser, kauft Äcker trotz der Bedrohung. Hier ist es die menschliche Überheblichkeit des „mir kann nichts passieren“, die bei Schebna sogar über den Tod hinausreicht. Nein, sagt Jesaja, das wird ganz anders sein. Dein Tun wiegt nur das Volk in eine falsche Sicherheit. Denn sie sehen auf den obersten Beamten im Staat und denken: „Wenn er solche Bauten ausführen lässt, kann es nicht so schlimm um uns bestellt sein.“ Damit ist die Verantwortung angesprochen, die wir bei unserem Tun und Verhalten haben. Wie verhalten wir uns angesichts unserer Bedrohungen? Wenn ein Regierungsmitglied heute einen dicken Dienstwagen kauft, wird er oder sie zu Recht kritisiert. Wenn die Eltern immer wieder lange Flugreisen unternehmen, werden sich die Kinder denken: So schlimm kann das mit dem Klima doch nicht sein. Schwierige Fragen: Wie werden wir unserer Verantwortung gerecht, ohne rechthaberisch zu werden? Und welche Konsequenzen bin ich bereit zu ziehen? 

22.August Jesaja 22, 1 – 14 auszugsweise

Was ist denn mit dir, dass du mit all den Deinen auf die Dächer gestiegen bist? Vom Lärm erfüllte, tobende Stätte, fröhliche Stadt!
Elam hat den Köcher erhoben, bemannte Wagen, Reiter und Kir hat den Schild enthüllt. Deine erlesenen Täler füllten sich mit Wagen, die Reiter bezogen Stellung zum Tor hin. So legte er den Schutz Judas bloß.
Ihr habt gesehen, dass die Risse der Stadt Davids zahlreich waren, und habt das Wasser des unteren Teichs gesammelt. Und habt Jerusalems Häuser gezählt; ihr habt die Häuser abgerissen, um die Mauer zu verstärken. Aber ihr habt nicht auf den geblickt, der es bewirkt, und auf den, der es von Ferne gestaltet, habt ihr nicht geschaut. Und der Herr, der GOTT der Heerscharen, rief an jenem Tag zum Weinen und zur Klage auf, zum Scheren einer Glatze und zum Gürten mit Sacktuch. Doch siehe: Freude und Frohsinn, Rindertöten und Schafeschlachten, Fleischessen und Weintrinken: Essen und Trinken, denn morgen sterben wir. Der HERR der Heerscharen offenbart sich in meinen Ohren: Diese Schuld wird euch nicht vergeben, bis ihr sterbt, spricht der Herr, der GOTT der Heerscharen.

Die drohende Belagerung Jerusalems bewirkt ganz verschiedene Aktivitäten. Die einen feiern, denn sie denken: Morgen sind wir sowieso tot! Die anderen geraten in hektische Tätigkeit, sie reißen sogar Häuser ab, um die Mauern zu verstärken. Nur eines tun sie nicht: Sie fragen nicht nach Gott, der doch ihr Schicksal in den Händen hält. Die Gottvergessenheit ist ihre Schuld. Das Verhalten der Menschen der bedrohten Stadt ist uns nicht unbekannt. Da ist auf der einen Seite der Fatalismus: Es kommt doch sowieso, wie es kommt, also feiern wir lieben, solange wir noch können, machen Party und kümmern uns nicht um kommende Katastrophen. Auf der anderen Seite steht blinder Aktionismus: Wir werden das alles schon schaffen, wenn wir uns nur anstrengen. Wir haben das doch immer geschafft! Jesaja aber mahnt uns: Der Herr unseres Schicksals kann dieses Geschick wenden, wenn wir uns ihm zuwenden. Es ist nicht unabänderlich – und andererseits ist unsere Kraft zu klein, es zu verändern. Zu welchem Verhalten tendiere ich in persönlichen Problemen und in größeren Zusammenhängen?

21.August  Jesaja 20, 1 – 6


In dem Jahr, in dem der Oberbefehlshaber nach Aschdod kam, als Sargon, der König von Assur, ihn sandte, kämpfte er gegen Aschdod und nahm es ein. In jener Zeit hatte der HERR durch Jesaja, den Sohn des Amoz, gesprochen und gesagt: Geh, löse das Sacktuch von deinen Hüften und ziehe deine Sandalen von deinen Füßen aus! Er hatte so gehandelt. Er war nackt und barfuß umhergegangen. Da sagte der HERR: Wie mein Knecht Jesaja drei Jahre lang nackt und barfuß umherging als Zeichen und Sinnbild gegen Ägypten und Kusch, so wird der König von Assur die Gefangenen Ägyptens und die Verschleppten Kuschs wegtreiben, Junge und Alte, nackt, barfuß und mit entblößtem Gesäß, zur Schande Ägyptens. Dann werden sie erschrecken und schämen sich Kuschs, ihrer Zuversicht, und Ägyptens, ihrer Zierde. Und wer diese Küste bewohnt, wird an jenem Tag sagen: Siehe, so steht es mit unserer Zuversicht, zu der wir flohen, um Hilfe zu finden und vor dem König von Assur gerettet zu werden. Wie sollten wir entkommen?

Es war bei den Propheten durchaus üblich, ihre Botschaft mit dramatischen Zeichenhandlungen zu unterstreichen – so wie hier Jesaja wie ein Gefangener der Assyrer umherläuft. Er soll deutlich machen, dass die Mächte Ägypten und Kusch (Nubien im Süden Ägyptens) keine Sicherheit gegen Assur bieten. Die Fürsten Israels und Judas verlassen sich auf die falschen Leute. Diese Reiche werden so wie alle anderen untergehen. Fehlen uns heute solche politischen Propheten? Es gab eine Menge Propheten, die die Wiederwahl Donald Trumps vorhergesagt haben – wo aber waren die Propheten, die ihnen widersprochen haben? Und wer erhebt seine Stimme, um heute im Sinne von Recht und Gerechtigkeit zu sprechen oder auf die falschen Sicherheiten zu verweisen, auf die wir uns heute verlassen?
Sind es die enormen Mengen von Waffen, mit denen wir uns vor Putin schützen? Oder die Abschottung Europas auf Kosten der Menschenrechte in der Türkei und in Lybien? Der Umgang mit Menschenrechten in China? Wie dringend bräuchten wir Gottes Weisung in diesem Durcheinander der Welt! 

20.August  Jesaja 17, 2 - 5

Wie ein Vogel dahinfliegt, der aus dem Nest vertrieben wird, so werden die Töchter Moabs an den Furten des Arnon sein. »Gib Rat, sprich Recht, mach deinen Schatten am Mittag wie die Nacht; verbirg die Verjagten, und verrate die Flüchtigen nicht! Lass Moabs Verjagte bei dir herbergen, sei du für Moab eine Zuflucht vor dem Verwüster!« Wenn der Bedränger ein Ende hat, der Verwüster aufhört und der Bedrücker aus dem Lande muss, dann wird ein Thron bereitet werden aus Gnaden, dass einer in Treue darauf sitze in der Hütte Davids und richte und trachte nach Recht und fördere Gerechtigkeit.

Das hat es also im Nahen Osten schon immer gegeben: Flucht und Vertreibung. Mächtige Herren haben ihr Land ausgedehnt, rücksichtslos Völker unterjocht oder vertrieben. So erleben wir es gerade wieder. Hier wird durch Jesaja Gottes Weisung verkündet, die Flüchtenden aufzunehmen. Man kann sich gut vorstellen, dass die Gegenargumente die gleichen sind, die uns heute begegnen: Die Stadt ist voll! Wieso sollen wir uns um die auch noch kümmern? Die nehmen uns nur die Arbeitsplätze fort! Aber auch heute geht es wie damals um Recht und Gerechtigkeit für alle Menschen. Von Zion soll das Heil und der Friede ausgehen. Unser Zion ist Christus – und bei ihm soll eine Zuflucht sein für alle Menschen. „Wenn der Bedränger ein Ende hat“ – immer wieder machen wir die Erfahrung, dass Gewaltmenschen ihr Ende finden. Dann werden die Geflohenen sich daran erinnern, dass sie Zuflucht gefunden haben und werden selbst eher bereit sein, diesem Beispiel zu folgen. Bloßes Reden verändert niemanden – erfahrene Barmherzigkeit schon. Kennst du einen Flüchtling? 

19.August Jesaja 14, 1 - 5


Denn der HERR wird sich über Jakob erbarmen und Israel noch einmal erwählen und sie in ihrem Land wieder ruhen lassen. Und Fremdlinge werden sich zu ihnen gesellen und dem Hause Jakob anhangen. Und die Völker werden Israel nehmen und an seinen Ort bringen, und dann wird das Haus Israel sie als Knechte und Mägde besitzen im Lande des HERRN. Und sie werden gefangen halten die, von denen sie gefangen waren, und werden herrschen über ihre Treiber. Und zu der Zeit, wenn dir der HERR Ruhe geben wird von deinem Jammer und Leid und von dem harten Dienst, in dem du gewesen bist, wirst du dies Lied anheben gegen den König von Babel und sagen: Wie ist's mit dem Treiber so gar aus, und das Toben hat ein Ende! Der HERR hat den Stock der Gottlosen zerbrochen, die Rute der Herrscher.

Der Text weist über das Ende Babylons und die Rückkehr der Juden nach Jerusalem hinaus – denn diese Zeit der Wiederkehr war recht armselig. Es ist eine Prophezeiung, die erst in unserer Zeit ganz Wirklichkeit geworden ist. Welche Bedeutung hat Israel für meine Glauben? Sehe ich darin das Wirken Gottes an seinem Volk? Aber manche Teile des Textes klinge nach Rache: Die gefangen halten, die mich gefangen hielten. Jesu Botschaft von der Feindesliebe geht darüber hinaus und weist einen Weg für Opfer und Täter. Da ist Israel heute leider noch nicht. Und darum sind sie nicht in dieser „Ruhe“ angekommen, die Jesaja verheißt. Wer sich an seinen Feinden rächt, ist selbst immer auch Feind und wird nicht zur Ruhe kommen, bis er sein Gegenüber „entfeindet“. Wer sind meine Feinde? Wie gehe ich mit Menschen um, die mir Böses getan haben?

18.August  Jesaja 12, 1 – 6

Zu der Zeit wirst du sagen: Ich danke dir, HERR! Du bist zornig gewesen über mich. Möge dein Zorn sich abkehren, dass du mich tröstest. Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht; denn Gott der HERR ist meine Stärke und mein Psalm und ist mein Heil. Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Brunnen des Heils. Und ihr werdet sagen zu der Zeit: Danket dem HERRN, rufet an seinen Namen! Machet kund unter den Völkern sein Tun, verkündiget, wie sein Name so hoch ist! Lobsinget dem HERRN, denn er hat sich herrlich bewiesen. Solches sei kund in allen Landen! Jauchze und rühme, die du wohnst auf Zion; denn der Heilige Israels ist groß bei dir!

Es gibt Zeiten voller Zweifel und Angst – und es gibt Zeiten, in denen wir mit ganzem Herzen die Worte dieses Textes nachsprechen können. Beides gehört zum Leben. Es ist gut, sich in „Zeiten des Zorns“ daran zu erinnern, dass Gott dennoch da ist. Und in den Zeiten des Heilseins, der Freude? Da soll nichts unsere Freude trüben, wir genießen das Empfinden dieses umfassenden Heils. Denn wir haben diese Hoffnung, die aus dem Versprechen Gottes entspringt: Dieses Heil, dieser "Shalom" ist unsere Zukunft. Zeiten des Jubelns sind ein Vorschuss auf das kommende Fest. Zeiten des Zorns werden dann Vergangenheit sein. Kenne ich Zeiten ungetrübter Freude? 

17.August  Jesaja 11, 10 – 14

Und es wird geschehen zu der Zeit, dass die Wurzel Isais dasteht als Zeichen für die Völker. Nach ihm werden die Völker fragen, und die Stätte, da er wohnt, wird herrlich sein. Und der Herr wird zu der Zeit zum zweiten Mal seine Hand ausstrecken, dass er den Rest seines Volks loskaufe, der übrig geblieben ist in Assur, Ägypten, Patros, Kusch, Elam, Schinar, Hamat und auf den Inseln des Meeres. Und er wird ein Zeichen aufrichten unter den Völkern und zusammenbringen die Verjagten Israels und die Zerstreuten Judas sammeln von den vier Enden der Erde. Und der Neid Ephraims wird aufhören und die Feinde Judas werden ausgerottet. Ephraim wird nicht mehr neidisch sein auf Juda und Juda Ephraim nicht mehr feind. Sie werden sich nach Westen auf die Hänge der Philister stürzen und miteinander berauben alle, die im Osten wohnen. Nach Edom und Moab werden sie ihre Hände ausstrecken, die Ammoniter werden ihnen gehorsam sein.

Die Erfüllung dieser Worte ist einmal um 539 v.Chr. geschehen, als die Juden aus Babylon und anderen Orten zurückkehrten nach Jerusalem. Aber in einer viel umfassenderen Weise geschah das 1948: Die Rückkehr nach fast 2000 Jahren Exil ist wirklich ein „Zeichen unter den Völkern“. Ephraim, das Nordreich Israel, hatte allerdings aufgehört zu existieren. Der Text enthält auch Problematisches: Die Feinde werden ausgerottet und alle im Osten beraubt. Wieder wird das als Gerichtshandeln Gottes gesehen, das an den Feinden geschieht, die die Juden unterdrückt haben. Das Problem ist, dass damit heute die Unterdrückung der Palästinenser gerechtfertigt werden kann. Somit entsprechen die Worte Jesajas in gewisser Weise der heutigen Situation: Wir freuen uns über dieses Zeichen Gottes, die Wiedererstehung des Volkes Israel. Und wir sehen die Leiden des palästinensischen Volkes und fragen uns, ob man darin wirklich Handeln Gottes sehen kann oder neue Ungerechtigkeit. Denn in einem stimmt der Text ja nicht: Die Feinde Israels sind noch da. Beten wir für Frieden! Beten wir dafür, dass Gottes Shalom endlich die Feinde versöhnt. Viele in Israel und Palästina warten darauf. 

16.August  Jesaja 11, 1 – 9

Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen. Auf ihm wird ruhen der Geist des HERRN, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des HERRN. Und Wohlgefallen wird er haben an der Furcht des HERRN. Er wird nicht richten nach dem, was seine Augen sehen, noch Urteil sprechen nach dem, was seine Ohren hören, sondern wird mit Gerechtigkeit richten die Armen und rechtes Urteil sprechen den Elenden im Lande, und er wird mit dem Stabe seines Mundes den Gewalttätigen schlagen und mit dem Odem seiner Lippen den Gottlosen töten. Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein und die Treue der Gurt seiner Hüften. Da wird der Wolf beim Lamm wohnen und der Panther beim Böcklein lagern. Kalb und Löwe werden miteinander grasen, und ein kleiner Knabe wird sie leiten. Kuh und Bärin werden zusammen weiden, ihre Jungen beieinanderliegen, und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind. Und ein Säugling wird spielen am Loch der Otter, und ein kleines Kind wird seine Hand ausstrecken zur Höhle der Natter. Man wird weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen heiligen Berge; denn das Land ist voll Erkenntnis des HERRN, wie Wasser das Meer bedeckt.

Diese alte Vision geht weit über die erfahrbare Geschichte hinaus. Wir sehen sie als Verheißung auf das Kommen Jesu Christi: Ein junger Zweig (Reis) aus dem abgehauenen Stamm Isais – der Vater Davids – wird wieder Frucht bringen. Gottes Geist ruht in besonderem Maße auf ihm und er sorgt für Gerechtigkeit und Recht. Dabei ist er ein kraftvoller Herrscher, der auch das Gericht an denen vollzieht, die sich gerechtem Handeln verweigern. So hat sich Jesus in seinem Einsatz für die Armen und ungerecht Behandelten gesehen. Und so bekennen wir heute noch: Er wird kommen, zu richten die Lebenden und die Toten. Doch Jesajas Vision geht weit darüber hinaus. Denn dauerhafte Gerechtigkeit erfordert eine neue Welt, eine Erde ohne Krieg und Streit und Verfall. Der Ausdruck dafür ist „Shalom“ – Heil, Friede, Gesundheit, Wohlfahrt, Sicherheit und Ruhe. Kann ich inmitten dieser Welt, wie sie ist, noch an eine solche Welt glauben? Glauben, dass Gott sie am Ende schaffen wird? Und bin ich bereit, mich in konkretem Handeln dafür einzusetzen?


15.August  Jesaja 10, 5 - 7 15a 16 

Wehe Assur, dem Stock meines Zorns!  Der Knüppel in ihrer Hand, das ist meine Wut. Gegen eine gottlose Nation (Israel) sende ich ihn und gegen das Volk meines Grimms entbiete ich ihn, um Beute zu erbeuten und Raub zu rauben, um es zu zertreten wie Lehm in den Gassen. Doch Assur stellt es sich nicht so vor, sein Herz plant es anders, es hat nur Vernichtung im Sinn, die Ausrottung nicht weniger Nationen. Aber wenn der Herr sein ganzes Werk auf dem Berg Zion und in Jerusalem vollendet hat, werde ich die Frucht des größenwahnsinnigen Königs von Assur heimsuchen und den hoffärtigen Stolz seiner Blicke. Prahlt denn die Axt gegenüber dem, der mit ihr hackt, oder brüstet die Säge sich vor dem, der mit ihr sägt? Darum schickt Gott, der HERR der Heerscharen, gegen seine fetten Leute die Schwindsucht und anstelle seiner Pracht wird ein Brand brennen wie der Brand eines Feuers. 

Gott hat der grausame Militärmacht Assur Raum gegeben, das Gericht an Israel zu vollziehen. So sieht es der Prophet. Aber das heißt nicht, dass Gott die Taten Assurs gutheißt. Denn die Assyrer haben die Deportation erfunden – sie tauschen Völker aus, vollziehen "ethnische Säuberungen“ in grausamster Weise, um ihre Herrschaft zu sichern. Die Menschen Judas dachten voller Angst: Wer kann diese Walze aufhalten, die über alle Völker geht? Das nächste Opfer ist Jerusalem! „Nein“, sagt der Prophet. „Das wird nicht geschehen!“ Und es geschah nicht. Der Feldzug gegen Jerusalem scheitert und der König von Assur wird Jahre später von seinem eigenen Sohn ermordet. Zwei Generationen später wird Ninive, die Hauptstadt, gestürmt und vernichtet. Wir können daraus ersehen: Gott lässt Kriege zu, aber er zieht Menschen, die sie anzetteln, zur Rechenschaft. Die Putins und Assads dieser Welt haben nicht das letzte Wort - sie werden verschwinden und ihre Pläne vergessen werden. Dazu ruft uns Jesaja auf: Seht nicht auf das, was diese Machtmenschen planen, sondern seht auf Gott und seine Pläne mit dieser Welt. 

Wer erinnert sich heute noch an Assyrien? Aber das kleine Juda ist immer noch da! Können wir von da her einen anderen Blick auf die Weltgeschichte bekommen? Das, was heute mächtig ist, kann morgen im Müll der Geschichte liegen! Das, was alle Menschen erregt und Angst macht, ist vielleicht nicht so wichtig, wie wir denken.

14.August  Jesaja 10, 1 - 4

Wehe denen, die unheilvolle Gesetze erlassen und unerträgliche Vorschriften machen, um die Schwachen vom Gericht fernzuhalten und den Armen meines Volkes das Recht zu rauben, damit die Witwen ihre Beute werden und sie die Waisen ausplündern! Was wollt ihr tun am Tag der Heimsuchung und beim Untergang, wenn er von ferne kommt? Zu wem wollt ihr fliehen, um Hilfe zu finden, wo euren Reichtum hinterlassen? Wer nicht mit den Gefangenen in die Knie gegangen ist, wird fallen mit den Erschlagenen. Bei alldem hat sich sein Zorn nicht gewendet und noch bleibt seine Hand ausgestreckt.

Der Prophet hat diese Grundüberzeugung: Wir sind eine Gemeinschaft, in der Recht und Gerechtigkeit herrschen sollen. Alle Menschen seines Volkes sind Kinder Gottes mit gleichen Rechten. Zwar sind wir Deutschen nicht das Volk Gottes, aber immerhin beginnt unsere Verfassung mit den Worten: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen…_“ Diese Verantwortung bedeutet, dass Arme Rechte haben und Waisen nicht ausgeplündert werden. Oder dass die, die ihre Wohnungen nicht mehr bezahlen können, den Schutz des Staates erhalten müssen. Dass Hartz-IV-Empfänger mehr und nicht weniger erhalten. Dass schutzsuchende Flüchtlinge nicht nach Afghanistan zurückgeschickt werden. Unser Sozialstaat hat eine Grundlage – die Verantwortung vor Gott und den Menschen. Und das geht letztlich auch auf die Worte Jesajas zurück. Er ist sich sicher: Zuletzt wird es dem Volk so gehen, wie es seinen Ärmsten und Bedürftigsten geht. Sie zu schützen, ist keine Gnade, sondern Verpflichtung.

13.August  Jesaja 9. 7 - 11

Ein Wort hat der Herr gegen Jakob gesandt, es fiel nieder in Israel. Das ganze Volk sollte erkennen, Efraim und die Bewohner von Samaria, die in Anmaßung und Größenwahn sagten: Ziegelmauern sind gefallen, jetzt bauen wir mit Quadersteinen auf; Maulbeerbäume wurden gefällt, Zedern lassen wir nachwachsen! Da machte der HERR die Gegner Rezins gegen es stark und stachelte seine Feinde an: Aram vom Osten, die Philister vom Westen und sie fraßen Israel mit gierigem Maul. Bei alldem hat sich sein Zorn nicht gewendet und noch ist seine Hand ausgestreckt.

Was ist so interessant an diesem Gerichtswort? Es gibt eine Haltung Gott gegenüber, die scheinbar ein Festhalten an der Hoffnung ist, in Wirklichkeit aber verblendeter Trotz. Oder Größenwahn: Uns kann nichts schrecken! Gerade in unseren Krisenzeiten sagen wir zu schnell: Wir schaffen das! Wir sind ein starkes Land! Nach der Flüchtlingswelle kam Corona. Doch wir sagten: Das haben wir bald hinter uns, wir werden dann wieder leben wie eh und je. Einschränkungen ade! Und dann kam der Krieg. Hat uns das  irgendetwas zu sagen? Wie lautet unser Größenwahn? Globalisierung, Wachstum um jeden Preis, Leben auf Kosten der ganzen Welt und des Klimas - ds ist unsere Anmaßung.  Jesaja sagt:  Noch ist Gottes Hand ausgestreckt. Werden wir sie ergreifen und anders leben als bisher? 

12.August  Jesaja 9, 1 - 6

Das Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht; über denen, die im Land des Todesschattens wohnten, strahlte ein Licht auf. Du mehrtest die Nation, schenktest ihr große Freude. Man freute sich vor deinem Angesicht, wie man sich freut bei der Ernte, wie man jubelt, wenn Beute verteilt wird. Denn sein drückendes Joch und den Stab auf seiner Schulter, den Stock seines Antreibers zerbrachst du wie am Tag von Midian. Jeder Stiefel, der dröhnend daherstampft, jeder Mantel, im Blut gewälzt, wird verbrannt, wird ein Fraß des Feuers. Denn ein Kind wurde uns geboren, ein Sohn wurde uns geschenkt. Die Herrschaft wurde auf seine Schulter gelegt. Man rief seinen Namen aus: Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens. Die große Herrschaft und der Frieden sind ohne Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, es zu festigen und zu stützen durch Recht und Gerechtigkeit, von jetzt an bis in Ewigkeit. Der Eifer des HERRN der Heerscharen wird das vollbringen.

Wir kennen diesen Text aus Weihnachtspredigten. Schon die ersten Christen haben ihn auf Jesus Christus bezogen, indem sie bekannten: Kyrios Christus – Christus ist der Herr. Jesaja sieht vor mehr als 2700 Jahren eine Zeit heraufkommen, in der Frieden herrscht und alles Kriegsgerät vernichtet wird. Wann kommt diese Zeit? Ihr Ausbleiben ist der Grund dafür, dass Juden bis heute Jesus ablehnen – denn er hat diesen Weltfrieden nicht gebracht. Wir Christen glauben mit ihnen daran, dass dies noch eintreffen wird. Aber im Unterschied zu ihnen hoffen wir nicht auf ein Einzelereignis am Ende, sondern auf die Durchsetzung seines Friedensreiches in dieser Welt, auf das Wachstum des Reiches Gottes, das wie ein Sauerteig alle Verhältnisse und Gesellschaften durchwirkt.
Kann ich glauben, dass in dieser zerrissenen und ungerechten Welt dennoch das Reich Gottes wächst? Sehe ich auf die schlimmen Nachrichten aus der Ukraine, aus Syrien, aus dem Jemen oder aus Palästina, dann kann ich nur noch verzweifeln. Sehe ich auf die Menschen, die weltweit für Frieden und Gerechtigkeit einstehen, kann ich Hoffnung gewinnen. Und sehe ich auf Jesus Christus, so kann diese Hoffnung das Bestimmende meines Lebens werden. Wohin schaue ich? 

11.August  Jesaja 8, 9 – 15


 Tobt, ihr Völker! Ihr werdet doch zerschmettert. Horcht auf, ihr Enden der Erde! Rüstet nur! Ihr werdet doch zerschmettert. Rüstet! Ihr werdet zerschmettert. Macht einen Plan! Er wird vereitelt. Verabredet eine Sache, sie kommt nicht zustande. Denn Gott ist mit uns. Denn so sprach der HERR zu mir - wie mit starker Hand - und verbot mir, auf dem Weg dieses Volkes zu gehen: Nennt nicht alles Verschwörung, was dieses Volk Verschwörung nennt! Was es fürchtet, sollt ihr nicht fürchten; wovor es erschrickt, davor sollt ihr nicht erschrecken. Den HERRN der Heerscharen sollt ihr heilig halten; vor ihm sollt ihr euch fürchten, vor ihm sollt ihr erschrecken. Er wird zum Heiligtum werden, zum Stein des Anstoßes und zum Felsen, an dem man strauchelt, für die beiden Häuser Israels: zum Netz und zum Fallstrick für die Bewohner Jerusalems. Viele werden darüber straucheln, fallen und zerschellen; sie werden sich verstricken und verfangen.

Jesaja fordert uns hier auf, einen anderen Blick auf die „wesentlichen Dinge“ dieser Welt zu entwickeln. „Denn Gott ist mit uns“ – das verändert die Sicht und auch die Vorhersagen und Pläne. „Wer von euch kann mit all seiner Sorge sein Leben auch nur um eine kleine Spanne verlängern?“ (Matth. 6,27) Wer Gott fürchtet, muss sich nicht vor anderen Dingen fürchten. Hier ist es die politische Bedrohung aus dem Norden, die überall Gesprächsthema ist und die Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Der Prophet aber sagt: Das ist überhaupt nicht wichtig! Gott ist wichtig, wenn ihr ihm gehorcht, werdet ihr sehen, wie sich die Dinge verändern. Welche Dinge sind heute überall Gesprächsthema? Natürlich die Pandemie! Der Krieg. Die Klimaveränderung. Es geht nicht darum, diese Dinge zu ignorieren. Aber sie zu fürchten, lähmt nur. Was bedeutet hier die Zusage: "Gott ist mit uns"? Nein, nicht einfach abwarten - sondern den Mut gewinnen, gegen die Angst zu handeln. Denn Gott hat diese Welt trotz allem in seiner Hand. Um es mit dem letzten Satz von Karl Barth, dem berühmten Theologen zu sagen: „Halte die Ohren steif – es wird regiert!“ 

10.August  Jesaja 7, 13 - 17


Hört doch, Haus Davids! Genügt es euch nicht, Menschen zu ermüden, dass ihr auch noch meinen Gott ermüdet? Darum wird der Herr selbst euch ein Zeichen geben: Siehe, eine junge Frau hat empfangen, sie gebiert einen Sohn und wird ihm den Namen Immanuel geben. Er wird Butter und Honig essen bis zu der Zeit, in der er versteht, das Böse zu verwerfen und das Gute zu wählen. Denn noch bevor das Kind versteht, das Böse zu verwerfen und das Gute zu wählen, wird das Land verlassen sein, vor dessen beiden Königen dich das Grauen packt. Der HERR wird Tage kommen lassen über dich, über dein Volk und über das Haus deines Vaters, wie sie nicht gekommen sind seit dem Tag, an dem Efraim sich von Juda abwandte - nämlich den König von Assur!

Der König des Südreiches, Ahas, traut sich nicht, sich ein Zeichen von Gott zu erbitten. Er bekommt trotzdem eines: Ein Kind wird geboren, dessen Name „Gott ist mit uns“ bedeutet. Aber es ist – ganz anders als in der Weihnachtsbotschaft, wo dieser Name auf Jesus gedeutet wird – ein Zeichen für ein politisches Geschehen, das bald hereinbrechen wird. Die Koalition der feindlichen Könige wird zerbrechen, das Nordreich Israel und Syrien werden im Sturm der Assyrer untergehen. Und trotzdem heißt die Botschaft: Gott ist mit uns, auch mitten in Not und Chaos. Dieses Motto ist hier von Gott vorgegeben und es darf nicht eigenmächtig verwendet werden – wie etwa auf den Koppelschlössern deutscher Soldaten 1914. Die ersten Christen waren überzeugt, dass in Jesus dieser Immanuel wiedergekehrt ist. Wer sein Vertrauen auf Jesus setzt, der darf sagen: Gott ist mit mir. Wo jemand im Sinne Jesu lebt und handelt, kann er sagen: Gott ist mit mir! Worin brauche ich heute diese Überzeugung: „Gott ist mit mir“?

9.August  Jesaja 7 1 – 9

In der Zeit, als Ahas, der Sohn Jotams, des Sohnes Usijas, König von Juda war, zogen Rezin, der König von Aram, und Pekach, der Sohn Remaljas, der König von Israel, gegen Jerusalem hinauf in den Krieg; aber man konnte den Krieg gegen es nicht führen. Als dem Haus David gemeldet wurde: Aram hat sich auf Efraim niedergelassen!, da zitterte sein Herz und das Herz seines Volkes, wie die Bäume des Waldes im Wind zittern. Der HERR aber sagte zu Jesaja: Geh hinaus, Ahas entgegen, du und dein Sohn Schear-Jaschub, (…) Sag zu ihm: Hüte dich und verhalte dich still! Fürchte dich nicht und dein Herz sei nicht verzagt wegen dieser beiden rauchenden Holzscheitstummel, wegen des glühenden Zorns Rezins, Arams und des Sohnes Remaljas! Weil Aram gegen dich Böses plant, Efraim und der Sohn Remaljas, indem sie sagen: Wir wollen gegen Juda hinaufziehen, ihm Furcht einjagen und es uns gefügig machen; dann wollen wir den Sohn Tabeals als König in seiner Mitte einsetzen. So spricht GOTT, der Herr: Das kommt nicht zustande, das wird nicht geschehen. (..) Noch fünfundsechzig Jahre, dann wird Efraim zerschlagen, kein Volk mehr sein. (..) . Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht.

Wir bekommen Einblick in die hohe Politik. Weil sich im Norden das assyrische Großreich drohend erhebt, schmieden Syrien (Damaskus) und Israel (Efraim) einen Verteidigungsplan. Doch das Südreich Juda will nicht mitmachen. Nun soll es durch einen Kriegszug in das Bündnis gezwungen werden. Das klingt nach einer vernünftigen Handlungsweise: Alle Kräfte bündeln und den Widerstand wagen. Aber Jesaja empfängt von Gott eine andere Sichtweise: Ihr wollt euch auf militärische Stärke verlassen und nicht auf Gott. Darum werdet ihr untergehen. Die entscheidende Größe ist nicht die Anzahl von Streitwagen und Schwertern, sondern euer Gottvertrauen. Wie oft geht es uns in unserem kleinen Bereich ähnlich! Wir verlassen uns auf Expertisen, Berechnungen und vernünftige Argumente. Doch das Entscheidende fehlt – ohne das Vertrauen auf Gott, sagt Jesaja, ist das alles nichts. Denn die Zukunft haben wir trotzdem nicht in der Hand. Glaubt ihr nicht, dann wird es nichts. Bei welcher Sache brauche ich gerade dieses Vertrauen, das die Zukunft aus Gottes Hand empfängt?

8.August  Jesaja 6, 6 – 11

Da flog einer der Serafim zu mir und in seiner Hand war eine glühende Kohle, die er mit einer Zange vom Altar genommen hatte. Er berührte damit meinen Mund und sagte: Siehe, dies hat deine Lippen berührt, so ist deine Schuld gewichen und deine Sünde gesühnt. Da hörte ich die Stimme des Herrn, der sagte: Wen soll ich senden? Wer wird für uns gehen? Ich sagte: Hier bin ich, sende mich! Da sagte er: Geh und sag diesem Volk: Hören sollt ihr, hören, aber nicht verstehen. Sehen sollt ihr, sehen, aber nicht erkennen. Verfette das Herz dieses Volkes, mach schwer seine Ohren, verkleb seine Augen, damit es mit seinen Augen nicht sieht, mit seinen Ohren nicht hört, damit sein Herz nicht zur Einsicht kommt und es sich nicht bekehrt und sich so Heilung verschafft. Da sagte ich: Wie lange, Herr? Er sagte: Bis die Städte verödet sind und unbewohnt, die Häuser menschenleer, bis das Ackerland zur Wüste verödet ist.

Jesaja kann erst vor Gott stehen und ihn hören, wenn seine Schuld fortgenommen ist. Eine glühende Kohle berührt seine Lippen – denn er soll für Gott sprechen. Mit „unreinen Lippen“ kann niemand im Namen Gottes sprechen. Auf die Frage: „Wen soll ich senden?“ kann er nun antworten: "Hier bin ich!" Aber seine Botschaft ist nichts Gutes, was er zu sagen hat, wird nicht freudig aufgenommen werden. Er hat nur Unheil zu verkünden – die Konsequenz aus dem Tun der Leute. Als Prophet würde er sich nun schuldig machen, wenn er diese Botschaft verwässert und etwa sagt: „Ich sehe da Probleme kommen, aber so schlimm wird es nicht werden, wenn wir kräftig beten!“ Kenne ich diese Tendenz, notwendige Botschaften an Andere abzuschwächen? Aus Liebe zu schweigen? Es gibt Situationen, in denen es wichtig ist, die Wahrheit zu sagen. Etwa am Krankenbett oder wenn jemand auf einem Posten sichtbar am falschen Platz ist. . Aber habe ich den Mut dazu?


7.August   Jesaja 6, 1 – 5

 Im Todesjahr des Königs Usija, da sah ich den Herrn auf einem hohen und erhabenen Thron sitzen und die Säume seines Gewandes füllten den Tempel aus. Serafim standen über ihm. Sechs Flügel hatte jeder: Mit zwei Flügeln bedeckte er sein Gesicht, mit zwei bedeckte er seine Füße und mit zwei flog er. Und einer rief dem anderen zu und sagte: Heilig, heilig, heilig ist der HERR der Heerscharen. Erfüllt ist die ganze Erde von seiner Herrlichkeit. Und es erbebten die Türzapfen in den Schwellen vor der Stimme des Rufenden und das Haus füllte sich mit Rauch. Da sagte ich: Weh mir, denn ich bin verloren. Denn ein Mann unreiner Lippen bin ich und mitten in einem Volk unreiner Lippen wohne ich, denn den König, den HERRN der Heerscharen, haben meine Augen gesehen.

Eine wirkliche Gottesbegegnung ist etwas Seltenes! Und sie überfällt den Menschen unerwartet. Trotzdem ist das, was Jesaja hier sieht, etwas für ihn Bekanntes: Eine Szene aus einem Thronsaal, so wie wir sie von antiken Reliefs aus Babylonien oder Ägypten kennen. Doch Gott ist hier so groß, dass der Saum seines Gewandes schon den ganzen Tempel ausfüllt. Die Serafim sind Wesen, die den Thron umfliegen. Anders als auf den bekannten Bildern haben sie hier sechs Flügel statt vier. Das dritte Flügelpaar haben sie, um „die Füße zu bedecken“, d.h. ihre Scham. Das ist ein Hinweis auf die Heiligkeit Gottes. vor der sie alles verhüllen müssen. Die Reaktion auf eine Gottesbegegnung ist nicht Begeisterung oder Freude, sondern Betroffenheit und Ohnmacht. Das ist ein Kriterium für Echtheit. Wo Gottesbegegnungen „vermittelt“ werden durch viel Musik und manipulierte Gefühle, begegnet der Mensch nur seinen eigenen Erwartungen. Sicherlich ist Jesaja jeden Tag in den Tempel gegangen – aber an diesem Tag wurde er überrascht. Welche alltägliche Gebets- oder Meditationspraxis habe ich, bei der Gott mir eines Tages überraschend begegnen kann? 

6.August  Jesaja 5, 24b - 27


Denn verworfen haben sie die Weisung des HERRN der Heerscharen und das Wort des Heiligen Israels verschmäht. Darum ist der Zorn des HERRN gegen sein Volk entbrannt; er hat seine Hand gegen es ausgestreckt und es geschlagen. Da erzitterten die Berge und ihre Leichen lagen wie Unrat inmitten der Gassen. Bei alldem hat sein Zorn sich nicht abgewandt und noch bleibt seine Hand ausgestreckt. Er stellt ein Feldzeichen auf für die Nationen in der Ferne, er pfeift sie herbei vom Ende der Erde und siehe, eilends, schnell kommen sie heran. Kein Müder und kein Strauchelnder ist darunter, keiner, der schlummert und schläft. Bei keinem löst sich der Gürtel von seinen Hüften, noch reißt der Riemen seiner Sandalen.

Können wir solche Worte irgendwie in unserem Gottesbild unterbringen? Wer ist Gott? Pfeift er wirklich das Unglück herbei, wenn wir nicht gehorchen? Der Zorn Gottes kann zugleich als Konsequenz des Handelns gesehen werden. Die Pandemie „Corona“ ist die Folge unserer Taten: Wahrscheinlich unsachgemäßer Umgang mit Wildtieren und eine Globalisierung, die alles ohne Bedenken miteinander in Verbindung bringt. Der Klimawandel mit seinen Katastrophen ist die Folge unseres ungebremsten Energieverbrauchs. Der Zorn Gottes äußert sich, indem er uns den Konsequenzen unserer Handlungen überlässt. So war es damals auch: Die Assyrer, die Land um Land eroberten, zerstörten 722 v.Chr. Samaria, die Hauptstadt des Nordreiches. Das war sein Untergang. Im Unterschied dazu wurde Jerusalem vom gleichen Feind zwar belagert, aber 701 v.Chr. auf wunderbare Weise gerettet. Die Bibel sieht das als Folge der Umkehr des Volkes. Von welchen Wegen muss unsere Gesellschaft umkehren?

5.August Jesaja 5, 8 – 13

Wehe denen, die Haus an Haus reihen und Feld an Feld fügen, bis kein Platz mehr da ist und ihr allein die Bewohner seid inmitten des Landes. In meinen Ohren schwur der HERR der Heerscharen: Wahrhaftig, viele Häuser werden veröden. So groß und schön sie auch sind: Sie werden unbewohnt sein. Ein Weinberg von zehn Joch bringt nur ein Eimer Wein, ein Sack Saatgut bringt nur ein Scheffel Korn. Wehe denen, die früh am Morgen dem Bier nachjagen und in der Dämmerung lange aushalten, wenn der Wein sie erhitzt. Da sind Leier und Harfe, Trommel und Flöte und Wein bei ihren Trinkgelagen, aber auf das Tun des HERRN blicken sie nicht und das Werk seiner Hände haben sie nicht gesehen. Darum geht mein Volk in die Verbannung wegen fehlender Erkenntnis. Seine Vornehmen sind Hungerleider und seine Menge verschmachtet vor Durst.

Werden die Reichen hier nicht zu sehr beschimpft? Sind Reiche schon deshalb schuldig, weil sie reich sind? Nein, natürlich nicht. Sie sind schuldig, weil sie sich hemmungslos im Land ausbreiten und andere verdrängen, „bis kein Platz mehr da ist“. Wo sollen die leben, die nicht die Mittel haben, teure Häuser zu kaufen oder Wohnungen zu bezahlen? Die Verkäuferin, die Putzfrau, der Paketbote samt Familie? Das ist Unrecht, auf das Gott reagieren wird, sagt Jesaja. Und Jesus konnte ähnlich reden: „Doch weh euch, ihr Reichen; denn ihr habt euren Trost schon empfangen. Weh euch, die ihr jetzt satt seid; denn ihr werdet hungern.“ (Lukas 6,24). Es geht nicht darum, zu verbieten, fröhliche Feste zu feiern – sondern um einen maßlosen Lebensstil, der die aus dem Blick verliert, die um ihre Existenz bangen und tagtäglich schuften müssen, um ihre Familien ernähren zu können. Bin ich in der Gefahr, nur noch mich und meine Luxusbedürfnisse zu sehen?



4.August  Jesaja 5, 1 - 7


Wohlan, ich will von meinem lieben Freunde singen, ein Lied von meinem Freund und seinem Weinberg.
Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fetten Höhe. Und er grub ihn um und entsteinte ihn und pflanzte darin edle Reben. Er baute auch einen Turm darin und grub eine Kelter und wartete darauf, dass er gute Trauben brächte; aber er brachte schlechte. Nun richtet, ihr Bürger zu Jerusalem und ihr Männer Judas, zwischen mir und meinem Weinberg! Was sollte man noch mehr tun an meinem Weinberg, das ich nicht getan habe an ihm? Warum hat er denn schlechte Trauben gebracht, während ich darauf wartete, dass er gute brächte?
Wohlan, ich will euch zeigen, was ich mit meinem Weinberg tun will! Sein Zaun soll weggenommen werden, dass er kahlgefressen werde, und seine Mauer soll eingerissen werden, dass er zertreten werde. Ich will ihn wüst liegen lassen, dass er nicht beschnitten noch gehackt werde, sondern Disteln und Dornen darauf wachsen, und will den Wolken gebieten, dass sie nicht darauf regnen. Des Herrn Zebaoth Weinberg aber ist das Haus Israel und die Männer Judas seine Pflanzung, an der sein Herz hing. Er wartete auf Rechtsspruch, siehe, da war Rechtsbruch, auf Wohlbehagen, siehe, da war Wehklagen.

Ein eindrückliches Bild, das sich noch verstärken lasst, wenn man an all die ehemaligen Weinberge denkt, die rund um Tübingen an den Hängen zugewuchert allmählich zerfallen. Wie viel Arbeit und Mühe der Menschen über Jahrhunderte, die tausende Steine geschleppt und Treppen und Terrassen gebaut haben! Israel wurde oft mit einem Weinberg verglichen, den Gott gepflanzt hat. Sein Herz hing an diesem Experiment. Gott ist ein geduldiger Gärtner. Er ist es auch bei mir – er gibt nicht gleich auf, wenn das Ergebnis nicht dem entspricht, was er erwartet. „Gnädig und barmherzig ist der HERR, geduldig und von großer Güte.“, so wird er in Psalm 145,8 beschrieben. Und doch gibt es eine Grenze. Jesus sagt in Lukas 13, 6-9 im Gleichnis vom Feigenbaum das Gleiche: Da wird nochmals ein Versuch gestartet, dem Baum Früchte zu entlocken – aber dann, wenn alles nichts hilft, wird er umgehauen. Die Warnung des Propheten besagt: Das Leben eines Einzelnen oder eines ganzen Volkes kann scheitern, wenn das Recht nicht geachtet wird, wenn statt Barmherzigkeit Ausbeutung herrscht. Die Predigt von einem „lieben Gott“ kann darüber hinwegtäuschen, dass unser Verhalten nicht gleichgütig ist. „Irrt euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten.“ (Galater 6,7). Dabei geht es nicht um Schwachheiten und Versagen, sondern um Verhaltensweisen, bei denen in vollem Bewusstsein Andere geschädigt und verletzt werden. Wo habe ich das erlebt – oder worin bin ich selbst schuldig geworden?

3.August  Jesaja 3, 16 – 26

Der HERR sprach: Weil die Töchter Zions hochmütig sind, ihre Hälse recken und mit verführerischen Blicken daherkommen, immerzu trippelnd umherlaufen und mit ihren Fußspangen klirren, wird der Herr den Scheitel der Töchter Zions mit Schorf bedecken und der HERR wird ihre Schläfen kahl werden lassen. An jenem Tag wird der Herr den Schmuck wegnehmen: die Fußspangen, die kleinen Sonnen und Monde, die Ohrgehänge und Armkettchen, die Schleier und Turbane, die Fußkettchen und die Prachtgürtel, die Riechfläschchen und die Amulette, die Fingerringe und Nasenringe, die Festkleider und Umhänge, die Umschlagtücher und Täschchen und die Spiegel, die feinen Schleier, die Schals und Kopftücher. So wird es sein: Statt Balsam wird Moder sein, statt eines Gürtels ein Strick, statt kunstvoller Locken eine Glatze, statt eines Festkleides ein gegürteter Sack, Brandmal statt Schönheit. Deine Männer fallen durchs Schwert, deine jungen Krieger im Kampf. Dann werden ihre Tore klagen und trauern, vereinsamt sitzt sie am Boden.

Ist das ein frauenfeindlicher Text? Manche Frommen haben ihren Frauen aufgrund solcher Worte verboten, sich hübsch anzuziehen oder zu schminken! Das wäre ein völlig falsches Verständnis. Denn hier wird eine Einstellung angesprochen, die das Äußere zum Wichtigsten erklärt, die in der Ausstaffierung und der Verführung der Männer den Lebenssinn sieht. Wieviel Lebenszeit und Kraft wird in Shopping investiert? Wie viele junge Frauen und Männer folgen „InfluenzerInnen“, die ihnen vorleben, was gerade aktuell ist an Schminktechniken, Kleidung und Accessoires? Nein, das ist nicht verboten – aber stimmt das Verhältnis? Was ist wesentlich im Leben? Wer sein Leben auf solche Dinge ausrichtet, verliert den Blick auf die Fragen und Nöte anderer Menschen. Er ist im Karussell des „noch schöner, noch hipper, noch moderner“ gefangen. Das Gericht kommt, nicht weil sich Frauen schön machen, sondern weil sie die Nöte ihrer Zeit vergessen haben. Habe ich Zeit, mich um eine Not unserer Gesellschaft zu kümmern? 

 2.August   Jesaja 3, 1 – 10

Denn siehe, Gott, der HERR der Heerscharen, nimmt von Jerusalem und Juda jede Stütze und Stützung, jede Unterstützung mit Brot und jede Unterstützung mit Wasser: den Helden und Krieger, den Richter und den Propheten, den Wahrsager und den Ältesten, den Anführer von Fünfzig, den Angesehenen, den Ratgeber, den weisen Zauberer und den klugen Beschwörer. Ich mache junge Burschen zu ihren Anführern und Mutwillige sollen über sie herrschen. Dann bedrängt im Volk einer den andern und jeder seinen Nächsten. Die Jungen sind frech zu den Alten, die Geringen zu den Geehrten. Dann packt einer seinen Bruder im Haus seines Vaters: Du hast einen Mantel, sei unser Wortführer und dieser Trümmerhaufen sei unter deiner Gewalt! Der aber wird an jenem Tag seine Stimme erheben: Ich bin doch kein Wundarzt und in meinem Haus gibt es kein Brot und keinen Mantel. Macht mich nicht zum Wortführer des Volkes! Ja, Jerusalem ist gestürzt und Juda gefallen; denn ihre Worte und ihre Taten richteten sich gegen den HERRN, um den Augen seiner Herrlichkeit zu trotzen.

Hat der Zerfall einer Gesellschaft etwas mit Gott zu tun? Jesaja sieht das so: „Gott nimmt jede Stütze und Stützung“ Und weshalb? Weil sich ihre Worte und Taten gegen Gott gerichtet haben. Dabei geht es weniger um eine religiöse Ordnungen als um Recht und Gerechtigkeit. Da wo die Mächtigen die Armen ausbeuten, das Recht beugen und sich bereichern, gerät eine gute Ordnung ins Wanken. Wir erleben das in unserer Gesellschaft auf vielfältige Weise. Der Ton wird rauer, Beschimpfungen und Widerstand gegen staatliche Ordnungen nehmen zu. Auch wenn viele Menschen nicht mehr an Gott glauben, unsere grundlegende Ordnung hat ein christliches Fundament. Wenn wir es verlassen, wenn Ordnungen wie die 10 Gebote oder die Menschenrechte und die Würde jedes Einzelnen nicht mehr geachtet werden, werden wir eines Tages verzweifelt nach Menschen suchen, die diese Ordnung noch repräsentieren können – und keine finden. Wie dankbar sind wir – trotz aller auch notwendigen Kritik – für diese Ordnungen, für funktionierende Systeme und eine Regierung, die sich bemüht, das Recht zu wahren? Und was könnte unser Beitrag sein?

1. August  Jesaja 2, 6 – 11

Ja, du hast dein Volk, das Haus Jakob, verstoßen; denn sie wurden angefüllt - von Osten her! Und Wahrsager wie die Philister! Und an Kindern der Fremden hatten sie zur Genüge. Sein Land füllte sich mit Silber und Gold, kein Ende der Schätze. Sein Land füllte sich mit Pferden, kein Ende der Wagen. Sein Land füllte sich mit Götzen. Vor dem Werk ihrer Hände werfen sie sich nieder, vor dem, was ihre Finger gemacht hatten. Der Mensch beugte sich und der Mann sank hinunter - vergib ihnen nicht! Geh hinein in den Felsen, verbirg dich im Staub vor dem Schrecken des HERRN und vor der Pracht seiner Hoheit! Die hochmütigen Blicke der Menschen senkten sich und gebeugt wird sein der Stolz der Männer. Aber erhaben wird sein der HERR allein an jenem Tag.

Der Blick Jesajas geht zurück zu einer Zeit, als in Israel scheinbar alles gut war – die Leute wurden reicher, der Wohlstand wuchs, man leistete sich ausländische Sklaven und andere Religionen waren „modern“. Aber nun gerät alles ins Wanken und der Prophet sieht den „Tag des Herrn“ kommen – all das, was Menschen sich aufgebaut haben, worauf sie vertraut haben, sinkt in den Staub. „Hochmut kommt vor dem Fall“ (Sprüche 16,18). Sind wir auch zu stolz auf unsere Errungenschaften? Denken wir, wir werden mit all unserer Technik die Wende hin zu einer besseren Welt ohne Klimakatastrophen schaffen? Mit unseren Waffen eine Welt des Friedens schaffen?  Ein wenig mehr Demut und ein entsprechendes Verhalten wären nach Jesaja ratsam. Ohne Gott werden wir diese Welt nicht heilen können.

31.Juli Jesaja 2, 1 – 5

Das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, über Juda und Jerusalem geschaut hat. Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg des Hauses des HERRN steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen alle Nationen. Viele Völker gehen und sagen: Auf, wir ziehen hinauf zum Berg des HERRN und zum Haus des Gottes Jakobs. Er unterweise uns in seinen Wegen, auf seinen Pfaden wollen wir gehen. Denn vom Zion zieht Weisung aus und das Wort des HERRN von Jerusalem. Er wird Recht schaffen zwischen den Nationen und viele Völker zurechtweisen. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden und ihre Lanzen zu Winzermessern. Sie erheben nicht das Schwert, Nation gegen Nation, und sie erlernen nicht mehr den Krieg. Haus Jakob, auf, wir wollen gehen im Licht des HERRN.

Ist es nicht merkwürdig, dass diese Worte – gesprochen vor 2700 Jahren – heute in Erfüllung gegangen sind? Vor 120 Jahren war Jerusalem ein unbedeutendes Nest, wenig bevölkert, außerhalb des Interesses der Weltpolitik. Heute ist diese Region im Fokus und die Lehren der Bibel weltweit verbreitet. Aber es gibt auch die andere Seite: Israel ist umkämpft, zerrissen und voller Ungerechtigkeit. Geht heute von Jerusalem Weisung Gottes aus? Wird Recht zwischen den Nationen gelehrt und praktiziert? Noch immer stehen sich waffenstarrende Systeme gegenüber. Die Vereinten Nationen haben sich die Worte Jesajas zum Wahlspruch gemacht, das Standbild des "Friedens-Schmiedes" steht vor dem UN-Gebäude in New York. Doch Frieden hat die UN trotz guter Bemühungen nicht gebracht. In unserem Text steht: „ER“ – Gott wird Recht schaffen und Völker zurechtweisen. Wir beten darum, dass das endlich geschieht. Und wir handeln heute im Kleinen als "Friedensschaffer" (Matth.5,9). Aber umfassenden Frieden schaffen, das ist zuerst Gottes Sache, der die Herzen verändern kann. 

 30.Juli Jesaja 1, 21 – 31

Ach, wie ist zur Hure geworden die treue Stadt. Die voll des Rechts war, in der Gerechtigkeit die Nacht verbrachte - und jetzt Mörder! Dein Silber wurde zu Schlacke, dein Wein ist mit Wasser gepanscht. Deine Fürsten sind Aufrührer und eine Bande von Dieben, ein jeder liebt Bestechung und jagt Geschenken nach. Dem Waisen verschaffen sie kein Recht und der Rechtsstreit der Witwe gelangt nicht vor sie. Darum - Spruch Gottes, des HERRN der Heerscharen, des Starken Israels: Wehe, ich werde mir Genugtuung verschaffen an meinen Gegnern, mich rächen an meinen Feinden. Ich will meine Hand gegen dich wenden, ich schmelze wie mit Lauge deine Schlacken aus und will all dein Blei entfernen. Ich will dir Richter geben wie am Anfang und Ratgeber wie zu Beginn. Danach wird man dich Stadt der Gerechtigkeit nennen, treue Stätte. Zion wird durch Recht erlöst und die zu ihr umkehren durch Gerechtigkeit. Doch Abtrünnige und Sünder brechen zusammen. Die den HERRN verlassen, sind am Ende. Denn sie werden zuschanden wegen der Eichen, die ihr begehrt habt, und ihr werdet beschämt wegen der Gärten, die ihr euch erwählt habt. Ja, ihr werdet wie eine Eiche, deren Blätter verwelken, und wie ein Garten, der kein Wasser hat. Dann wird der Starke zu Flachs und sein Tun zum zündenden Funken; beide verbrennen zusammen und keiner ist da, der löscht.

Jerusalem sollte die Stadt des Rechts sein. Doch nun lassen es sich Mörder in ihr gut gehen. Die Oberschicht lebt in Saus und Braus und die Armen kommen nicht zu ihrem Recht. Passt dieses Bild auch auf unsere Gesellschaft? Oder auf die heutige Welt als Ganzes? Leben wir auf Kosten ärmerer Länder, profitieren wir von Hungerlöhnen und unerträglichen Lebensverhältnissen derer, die unsere Kleidung und Lebensmittel herstellen? Wen kümmert das? Gott, sagt Jesaja, Gott kümmert es! Er wird nicht untätig bleiben, sondern dafür sorgen, dass die Gerechtigkeit siegt. Das Reich Gottes, das Jesus uns gebracht hat, ist ein Reich der Gerechtigkeit. Es gilt allen Menschen und darum gilt der Gerichtsspruch nicht nur für Israel, sondern allen Nationen und Völkern. Beten wir darum, dass die Gerechtigkeit Gottes sich in dieser Welt durchsetzt. Wie können wir uns dafür einsetzen, dass „Witwen und Waisen“ ihr Recht bekommen?

29.Juli Jesaja 1, 18 – 20

Kommt doch, wir wollen miteinander rechten, spricht der HERR. Sind eure Sünden wie Scharlach, weiß wie Schnee werden sie. Sind sie rot wie Purpur, wie Wolle werden sie. Wenn ihr willig seid und hört, werdet ihr das Beste des Landes essen. Wenn ihr euch aber weigert und auflehnt, werdet ihr vom Schwert gefressen. Ja, der Mund des HERRN hat gesprochen.

Wer schon einmal seine Kleidung gefärbt hat, weiß: Die Farbe ist nicht mehr ganz herauszubringen, vor allem wenn es eine kräftige Farbe wie Purpur ist. Es ist unmöglich, die Folgen seiner schlimmen Taten loszuwerden! Sie wirken weiter im Leben anderer Menschen, die wir geschädigt, lieblos behandelt oder betrogen haben. Menschlich gesehen lässt sich das nicht mehr „auswaschen“. Doch Gott macht dem Volk ein Angebot: Wenn ihr willig seid und hört – dann wird es geschehen, dass ich die Folgen eurer Taten auslösche. Und zusätzlich wird euer Leben eines im Segen sein, ihr werdet von allem nicht nur genug, sondern Überfluss haben. Und wenn nicht? Dann habt ihr euch selbst das Urteil gesprochen. Gilt das auch noch heute? Ja, durchaus. Im viel zitierte Gleichnis vom „verlorenen Sohn“ wird die grenzenlose Güte des Vaters richtig hervorgehoben – aber wenn der Sohn nicht umkehrt, kommt er bei den Schweinen um. Nicht alles geht in dieser Welt so einfach auf wie bei diesem Wort hier – viele politische Ereignisse und Katastrophen lassen sich nicht so einfach einordnen, aber grundsätzlich gilt: Vergebung und Segen folgen auf eine Umkehr

28.Juli Jesaja 1, 10 – 17


Hört das Wort des HERRN, ihr Wortführer von Sodom! Horcht auf die Weisung unseres Gottes, Volk von Gomorra! Was soll ich mit euren vielen Schlachtopfern?, spricht der HERR. Die Brandopfer von Widdern und das Fett von Mastkälbern habe ich satt und am Blut der Stiere, Lämmer und Böcke habe ich kein Gefallen. Wenn ihr kommt, um vor meinem Angesicht zu erscheinen - wer hat von euch verlangt, dass ihr meine Vorhöfe zertrampelt? Bringt mir nicht länger nutzlose Gaben, Räucheropfer, die mir ein Gräuel sind! Neumond und Sabbat, das Ausrufen von Festversammlungen, ich ertrage nicht Frevel und Feier. Eure Neumonde und Feste sind mir in der Seele verhasst, sie sind mir zur Last geworden, ich bin es müde, sie zu ertragen. Wenn ihr eure Hände ausbreitet, verhülle ich meine Augen vor euch. Wenn ihr auch noch so viel betet, ich höre es nicht. Eure Hände sind voller Blut. Wascht euch, reinigt euch! Schafft mir eure bösen Taten aus den Augen! Hört auf, Böses zu tun! Lernt, Gutes zu tun! Sucht das Recht! Schreitet ein gegen den Unterdrücker! Verschafft den Waisen Recht, streitet für die Witwen!

Die Bewohner Jerusalems werden als „Sodom und Gomorra“ angesprochen. In harten Worten ruft der Prophet dazu auf, den Gegensatz festlicher Gottesdienste und Opferriten zu dem alltäglichen Verhalten des Volkes und seiner Oberen endlich wahrzunehmen. Das passt nicht zusammen! Ihr habt Blut an euren Händen und erhebt sie zum Gebet! All das, was er doch selbst in der Thora angeordnet hat, all diese heiligen Handlungen hasst Gott, wenn das Verhalten nicht dazu passt. Wir werden da an die Tempelaustreibung Jesu erinnert: Ihr habt eine Räuberhöhle daraus gemacht! Es gilt bis heute: Unser Umgang mit Menschen muss zu unseren Worten und Gebeten im Gottesdienst passen. Wir können die Kirchen schließen, wenn wir uns nicht zugleich um „Witwen und Waisen“ kümmern und für soziale Gerechtigkeit eintreten. Christliches Leben ohne soziales Engagement ist Gott ein Gräuel! Wer zu den Unterdrückern schweigt, darf auch keine Choräle singen.

27.Juli Jesaja 1, 1 – 9


 Vision Jesajas, des Sohnes des Amoz, die er über Juda und Jerusalem geschaut hat, in den Tagen des Usija, des Jotam, des Ahas, des Hiskija, der Könige von Juda.
Hört, ihr Himmel, horch auf, Erde! Denn der HERR hat gesprochen: Ich habe Söhne großgezogen und emporgebracht, doch sie sind mir abtrünnig geworden. Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn; Israel aber hat keine Erkenntnis, mein Volk hat keine Einsicht. Wehe der sündigen Nation, dem schuldbeladenen Volk, der Brut von Übeltätern, den Söhnen, die Verderben bringen! Sie haben den HERRN verlassen, den Heiligen Israels verschmäht und ihm den Rücken zugekehrt. Wohin sollt ihr noch geschlagen werden? Ihr bleibt ja doch widerspenstig. Der ganze Kopf ist wund, das ganze Herz ist krank. Von der Fußsohle bis zum Kopf ist nichts heil an ihm, nur Beulen, Striemen und frische Wunden, sie sind nicht ausgedrückt, nicht verbunden, nicht mit Öl gelindert. Euer Land ist verwüstet, eure Städte sind feuerverbrannt. Fremde verzehren vor euren Augen den Ertrag eures Ackers; eine Verwüstung wie bei der Zerstörung durch Fremde. Die Tochter Zion ist übriggelassen wie eine Hütte im Weinberg, wie ein Schutzdach für die Nacht im Gurkenfeld, wie eine belagerte Stadt. Hätte der HERR der Heerscharen für uns nicht einige Entkommene übriggelassen, wir wären wie Sodom geworden, wir glichen Gomorra.

In den folgenden Tagen werden Texte aus Jesaja das Thema sein.
Vor mehr als 2700 Jahren tritt plötzlich dieser Prophet auf, der seinem Volk den Untergang vorhersagt. Diese Zeilen stammen aus einer Zeit, als das nördliche Teilreich schon untergegangen war, nur Judäa rund um Jerusalem hielt sich noch – ein Gebiet so groß wie der Schönbuch. Das politische Unglück führt er auf das Verhalten Israels zurück: Abfall von Gott, keine Erkenntnis, keine Einsicht, eine sündige Nation! Dabei geht es immer um zweierlei: Abkehr von Gott zu anderen Göttern und soziales Unrecht. Jesaja verbreitet hier keine Hoffnung auf Besserung, seine Aufgabe ist es, das Geschehen – Krieg, Niederlagen und Zerstörung – als Konsequenz des Handelns des Volkes und als Gericht Gottes zu erklären. Gilt das auch für unsere Zeit? Sind Katastrophen wie Überschwemmungen oder Seuchen wie Covid 19 Gericht Gottes? Oder zugleich Konsequenzen des eigenen Handelns? Letzteres gestehen wir leichter zu, dass das alles etwas mit Gott zu tun hat, geht uns schwerer über die Lippen. Aber ist diese Art Gericht nicht gleichbedeutend damit, dass Gott uns die Konsequenzen unserer Taten spüren lässt, sie also nicht verhindert?

26. Juli Lukas 19, 16 – 27

Nach seiner Rückkehr ließ er die Diener rufen, denen er das Geld anvertraut hatte; er wollte erfahren, welchen Gewinn sie damit erzielt hatten. Der erste erschien vor ihm und sagte: ›Herr, dein Pfund hat zehn weitere eingebracht.‹ – ›Sehr gut‹, erwiderte der Herr, ›du bist ein tüchtiger Diener. Weil du im Kleinsten treu gewesen bist, sollst du Verwalter von zehn Städten werden.‹ Der zweite kam und sagte: ›Herr, dein Pfund hat fünf weitere eingebracht.‹ Auch ihn lobte der Herr. ›Du sollst über fünf Städte bestimmen‹, sagte er. Doch der nächste, der kam, erklärte: ›Herr, hier hast du dein Pfund zurück. Ich habe es in einem Tuch aufbewahrt. Ich hatte nämlich Angst vor dir, weil du ein strenger Mann bist. Du forderst Gewinn, wo du nichts angelegt hast, und erntest, wo du nicht gesät hast.‹ Sein Herr entgegnete ihm: ›Mit deinen eigenen Worten sprichst du dir das Urteil, du böser Mensch! Du hast also gewusst, dass ich ein strenger Mann bin, dass ich Gewinn fordere, wo ich nichts angelegt habe, und ernte, wo ich nicht gesät habe. Warum hast du mein Geld da nicht wenigstens auf die Bank gebracht? Dann hätte ich es bei meiner Rückkehr mit Zinsen zurückfordern können.‹ Und er wandte sich zu den Umstehenden und sagte: ›Nehmt ihm das Pfund weg und gebt es dem, der die zehn Pfund hat!‹ – ›Aber Herr‹, wandten sie ein, ›er hat doch schon zehn!‹ – ›Ich sage euch‹, erwiderte er, ›jedem, der hat, wird gegeben; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat. Und nun zu meinen Feinden, die nicht wollten, dass ich über sie herrsche: Holt sie her und bringt sie vor meinen Augen um!‹«

Da liest man einige merkwürdige Dinge! Einmal geht es um Lohn für treue Dienste – Jesus spricht öfters vom „Lohn im Himmel“. Der dritte Diener hat das Geld in seinem Nackentuch verborgen. Er hält seinen Herrn für einen strengen und ungerechten Mann. Damit spricht er sich selbst das Urteil. Da geht es also um die Frage, welches Bild von Gott ich habe: Mir geschieht, wie ich geglaubt habe, im positiven wie im negativen Sinne. Was geschieht mit dem Diener? Nun, er bekommt nichts, aber er stirbt auch nicht. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass eigenes Versagen nicht zum Untergang führt. In 1.Kor.3, 14-15 heißt es: „Wenn das, was jemand auf dem Fundament aufgebaut hat, die Feuerprobe besteht, wird Gott ihn belohnen. Wenn es jedoch verbrennt, wird er seinen Lohn verlieren. Er selbst wird zwar gerettet werden, aber nur wie einer, der im letzten Augenblick aus dem Feuer gerissen wird." Man kommt dann etwas angesengt im Himmel an. Der letzte Satz ist allerdings furchtbar. Wahrscheinlich steckt die historische Situation des Untergangs Jerusalems dahinter: Die, die nicht wollten, dass Rom über sie herrscht, sind in einem furchtbaren Massaker umgekommen. Der Verkündigung Jesu entspricht das nicht. Kann ich mit dem Gedanken des Lohnes etwas anfangen?

25.Juli Lukas 19, 11 – 15

Jesus fuhr mit einem Gleichnis fort. Weil er so nahe vor Jerusalem war, meinten seine Zuhörer nämlich, der Anbruch des Reiches Gottes stehe unmittelbar bevor. Er sagte: »Ein Mann aus vornehmer Familie reiste in ein fernes Land, um sich dort zum König über sein eigenes Land einsetzen zu lassen und dann zurückzukehren. Vor der Abreise rief er zehn seiner Diener zu sich und gab ihnen Geld, jedem ein Pfund. ›Arbeitet damit, bis ich wiederkomme!‹, sagte er. Doch die Bürger des Landes hassten ihn. Sie schickten eine Abordnung hinter ihm her und ließen erklären: ›Wir wollen nicht, dass dieser Mann König über uns wird.‹ Trotzdem wurde er zum König eingesetzt.

Das Gleichnis von dem anvertrauten Geld beginnt mit einer historischen Begebenheit. Herodes Archelaos, der Sohn des großen Herodes, war nach Rom gereist, um als König bestätigt zu werden. Später reisten tatsächlich vornehme Juden nach Rom und beklagten sich bei Augustus über ihn, so dass er nach Gallien verbannt wurde. Der Sinn dieser „Vorgeschichte“ des Gleichnisses liegt im ersten Satz: Weil Jerusalam so nahe ist, denken die Leute, jetzt bräche mit Jesus sofort das Reich Gottes an. Nein, wird ihnen gesagt, der König wird zuerst in ein „fernes Land“ reisen, um sich bestätigen zu lassen und dann als König zurückkehren. Wie lange das dauert, weiß niemand. Die Leute im Land aber hassen ihn, so wie sie Jesus hassen und umbringen werden. Aber er wird trotzdem König werden. Jesus muss in dieser Situation der Versuchung widerstehen, sich selbst zum Messias auszurufen und einen Aufstand anzuführen. Statt dessen spricht er von einer Zeit, in der seinen Jüngern Dinge anvertraut werden, mit denen sie arbeiten sollten. Es ist eine Zeit der Eigenverantwortung – aber mit der Hoffnung, dass der König zurückkehrt. Habe ich diese Hoffnung noch? 

24.Juli Lukas 19, 1 – 10

Jesus kam nach Jericho; sein Weg führte ihn mitten durch die Stadt. Zachäus, der oberste Zolleinnehmer, ein reicher Mann, wollte unbedingt sehen, wer dieser Jesus war. Aber es gelang ihm nicht, weil er klein war und die vielen Leute ihm die Sicht versperrten. Da lief er voraus und kletterte auf einen Maulbeerfeigenbaum; Jesus musste dort vorbeikommen, und Zachäus hoffte, ihn dann sehen zu können. Als Jesus an dem Baum vorüberkam, schaute er hinauf und rief: »Zachäus, komm schnell herunter! Ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein.« So schnell er konnte, stieg Zachäus vom Baum herab, und er nahm Jesus voller Freude bei sich auf. Die Leute waren alle empört, als sie das sahen. »Wie kann er sich nur von solch einem Sünder einladen lassen!«, sagten sie. Zachäus aber trat vor den Herrn und sagte zu ihm: »Herr, die Hälfte meines Besitzes will ich den Armen geben, und wenn ich von jemand etwas erpresst habe, gebe ich ihm das Vierfache zurück.« Da sagte Jesus zu Zachäus: »Der heutige Tag hat diesem Haus Rettung gebracht. Denn«, fügte er hinzu, »dieser Mann ist doch auch ein Sohn Abrahams. Und der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.«

Was für ein Anblick! Der oberste Zolleinnehmer, der bekannte Kollaborateur und Besatzungsgewinnler, sitzt im Baum und schaut sich Jesus an. Das Urteil der Leute steht schon fest: Dieser Mann ist ein Schuft, ein Dieb und Verräter des Volkes. Jesus schaut in den Baum hinauf und sieht etwas ganz anderes: Einen Menschen getrieben von der Sehnsucht nach Heilung, nach Gemeinschaft und innerem Frieden. Warum sonst ist er auf diesen Baum geklettert? Die Selbst-Einladung Jesu trifft diese Sehnsucht und setzt in Zachäus etwas in Bewegung, das schon lange da war: Er findet seine Menschlichkeit wieder, er kann endlich tun, was gut und richtig ist. Er ist gerettet. Und die Leute? Sie werden nicht mehr erwähnt. Müssten sie sich nicht fragen, ob ihre Verurteilungen berechtigt waren? Das führt zu der Frage: Was sehe ich in den Menschen, die sich offensichtlich falsch verhalten? Sehe ich nur den Sünder, den Dieb, den raffgierigen Menschen? Oder gehe ich davon aus, dass „auch dieser ein Sohn Abrahams ist“? Soll heißen: Ein Kind Gottes mit denselben Sehnsüchten, Fragen und Zweifeln wie ich, verirrt und verstrickt, aber mit dem verborgene Verlangen, einen neuen, guten Weg zu finden? Wie sehe ich die Menschen?


23.Juli Lukas 18, 35 – 43

Als Jesus in die Nähe von Jericho kam, saß dort ein Blinder am Straßenrand und bettelte. Er hörte, wie eine große Menschenmenge vorüberzog, und erkundigte sich, was das zu bedeuten habe. »Jesus von Nazaret kommt vorbei«, erklärte man ihm. Da rief er: »Jesus, Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!« Die Leute, die vor Jesus hergingen, fuhren ihn an, er solle still sein. Doch er schrie nur umso lauter: »Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!« Jesus blieb stehen und ließ ihn zu sich holen. Als der Blinde vor ihm stand, fragte ihn Jesus: »Was möchtest du von mir?« – »Herr«, antwortete er, »ich möchte sehen können!« Da sagte Jesus zu ihm: »Du sollst sehen können! Dein Glaube hat dich gerettet.« Im selben Augenblick konnte der Mann sehen. Er folgte Jesus nach und lobte und pries Gott. Und auch die ganze Volksmenge, die seine Heilung miterlebt hatte, gab Gott die Ehre.

Was mag dieser Blinde von Jesus gehört haben? „Jesus, Sohn Davids!“ – so schreit er. Es ist ein Bekenntnis, denn der kommende Erlöser wird als neuer König der Nachfahre Davids sein. Schon in Jesaja 29 heißt es: „Zu der Zeit werden die Tauben hören die Worte des Buches, und die Augen der Blinden werden aus Dunkel und Finsternis sehen; und die Elenden werden wieder Freude haben am HERRN, und die Ärmsten unter den Menschen werden fröhlich sein in dem Heiligen Israels.“ Das, was hier geschieht, ist also ein Hinweis auf die Messianität Jesu – er ist der, der kommen soll, um Israel zu erlösen. Vielleicht erklärt sich so die Reaktion der Leute. Es war gefährlich, öffentlich als Messias aufzutreten, ja geradezu lebensgefährlich. Doch Jesus ist entschlossen, die Konfrontation in Jerusalem zu suchen. Die Heilung ist die öffentliche Bestätigung: Ja, das bin ich! Es gibt Momente, in denen muss die Wahrheit laut hinausgerufen werden – sei es in der Verkündigung von Heil oder von Unheil. Der Blinde lässt sich nicht davon abhalten. Lasse ich mich davon abhalten?

22.Juli Lukas 18, 31 - 34

Jesus nahm die Zwölf beiseite und sagte zu ihnen: »Wir gehen jetzt nach Jerusalem hinauf. Dort wird sich alles erfüllen, was bei den Propheten über den Menschensohn steht. Er wird den Heiden übergeben werden, die Gott nicht kennen; er wird verspottet, misshandelt und angespuckt werden; man wird ihn auspeitschen und schließlich töten. Doch drei Tage danach wird er auferstehen.« Die Jünger begriffen von all dem nichts. Der Sinn dieser Worte war ihnen verborgen; sie verstanden nicht, was damit gemeint war.

Ist Jesus ein schlechter Lehrer? Die Jünger begreifen nicht, was er da redet. Der Grund dürfte ein anderer sein. Die Jünger hatten immer noch die damals gängige Messiasvorstellung im Kopf: Er wird Israel von seinen Feinden erlösen, die Römer vertreiben und das Reich Davids wieder errichten. Das ist etwas für Lehrer: Sie können sich noch so sehr bemühen, aber gegen die eingeprägten Vorstellungen in den Köpfen ihrer Schüler kommen sie nur schwer an. Ein Messias, der getötet wird, war außerhalb der Vorstellung der Jünger – ein völlig unmöglicher Gedanke. Das führt zu der Frage: Welche religiösen Vorstellungen muss ich über Bord werfen? Wohin will Gott heute mir dieser Welt? Das Reich Gottes breitet sich weit über die Grenzen der Kirchen und Konfessionen hinaus aus – setze ich ihm Grenzen in meiner Vorstellung? Verstehe ich, was Gottes Geist in dieser meiner Welt tut? Oder bleibe ich bei meiner kleinen Sicht? 

21.Juli Lukas 18, 24 – 30

Als Jesus ihn (den Reichen) so traurig sah, sagte er: »Wie schwer ist es doch für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen! Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher ins Reich Gottes kommt.« Da fragten die Zuhörer: »Wer kann dann überhaupt gerettet werden?« Jesus antwortete: »Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist für Gott möglich.« Da sagte Petrus: »Du weißt, wir haben zurückgelassen, was wir besaßen, und sind dir nachgefolgt.« Jesus erwiderte, zu allen Jüngern gewandt: »Ich sage euch: Jeder, der um des Reiches Gottes willen Haus oder Frau, Geschwister, Eltern oder Kinder zurücklässt, bekommt jetzt, in dieser Zeit, alles vielfach wieder und in der kommenden Welt das ewige Leben.«

Warum ist es so schwer, Reichtum loszulassen? Weil darin eine Sicherheit losgelassen wird, auf die wir normalerweise setzen. Kann ich Gott bei den realen Dingen des Lebens wirklich vertrauen? Ohne „Netz und doppelten Boden“? Nein, das ist eine menschliche Unmöglichkeit. Aber für Gott ist es möglich. Das heißt: Es ist möglich, dass Gott mich so ergreift und verwandelt, dass es möglich wird, ein solches Vertrauen zu haben. Die Jünger haben das an sich selbst erlebt. Und manchmal fragen sie sich, was ihnen das gebracht hat außer einem wilden Leben auf der Straße. Da spricht Jesus eine Verheißung aus: Wer in das Reich Gottes investiert, erhält seinen Einsatz vielfältig wieder. Bei den Jüngern wird dies später Wirklichkeit, indem sie die Gemeinschaft der Gemeinde erleben – eine neue Familie, in die oft die alte auch noch integriert war. Das ist die Verheißung für die, die Altes verlassen: Eine neue, tiefe und reiche Gemeinschaft. Wie schwer fällt es mir, Dinge aufzugeben?

20.Juli Lukas 18, 19 – 23

Jesus sagt: „Du kennst doch die Gebote: ›Du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst keinen Mord begehen, du sollst nicht stehlen, du sollst keine falschen Aussagen machen, ehre deinen Vater und deine Mutter!‹« Der Mann erwiderte: »Alle diese Gebote habe ich von meiner Jugend an befolgt.« Da sagte Jesus zu ihm: »Eines fehlt dir noch: Verkaufe alles, was du hast, und verteile den Erlös an die Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben. Und dann komm und folge mir nach!« Der Mann wurde sehr traurig, als er das hörte, denn er hatte ein großes Vermögen.

Es geht weiter in der Geschichte von gestern: Es scheint keine Testfrage gewesen zu sein, die der Ratsherr da stellt. Es geht ihm wirklich darum, ob sein Einsatz für die Gebote denn ausreicht, um in den Himmel zu kommen. Jesus antwortet mit einer Aufzählung aus den 10 Geboten. Warum? Vermutlich weiß er, wie die Antwort ausfallen wird – und sie erfolgt ja auch prompt: „Das habe ich alles befolgt!“ Gebote sind nicht unwichtig, sie sind sozusagen die Basis der Gottesherrschaft und Jesus hat sie nicht aufgehoben. Nur gibt es darüber hinaus noch etwas Tieferes: Das innere Überzeugtsein von der kommenden Herrschaft Gottes, an der sich alles Verhalten und Tun misst. Und gerade der Besitz wird zu einem Prüfstein, wie tief die Überzeugung im Herzen sitzt. Das Abgeben des Besitzes steht nicht in den Geboten – doch der Ratsherr ist trotz all seiner Gebotsbefolgung innerlich daran gebunden. Ob er den Schritt in die Freiheit wagt? Und welchen Schritt in die Freiheit der Kinder Gottes muss ich wagen, um Jesus nachfolgen zu können?


19.Juli Lukas 18, 18


Ein angesehener Mann, ein Ratsherr, fragte Jesus: »Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu bekommen?« – »Warum nennst du mich gut?«, entgegnete Jesus. »Niemand ist gut, außer der eine Gott.

Niemand ist gut außer Gott! Was für eine Aussage! Warum lehnt Jesus ab, als „guter Meister“ bezeichnet zu werden? Es geht im Leben nicht um das Gutsein, sondern um die Beziehung zu Gott, der allein wirklich gut ist. Die, die gut sein wollen, werden so oft zu Gutmenschen, die nicht nur andere damit nerven, wie gut sie sind, sondern ihre eigenen dunklen Seiten verdrängen müssen. Die Botschaft lautet: Du musst nicht gut sein, um bei Gott zu sein! Seine Liebe ist stärker als das Böse in dir, wenn du bei ihm bleibst, wird sie das Böse überwinden und verwandeln. Wie anstrengend sind unsere Bemühungen zur „Selbstoptimierung“! Gott allein ist gut – alle anderen sind es nicht, sie sind bruchstückhaft, gut und schlecht zugleich. Wie gut, wenn ich meine dunklen Seiten nicht mehr übertünchen muss! Wo in meinem Leben könnte mir dieser Gedanke Erleichterung verschaffen?

18.Juli Lukas 18, 15 – 17

Es wurden auch kleine Kinder zu Jesus gebracht; er sollte sie segnen. Aber die Jünger sahen das nicht gern und wiesen sie barsch ab. Doch Jesus rief die Kinder zu sich und sagte: »Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn gerade für solche wie sie ist das Reich Gottes. Ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht wie ein Kind annimmt, wird nicht hineinkommen.«

Oft hören wir diesen Text in der Liturgie für die Kindertaufe. Doch hier geht es um eine spezielle Eigenschaft von Kindern, nämlich das „Reich Gottes annehmen wie ein Kind“. Damit ist nicht die Passivität eines Säuglings gemeint, der ja nichts zum Empfang der Taufe beitragen kann. Sondern das vertrauende Sich-beschenken-lassen eines Kindes, das ein selbstverständliches Liebesverhältnis zu seinem Vater hat. Es sagt zu ihm Abba, Papa. Das Reich Gottes wie ein Kind annehmen heißt also nicht, passiv bleiben, sondern sich beschenken lassen, ohne etwas dafür geleistet zu haben. Es heißt, in dem Vertrauen auf den himmlischen Vater zu leben, der mich versorgen wird und der mir keine Schlange geben wird, wenn ich ihn um einen Fisch bitte. (Luk.11). Viele religiöse Menschen haben Angst vor Gott und sind sich dessen nicht bewusst, weil diese Angst tief in ihnen verborgen ist. Diese Angst treibt sie zu religiösen Leistungen. Das ist nicht die Art des Kindes, die Jesus hier anspricht. Wie steht es um mein Gottesverhältnis? Wie tief ist mein Vertrauen und wobei steuert mich die Angst vor Ablehnung und Verdammung?


17.Juli Lukas 18, 9 – 14

Jesus wandte sich nun an einige, die in falschem Selbstvertrauen meinten, in Gottes Augen gerecht zu sein, und die deshalb für die anderen nur Verachtung übrighatten. Er erzählte ihnen folgendes Beispiel: »Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein Pharisäer und der andere ein Zolleinnehmer. Der Pharisäer stellte sich selbstbewusst hin und betete: ›Ich danke dir, Gott, dass ich nicht so bin wie die übrigen Menschen – ich bin kein Räuber, kein Betrüger und kein Ehebrecher, und ich bin auch nicht wie jener Zolleinnehmer dort. Ich faste zwei Tage in der Woche und gebe den Zehnten von allen meinen Einkünften.‹ Der Zolleinnehmer dagegen blieb in weitem Abstand stehen und wagte nicht einmal, aufzublicken. Er schlug sich an die Brust und sagte: ›Gott, vergib mir sündigem Menschen meine Schuld!‹ Ich sage euch: Der Zolleinnehmer war in Gottes Augen gerechtfertigt, als er nach Hause ging, der Pharisäer jedoch nicht. Denn jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden; aber wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.«

Es geht hier um Leute, die sich aufgrund ihrer Gesetzesbefolgung sicher sind, zu Gott zu gehören. Ihr Vertrauen auf ihre eigenen Handlungen und Werke verdrängt das Vertrauen auf Gott. Im Beispiel kann der Gegensatz nicht größer sein: Ein gerechter Pharisäer und ein offensichtlich sündiger Zöllner werden nebeneinandergestellt. Der Pharisäer betet, aber in Wirklichkeit führt er ein Selbstgespräch! So die korrekte Übersetzung: „Er betete zu sich selbst.“ Die erste Wirkung dieser selbstgerechten Grundhaltung ist also, dass dieses Gebet ein innerer Monolog bleibt. Die zweite Wirkung ist die Verachtung anderer, die offenbar falsche Wege gegangen sind. Denn das Befolgen des Gesetzes ist mühsam – zwei Tage fasten und alle Dinge, die man erwirbt, noch einmal nachverzinsen, also zehn Prozent von ihnen wieder abgeben, das sind Dinge, die den Alltag anstrengend machen. Wer nach solchen Geboten lebt, steht immer in der Gefahr, andere zu verachten, die nicht so leben. Diese Verachtung wird zu einer Motivation für die eigene mühsame Lebensweise.
Der Zöllner aber wagt es nicht, sich Gott zu nähern und ist ihm darin gerade nahe. In Psalm 51,19 heißt es: „Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängstigter Geist, ein geängstigtes, zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten.“ Er kann das Gesetz nicht halten, das von ihm fordert, allen Geschädigten seiner „Geschäfte“ ihr Geld samt 20% Zinsen zu erstatten – das Geld hat er nicht mehr. Er ist durch seine Grundhaltung gerechtfertigt, ihm wird vergeben, weil er zu seiner Schuld steht und weiß, dass er ganz auf Gottes Gnade angewiesen ist. Die am Ende angesprochene Demut, die „Selbsterniedrigung“ darf nicht falsch verstanden werden als „sich klein machen“, sondern als realistische Einschätzung meiner selbst vor Gott. Es ist der Mut, zu seinen Fehlern und Irrwegen zu stehen. Habe ich diesen Mut? 

16.Juli Lukas 18, 1 - 8

Jesus wollte seinen Jüngern zeigen, dass sie unablässig beten sollten, ohne sich entmutigen zu lassen. Deshalb erzählte er ihnen folgendes Gleichnis: »In einer Stadt lebte ein Richter, der nicht nach Gott fragte und auf keinen Menschen Rücksicht nahm. In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe. Sie kam immer wieder zu dem Richter und bat ihn: ›Verhilf mir in der Auseinandersetzung mit meinem Gegner zu meinem Recht!‹ Lange Zeit wollte der Richter nicht darauf eingehen, doch dann sagte er sich: ›Ich fürchte Gott zwar nicht, und was die Menschen denken, ist mir gleichgültig; aber diese Witwe wird mir so lästig, dass ich ihr zu ihrem Recht verhelfen will. Sonst bringt sie mich mit ihrem ständigen Kommen noch zur Verzweiflung.‹« Der Herr fuhr fort: »Habt ihr darauf geachtet, was dieser Richter sagt, dem es überhaupt nicht um Gerechtigkeit geht? Sollte da Gott nicht erst recht dafür sorgen, dass seine Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm rufen, zu ihrem Recht kommen? Und wird er sie etwa warten lassen? Ich sage euch: Er wird dafür sorgen, dass sie schnell zu ihrem Recht kommen. Aber wird der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde solch einen Glauben finden?«

Sind Gebete wirksam? Schaffen sie mehr Gerechtigkeit in der Welt? Wir stehen oft in diesem Zwiespalt, wir beten und nichts passiert. Warum müssen denn Gottes Auserwählte „Tag und Nacht zu ihm rufen“? Diese ganze Passage steht quer zu unserer Erfahrung! Ein Hinweis am Ende ist wichtig: „Solch einen Glauben“ – Es ist eine Frage des Vertrauens, ob ein Gebet wirksam ist. Ist mein Gebet von der Überzeugung getragen, dass etwas Gutes geschehen wird? Die Bewegung des „positiven Denkens“ hat hier einen wahren Punkt: Wenn mein Gebet nur in einem jammernden „Ach Gott hilf doch“ besteht, wird es nichts bewirken, denn es bleibt im Negativen verhaftet. Wenn sich aber im Beten die innere Gewissheit einstellt, dass Gott das tun wird, was ich erbitte, und mehr noch, ich mir das Ergebnis dessen vorstellen kann, wird mein Gebet wirksam sein. Blaise Pascal hat gesagt, Gott habe uns im Gebet die Würde verliehen, für etwas Ursache zu sein, also schöpferisch tätig zu sein. Oder, wie früher die Frommen formuliert haben, „den Arm Gottes zu bewegen.“ Klar, so vertrauend beten zu können, ist ein Geschenk – aber auch Geschenke muss man auspacken. In welcher Grundstimmung bete ich – jammernd oder vertrauend?

15.Juli Lukas 17, 26 – 37


In den Tagen, in denen der Menschensohn kommt, wird es sein wie in den Tagen Noahs. Die Menschen aßen und tranken, sie heirateten und wurden verheiratet – bis zu dem Tag, an dem Noah in die Arche ging; dann brach die Flut herein, und sie kamen alle um. Es wird auch sein wie in den Tagen Lots. Die Menschen aßen und tranken, sie kauften und verkauften, sie pflanzten und bauten – doch an dem Tag, als Lot Sodom verließ, regnete es Feuer und Schwefel vom Himmel, und sie kamen alle um. Genauso wird es an dem Tag sein, an dem der Menschensohn wiederkommt. Wer sich an jenem Tag gerade auf dem Dach seines Hauses aufhält und seine Sachen unten im Haus liegen hat, soll nicht erst noch hinuntersteigen, um sie zu holen. Das Gleiche gilt für den, der auf dem Feld ist: Er soll nicht mehr nach Hause zurücklaufen. Denkt an Lots Frau! Wer sein Leben zu erhalten sucht, wird es verlieren; wer es aber verliert, wird es bewahren. Ich sage euch: Von zwei Menschen, die in jener Nacht in einem Bett liegen, wird der eine angenommen und der andere zurückgelassen. Und von zwei Frauen, die zusammen Getreide mahlen, wird die eine angenommen und die andere zurückgelassen.« Die Jünger fragten Jesus: »Wo wird das geschehen, Herr?« Er antwortete: »Wo Aas liegt, da sammeln sich die Geier.«

Ach, was hatte ich als Kind für Ängste wegen dieses Wortes! Ganz klar, ich würde zurückbleiben wegen meiner kleinen Sünden, wenn all die Anderen entrückt würden! Ich kann es mir heute nur so erklären, dass Jesus angesichts bitteren Unrechts dieses drohende Wort ausspricht. Und der Schwerpunkt liegt im ersten Teil des Textes auf der Plötzlichkeit des Geschehens. Das können wir heute gut nachvollziehen: Wie heiter und sorgenfrei erschien uns das Leben manchem vor drei Jahren und wie schnell hat sich das geändert. Im Kern geht es um diese Aussage: „Wer sein Leben zu erhalten sucht, wird es verlieren; wer es aber verliert, wird es bewahren.“ Die, die ihr Leben ausgeteilt haben, die nichts festgehalten haben und Liebe gelebt haben, sind die Angenommenen. Die, die nur für ihren Besitz gelebt haben, die aßen und tranken, kauften und verkauften, also in das ganz normale materielle Leben verstrickt waren, werden mit der materiellen Welt umkommen. Denn am Ende steht eine Verwandlung, eine Transformation dieses Welt in die zukünftige Welt Gottes. Das übersteigt all unsere Vorstellungen. Darum stellen diese Worte die Frage: Lebe ich heute schon für diese zukünftige Welt? Und was zählt in der Bilanz meines Lebens am Ende wirklich? 

14. Juli Lukas 17, 20 - 25

Die Pharisäer fragten Jesus, wann das Reich Gottes komme. Darauf antwortete er: »Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es an äußeren Anzeichen erkennen kann. Man wird auch nicht sagen können: ›Seht, hier ist es!‹ oder: ›Es ist dort!‹ Nein, das Reich Gottes ist mitten unter euch.« Dann sagte Jesus zu seinen Jüngern: »Es wird eine Zeit kommen, da werdet ihr euch danach sehnen, auch nur einen Tag der Herrschaft des Menschensohnes zu erleben, aber euer Sehnen wird vergeblich sein. Wenn man zu euch sagt: ›Seht, dort ist er!‹ oder: ›Seht, er ist hier!‹, dann geht nicht hin; lauft denen, die hingehen, nicht nach. Denn wie der Blitz aufleuchtet und den Himmel von einem Ende zum anderen erhellt, so wird es an dem Tag sein, an dem der Menschensohn kommt. Vorher muss er jedoch vieles erleiden und wird von der jetzigen Generation verworfen werden.«

Mitten unter euch! Oder doch, wie andere übersetzen: In euch? Wahrscheinlich gilt beides: Jesus, der in dieser Diskussionsrunde steht, ist die Personifizierung des Reiches Gottes, mit ihm ist es schon da. Aber für die Gesprächspartner gilt: Es ist in ihnen, wenn sie es nur sehen und begreifen könnten. Denn die Herrschaft Gottes ist zuerst eine innere Sache, die das Herz ergreift und den Menschen von innen nach außen ändert. Aber es ist keine nur innere Angelegenheit, es wird sichtbar kommen, indem Jesus, der Menschensohn wiederkommt. Bis dahin wird das Reich Gottes wachsen, wie eine Saat wächst. Aber es wird nicht leicht erkennbar sein. Was kann der Grundgedanke „das Reich Gottes ist in meinem Inneren“ an meiner Einstellung zu anderen Menschen und zu dieser Gesellschaft ändern? Welches Verhalten ist dem angemessen – und welches nicht? Gibt dieses innere Reich Gottes mir die Kraft, meine Welt zu verändern? Wie könnte das heute konkret aussehen? 

13. Juli Lukas 17, 11 - 19


Auf seinem Weg nach Jerusalem zog Jesus durch das Grenzgebiet von Samarien und Galiläa. Kurz vor einem Dorf kamen ihm zehn Aussätzige entgegen; sie blieben in einigem Abstand stehen und riefen laut: »Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns!« Jesus sah sie an und sagte zu ihnen: »Geht und zeigt euch den Priestern!« Auf dem Weg dorthin wurden sie gesund. Einer von ihnen kam zurück, als er sah, dass er geheilt war. Er pries Gott mit lauter Stimme, warf sich vor Jesu Füßen nieder und dankte ihm. Dieser Mann war ein Samaritaner. Jesus aber sagte: »Sind denn nicht alle zehn gesund geworden? Wo sind die anderen neun? Ist es keinem außer diesem Fremden in den Sinn gekommen, zurückzukehren und Gott die Ehre zu geben?« Dann sagte er zu dem Mann: »Steh auf, du kannst gehen! Dein Glaube hat dich gerettet.«

Jesus hat sich auf den Weg nach Jerusalem gemacht. Irgendwo im Grenzgebiet zu Samarien sind ihm die 10 Aussätzigen begegnet. Indem Jesus sie zu den Priestern schickt, mutet er ihnen eine Glaubensprobe zu: Sie sind ja noch nicht geheilt, als sie sich auf den Weg machen. Das Wunder geschieht unterwegs. Als sie das merken, kommt nur der eine, der Samariter, zurück und bedankt sich. Ausgerechnet der Ausländer. Was haben sich die anderen gedacht? Dass der Messias die Pflicht hat, zu heilen? Dass alles Zufall ist? Wir wissen es nicht. Aber dem einen wird gesagt: „Dein Glaube hat dich gerettet“. Das ist in einem umfassenderen Sinne zu verstehen. Die neun sind zwar geheilt, aber ihr Inneres hat sich nicht verändert. Nur der Ausländer, der Gesetzlose – von den Juden her betrachtet – hat diese tiefere Heilung erfahren. Wer Gottes Kind ist und wer nicht, lässt sich nicht an menschengemachten Grenzen festmachen – auch nicht an Religionsgrenzen! Heute könnte Jesus zu einem Muslim sagen: "Dein Glaube hat dich gerettet!" Würde mich das ärgern? 


12. Juli Lukas 17, 7 – 10


Angenommen, einer von euch hat einen Knecht, der ihm den Acker bestellt oder das Vieh hütet. Wenn dieser Knecht vom Feld heimkommt, wird dann sein Herr etwa als Erstes zu ihm sagen: ›Komm und setz dich zu Tisch!‹? Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: ›Mach mir das Abendessen, binde dir einen Schurz um und bediene mich! Wenn ich mit Essen und Trinken fertig bin, kannst auch du essen und trinken.‹? Und bedankt er sich hinterher bei dem Knecht dafür, dass dieser getan hat, was ihm aufgetragen war? Wenn ihr also alles getan habt, was euch aufgetragen war, dann sollt auch ihr sagen: ›Wir sind Diener, weiter nichts; wir haben nur unsere Pflicht getan.‹«

Puh, ist das ein Text! Das riecht nach deutschem Pflichtgefühl! Aber Moment, worum geht es? Der Text richtet sich gegen den Lohngedanken – der war zur Zeit Jesu bei seinen Gegnern sehr populär: Je mehr du für Gott tust, desto mehr wirst du belohnt. Wer viele gute Werke tut, der wird gesegnet und bekommt ein gutes Leben und viele Güter. Jesus zerreißt diesen Zusammenhang mit seinen Worten. Nein, es ist selbstverständlich, dass ihr Gutes tut und den Auftrag, den euch die Liebe aufgibt, erfüllt. Ihr braucht euch nichts darauf einzubilden. Ist es nicht euer Vater im Himmel, der euch die Kraft dazu gibt? Der Text kann missbraucht werden, um Menschen in ein Abhängigkeitsverhältnis zu anderen zu bringen. Aber da ist zu bedenken, dass er ja für alle gilt: Wir dienen einander, jeder mit dem, was er oder sie kann. Bilde ich mir auf meinen besonderen Dienst etwas ein?


11 Juli Lukas 17, 5 – 6

Die Apostel baten den Herrn: »Gib uns doch mehr Glauben!« Der Herr antwortete: »Selbst wenn euer Glaube nur so groß wäre wie ein Senfkorn, könntet ihr zu diesem Maulbeerbaum hier sagen: ›Heb dich samt deinen Wurzeln aus der Erde und verpflanze dich ins Meer!‹, und er würde euch gehorchen.«

Der schwarze Maulbeerbaum, die Sykamine, hat besonders starke und tiefe Wurzeln. Sie auszureißen, kostet große Mühe. Aber es braucht nur ein winziges bisschen Glauben, um das zu bewerkstelligen. Das Senfkorn ist eines der kleinsten Samen. Dieses Bild soll deutlich machen: Da, wo es einem vertrauenden Menschen gelingt, die Kraft Gottes anzuzapfen, ist alles möglich, auch wenn er selbst sich schwach fühlt. Alles kommt auf das Vertrauen an. Welche Probleme und Schwierigkeiten türmen sich gerade vor mir? Wo scheint etwas unmöglich zu sein? Sprich mit dem Problem! Befehle ihm, im Namen Jesu zu verschwinden! Denn das ist ja hier die Aufforderung: Nicht, Gott zu bitten (ach, Herr, mach du doch…) sondern dem Baum zu befehlen. Er wird euch gehorchen! Wir sind viel zu zaghaft, was das Bitten angeht. Vertrauen heißt hier, auf die Kraft Gottes zu vertrauen, die uns gegeben ist.

10.Juli Lukas 17, 1 – 4

Jesus sagte zu seinen Jüngern: »Es ist unvermeidlich, dass Dinge geschehen, durch die Menschen zu Fall kommen. Doch wehe dem, der daran schuld ist! Es wäre besser für ihn, man würde ihm einen Mühlstein um den Hals legen und ihn damit ins Meer werfen, als dass von solchen gering Geachteten wie diesen hier auch nur einer durch ihn zu Fall kommt. Seht euch also vor!« »Wenn dein Bruder sündigt, weise ihn zurecht, und wenn er sein Unrecht einsieht, vergib ihm. Selbst wenn er siebenmal am Tag gegen dich sündigt und siebenmal wieder zu dir kommt und sagt: ›Ich will es nicht mehr tun‹, sollst du ihm vergeben.«

Nun richtet sich der Blick wieder auf die Gemeinde der Jünger. Dass jemand in der Gemeinde an anderen schuldig wird, ist unvermeidlich – doch wenn dadurch andere den Glauben verlieren oder nun selbst Unrecht tun, so ist das furchtbar. Darum sind die Missbrauchsfälle in Kirchen nicht nur juristisch zu verurteilen. Sie sind bitteres Unrecht an wehrlosen Menschen, die dadurch oft ihren Glauben, ihr Vertrauen ins Leben verlieren – ganz zu schweigen von den vielen anderen, die an ihrer Kirche irre werden. Das muss im Blick bleiben, wenn man danach die Verse über das Vergeben liest. Oft ist in den Kirchen zu schnell gesagt worden: aber Christen müssen doch einander vergeben! Umkehr und Vergebung dürfen die Aufarbeitung nicht hindern. Aber dabei gilt: Vergebung ist prinzipiell grenzenlos! Gibt es jemanden, dem ich vergeben sollte? Wenn mir das schwer fällt: Jesus hat es getan, als er am Kreuz angesichts seiner Peiniger sagte: „Vater, vergib ihnen!“

9.Juli Lukas 16 19 – 31

»Es war einst ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und feinstes Leinen und lebte Tag für Tag herrlich und in Freuden. Vor dem Tor seines Hauses lag ein Armer; er hieß Lazarus. Sein ganzer Körper war mit Geschwüren bedeckt. Er wäre froh gewesen, wenn er seinen Hunger mit dem hätte stillen können, was vom Tisch des Reichen fiel; aber nur die Hunde kamen und leckten an seinen Wunden. Schließlich starb der Arme. Er wurde von den Engeln zu Abraham getragen und durfte sich an dessen Seite setzen. Auch der Reiche starb und wurde begraben. Im Totenreich litt er große Qualen. Als er aufblickte, sah er in weiter Ferne Abraham und an dessen Seite Lazarus. ›Vater Abraham‹, rief er, ›hab Erbarmen mit mir und schick Lazarus hierher! Lass ihn seine Fingerspitze ins Wasser tauchen und damit meine Zunge kühlen; ich leide furchtbar in dieser Flammenglut.‹ Abraham erwiderte: ›Mein Sohn, denk daran, dass du zu deinen Lebzeitendeinen Anteil an Gutem bekommen hast und dass andererseits Lazarus nur Schlechtes empfing. Jetzt wird er dafür hier getröstet, und du hast zu leiden. Außerdem liegt zwischen uns und euch ein tiefer Abgrund, sodass von hier niemand zu euch hinüberkommen kann, selbst wenn er es wollte; und auch von euch dort drüben kann niemand zu uns gelangen.‹ – ›Dann, Vater‹, sagte der Reiche, ›schick Lazarus doch bitte zur Familie meines Vaters! Ich habe nämlich noch fünf Brüder. Er soll sie warnen, damit sie nicht auch an diesen Ort der Qual kommen.‹ Abraham entgegnete: ›Sie haben Mose und die Propheten; auf die sollen sie hören.‹ – ›Nein, Vater Abraham‹, wandte der Reiche ein, ›es müsste einer von den Toten zu ihnen kommen; dann würden sie umkehren.‹ Darauf sagte Abraham zu ihm: ›Wenn sie nicht auf Mose und die Propheten hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht.‹«

Diese damals weit verbreitete Geschichte will ein Problem lösen, das wohl anders nicht zu lösen ist: Wieso geht es den Reichen, die Unrecht tun, gut, während die „Lazarusse dieser Welt“ in bitterer Armut sterben? Das ist nicht gerecht! Doch, sagt die Geschichte, denn im Jenseits wird es umgekehrt sein – und zwar für immer. Lazarus (= Gott hilft!) bekommt den Ehrenplatz an der Seite Abrahams, der nach rabbinischer Ansicht den Gerechten zusteht (also ihnen!) Luk 6, 20 hieß es ja schon: „Selig ihr Armen, euch gehört Gottes Reich!“ Der Reiche, der den Durst nach Gott nicht kannte, lernt nun heftigen Durst kennen. Genauso, wie der Arme das Festmahl des Reichen sehen konnte, blickt dieser nun vom Hades in den Himmel und sieht, wie gut es dem Armen da geht. Lukas verwendet die bekannte Geschichte, um deutlich zu machen: Alles, was wir über das rechte Verhalten wissen müssen, ist uns schon gegeben – es steht in der Thora und bei den Propheten. Selbst das Wunder der Totenauferstehung wird Reiche nicht dazu bringen, ihren Lebenswandel zu ändern und die Armen vor ihrer Türe zu sehen. Von daher ergeben sich Fragen an uns: Wie gehen wir mit Reichtum und Überfluss um? Haben wir einen Blick für Menschen in Not? Wer würde uns da einfallen?


8.Juli Lukas 16, 14 – 18

Das alles hörten auch die Pharisäer, die am Geld hingen, und sie redeten verächtlich über Jesus. Da sagte er zu ihnen: »Vor den Menschen erweckt ihr den Eindruck, ein gottgefälliges Leben zu führen; aber Gott kennt euer Herz. Was in den Augen der Menschen groß ist, das ist Gott ein Gräuel. Die Tora und die Propheten reichen bis Johannes: von da an wird die Gute Nachricht – die Königsherrschaft Gottes – gebracht und jeder drängt sich mit Gewalt in sie hinein. Doch eher vergehen Himmel und Erde, als dass auch nur ein einziges Strichlein vom Gesetz hinfällig wird. Jeder, der sich von seiner Frau scheidet und eine andere heiratet, begeht Ehebruch. Und wer eine geschiedene Frau heiratet, begeht ebenfalls Ehebruch.«

Es ist eine scheinbar merkwürdige Zusammenstellung einzelner Jesusworte, die Lukas uns hier bietet. Zuerst wird das Thema Geld zu Ende geführt: Die Pharisäer werden verurteilt: „Gott kennt euer Herz!“ Das ist wie ein Leitmotiv für das Folgende: Nicht die äußere Frömmigkeit zählt, sondern die innerste Motivation. Die Zeit der äußeren Gesetzesbefolgung geht zu Ende – nun kommt es auf das Herz an. Das Gesetz wird nicht abgeschafft, sondern in seinem innersten Sinn erfasst und erfüllt. Als Beispiel fügt Lukas den Vers über Ehebruch an. Das ist nicht unproblematisch, denn dies klingt ja gerade wieder nach äußerer Befolgung eines Gesetzes. Aber hier geht es Lukas darum, deutlich zu machen, dass die Praxis der Zeit, der so einfache „Scheidebrief“, eben nicht dem Gesetz entspricht. Jesus konnte sich im Namen der Liebe über solche Gesetze hinwegsetzen. Im Reich Gottes geht es um eine höhere Verantwortung gegenüber dem Gesetz – wann ist es zu befolgen und wann nicht? Was entspricht dem Leben und der Liebe? Das Gesetz gilt – wenn es seinen Zweck erfüllt, dem Leben zu dienen.
Menschen, die das begreifen, drängen mit Gewalt hinein – weil sie entdecken, dass hier das Leben ist, das sie schon lange gesucht haben. 

7.Juli Lukas 16, 9 - 13

Darum sage ich euch: Macht euch Freunde mit dem Mammon, an dem so viel Unrecht haftet, damit ihr, wenn es keinen Mammon mehr gibt, in die ewigen Wohnungen aufgenommen werdet. Wer in den kleinsten Dingen treu ist, ist auch in den großen treu, und wer in den kleinsten Dingen nicht treu ist, ist auch in den großen nicht treu. Wenn ihr also im Umgang mit dem unrechten Mammon nicht treu seid, wer wird euch dann das wahre Gut anvertrauen? Wenn ihr das nicht treu verwaltet, was euch doch gar nicht gehört, wer wird euch dann euer wahres Eigentum geben? Ein Diener kann nicht für zwei Herren arbeiten. Er wird dem einen ergeben sein und den anderen abweisen. Für den einen wird er sich ganz einsetzen, und den anderen wird er verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und zugleich dem Mammon.«

Diene ich dem Mammon? Das Wort meinte ursprünglich einfach Wohlstand oder Vermögen, zumeist ungerecht erworben. Bald gewann es dämonische Züge und wurde zur Person – wohl aus der Erfahrung heraus, wie beherrschend die Gier nach Geld und Reichtum werden kann. An ihm haftet oft Unrecht, sagt Jesus. Und das ist bis heute so. Wer denkt darüber nach, wer die horrenden Zinsen eines Immobilienfonds erwirtschaftet? Oder ob einfache Leute die Mieten bezahlen können, die verlangt werden? Wie sieht ein evangeliumsgemäßer Umgang mit Geld aus? Denn gerade hier zeigt sich, ob das Vertrauen in Gott im Alltag Bedeutung hat oder nicht. Theoretisch glauben ist eine leichte Sache – Abgeben von Geld schon schwieriger. Beide - Geld und Gott -haben einen Totalanspruch auf unser Leben. Meistens versuchen wir, beides miteinander zu vereinbaren. Warum geht das nicht? Weil die gedankliche Beschäftigung mit Geld und seiner Vermehrung in mir immer mehr Raum einnimmt. Ich kann das Geld nicht abschaffen – aber ich kann großzügig werden und vor allem: mich der Beschäftigung mit Aktienkäufen oder Bitcoin-Spekulationen verweigern.

6.Juli Lukas 16, 1 – 8


Jesus wandte sich zu seinen Jüngern und sagte: »Ein reicher Mann hatte einen Verwalter. Über diesen gingen Klagen bei ihm ein; es hieß, er veruntreue ihm sein Vermögen. Da ließ er den Verwalter rufen. ›Was muss ich von dir hören?‹, sagte er zu ihm. ›Leg die Abrechnung über deine Tätigkeit vor; du kannst nicht länger mein Verwalter sein.‹ Der Mann überlegte hin und her: ›Was soll ich nur tun? Mein Herr wird mich entlassen. Für schwere Arbeit tauge ich nicht, und ich schäme mich zu betteln. Doch jetzt weiß ich, was ich tun kann, damit die Leute mich in ihren Häusern aufnehmen, wenn ich meine Stelle als Verwalter verloren habe.‹ Nacheinander rief er alle zu sich, die bei seinem Herrn Schulden hatten. ›Wie viel bist du meinem Herrn schuldig‹, fragte er den ersten. ›Hundert Fass Olivenöl‹, antwortete der. Darauf sagte der Verwalter: ›Hier, nimm deinen Schuldschein, setz dich schnell hin, und schreib stattdessen fünfzig.‹ Dann fragte er den nächsten: ›Und du, wie viel bist du ihm schuldig?‹ – ›Hundert Sack Weizen‹, lautete die Antwort. Der Verwalter sagte zu ihm: »Hier, nimm deinen Schuldschein, und schreib stattdessen achtzig.‹ Da lobte der Herr den ungetreuen Verwalter dafür, dass er so klug gehandelt hatte. In der Tat, die Menschen dieser Welt sind im Umgang mit ihresgleichen klüger als die Menschen des Lichts.«

Warum stellt uns Jesus einen ungerechten Verwalter als Vorbild dar? Manche sagen, er sei, als er unter Druck geriet, aus dem Unrechtssystem der Verwaltung ausgestiegen und habe die ungerechten Forderungen seines reichen Chefs vermindert. Das kann man so verstehen. Dann wäre das kluge Handeln, das Jesus lobt, der Ausstieg aus ungerechten Systemen. Aber zugleich gilt: Der Verwalter sorgt klug für seine Zukunft, indem er sich Freunde macht, die ihn später aufnehmen werden. So gesehen wäre der Punkt, auf den Jesus hinweist, die kluge Vorsorge für die Zukunft. Wenn die, die nicht an Gottes Welt glauben, schon so klug sind, wie viel mehr sollten die Anhänger Jesu heute schon für ihr zukünftiges Leben bei Gott sorgen? Zusammengenommen heißt das: Du kannst, indem du aus dem Unrecht aussteigst, das die Umwelt treibt, heute schon für deine Zukunft vorsorgen. An welchen Unrechtssystemen bin ich beteiligt? Wo kann ich mit meinem Geld Gutes tun und Menschen helfen?

5.Juli 2021 Lukas 15, 25 - 32

Der ältere Sohn war auf dem Feld gewesen. Als er jetzt zurückkam, hörte er schon von weitem den Lärm von Musik und Tanz. Er rief einen Knecht und erkundigte sich, was das zu bedeuten habe. ›Dein Bruder ist zurückgekommen‹, lautete die Antwort, ›und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn wohlbehalten wiederhat.‹ Der ältere Bruder wurde zornig und wollte nicht ins Haus hineingehen. Da kam sein Vater heraus und redete ihm gut zu. Aber er hielt seinem Vater vor: ›So viele Jahre diene ich dir jetzt schon und habe mich nie deinen Anordnungen widersetzt. Und doch hast du mir nie auch nur einen Ziegenbock gegeben, sodass ich mit meinen Freunden hätte feiern können! Und nun kommt dieser Mensch da zurück, dein Sohn, der dein Vermögen mit Huren durchgebracht hat, und du lässt das Mastkalb für ihn schlachten!‹ – ›Kind‹, sagte der Vater zu ihm, ›du bist immer bei mir, und alles, was mir gehört, gehört auch dir. Aber jetzt mussten wir doch feiern und uns freuen; denn dieser hier, dein Bruder, war tot, und nun lebt er wieder; er war verloren, und nun ist er wiedergefunden.‹«

Der ältere Sohn ist letztlich schlimmer dran als der Jüngere. Für ihn scheint es keine Umkehr zu geben. Er ist ein Bild für all die religiöse Menschen, die ihren Dienst als Voraussetzung für die Liebe und Zuwendung ihres Gottes sehen. Sie müssen Opfer bringen, um Gott zu versöhnen – und das größte Opfer ist ihnen das eigene Leben, das freiwillige Sklavendasein. Darum ist der ältere Sohn auf dem Feld, mitten im Dienst – ältere Söhne und Töchter sind immer im Dienst. Tanz und Gesang sind ihnen suspekt – so geht der Sohn gar nicht in die Nähe solcher sinnlosen Tätigkeiten. Er wird sofortzornig, als er erfährt, dass der, der den Dienst verweigert hat, jetzt gefeiert wird. Sehr verräterisch ist der Satz: „Ich habe mich nie deinen Anordnungen widersetzt!“ Ja, das hätte er gerne getan – aber sich nie getraut. Irgendetwas Furchtbares wäre dann über ihn hereingebrochen. Darum ist es für ihn so unerhört, dass dem Jüngeren die Sohnschaft wiedergegeben wird. Er selbst hat nie erfasst, dass ihm doch alles gehört, was der Vater hat, denn er meinte ja, es sich verdienen zu müssen.
Entdecke ich Züge dieses Sohnes in mir? Muss ich mir die Liebe des Vaters durch Engagement oder durch „Bravsein“ verdienen? Dann habe ich die Liebe des Vaters noch nicht begriffen – oder bin von ihr nicht wirklich ergriffen. Denn du bist der geliebte Sohn, die geliebte Tochter deines Gottes!



4.Juli Lukas 15, 20 - 24

So machte er sich auf den Weg zu seinem Vater. Dieser sah ihn schon von weitem kommen; voller Mitleid lief er ihm entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn. ›Vater‹, sagte der Sohn zu ihm, ›ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin es nicht mehr wert, dein Sohn genannt zu werden.‹ Doch der Vater befahl seinen Dienern: ›Schnell, holt das beste Gewand und zieht es ihm an, steckt ihm einen Ring an den Finger und bringt ihm ein Paar Sandalen! Holt das Mastkalb und schlachtet es; wir wollen ein Fest feiern und fröhlich sein. Denn mein Sohn war tot, und nun lebt er wieder; er war verloren, und nun ist er wiedergefunden.‹ Und sie begannen zu feiern.

Der Vater läuft dem Sohn entgegen! Er hat auf ihn gewartet, nach ihm Ausschau gehalten. Der Sohn bringt seinen Satz vor, doch der Vater geht nicht drauf ein, er tut etwas ganz anders: Er lässt sofort Gewand, Ring und Sandalen holen: Das sind hier die Zeichen der erneuerten Sohnschaft. Die Sünden des Sohnes kommen überhaupt nicht zur Sprache, seine Umkehr ist genug. So ist Gott! Bei ihm geht es nicht um Aufrechnung unserer Taten, sondern um das Herz: Da ist ein Mensch, der seinen Fehler erkannt hat und zurückkommt – das alleine zählt. Der Gott, den Jesus uns damit vor Augen stellt, ist ein barmherziger Vater, der uns kennt und liebt. Aber der uns auch die Freiheit lässt, unsere eigenen Wege zu wählen. Die Tür bleibt immer offen, er wartet auf uns, bis wir bereit sind, zurückzukehren und zuzugeben: Der Weg, den ich gewählt habe, war ein Irrweg. Vergib mir, Vater! Und dann schließt er uns in die Arme.


3.Juli Lukas 15, 14 - 19

Als er alles aufgebraucht hatte, wurde jenes Land von einer großen Hungersnot heimgesucht. Da geriet auch er in Schwierigkeiten. In seiner Not wandte er sich an einen Bürger des Landes, und dieser schickte ihn zum Schweinehüten auf seine Felder. Er wäre froh gewesen, wenn er seinen Hunger mit den Schoten, die die Schweine fraßen, hätte stillen dürfen, doch selbst davon wollte ihm keiner etwas geben. Jetzt kam er zur Besinnung. Er sagte sich: ›Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, und alle haben mehr als genug zu essen! Ich dagegen komme hier vor Hunger um. Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin es nicht mehr wert, dein Sohn genannt zu werden. Mach mich zu einem deiner Tagelöhner!‹

Ganz unten! Was gibt es Schlimmeres für einen Juden als Schweine zu hüten? Erst in dieser Lage kann er sein Handeln erkennen. Er hat das Erbe seines Vaters verschleudert. Er hat nicht als Sohn gehandelt, sondern wie ein fremder Räuber. Immerhin weiß er: Ich habe da noch eine Chance. Ich kann zurückkommen. Er ist zur Besinnung gekommen. Manchmal ist eine persönliche Katastrophe nötig, um „zur Besinnung zu kommen.“ Was macht Menschen „besinnungslos“? Oft ist es erhoffter Reichtum, Anerkennung durch andere oder Macht, die erstrebt wird. Auch Vergnügen und Zerstreuung – wie hier im Gleichnis – kann besinnungslos machen. Worin liegt meine Gefährdung, „besinnungslos“ zu werden? Wie kann ich ihr entkommen?



2.Juli Lukas 15, 11 – 13

 Jesus fuhr fort: »Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere sagte zu ihm: ›Vater, gib mir den Anteil am Erbe, der mir zusteht!‹ Da teilte der Vater das Vermögen unter die beiden auf. Wenige Tage später hatte der jüngere Sohn seinen ganzen Anteil verkauft und zog mit dem Erlös in ein fernes Land. Dort lebte er in Saus und Braus und brachte sein Vermögen durch.

Schon der Anfang dieses bekannten Gleichnisses enthält Provokatives: So etwas macht man einfach nicht im Orient! Denn sein Erbe vor der Zeit zu fordern, heißt: Du bist für mich gestorben! Es ist ein grobes Foul. So also geht der jüngere Sohn mit seinem Vater um. Und er trennt sich von allem, was vorher sein Leben war: Er zieht in ein fernes Land. Er kann endlich ohne väterliche Aufsicht das leben, von dem er immer geträumt hat: In Saus und Braus! Schon der Anfang der Geschichte sagt: So gehen wir mit Gott, dem Geber des Lebens um! Wir trennen uns von ihm, der Quelle des Lebens, wir wollen selbst definieren, was wahres Leben ist. Wir wollen frei sein, endlich tun, was wir wollen. Halte ich Gott für den Begrenzer meines Lebens? Für die Quelle ärgerlicher Vorschriften? Was denke ich im Tiefsten über Gott? Was fühle ich, wenn ich „Vater“ zu ihm sage?

1.Juli Lukas 15, 8 – 10

»Oder wie ist es, wenn eine Frau zehn Silbermünzen hat und eine davon verliert? Zündet sie da nicht eine Lampe an, kehrt das ganze Haus und sucht in allen Ecken, bis sie die Münze gefunden hat? Und wenn sie sie gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen zusammen und sagt: ›Freut euch mit mir! Ich habe die Münze wiedergefunden, die ich verloren hatte.‹ Ich sage euch: Genauso freuen sich die Engel Gottes über einen einzigen Sünder, der umkehrt.«

Auch in diesem Gleichnis gibt es diesen Punkt der Übertreibung. Was macht diese Frau für ein Aufheben um diese eine Münze! Sie ruft alle Welt zusammen, nur weil sie das Ding gefunden hat! So wertvoll ist Gott jede und jeder Einzelne. Und in diesem „gesucht und gefunden“ liegt noch etwas anderes: Wir meinen, wir seien die, die unser Leben in der Hand haben, die Entscheidungen treffen, uns bekehren oder auch nicht. Aber das stimmt nicht. Wir werden gesucht! Es geschehen uns Dinge im Leben, die wir in keiner Weise beeinflussen konnten – Menschen, die wir zufällig getroffen haben, Bücher, an die wir geraten sind, Veranstaltungen, in die wir rätselhafterweise geraten sind. Gott sucht uns unablässig – aber lassen wir uns auch finden? Wie habe ich das Suchen Gottes in meinem Leben erfahren?

30. Juni Lukas 15, 1 - 7

Jesus war ständig umgeben von Zolleinnehmern und anderen Leuten, die als Sünder galten; sie wollten ihn alle hören. Die Pharisäer und die Schriftgelehrten waren darüber empört. »Dieser Mensch gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen!«, sagten sie. Da erzählte ihnen Jesus folgendes Gleichnis: »Angenommen, einer von euch hat hundert Schafe, und eins davon geht ihm verloren. Lässt er da nicht die neunundneunzig in der Steppe zurück und geht dem verlorenen nach, bis er es findet? Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es voller Freude auf seine Schultern und trägt es nach Hause. Dann ruft er seine Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: ›Freut euch mit mir! Ich habe das Schaf wiedergefunden, das mir verloren gegangen war.‹ Ich sage euch: Genauso wird im Himmel mehr Freude sein über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben umzukehren.«

Die Gerechten sind wieder einmal empört, mit welchen Leuten sich Jesus abgibt. Er sollte wie sie Abstand halten, sich reinhalten. Das Gleichnis, das Jesus erzählt, hat – wie so oft – einen überraschenden Punkt: Würde ein guter Hirte wirklich 99 Schafe in der Steppe lassen, um eines zu suchen? Nein, natürlich nicht, er könnte doch die 99 auch noch verlieren. Damit sagt Jesus: So viel ist Gott jeder einzelne verlorene Mensch wert! Er geht ihm nach, bis er ihn gefunden hat und trägt ihn nach Hause. Die Liebe berechnet nicht, sie sieht den Einzelnen, der Umkehr nötig hat und freut sich unbändig, wenn die Suche gelingt und ein Mensch gefunden wird. Die Gerechten meinen, sie hätten keine Umkehr nötig und täuschen sich gerade darin. Es ist geradezu das Merkmal des Reiches Gottes, dass es von denen bevölkert wird, die umgekehrt sind und nicht von denen, die denken, sie seien schon lange drin. Wo komme ich in der Geschichte vor? Bin ich verlorenes und gefundenes Schaf? Ein vermeintlich Gerechter? Oder ein Hirte, der verlorene Schafe sucht? Kenne ich die Freude über die Umkehr von Menschen, die verloren waren?



29.Juni Epheser 6, 21 – 24

Nun werdet ihr aber auch etwas über mich erfahren wollen und darüber, wie es mir geht und was ich tue. Tychikus, unser geliebter Bruder und mein treuer Mitarbeiter im Dienst für den Herrn, wird euch alle Neuigkeiten mitbringen. Wenn ich ihn zu euch schicke, dann genau aus diesem Grund: Ihr sollt erfahren, wie es um uns steht, und sollt durch seinen Besuch gestärkt und ermutigt werden. Allen Geschwistern wünsche ich Frieden von Gott, dem Vater, und von Jesus Christus, dem Herrn – Frieden und Liebe und Glauben. Die Gnade sei mit allen, die unseren Herrn Jesus Christus lieben. Er schenke euch unvergängliches Leben!

So verabschiedet sich Paulus von seiner Gemeinde. Er hält es nicht für nötig, Pergament zu verschwenden, um über seine persönliche Lage zu berichten – das wird Tychikus für ihn tun. Auch hier klingt wieder das Anliegen durch, dass seine Leute gestärkt und ermutigt werden. Wird die Gemeinde in der quirligen Hafenstadt Ephesus überleben? Werden sie den Versuchungen der antiken Welt widerstehen? Frieden und Liebe und Glauben – das sind seine Wünsche für die Gemeinde. Frieden – das ist eine grundsätzliche Versöhntheit mit allen und mit dem eigenen Leben. Liebe umfasst alle, die ich kenne und die mir begegnen und will das Gute für sie. Glauben oder Vertrauen weiß, dass alles gut ausgehen wird und dass Gott auch in der Zukunft für mich sorgen wird. In welchem dieser drei Bereiche brauche ich am ehesten Ermutigung und neuen Schwung?


28.Juni Epheser 6, 18 – 20

Wendet euch, vom Heiligen Geist geleitet, immer und überall mit Bitten und Flehen an Gott. Lasst dabei in eurer Wachsamkeit nicht nach, sondern tretet mit Ausdauer und Beharrlichkeit für alle ein, die zu Gottes heiligem Volk gehören. Betet auch für mich! Bittet Gott, mir bei der Verkündigung seiner Botschaft die richtigen Worte zu geben. Dann kann ich das Geheimnis des Evangeliums unerschrocken bekannt machen. Ich bin ja als Gottes Gesandter für das Evangelium tätig, und gerade deshalb bin ich zurzeit im Gefängnis. Betet, dass ich meinen Auftrag erfüllen und diese Botschaft frei und offen weitergeben kann.

Die Bitte des Paulus ist erstaunlich. Wäre es nicht sehr verständlich, wenn dort stehen würde: „Bittet für mich, dass ich rasch wieder aus diesem Loch hier herauskomme? Aber das steht da nicht. Nein, er führt seine Lage auf seinen Auftrag zurück und scheint zu denken: Das ist schon ganz richtig, dass ich hier sitze! Auch in Gefängnis erfüllt er seinen Auftrag. Wir dagegen lassen uns oft von Umständen und äußeren Bedingungen bestimmen. Warum bin ich gerade hier, wo ich bin? Was hat das mit meiner Berufung, meinem Lebensauftrag zu tun? Bemerkenswert ist dabei das Stichwort „Wachsamkeit“. Paulus fordert damit dazu auf, an die zu denken, die zur Gemeinde gehören und für sie einzutreten. Aber nicht, damit alle glücklich sind, sondern damit sie ihre Berufung leben können, ihrem Auftrag gerecht werden können. Wer fällt mir ein, wenn ich an die Menschen denke, mit denen ich verbunden bin? Wer kämpft gerade besonders mit seinem Lebensauftrag?

27.Juni Epheser 6, 10 – 17


Nun noch ein Letztes: Lasst euch vom Herrn Kraft geben, lasst euch stärken durch seine gewaltige Macht! Legt die Rüstung an, die Gott für euch bereithält; ergreift alle seine Waffen! Damit werdet ihr in der Lage sein, den heimtückischen Angriffen des Teufels standzuhalten. Denn unser Kampf richtet sich nicht gegen Wesen von Fleisch und Blut, sondern gegen die Mächte und Gewalten der Finsternis, die über die Erde herrschen, gegen das Heer der Geister in der unsichtbaren Welt, die hinter allem Bösen stehen. Deshalb greift zu allen Waffen, die Gott für euch bereithält! Wenn dann der Tag kommt, an dem die Mächte des Bösen angreifen, seid ihr gerüstet und könnt euch ihnen entgegenstellen. Ihr werdet erfolgreich kämpfen und am Ende als Sieger dastehen. Stellt euch also entschlossen zum Kampf auf! Bindet den Gürtel der Wahrheit um eure Hüften, legt den Brustpanzer der Gerechtigkeit an und tragt an den Füßen das Schuhwerk der Bereitschaft, das Evangelium des Friedens zu verbreiten. Zusätzlich zu all dem ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihr jeden Brandpfeil unschädlich machen könnt, den der Böse gegen euch abschießt. Setzt den Helm der Rettung auf und greift zu dem Schwert, das der Heilige Geist euch gibt; dieses Schwert ist das Wort Gottes.

Ein ziemlich martialisches Bild – das Leben als geistlicher Kampf. Zunächst: Die Mächte des Bösen sind eine reale Bedrohung. In unserer Lebenswelt geht es äußerlich recht friedlich zu, aber es geht ja auch nicht um äußere Bedrohung, Verfolgung oder Benachteiligung. Es gibt diese reale geistige Welt, schädliche Ideen und Weltanschauungen, die Menschen zum Bösen verleiten. Es gibt Fake-News, Verschwörungstheorien und politische Ideologien, die zum Kampf Mensch gegen Mensch führen - siehe die aktuelle Lage! . Lügen, die Menschen vergiften und ihr Zusammenleben gefährlich machen. Gegen all das wird hier zum Kampf aufgerufen. Die genannten Waffen sind bis auf eine Verteidigungswaffen: Gürtel der Wahrheit, Panzer der Gerechtigkeit, Schuhwerk der Bereitschaft, zu gehen, Schild des Glaubens, Helm der Rettung. Allein das Schwert ist Angriffswaffe: Angegriffen wird hier nur mit dem Wort – so wie Jesus bei den Versuchungsgeschichten nur mit Bibelzitaten antwortet. Das Evangelium des Friedens gehört mitten unter die Feinde. Aus den Bildern greife ich eines heraus: Den Schild des Glaubens. Brandpfeile wirken, indem sich das Feuer am Körper ausbreitet, bis der ganze Kämpfer in Flammen steht. Gedanken können wie Brandpfeile wirken, Zweifel können sich ausbreiten und uns völlig einhüllen und zerstören. Der Schild des Glaubens setzt dem eine Glaubensaussage entgegen: „Ich glaube trotzdem, dass Gott mir helfen wird.“ „Ich weiß dennoch, dass mein Erlöser lebt!“ So werden Zweifel aufgefangen, ehe sie sich in meinem Geist ausbreiten. Kenne ich solche Kämpfe? Wie sieht mein „Schild des Glaubens“ aus?


26.Juni Epheser 6, 5 – 9

Ihr Sklaven, gehorcht euren irdischen Herren! Dient ihnen mit ehrerbietigem Respekt und aufrichtigem Herzen, als wäre es Christus selbst, dem ihr gehorcht. Arbeitet nicht nur, wenn man euch dabei beobachtet – als ginge es darum, Menschen zu gefallen. Macht euch vielmehr bewusst, dass ihr Sklaven von Christus seid, und tut mit ganzer Hingabe das, was Gott von euch möchte. Erfüllt eure Aufgaben bereitwillig und mit Freude, denn letztlich dient ihr nicht Menschen, sondern dem Herrn. Ihr könnt sicher sein, dass jeder, der Gutes tut, vom Herrn dafür belohnt wird, ob es sich nun um einen Sklaven handelt oder um einen freien Menschen. Und ihr Herren, behandelt eure Sklaven nach denselben Grundsätzen. Versucht nicht, sie mit Drohungen einzuschüchtern. Denkt daran, dass es einen gibt, der sowohl ihr Herr ist als auch euer Herr. Er ist im Himmel, und er ist ein unbestechlicher Richter.

Warum entwickelt die junge Gemeinde Jesu kein neues und revolutionäres Gesellschaftsmodell? Dafür gibt es mehrere Gründe. Einer ist, dass in der Erwartung des nahen Endes die umgebende Gesellschaft als vergehende Ordnung gesehen wurde. Warum sie also noch ändern wollen? Der zweite -und für uns wichtigere – ist die Überzeugung, dass die jeweilige Stellung im Leben nicht zufällig ist, sondern von Gott gegeben. „Gott will, dass du Sklave bist“ ist ein harter Satz. Aber der Sklave ist zuerst Sklave Christi und versteht sein Sklavendasein als Gottesdienst. Das gibt ihm selbst eine Würde, die ihn seinem Herrn gleichstellt – beide sind sie Sklaven Christi. Und der Herr des Sklaven wird ermahnt, nach denselben christlichen Grundsätzen zu handeln. Damit wird die normale Ordnung dem höheren Prinzip der Liebe unterstellt und darin liegt der Keim ihrer letztendlichen Verwandlung. Auf diese musste die Welt allerdings 1800 Jahre (!) warten. Es war William Wilberforce, der 1833 in England die Befreiung der Sklaven erreichte. „Mir erschien die Verderbtheit des Sklavenhandels so enorm, so furchtbar und nicht wiedergutzumachen, dass ich mich uneingeschränkt für die Abschaffung entschieden habe. Mögen die Konsequenzen sein, wie sie wollen, ich habe für mich beschlossen, dass ich keine Ruhe geben werde, bis ich die Abschaffung des Sklavenhandels durchgesetzt habe.“ Eine Weisung der Bibel, die in einer historischen Situation richtig sein kann, wird in einer veränderten Situation unter Umständen falsch. Wir müssen immer wieder neu überlegen, was jetzt der Liebe entspricht. Migration, Seenotrettung, Globalisierung und Welthandel sind unsere Themen – was will Gott heute von uns?

25.Juni : Epheser 6, 1 - 4


Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern! So möchte es der Herr, dem ihr gehört; so ist es gut und richtig. »Ehre deinen Vater und deine Mutter!« – das ist das erste Gebot, das mit einer Zusage verbunden ist, mit der Zusage: »Dann wird es dir gut gehen, und du wirst lange auf dieser Erde leben.« Und ihr Väter, verhaltet euch euren Kindern gegenüber so, dass sie keinen Grund haben, sich gegen euch aufzulehnen; erzieht sie mit der nötigen Zurechtweisung und Ermahnung, wie der Herr es tut.

Wie soll es in einer christlichen Familie zugehen? Gehorsam ist nicht gerade ein Modewort in unserer Zeit. Warum Gehorsam? Ich anerkenne als Kind damit die größere Verantwortung und den weiteren Blick meiner Eltern. Zu Gehorsam gehört damit Vertrauen: „Ich verstehe das jetzt nicht, aber ich folge dieser Anweisung, weil ich weiß, dass du dich um den richtigen Weg bemühst.“ Das mag nicht automatisch für alles gelten, aber eine völlig respektlose Ablehnung jeglicher Weisungen führt zu genau den Verhaltensweisen, die uns in der Gesellschaft zurzeit Sorge bereiten – in Schule, gegenüber der Polizei, in der Politik.
Das genannte Gebot meint im ursprünglichen Zusammenhang die Versorgung der Eltern, also die lebenslange Verbundenheit und Verantwortung der Kinder. Sie zerbricht, wo Väter oder Mütter ihre Kinder mit Härte und Lieblosigkeit behandeln. Die Kinder werden es ihnen „heimzahlen“, ein treffendes Wort! Wir sollen mit unseren Kindern so umgehen, wie Gott mit uns umgeht. Falls unsere Eltern uns nicht gut behandelt haben – wir haben die Möglichkeit, so den Teufelskreis des Heimzahlens zu durchbrechen. Wie sehe ich heute meine Eltern?

24.Juni Epheser 5, 21 – 33


Ordnet euch einander unter; tut es aus Ehrfurcht vor Christus! Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter! Ihr zeigt damit, dass ihr euch dem Herrn unterordnet. Denn der Mann ist das Haupt der Frau, genauso wie Christus das Haupt der Gemeinde ist – er, der sie errettet und zu seinem Leib gemacht hat. Und wie die Gemeinde sich Christus unterordnet, so sollen sich auch die Frauen ihren Männern in allem unterordnen. Und ihr Männer, liebt eure Frauen! Liebt sie so, wie Christus die Gemeinde geliebt hat: Er hat sein Leben für sie hingegeben, um sie zu seinem heiligen Volk zu machen. Durch sein Wort hat er den Schmutz ihrer Verfehlungen wie in einem reinigenden Bad von ihr abgewaschen. Denn er möchte sie zu einer Braut von makelloser Schönheit machen, die heilig und untadelig und ohne Flecken und Runzeln oder irgendeine andere Unvollkommenheit vor ihn treten kann. Genauso sind nun auch die Männer verpflichtet, ihre Frauen zu lieben und ihnen Gutes zu tun, so wie sie ihrem eigenen Körper Gutes tun. Ein Mann, der seine Frau liebt und ihr Gutes tut, tut sich damit selbst etwas Gutes. Schließlich hat noch nie jemand seinen eigenen Körper gehasst; vielmehr versorgen wir unseren Körper mit Nahrung und pflegen ihn, genau wie Christus es mit der Gemeinde macht – mit seinem Leib, dessen Glieder wir sind. »Deshalb«, so heißt es in der Schrift, »wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und sich mit seiner Frau verbinden, und die zwei werden ein Leib sein.« Hinter diesen Worten verbirgt sich ein tiefes Geheimnis. Ich bin überzeugt, dass hier von Christus und der Gemeinde die Rede ist. Doch die Aussage betrifft auch jeden von euch ganz persönlich: Jeder soll seine Frau so lieben, wie er sich selbst liebt, und die Frau soll ihrem Mann mit Ehrerbietung begegnen.

Das ist ein merkwürdiger Text, der in Teilen der damals vorherrschenden Gesellschaftsordnung entspricht. Dabei beginnt er hoffnungsvoll: „Ordnet euch einander unter!“, steht da. Doch dieses „einander“ kommt im Folgenden nicht mehr vor. Die Frau soll sich unterordnen, der Mann sie lieben. Diese Liebe soll in ihrer Qualität der Liebe Christi für die Gemeinde entsprechen. Männer sollen ihr Leben für ihre Frau hingeben. Ihre Liebe soll die Frau heiligen, reinigen und helfen, ihr Leben zu entfalten. Das ist vom Mann her gesehen eine gute Sache. Doch nicht von der Frau her: Sie soll sich unterordnen und hat nicht die Aufgabe, dem Mann in gleicher Weise zu helfen. Wäre er doch seinem ersten Satz gefolgt! Eine Ehe oder Freundschaft gedeiht für beide, wenn in ihr gegenseitige Unterordnung stattfindet. Wenn wir uns wechselseitig zu Helfern werden. So bleibt als Fazit hier: Wenn wir miteinander umgehen, wie Christus mit der Gemeinde umgeht, wenn es gegenseitige Ehrerbietung gibt, kann die Beziehung gelingen. Liebt einander, wie ihr euch selbst liebt. 


23.Juni Epheser 5, 15 – 20

Gebt also sorgfältig darauf acht, wie ihr lebt! Verhaltet euch nicht wie unverständige Leute, sondern verhaltet euch klug. Macht den bestmöglichen Gebrauch von eurer Zeit, gerade weil wir in einer schlimmen Zeit leben. Lasst es daher nicht an der nötigen Einsicht fehlen, sondern lernt zu verstehen, was der Herr von euch möchte. Und trinkt euch keinen Rausch an, denn übermäßiger Weingenuss führt zu zügellosem Verhalten. Lasst euch vielmehr vom Geist Gottes erfüllen. Ermutigt einander mit Psalmen, Lobgesängen und von Gottes Geist eingegebenen Liedern; singt und jubelt aus tiefstem Herzen zur Ehre des Herrn und dankt Gott, dem Vater, immer und für alles im Namen von Jesus Christus, unserem Herrn.

Geist Gottes gegen Weingeist! Warum fällt mir hier der Engel Aloysius ein, der im Himmel mit dem vielen Halleluja nicht zurechtkommt? Weil solche Verse oft zu einem „frommen“ Leben abseits „weltlicher Freuden“ geführt haben. Hat Paulus das so gemeint? Was ist denn klug, wenn ich meinen Tagesablauf ansehe? Ich denke, es geht hier nicht um ein moralinsaures Leben abseits der ganz normalen Freuden des Lebens. Und auch der Hinweis auf den „bestmöglichen Gebrauch der Zeit“ soll mich nicht in frommen Stress bringen. Was dann? Ich finde es nachträglich ärgerlich, wenn ich zu viel Wein getrunken habe und einen Tag mit schwerem Kopf erlebe. Ich ärgere mich, wenn ich Stunden mit einem sinnfreien Computerspiel verbracht habe und danach erschöpft bin. Es tut mir nicht gut, wenn ich durch Hunderte von Seiten surfe und am Ende doch nichts behalten habe. Klug sein, das heißt, die Balance finden zwischen Arbeit und Spiel, Ausruhen und Gebet, fröhlichen Liedern und Anbetungssongs. Zur Ehre Gottes kann ich Psalmen singen – aber auch folk songs. Und da steht ja auch: Dankt Gott für alles! Alles, was mir und anderen gut tut, kann ich mit Dank genießen. Werdet Genießer des Lebens! 


22.Juni Epheser 5, 9 - 14

Ihr wisst doch: Die Frucht, die vom Licht hervorgebracht wird, besteht in allem, was gut, gerecht und wahr ist. Deshalb überlegt bei dem, was ihr tut, ob es dem Herrn gefällt. Und beteiligt euch unter keinen Umständen an irgendeinem Tun, das der Finsternis entstammt und daher keine guten Früchte hervorbringt. Deckt solches Tun vielmehr auf! Denn was manche im Verborgenen treiben, ist so abscheulich, dass man sich schämt, es auch nur zu erwähnen. Doch alles, was aufgedeckt wird, ist dann im Licht als das sichtbar, was es wirklich ist. Mehr noch: Alles, was sichtbar geworden ist, gehört damit zum Licht. Deshalb heißt es auch: »Wach auf, du Schläfer, und steh auf von den Toten! Dann wird Christus sein Licht über dir leuchten lassen.«

Man fühlt sich ein wenig an die „Filter des Sokrates“ erinnert: Ist das, was ich über jemanden sagen will, wahr, gut und notwendig? Ist mein Handeln gerecht? Von Wahrheit geprägt? Heute sprechen wir eher von „Integrität“. Das ist laut Wikipedia „die fortwährend aufrechterhaltene Übereinstimmung des persönlichen Wertesystems und der persönlichen Ideale mit dem eigenen Reden und Handeln.“ Das klingt anstrengend, nicht wahr? Um dahin zu kommen, kann man sich die Frage stellen, ob ich zu meinem privat praktizierten Verhalten und Handeln auch öffentlich stehen könnte. „Es wird im Licht als das sichtbar, was es wirklich ist.“ Hätten sich Priester daran gehalten, gäbe es keine Missbrauchsfälle. Aber es geht ja auch um mich: Kann ich dazu stehen, dass ich Stunden mit Computerspielen verbringe? Kann ich anderen erzählen, dass ich immer wieder Pornos schaue? Wäre es mir peinlich, wenn andere erführen, was ich meinen Mietern abverlange? Wie ich mein Geld verdiene? Wo bin ich in der Gefahr nicht integer zu leben? Warum?

21.Juni Epheser 5, 1 - 8


Nehmt euch daher Gott selbst zum Vorbild; ihr seid doch seine geliebten Kinder! Konkret heißt das: Alles, was ihr tut, soll von der Liebe bestimmt sein. Denn auch Christus hat uns seine Liebe erwiesen und hat sein Leben für uns hingegeben wie eine Opfergabe, deren Duft vom Altar zu Gott aufsteigt und an der er Freude hat. Auf sexuelle Unmoral und Schamlosigkeit jeder Art, aber auch auf Habgier sollt ihr euch nicht einmal mit Worten einlassen, denn es gehört sich nicht für Gottes heiliges Volk, sich mit solchen Dingen zu beschäftigen. Genauso wenig haben Obszönitäten, gottloses Geschwätz und anzügliche Witze etwas bei euch zu suchen. Bringt vielmehr bei allem, was ihr sagt, eure Dankbarkeit gegenüber Gott zum Ausdruck. Denn über eins müsst ihr euch im Klaren sein: Keiner, der ein unmoralisches Leben führt, sich schamlos verhält oder von Habgier getrieben ist (wer habgierig ist, ist ein Götzenanbeter!), hat ein Erbe im Reich von Christus und von Gott zu erwarten.
Lasst euch von niemand mit leeren Behauptungen täuschen! Denn gerade wegen der eben genannten Dinge bricht Gottes Zorn über die herein, die nicht bereit sind, ihm zu gehorchen. Darum hütet euch, mit solchen Leuten gemeinsame Sache zu machen! Früher gehörtet ihr selbst zur Finsternis, doch jetzt gehört ihr zum Licht, weil ihr mit dem Herrn verbunden seid. Verhaltet euch so, wie Menschen des Lichts sich verhalten.

„Liebe – und dann tue, was du willst!“ – so hat es Augustin, der Kirchenvater formuliert. Das wäre als Grundsatz genug, um sein Leben danach zu gestalten. Warum stehen dann hier doch noch recht konkrete Dinge? Vielleicht, weil die umgebende Gesellschaft damals keine solche Grenzen kannte. Paulus fokussiert das auf zwei Bereiche: Unmoral („porneia“) und Habgier. In beiden Bereichen geht es nicht nur um persönliches Verhalten – hier geht es auch um Gerechtigkeit. Im ersten Bereich durfte man sich zwar hemmungslos ausleben, die Frauen, die dazu bereit waren, galten aber als minderwertig. Sie wurden ausgebeutet und verachtet. Im zweiten Bereich ist es ähnlich: Wird der Habsucht Raum gegeben, werden Menschen ausgebeutet und in Armut zurückgelassen. Das alles ist heute kaum anders. Paulus ist hier so scharf, weil er weiß, wie schwer es für die Gemeinde ist, anders zu leben als die Gesellschaft. Heute haben wir in den Gemeinden zwar die Sexualmoral meist verinnerlicht, aber die Sache mit der Habgier wird weniger angesprochen. Wo sind die Christen, die einen persönlichen Mietendeckel praktizieren, statt zu nehmen „was geht“? Wer erhebt die Stimme gegen Aktien, an denen man gut verdient, die aber Rüstungsfirmen im Portfolio haben? Habgier ist Götzendienst. Jesus sagt: „Ihr könnt nicht zwei Herren dienen…!“ Wie gehe ich mit meinem Geld um? Kann ich da großzügig sein? 
 20.Juni   Epheser 4, 25 - 32

Darum legt alle Falschheit ab und haltet euch an die Wahrheit, wenn ihr miteinander redet. Wir sind doch Glieder ein und desselben Leibes! Wenn ihr zornig seid, dann versündigt euch nicht. Legt euren Zorn ab, bevor die Sonne untergeht. Gebt dem Teufel keinen Raum in eurem Leben! Wer bisher ein Dieb gewesen ist, soll aufhören zu stehlen und soll stattdessen einer nützlichen Beschäftigung nachgehen, bei der er seinen Lebensunterhalt mit Fleiß und Anstrengung durch eigene Arbeit verdient; dann kann er sogar noch denen etwas abgeben, die in Not sind. Kein böses Wort darf über eure Lippen kommen. Vielmehr soll das, was ihr sagt, gut, angemessen und hilfreich sein; dann werden eure Worte denen, an die sie gerichtet sind, wohltun. Und tut nichts, was Gottes heiligen Geist traurig macht! Denn der Heilige Geist ist das Siegel, das Gott euch im Hinblick auf den Tag der Erlösung aufgedrückt hat, um damit zu bestätigen, dass ihr sein Eigentum geworden seid. Bitterkeit, Aufbrausen, Zorn, wütendes Geschrei und verleumderisches Reden haben bei euch nichts verloren, genauso wenig wie irgendeine andere Form von Bosheit. Geht vielmehr freundlich miteinander um, seid mitfühlend und vergebt einander, so wie auch Gott euch durch Christus vergeben hat.

Aus unserem Sein ergibt sich ein neues Verhalten. Wir sind alle Glieder am Leib Christi, uns ist viel vergeben worden, wir haben Gottes Geist wie ein Siegel aufgedrückt bekommen. Doch das neue Verhalten ergibt sich nicht automatisch – dazu ist ein Entschluss nötig. Ich denke an meinen Großvater, der ein oft unbeherrschter und zorniger Mann war. Aber er hatte einen Grundsatz, den er mir mitgeteilt hat: Er habe nie die Sonne über seinem Zorn untergehen lassen und sich noch am Abend mit seiner Frau versöhnt. Das heißt: Wir können aufgrund unserer Erkenntnis von richtig und falsch Entschlüsse fassen. Zum Beispiel: Nichts Böses oder Hässliches zu jemanden sagen. „Ich werde lieber schweigen!“ Wir können jemand tausend gute Worte sagen – aber ein böses wirkt noch Jahre nach! Gottes Liebe gilt mir trotz meiner Fehler und Schattenseiten – wer das wirklich weiß, der kann auch mit anderen freundlich umgehen. Frage: Wer nervt mich heute besonders?


19.Juni   Epheser 4, 17 – 24

Aus all diesen Gründen fordere ich euch im Namen des Herrn mit Nachdruck auf, nicht länger wie die Menschen zu leben, die Gott nicht kennen. Ihre Gedanken sind auf nichtige Dinge gerichtet, ihr Verstand ist wie mit Blindheit geschlagen, und sie haben keinen Anteil an dem Leben, das Gott schenkt. Denn in ihrem tiefsten Inneren herrscht eine Unwissenheit, die daher kommt, dass sich ihr Herz gegenüber Gott verschlossen hat. Das Gewissen dieser Menschen ist abgestumpft; sie haben sich der Ausschweifung hingegeben und beschäftigen sich voller Gier mit jedem erdenklichen Schmutz. Ihr aber habt bei Christus etwas anderes gelernt! Oder habt ihr seine Botschaft etwa nicht gehört? Seid ihr etwa nicht in seiner Lehre unterrichtet worden, in der Wahrheit, wie sie in Jesus zu uns gekommen ist? Dann wurdet ihr aber auch gelehrt, nicht mehr so weiterzuleben, wie ihr bis dahin gelebt habt, sondern den alten Menschen abzulegen, der seinen trügerischen Begierden nachgibt und sich damit selbst ins Verderben stürzt. Und ihr wurdet gelehrt, euch in eurem Geist und in eurem Denken erneuern zu lassen und den neuen Menschen anzuziehen, der nach Gottes Bild erschaffen ist und dessen Kennzeichen Gerechtigkeit und Heiligkeit sind, die sich auf die Wahrheit gründen.

Wieder werden hier altes und neues Leben gegenübergestellt. Ist es denn wirklich so schlimm bestellt mit dem Leben der „Heiden“? Abgestumpft, ausschweifend, Gier, trügerische Begierden, Schmutz – Paulus hat da eine Gesellschaft vor Augen, die keine Grenzen kennt und keine Werte beachtet. Folgt man dieser Linie, so gerät man in ein einfaches Schwarz-Weiß-Denken: Wir, die Guten und sie, die Schlechten, Verworfenen. Neue Menschen und alte Menschen. Und wir wissen, dass es nicht so einfach ist! Paulus hat Menschen vor Augen, die sich nur ihren Begierden hingeben, grausam sind und Böses tun. In seiner Situation im Gefängnis leidet er besonders unter solch brutalen Menschen. Ja, es gibt solche Menschen auch in unserer Umgebung. Andererseits aber wissen wir, dass wir mit unserem neuen Menschsein immer noch im Kampf mit unseren alten Anteilen stehen. Zieht den neuen Menschen an! Diese Aufforderung bewahrt vor Überheblichkeit: Wir sind noch nicht im Stand von unangefochtener Heiligkeit. Worin erlebe ich mich als „neuer Mensch“ – und worin als „alter“?

18.Juni  Epheser 4, 13 – 16


Das soll dazu führen, dass wir alle in unserem Glauben und in unserer Kenntnis von Gottes Sohn zur vollen Einheit gelangen und dass wir eine Reife erreichen, deren Maßstab Christus selbst ist in seiner ganzen Fülle. Denn wir sollen keine unmündigen Kinder mehr sein; wir dürfen uns nicht mehr durch jede beliebige Lehre vom Kurs abbringen lassen wie ein Schiff, das von Wind und Wellen hin und her geworfen wird, und dürfen nicht mehr auf die Täuschungsmanöver betrügerischer Menschen hereinfallen, die uns mit ihrem falschen Spiel in die Irre führen wollen. Stattdessen sollen wir in einem Geist der Liebe an der Wahrheit festhalten, damit wir im Glauben wachsen und in jeder Hinsicht mehr und mehr dem ähnlich werden, der das Haupt ist, Christus. Ihm verdankt der Leib sein gesamtes Wachstum. Mit Hilfe all der verschiedenen Gelenke ist er zusammengefügt, durch sie wird er zusammengehalten und gestützt, und jeder einzelne Körperteil leistet seinen Beitrag entsprechend der ihm zugewiesenen Aufgabe. So wächst der Leib heran und wird durch die Liebe aufgebaut.

Christus ähnlicher werden – das ist das Ziel, das Paulus seiner Gemeinde vorgibt. Wir sollen selbst zu mündigen Menschen werden, die beurteilen können, ob eine Lehre der Wahrheit entspricht. Das ist ein hoher Anspruch, doch Paulus vertraut darauf, dass Gottes Geist in den einzelnen Menschen die Wahrheit hervorbringt. Das war die gemeinsame Überzeugung der ersten Christen. (Joh. 16,13: der Geist der Wahrheit, wird euch zum vollen Verständnis der Wahrheit führen.). Die Ämter in der Gemeinde werden nicht hervorgehoben, um die Christen unmündig zu machen, sondern um ihnen zu helfen, mündig zu werden. Eine Kirche oder Gemeinde, die das nicht zum Ziel hat, droht zu einer Sekte zu werden. Es ist allerdings bequem, einem Leiter oder einem Apostel zu folgen, anstatt selbst zu denken und zu forschen, „ob es sich so verhält“. Bilde ich mir selbst eine Meinung? Denke ich über die Wahrheit des Evangeliums nach und streite darum, wenn nötig?  Der Geist Gottes leitet jeden von uns - das ist eine Verheißung! 

 17.Juni  Epheser 4, 7 – 12

Jedem Einzelnen von uns hat Christus einen Anteil an den Gaben gegeben, die er in seiner Gnade schenkt; jedem hat er seine Gnade in einem bestimmten Maß zugeteilt. Darum heißt es in der Schrift: »Als er im Triumphzug zur Höhe hinaufstieg, hat er Gefangene mit sich geführt und Geschenke an die Menschen verteilt.« Wenn hier steht: »Er ist hinaufgestiegen«, dann muss er doch zunächst einmal hinuntergestiegen sein – hinunter bis in die tiefsten Tiefen der Erde. Und er, der hinuntergestiegen ist, ist dann auch wieder hinaufgestiegen bis über den höchsten aller Himmel, um so das ganze Universum mit seiner Gegenwart zu erfüllen. Er ist es nun auch, der der Gemeinde Gaben geschenkt hat: Er hat ihr die Apostel gegeben, die Propheten, die Evangelisten, die Hirten und Lehrer. Sie haben die Aufgabe, diejenigen, die zu Gottes heiligem Volk gehören, für ihren Dienst auszurüsten, damit die Gemeinde, der Leib von Christus, aufgebaut wird.

Paulus verwendet hier ein altes Bild aus Psalm 68, in dem Gott selbst herauffährt. Hier dient es ihm dazu, die Aussage, dass Christus gesiegt hat, zu unterstreichen. Das Ergebnis dieses Sieges über gottfeindliche Mächte ist für uns, dass Er uns Gaben verliehen hat - in Umkehrung der Aussage in Psalm 68, in dem die Menschen Gott Gaben geben. Jeder und jede hat Anteil an den „Gnadengaben“, den Charismen die Gott verleiht – aber in unterschiedlichem Maße. Die Gemeinde braucht verschiedene Gaben und Begabungen zu ihrem Aufbau. Nicht jeder hat eine dieser fünf „Hauptgaben“, die entsprechende Ämter begründen. Du hast deine Gabe in einem bestimmten Maße – und es ist Gottes Entscheidung, wie viel dir zugeteilt ist. Es ist nicht empfehlenswert, nach mehr zu streben. Durch angemaßte Gaben entsteht viel Unheil in Gruppen und Gemeinden. Es ist wichtig, herauszufinden, welche Gabe ich habe und welche nicht. Dabei gibt es keine Rangordnung in der Anerkennung vor Gott. „Wer unter euch groß sein will, der sei euer aller Diener“, hat Jesus gesagt. Strebe nie nach Gaben und Ämtern, die dir nicht gegeben sind. Aber verleugne keine Gabe, die du offenbar hast. Welche Gaben sind dir gegeben?


16.Juni  Epheser 4, 1 – 6


Als einer, der für sein Bekenntnis zum Herrn im Gefängnis ist, bitte ich euch nun: Denkt daran, dass Gott euch zum Glauben gerufen hat, und führt ein Leben, das dieser Berufung würdig ist! Keiner soll sich über den anderen erheben. Seid vielmehr allen gegenüber freundlich und geduldig und geht nachsichtig und liebevoll miteinander um. Setzt alles daran, die Einheit zu bewahren, die Gottes Geist euch geschenkt hat; sein Frieden ist das Band, das euch zusammenhält. Mit »Einheit« meine ich dies: ein Leib, ein Geist und genauso auch eine Hoffnung, die euch gegeben wurde, als Gottes Ruf an euch erging; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater von uns allen, der über alle regiert, durch alle wirkt und in allen lebt.


Ein Leben, das der Berufung würdig ist! Paulus hat ziemlich genaue Vorstellungen, wie das aussieht. Allen gegenüber freundlich und geduldig! Nachsichtig und liebevoll. Ist das denn möglich? Ja, würde Paulus sagen, wenn ihr euch bewusst macht, wie Gott euch behandelt, dass er voller Güte und Barmherzigkeit ist, obwohl ihr es nicht verdient habt. Aus der erfahrenen Liebe und Güte Gottes quillt die Liebe und Güte anderen gegenüber. Dabei weiß auch Paulus: Die Einheit unter Christen ist ein Geschenk, aber dieses Geschenk muss bewahrt werden. Er nennt hier Basisdinge, den Grundbestand des Glaubens – alles andere sind Nebensachen, die man so oder so sehen kann. Wie oft haben Christen über solche „Nebendinge" gestritten! Wenn ich bedenke, dass Gott auch in meinem Gegenüber lebt, der anders glaubt als ich, dann wird Vieles unwichtig! Mit wem liege ich warum im Streit? Ist es wesentlich?


15.Juni  Epheser 3, 14 – 21


Noch einmal: Wenn ich mir das alles vor Augen halte, kann ich nicht anders, als anbetend vor dem Vater niederzuknien. Er, dem jede Familie im Himmel und auf der Erde ihr Dasein verdankt und der unerschöpflich reich ist an Macht und Herrlichkeit, gebe euch durch seinen Geist innere Kraft und Stärke. Es ist mein Gebet, dass Christus aufgrund des Glaubens in euren Herzen wohnt und dass euer Leben in der Liebe verwurzelt und auf das Fundament der Liebe gegründet ist. Das wird euch dazu befähigen, zusammen mit allen anderen, die zu Gottes heiligem Volk gehören, die Liebe Christi in allen ihren Dimensionen zu erfassen – in ihrer Breite, in ihrer Länge, in ihrer Höhe und in ihrer Tiefe. Ja, ich bete darum, dass ihr seine Liebe versteht, die doch weit über alles Verstehen hinausreicht, und dass ihr auf diese Weise mehr und mehr mit der ganzen Fülle des Lebens erfüllt werdet, das bei Gott zu finden ist. Ihm, der mit seiner unerschöpflichen Kraft in uns am Werk ist und unendlich viel mehr zu tun vermag, als wir erbitten oder begreifen können, ihm gebührt durch Jesus Christus die Ehre in der Gemeinde von Generation zu Generation und für immer und ewig. Amen.

Seine Liebe verstehen! Das ist für Paulus der Schlüssel zur ganzen Fülle des Lebens. Wie fest ist mein Leben auf dem „Fundament der Liebe“ gegründet? Die Liebe Gottes gilt allen Menschen, nicht nur den gläubigen, nicht nur den rechtschaffenen, den guten, den gerechten Menschen. Ausnahmslos allen! In welcher Dimension habe ich meine Stärken, in welcher Nachholbedarf? Länge, Breite, Höhe, Tiefe - welche Bereiche meines Lebens sind heir angesprochen? Und wie spüre ich, ob mein Leben in der Liebe verwurzelt ist? Es ist wie bei einem Baum: Ob seine Wurzeln tief genug sind, offenbart sich im Sturm. Wenn mich Menschen ärgern, mir schaden, mich nerven oder mich arg verletzen – dann merke ich, ob die Wurzeln meiner Liebe tief reichen. Die Liebe Gottes zu verstehen, bedeutet, zu verstehen, dass ich geliebt bin - so wie ich bin, mit all meinen Schattenseiten und Fehlern. Ich bin Gottes geliebter Sohn - du bist Gottes geliebte Tochter! 


14.Juni  Epheser 3, 7 – 13

Dass ich ein Diener dieser Botschaft geworden bin, ist ein Geschenk der Gnade Gottes; ich verdanke es seiner Macht, die in meinem Leben wirksam geworden ist. Mir, dem Allergeringsten von allen, die zu Gottes heiligem Volk gehören, hat Gott in seiner Gnade den Auftrag gegeben, den nichtjüdischen Völkern zu verkünden, was für ein unermesslich großer Reichtum uns in der Person von Christus geschenkt ist. Es ist mein Auftrag, allen Menschen die Augen dafür zu öffnen, wie der Plan verwirklicht wird, den Gott, der Schöpfer des Universums, vor aller Zeit gefasst hatte. Bisher war dieser Plan ein in Gott selbst verborgenes Geheimnis, doch jetzt sollen die Mächte und Gewalten in der unsichtbaren Welt durch die Gemeinde die ganze Tiefe und Weite von Gottes Weisheit erkennen. Genauso hatte Gott es sich vor aller Zeit vorgenommen, und dieses Vorhaben hat er nun durch Jesus Christus, unseren Herrn, in die Tat umgesetzt. Durch ihn haben wir alle, die wir an ihn glauben, freien Zutritt zu Gott und dürfen zuversichtlich und vertrauensvoll zu ihm kommen. Daher bitte ich euch: Lasst euch von den Nöten, die ich durchmache, nicht entmutigen! Ich erleide das alles ja für euch; es trägt dazu bei, dass ihr Anteil an Gottes Herrlichkeit bekommt.

Freier Zutritt zu Gott für alle! Nicht nur für gesetzestreue Juden, nicht nur für Heiden, die die Mühen des Gesetzes auf sich nehmen – für alle durch Jesus Christus. Darin erkennt Paulus eine Tiefe Absicht Gottes. Denn es kann ja nicht sein, dass die Zuwendung Gottes auf Dauer nur einem Volk gilt. Schon die Propheten haben geahnt: Alle Völker werden zum Zion, dem Berg Gottes ziehen und Ihn anbeten. Davon ist Paulus so erfüllt, dass er eine enorme Widerstandskraft gewinnt. Wir brauchen, um Resilienz zu entwickeln, die „größere Geschichte“, die über uns hinausweist. Wenn wir nur unserer „kleine Geschichte“ haben und glauben, werden wir den Stürmen des Lebens wenig entgegenzusetzen haben. Aber es ist nicht gleich, welche Geschichte das ist. Paulus ist überzeugt: Das ist die wahre Geschichte, das Geheimnis Gottes, das Ziel der Menschen. Und was glaube ich?


13.Juni  Epheser 3, 2 – 6

Denn dass ich, Paulus, für mein Bekenntnis zu Jesus Christus im Gefängnis bin, kommt euch zugute, die ihr nicht zum jüdischen Volk gehört. Oder habt ihr etwa nicht von dem Plan gehört, den Gott im Hinblick auf euch gefasst und dessen Durchführung er mir in seiner Gnade anvertraut hat? Es handelt sich bei diesem Plan um ein Geheimnis, dessen Inhalt Gott mir durch eine Offenbarung enthüllt hat; ich habe weiter oben schon kurz davon geschrieben. Beim Lesen dieses Briefes könnt ihr erkennen, dass ich weiß, wovon ich rede, wenn ich vom Geheimnis Christi spreche. Den Menschen früherer Generationen hatte Gott keinen Einblick in dieses Geheimnis gegeben, doch jetzt hat er es den von ihm erwählten Aposteln und Propheten durch seinen Geist offenbart. Die Nichtjuden – darin besteht dieses Geheimnis – sind zusammen mit den Juden Erben, bilden zusammen mit ihnen einen Leib und haben zusammen mit ihnen teil an dem, was Gott seinem Volk zugesagt hat. Das alles ist durch Jesus Christus und mit Hilfe des Evangeliums Wirklichkeit geworden.

Man muss sich das einen Moment vorstellen: Paulus sitzt im Gefängnis und weiß nicht, wie diese Sache für ihn ausgeht. Aber darüber schreibt er kein Wort. Ganz im Gegenteil, er schreibt über seine große Vision, die ihn antreibt. Er ist so ergriffen davon, dass er gar nicht anders kann. Das „Geheimnis Christi“ ist, dass nun, nach zwei Jahrtausenden jüdischer Religion, sich die Botschaft Gottes in die Völker hinein öffnet. Die Heiden haben Teil an all dem, was Gott seinem Volk zugesagt hat. Wir sind mit hineingenommen in den Bund Gottes mit seinem Volk. Paulus sieht hier eine gewaltige Mission, die die Welt verändern wird. Die persönliche Lage ist dem gegenüber unwichtig. Es ist Wirklichkeit geworden, sagt der Gefangene. Wirklich? Es gibt ein paar Sklavengemeinden, die recht und schlecht ihr christliches Leben gestalten, einige der Apostel sind hingerichtet worden, andere verschollen. Paulus ist trotzdem überzeugt von der Richtigkeit seiner Vision. Welche Vorstellungen habe ich über die Zukunft unseres Christentums? Unserer Kirchen? Stimme ich in das allgemeine Gejammer ein? Und vor allem: Welche Vision von Gottes Handeln in der Welt trägt mich? Die Mission der Liebe Gottes ist noch nicht am Ende. Eine klare Vorstellung über die Pläne Gottes kann mich beflügeln – so wie Paulus hier im Gefängnis.

12.Juni  Epheser 2, 18 – 3,1

Denn dank Jesus Christus haben wir alle – Juden wie Nichtjuden – durch ein und denselben Geist freien Zutritt zum Vater. Ihr seid jetzt also nicht länger Fremde ohne Bürgerrecht, sondern seid – zusammen mit allen anderen, die zu seinem heiligen Volk gehören – Bürger des Himmels; ihr gehört zu Gottes Haus, zu Gottes Familie. Das Fundament des Hauses, in das ihr eingefügt seid, sind die Apostel und Propheten, und der Eckstein dieses Gebäudes ist Jesus Christus selbst. Er hält den ganzen Bau zusammen; durch ihn wächst er und wird ein heiliger, dem Herrn geweihter Tempel. Durch Christus seid auch ihr in dieses Bauwerk eingefügt, in dem Gott durch seinen Geist wohnt. Wenn ich mir das alles vor Augen halte, kann ich nicht anders, als vor Gott niederzuknien und ihn anzubeten.
Freier Zutritt! Paulus malt uns einen Tempel vor Augen, zu dem wir freien Zutritt haben. Ich erinnere mich an den Karfreitagsbericht: Der Vorhang im Tempel zerreißt. Der Weg ins Allerheiligste ist offen. Wir brauchen keine komplizierten Opferriten mehr, keine Priester als Vermittler, wir sind Bürger des Himmels und gehören zur Familie. Fremde ohne Bürgerrecht waren damals alle, die nicht zu Rom gehörten, vor allem eroberte und versklavte Völker. Das römische Bürgerrecht war ein begehrtes Gut. Man konnte als Bürger Roms im Streitfall sogar an den Kaiser appellieren, um von ihm gehört zu werden. Dieses Bild macht deutlich: Es ist ein Privileg, zu Christus zu gehören und freien Zugang zu Gott zu haben. Welche Bedeutung hat das für mich? Ändert es etwas in meinem Leben? In meiner Einstellung zu mir selbst, zu anderen und zu dieser Welt? Du bist Sohn, du bist Tochter Gottes! Wie klingt das für mich?

11.Juni  Epheser 2, 13 – 17

Doch das alles ist durch Jesus Christus Vergangenheit. Weil Christus sein Blut für euch vergossen hat, seid ihr jetzt nicht mehr fern von Gott, sondern habt das Vorrecht, in seiner Nähe zu sein. Ja, Christus selbst ist unser Frieden. Er hat die Zweiteilung überwunden und hat aus Juden und Nichtjuden eine Einheit gemacht. Er hat die Mauer niedergerissen, die zwischen ihnen stand, und hat ihre Feindschaft beendet. Denn durch die Hingabe seines eigenen Lebens hat er das Gesetz mit seinen zahlreichen Geboten und Anordnungen außer Kraft gesetzt. Sein Ziel war es, Juden und Nichtjuden durch die Verbindung mit ihm selbst zu einem neuen Menschen zu machen und auf diese Weise Frieden zu schaffen. Dadurch, dass er am Kreuz starb, hat er sowohl Juden als auch Nichtjuden mit Gott versöhnt und zu einem einzigen Leib, der Gemeinde, zusammengefügt; durch seinen eigenen Tod hat er die Feindschaft getötet. Er ist in diese Welt gekommen und hat Frieden verkündet – Frieden für euch, die ihr fern von Gott wart, und Frieden für die, die das Vorrecht hatten, in seiner Nähe zu sein.

Die christliche Gemeinde ist ein Friedensprojekt. Durch Christus sind wir „neue Menschen“, für die die Unterschiede, die durch religiöse Gesetze bestanden, nicht mehr gelten. Aber auch die Unterschiede, die Menschen aufgrund von Rasse, Klassenzugehörigkeit oder Kultur machen, gelten nicht mehr. Alle sind eins in Christus. Ach, hätte die christliche Gemeinde diese Worte doch öfters gelesen und vor allem auch befolgt! Dann gäbe es keine schwarzen und weißen, rein deutschen und stockschwäbischen Gemeinden, sondern nur internationale Gemeinden! Es mag praktische Gründe dafür geben, dass sich etwa Ausländer gleicher Sprache in einer Gemeinde sammeln – aber niemals darf die Ablehnung oder Abwertung anderer Mitchristen der Grund für Separierung sein. Hier sind wir in unserer Geschichte schwer schuldig geworden. Denn wir haben im dritten Reich sogar Judenchristen aus unseren Gemeinden entfernen lassen, ohne für sie einzustehen. Und heute? Welche Mauern muss Christus heute bei uns niederreißen? Ganz reale oder in unseren Köpfen? Meine Gemeinde hat sich seit Jahren das Motto „Glauben und Leben teilen gewählt. Gut, Glauben teilen wir im Gottesdienst oder in Hauskreisen, aber teilen wir auch das Leben? Ja, es fällt mir auch schwer, aus der eigenen Blase herauszukommen und den zu sehen, der nach dem Gottesdienst „übrigbleibt“ und ihn einzuladen. Er und sie gehören wie ich zum Lieb Christi!


10. Juni  Epheser 2, 8 – 12

Noch einmal: Durch Gottes Gnade seid ihr gerettet, und zwar aufgrund des Glaubens. Ihr verdankt eure Rettung also nicht euch selbst; nein, sie ist Gottes Geschenk. Sie gründet sich nicht auf menschliche Leistungen, sodass niemand vor Gott mit irgendetwas großtun kann. Denn was wir sind, ist Gottes Werk; er hat uns durch Jesus Christus dazu geschaffen, das zu tun, was gut und richtig ist. Gott hat alles, was wir tun sollen, vorbereitet; an uns ist es nun, das Vorbereitete auszuführen.
Denkt doch einmal zurück! Ihr wisst ja, dass ihr wegen eurer nichtjüdischen Herkunft die »Unbeschnittenen« genannt werdet, und zwar von denen, die sich selbst als die »Beschnittenen« bezeichnen (dabei ist ihre Beschneidung etwas rein Äußerliches, ein menschlicher Eingriff an ihrem Körper). Wie stand es denn früher um euch? Früher hattet ihr keinerlei Beziehung zu Christus. Ihr hattet keinen Zugang zum israelitischen Bürgerrecht und wart ausgeschlossen von den Bündnissen, die Gott mit seinem Volk eingegangen war; seine Zusagen galten ihnen und nicht euch. Euer Leben in dieser Welt war ein Leben ohne Hoffnung, ein Leben ohne Gott.

Gott hat alles für uns vorbereitet! Wir denken oft, wir seien „unseres eigenen Glückes Schmid“ – aber das stimmt nicht. Bei so Vielem, das wir entscheiden und gestalten, hat etwas Anderes gewirkt. Es war Zufall, sagen die Leute. Nein, es war Gott, der unser Leben in seiner Hand hält, der Dinge vorbereitet hat, der Wege geschaffen hat, auf denen wir laufen können. Und er ruft uns zu: Jetzt lauft auch! Macht etwas daraus! Das bewirkt einerseits Gelassenheit: Ich muss nicht mehr aus mir machen, als ich bin. Ich darf ich sein. Und andererseits: Ich kann im Vertrauen die Gelegenheiten ergreifen, die sich mir bieten und sie als Gottes Weg für mich verstehen. So ermutigt Paulus seine Leser: Euer Weg als Christen ist die Chance für euch, ein ganz anderes, neues Leben zu führen. Ein Leben voller Hoffnung, das über den Tod hinaus geht, ein sinnvolles Leben. Es ist Gottes Geschenk – und darum müssen wir nicht gewaltsam Dinge erzwingen, die uns offenbar nicht geschenkt werden. Welche Chancen meines Lebens empfinde ich als Geschenke Gottes?

9.Juni  Epheser 2, 1 – 7

Auch euch hat Gott zusammen mit Christus lebendig gemacht. Ihr wart nämlich tot – tot aufgrund der Verfehlungen und Sünden, die euer früheres Leben bestimmten. Ihr hattet euch nach den Maßstäben dieser Welt gerichtet und wart dem gefolgt, der über die Mächte der unsichtbaren Welt zwischen Himmel und Erde herrscht, jenem Geist, der bis heute in denen am Werk ist, die nicht bereit sind, Gott zu gehorchen. Wir alle haben früher so gelebt; wir ließen uns von den Begierden unserer eigenen Natur leiten und taten, wozu unsere selbstsüchtigen Gedanken uns drängten. So, wie wir unserem Wesen nach waren, hatten wir – genau wie alle anderen – nichts verdient als Gottes Zorn. Doch Gottes Erbarmen ist unbegreiflich groß! Wir waren aufgrund unserer Verfehlungen tot, aber er hat uns so sehr geliebt, dass er uns zusammen mit Christus lebendig gemacht hat. Ja, es ist nichts als Gnade, dass ihr gerettet seid! Zusammen mit Jesus Christus hat er uns vom Tod auferweckt, und zusammen mit ihm hat er uns schon jetzt einen Platz in der himmlischen Welt gegeben, weil wir mit Jesus Christus verbunden sind. Bis in alle Ewigkeit will er damit zeigen, wie überwältigend groß seine Gnade ist, seine Güte, die er uns durch Jesus Christus erwiesen hat.

Ich gestehe, dass mir diese scharfe Trennung in Welt und Gemeinde Mühe macht. Sind denn alle, die nicht an Jesus Christus glauben, schlechte Menschen? Sind sie alle vom Teufel geleitet? Und lassen wir Christen uns nicht bisweilen von selbstsüchtigen Gedanken leiten? Mich erinnern diese Worte an die Zeugnisse von Drogenabhängigen, die ich früher oft gehört habe. Sie konnten von einer radikalen Lebenswende berichten, sie waren vorher wirklich in einem teuflischen Kreislauf von Abhängigkeit und Kriminalität gefangen. Und das gibt es immer wieder: Menschen, die dem „Geist dieser Welt“ gehorchen, die nach den Maßstäben dieser Welt leben, für die jeder sich selbst der Nächste ist. Solche Menschen werden hier als „tot“ bezeichnet – tot für die Liebe, tot für ihre Nächsten. Wir sind leicht geneigt, solche Menschen abzuschreiben und die Beziehung zu ihnen abzubrechen. Für diese in die Irre gegangenen Menschen gilt: Er hat sie so sehr geliebt, dass er sie lebendig macht! Es geht nicht um ein hochmütiges „Schwarz-Weiß“, hier wir Guten, dort ihr Schlechten, sondern darum, dass Gott Menschen lebendig machen will – auch durch uns. Welche Menschen empfinden wir als „tot“? Wir können für sie beten, den Kontakt halten, sie ganz praktisch lieben.


8.Juni   Epheser 1, 15 – 23

Hinzu kommt, dass ich gehört habe, wie beständig euer Glaube an den Herrn Jesus ist und was für eine Liebe ihr allen entgegenbringt, die zu Gottes heiligem Volk gehören. Wegen all dem kann ich nicht anders, als Gott immer wieder für euch zu danken. Jedes Mal, wenn ich bete, denke ich auch an euch. Ich bete darum, dass Gott – der Gott unseres Herrn Jesus Christus, der Vater, dem alle Macht und Herrlichkeit gehört – euch den Geist der Weisheit und der Offenbarung gibt, damit ihr ihn immer besser kennen lernt. Er öffne euch die Augen des Herzens, damit ihr erkennt, was für eine Hoffnung Gott euch gegeben hat, als er euch berief, was für ein reiches und wunderbares Erbe er für die bereithält, die zu seinem heiligen Volk gehören, und mit was für einer überwältigend großen Kraft er unter uns, den Glaubenden, am Werk ist. Es ist dieselbe gewaltige Stärke, mit der er am Werk war, als er Christus von den Toten auferweckte und ihm in der himmlischen Welt den Ehrenplatz an seiner rechten Seite gab. Damit steht Christus jetzt hoch über allen Mächten und Gewalten, hoch über allem, was Autorität besitzt und Einfluss ausübt; er herrscht über alles, was Rang und Namen hat – nicht nur in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen. Ja, Gott hat ihm alles unter die Füße gelegt, und er hat ihn, den Herrscher über das ganze Universum, zum Haupt der Gemeinde gemacht. Sie ist sein Leib, und er lebt in ihr mit seiner ganzen Fülle – er, der alles und alle mit seiner Gegenwart erfüllt.

Man muss sich, wenn man diesen Text liest, daran erinnern, wer die Empfänger damals waren. Eine kleine Gruppe von Christen, die sich im Hause eines Ortsphilosophen trafen. Und dieser kleinen Truppe wird gesagt: Ihr seid der Leib des wahren Weltherrschers! Sozusagen um die Ecke stand der Tempel des römischen Kaisers, er war der anerkannte und zu verehrende Weltherrscher. Und da kommen diese Sektierer daher und proklamieren ihren Christus als Weltherrscher über alle Autoritäten. Sind sie verrückt? Heute, angesichts einer weltweiten Kirche, empfinden wir das anders. Aber wir sollten uns daran erinnern, wer dieser Weltherrscher ist. Die Offenbarung bezeichnet ihn als „das Lamm auf dem Thron“. Ein eindrückliches Bild für diesen „Gegenkaiser“! Den tieferen Sinn dieser Herrschaft, die Art seines Regierens erkennt man nur mit „den Augen des Herzens“. Es ist diese völlig andere Sicht auf die Welt, die auf die Herrschaft der Liebe hofft und schon ihren Anbruch entdeckt. Wo brauche ich heute mitten in meinem Alltag „Augen des Herzens“? Wo ist Christi Herrschaft schon am Werk?



7.Juni Epheser 1, 8 – 14


Durch sie (die Gnade) hat er uns reich beschenkt, in aller Weisheit und Einsicht, er hat uns das Geheimnis seines Willens kundgetan, wie er es gnädig im Voraus bestimmt hat in ihm. Er hat beschlossen, die Fülle der Zeiten heraufzuführen, das All in Christus als dem Haupt zusammenzufassen, was im Himmel und auf Erden ist, in ihm. In ihm sind wir auch als Erben vorherbestimmt nach dem Plan dessen, der alles so bewirkt, wie er es in seinem Willen beschließt; wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt, die wir schon